L 11 EG 2279/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 EL 3640/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 2279/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 9. April 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten höheres Elterngeld, wobei die Bemessungsgrundlage für die Berechnung von Elterngeld für Selbständige streitig ist.

Die am 14. Dezember 1977 geborene ledige Klägerin war nach ihren eigenen Angaben bis September 2005 beim B. A.-Z. Verlag (BAZ) S. versicherungspflichtig beschäftigt. Seither übte die Klägerin eine selbständige Tätigkeit als Anzeigenberaterin für das Wochenblatt M. aus. Am 1. August 2007 gebar sie ihren Sohn N. S., dessen Vater der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist. Vier Wochen vor der Geburt ihres Sohnes verringerte die Klägerin ihre Arbeitszeit auf 30 Stunden pro Woche. Zum 1. Dezember 2007 stellte sie die Tätigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme komplett ein. Im Zeitraum vom 15. Juni bis 26. September 2007 bezog die Klägerin von der DAK S. Mutterschaftsgeld in Höhe von kalendertäglich 48,49 EUR (Bescheinigung vom 14. August 2007 der DAK S.).

Am 15. August 2007 beantragte sie zusammen mit ihrem Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten die Gewährung von Elterngeld für 12 Monate ab Geburt ihres Sohnes. Sie gab an, bei der DAK S. pflichtversichert zu sein. In der Erklärung zum Einkommen zum Antrag auf Elterngeld bestätigte die Klägerin, dass sie ihre Tätigkeit sowohl in den 12 Kalendermonaten als auch im Kalenderjahr vor der Geburt ihres Kindes ausgeübt habe. Es sei zu keinem Einkommensverlust wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes gekommen und es seien keine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung geleistet worden. Der voraussichtliche Gewinn betrage in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 1. Oktober 2008 monatlich ca 200,- EUR bei 30 Wochenstunden. Zum weiteren Nachweis ihres Einkommens legte sie die Mitteilung des Finanzamtes S. für 2005 über Umsatzsteuer vom 5. April 2007 (abzurechnender Betrag: 1.322,84 EUR), den Bescheid für 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 5. April 2007 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 8.312,- EUR; Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit [Bruttoarbeitslohn]: 14.584,- EUR), den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für das Kalenderjahr 2007 vom 28. März 2007 (Festsetzung von 656,- EUR), den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Juni 2007 vom 16. Juli 2007 (Festsetzung von 576,46 EUR) und den Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 5. April 2007 (Festsetzung von insgesamt 712,- EUR für 2007 und 534,- EUR ab 2008) vor. Auf Anforderung der Beklagten reichte sie darüber hinaus die Einnahmen-Überschussrechnungen (Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 Einkommensteuergesetz [EStG]) für die Zeiträume vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006 und vom 1. August bis 31. Dezember 2007 nach. Im Hinblick auf ersteren Zeitraum verwies sie auf den ebenfalls von ihr vorgelegten Bescheid für 2006 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag des Finanzamtes S. vom 15. November 2007, wonach Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.763,- EUR erzielt worden seien; die festzusetzende Einkommensteuer belief sich auf 1.441,- EUR und der Solidaritätszuschlag auf 79,25 EUR. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Juli 2008 habe sie einen Verlust von 1.651,67 EUR und im Zeitraum vom 1. August bis 31. Dezember 2007 einen Gewinn von 633,33 EUR erwirtschaftet. Zudem gab sie an, dass sie ihre selbständige Tätigkeit beim Wochenblatt M. zum 1. November 2007 aufgegeben habe und eine weitere Tätigkeit auf nicht absehbare Zeit aufgrund von gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht komme. Sie erläuterte weiter, dass sich nach der Geburt ihres Sohnes ergeben habe, dass eine Weiterbeschäftigung aufgrund des notwendigen Außendienstes nicht mehr möglich gewesen sei, da sie seit der Geburt ihres Sohnes erkrankt sei. Daraus resultiere auch der drastische Umsatzrückgang. Sie habe daher ab dem 1. Dezember 2007 ihre Tätigkeit vorläufig eingestellt. Als Ausgaben verblieben ihr die Leasingraten für ihren Pkw. Diesen Vertrag könne sie nicht lösen, da sie das Fahrzeug bei Wiederaufnahme einer Tätigkeit benötige. Insofern habe sie für 2008 diese Kosten als Verlust eingerechnet, dem keine Einnahmen gegenüberstünden (Schreiben der Klägerin vom 24. Januar 2008).

Mit Bescheid vom 25. Februar 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld in Höhe von 135,81 EUR für den 2. Lebensmonat sowie für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe von jeweils 1.018,55 EUR. Der Berechnung der Leistung lagen die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (19.763,- EUR) abzüglich Steuern (1.520,25 EUR = 18.242,75 EUR) zugrunde. Bei einem Anspruchsfaktor von 67 % und einen durchschnittlichen monatlichen Einkommen von 1.520,23 EUR ergebe sich ein monatliches Elterngeld in Höhe von 1.018,55 EUR. Da die Einkünfte im maßgeblichen Zeitraum nicht abschließend ermittelt werden könnten, ergehe der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gleichzeitig wurde die Klägerin gebeten, die endgültigen Einkommensnachweise umgehend nach Erhalt nachzureichen, damit das Elterngeld neu berechnet werden könne.

Mit ihrem hiergegen am 20. März 2008 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte ihre Berechnung auf § 2 Abs 9 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) stütze. Es sei unstreitig, dass sie in den letzten Beschäftigungsjahren selbständig tätig gewesen sei. Das monatliche Einkommen aus den Jahren 2006 und 2007 sei erheblich höher als das von der Beklagten errechnete, da sie mit ihrer selbständigen Tätigkeit erheblich höhere Einnahmen habe erzielen können als zur Zeit der Ausübung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit. Die Beklagte müsse daher ihr tatsächliches Gehalt als Bemessungsgrundlage heranziehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, der Bemessungszeitraum für die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit sei gemäß § 2 Abs 9 BEEG der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum, hier also das Kalenderjahr 2006, da die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums (1. August 2006 bis 31. Juli 2007) als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums (Kalenderjahr 2006) ausgeübt habe. Daher werde in Abweichung von § 2 Abs 8 BEEG gemäß dem vorliegenden Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2006 ein Gewinn von 19.763,- EUR zugrunde gelegt. Auf diesen Betrag entfielen Steuern in Höhe von insgesamt 1.520,25 EUR. Daraus ergebe sich ein durchschnittliches vorgeburtliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.520,23 EUR (19.763 EUR - 1.520,25 EUR = 18.242,75 EUR./. 12 Monate) und aufgrund des Anspruchsfaktors von 67 % ein Anspruch auf Elterngeld für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 1.018,55 EUR und für den 2. Lebensmonat - unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes - in Höhe von 135,81 EUR. Der Vorbehalt im Bescheid vom 25. Februar 2008 werde aufgehoben und der Elterngeldanspruch endgültig festgesetzt.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. November 2008 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte könne der Berechnung ihres Einkommens nicht den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2006 zugrundelegen, da ein solches Vorgehen im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 2 Abs 9 BEEG stehe. Es könne nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein, einzig aufgrund eines Steuerbescheides des letzten Veranlagungszeitraums die Berechnungen des Elterngeldes vorzunehmen. Vielmehr müsse eine Gleichstellung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit erreicht werden. Im Jahr 2006 habe sie ein monatliches Einkommen in Höhe von 2.958 EUR brutto (2.550,- EUR netto) und im Jahr 2007 in Höhe von 3.034,50 EUR brutto (2.550,- EUR netto) erzielt. Es handele sich hierbei um das regelmäßige monatliche Einkommen als freiberufliche Mitarbeiterin beim Wochenblatt M ... Für diese Tätigkeit habe sie eine feste monatliche Provision in Höhe von 2.550,- EUR zzgl Mehrwertsteuer dem Wochenblatt in Rechnung gestellt. Vorliegend komme es für die Berechnung ihres Einkommens einzig auf die tatsächlichen Einnahmen abzüglich der Steuern an. Berufliche Aufwendungen, welche in den Steuerbescheiden Berücksichtigung gefunden hätten, müssten hierbei außer Acht gelassen werden. Andernfalls führe dies zu einer Ungleichbehandlung zwischen selbständig Tätigen und nichtselbständig Tätigen. Da das monatliche Einkommen aus den Jahren 2006 und 2007 erheblich höher sei, als das von der Beklagten bei der Berechnung zugrundegelegte Einkommen, hätte somit auch das regelmäßig erzielte Einkommen in Höhe von 2.550,- EUR bei der Bemessung des Elterngelds Berücksichtigung finden müssen. Bei einem monatlichen Einkommen von 2.550,- EUR ergebe sich ein Anspruch auf Elterngeld in Höhe von 1.708,50 EUR. Zur weiteren Begründung hat die Klägerin ua Provisionsabrechnungen für August 2006 (Gesamt 2.958,- EUR inkl Mwst iHv 408,- EUR) und Februar 2007 (Gesamt 3.034,50 EUR inkl Mwst iHv 484,50 EUR), Kontoauszüge und den Bescheid des Finanzamtes M.-N. vom 10. Juni 2008 für das Jahr 2007 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag (Einkünfte aus Gewerbebetrieb 13.819,- EUR) vorgelegt.

Mit Urteil vom 9. April 2009, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 20. April 2009, hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Höhe des Elterngeldes richte sich nach § 2 Abs 1, 8 und 9 BEEG. Die Beklagte habe das Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des Sohnes der Klägerin richtig berechnet. Dies habe der Klägerbevollmächtigte im Verhandlungstermin ausdrücklich bestätigt. Die Vorschrift des § 2 Abs 9 BEEG verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Es liege nämlich keine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund vor. Denn für die unterschiedliche Berechnung des Einkommens von selbständig Tätigen und nichtselbständig Tätigen gebe es einen sachlichen Rechtfertigungsgrund. Der Rückgriff auf einen steuerlich bereits erfassten Veranlagungszeitraum diene der Verwaltungsvereinfachung und der Vermeidung von Unsicherheiten, die mit der Einkommensermittlung in den 12 Monaten vor der Geburt des Kindes verbunden seien. Dass hiermit praktische Vorteile, im Einzelfall für den Betroffenen aber auch Nachteile verbunden seien, habe der Gesetzgeber erkannt und bei seiner Regelung berücksichtigt. So habe er nur dann auf den steuerlichen Veranlagungszeitraum abgehoben, wenn dessen Einkünfte repräsentativen Charakter hätten, was sich insbesondere auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe (Bezug auf BT-Drs 16/2785, 38). Dass es unabhängig hiervon zu weiteren Ungerechtigkeiten im Einzelfall kommen könne, sei hinzunehmen. Bei nichtbeitragsgestützten Sozialleistungen wie Erziehungs- oder Elterngeld komme dem Gesetzgeber traditionell ein weiter Spielraum zu, den er vorliegend nicht überschritten habe.

Hiergegen richtet sich die am 18. Mai 2009 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertiefend ergänzt, zwischen ihr und abhängigen Beschäftigten liege eine Ungleichbehandlung vor, da bei letzterer Gruppe das Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben und Werbungskosten innerhalb der letzten zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes berücksichtigt würde. Hierfür existiere entgegen der Ansicht des SG kein sachlicher Grund. Der Rückgriff auf einen steuerlich bereits erfassten Veranlagungszeitraum für die Einkommensermittlung sei weder geeignet noch erforderlich oder angemessen, um das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Verwaltungsvereinfachung und der Vermeidung von Unsicherheiten zu erreichen. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit regelmäßig starken Schwankungen unterlägen. Diese Unsicherheit könne durch die Berechnungsmethode nicht vermieden werden. Der repräsentative Charakter des Einkommens könne nicht durch die Zugrundelegung des letzten Einkommensteuerbescheides zutage treten. In anderen Bereich habe dies der Gesetzgeber bereits erkannt. Gemäß § 1605 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei regelmäßig auf das durchschnittlich erzielte Einkommen innerhalb der letzten drei Jahre abzustellen. Sie habe im Zeitraum vom 1. August 2006 bis 31. Juli 2007 ein regelmäßiges monatliches Einkommen in Höhe von 2.550,- EUR netto erzielt. Weitere Abzüge seien nicht vorzunehmen; Abzüge, wie zB Spenden, Pkw-Leasingraten etc, die in einem Steuerbescheid Berücksichtigung finden könnten, seien unerheblich. Die Berechnungsmethode nach § 9 Abs 2 BEEG sei auch wegen fehlender Angemessenheit rechtswidrig. Die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung führe mithin bei ihr zu einer Leistungskürzung. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass beim Selbständigen als auch bei nicht selbständig Tätigen es ohnehin am Jahresende zu Korrekturen durch die Jahressteuererklärungen komme. Sie arbeite letztlich wie eine unselbständig Angestellte, werde aber aufgrund des Gesetzes völlig anders behandelt. Dies sei nicht hinnehmbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 9. April 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für den 1. bis 12. Lebensmonat Elterngeld in Höhe von monatlich 1.708,50 EUR abzüglich des für den 1. und 2. Lebensmonat gezahlten Mutterschaftsgeldes zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass sie das BEEG einfachgesetzlich richtig angewendet habe. Geltend gemacht werde lediglich ein Verstoß des § 2 Abs 8 und 9 BEEG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 GG. Für die bestehende Ungleichbehandlung lägen sachliche Gründe vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Rückgriff auf den Steuerbescheid geeignet, erforderlich und angemessen, um Unsicherheiten im Rahmen der Einkommensermittlung zu vermeiden. Der Einkommensteuerbescheid sei geeignet die Einkünfte eines Selbständigen innerhalb eines Kalenderjahres festzustellen und habe auch repräsentativen Charakter. Wie die Einkünfte der Klägerin in den nächsten Jahren seien, sei überhaupt nicht absehbar. Die gesetzliche Regelung könne sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil für den Anspruchsberechtigten wirken. Hinzu komme, dass im Rahmen der freiwilligen Leistungsverwaltung der Gesetzgeber bei der Festlegung der Anspruchsvoraussetzungen einen sehr weiten Handlungsspielraum habe. So bleibe es dem Gesetzgeber zB unbenommen, das Elterngeld komplett zu streichen. Er habe auch eine andere Regelung für die Einkommensermittlung als in § 1605 BGB treffen können. Dies sei nicht willkürlich. Darüber hinaus sei die Auffassung der Klägerin, dass bei ihr lediglich die tatsächlichen Einnahmen abzüglich Steuern für die Berechnung des Anspruchs zugrundzulegen seien, berufliche Aufwendungen jedoch nicht in Abzug zu bringen seien, nicht haltbar. Hierbei werde übersehen, dass auch bei der Ermittlung von Einkommen bei nichtselbständiger Tätigkeit berufliche Aufwendungen (pauschal) berücksichtigt würden, so dass eine Ungleichbehandlung nicht vorliege. Im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. Dezember 2009 (B 10 EG 2/09 R) könne allenfalls relevant sein, ob der zeitliche Umfang der selbständigen Tätigkeit um mehr als 20 % im Hinblick auf den steuerlichen Veranlagungszeitraum und den maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt abweiche.

In diesem Zusammenhang hat der Senat die Klägerin gebeten, ggfs zur 20 %-Abweichung weiter vorzutragen. Die Klägerin hat hierzu jedoch keine weiteren Angaben gemacht und lediglich darauf hingewiesen (Schriftsatz vom 3. Mai 2010), dass sie ihre Einkommensberechnungen sowohl Brutto als auch Netto nachgewiesen habe, was unstreitig sei. Ihr gehe es im Wesentlichen allein um die Frage, ob sie auf gleicher Grundlage wie ein Arbeitnehmer ihr Einkommen berechnen dürfe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Gewährung höheren Elterngeldes.

Streitgegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Absatz 4 SGG), die auf Zahlung höheren Elterngeldes unter Zugrundelegung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Sohnes der Klägerin gerichtet ist, ist der Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2008. Die im Bescheid vom 25. Februar 2008 vorläufige Festsetzung des Elterngeldes wurde in zulässiger Weise durch den Widerspruchsbescheid vom 29. September 2008 durch eine endgültige Festsetzung ersetzt.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach dem BEEG in der Fassung des Art 6 des Gesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I, 1970).

Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Die Klägerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebt mit ihrem am 1. August 2007 geborenen Sohn in einem Haushalt, sie betreut und erzieht ihren Sohn und übt keine volle Erwerbstätigkeit aus. Nach ihren eigenen Angaben hat sie ihre selbständige Tätigkeit als Anzeigenberaterin zum 1. Dezember 2007 eingestellt, nachdem sie diese Tätigkeit zuvor ab dem 1. Juli 2007 auf 30 Wochenstunden reduziert hatte.

Nach § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,- EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständige Arbeit und nichtselbständige Arbeit im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG nach Maßgabe der Abs 7 bis 9 zu berücksichtigen.

Nachdem die Klägerin bereits seit September 2005 als selbständige Anzeigenberaterin arbeitete und nebenher keine weitere unselbständige Tätigkeit ausgeübt hat, ist das zu berücksichtigende Einkommen mithin entweder nach Maßgabe des § 2 Abs 8 BEEG oder nach Maßgabe des § 2 Abs 9 BEEG zu ermitteln.

§ 2 Abs 8 Satz 1 BEEG enthält den Grundsatz, dass als Einkommen aus selbständiger Arbeit der (um Steuern, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte) Gewinn zu berücksichtigen ist. Nach § 2 Abs 8 Satz 2 BEEG ist Grundlage der Einkommensermittlung der Gewinn, der sich aus einer mindestens den Anforderungen des § 4 Abs 3 EStG entsprechenden Berechnung (Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben) ergibt. Erst wenn der Gewinn danach nicht ermittelt werden kann, ist nach § 2 Abs 8 Satz 3 BEEG von den Einnahmen eine Betriebskostenpauschale in Höhe von 20 % abzuziehen.

Nach § 2 Abs 8 Satz 5 BEEG bleiben auf Antrag der berechtigten Person entsprechend der in § 2 Abs 7 Satz 5 und 6 BEEG für abhängig Beschäftigte getroffenen Regelung Kalendermonate des Bezugs von Elterngeld für ein älteres Kind oder von Mutterschaftsgeld sowie Kalendermonate, in denen wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung die Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt werden konnte, bei der Bestimmung des Zwölfmonatszeitraums vor der Geburt des Kindes unberücksichtigt.

Ist die dem zu berücksichtigenden Einkommen ua aus selbständiger Arbeit zugrundeliegende Erwerbstätigkeit "sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden", gilt nach § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG "abweichend von Abs 8" als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie es sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt. Diese Fiktion tritt nach § 2 Abs 9 Satz 2 BEEG nicht ein, wenn im Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen des § 2 Abs 7 Satz 5 oder 6 BEEG vorgelegen haben, also Elterngeld für ein älteres Kind oder Mutterschaftsgeld bezogen worden ist und/oder Einkommen aus Erwerbstätigkeit wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung ganz oder teilweise weggefallen ist. Ist in dem für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraum zusätzlich Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt worden, kann nach § 2 Abs 9 Satz 3 BEEG der (sich aus einem Steuerbescheid ergebende) durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn des letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums im Sinne des Abs 9 Satz 1 nur dann herangezogen werden, wenn auch im Veranlagungszeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt worden sind. Ist dies der Fall, gilt als monatliches Einkommen im Sinne von Abs 7 Satz 1 das im Veranlagungszeitraum erzielte monatliche Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Wie bereits dargelegt, hat die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt ihres Sohnes lediglich eine selbständige Tätigkeit als Anzeigenbearbeiterin ausgeübt. Dies ergibt sich bereits aus dem Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes S. vom 15. November 2007 für 2006. Darüber hinaus hat die Klägerin im Klageverfahren ausdrücklich klargestellt, dass sie seit September 2005 durchgehend nur ihre Tätigkeit als selbständige Anzeigenarbeiterin ausgeübt hat.

Eine Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens der Klägerin aus selbständiger Arbeit nach § 2 Abs 1 und 8 BEEG kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Klägerin die Voraussetzungen des § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG erfüllt und diese Regelung nicht verfassungswidrig ist.

Der für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgebliche Zeitraum betrifft hier die Zeit vom 1. August 2006 bis 31. Juli 2007. Nachdem zum Zeitpunkt der Antragstellung am 15. August 2007 bereits der Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes S. vom 15. November 2007 für das Jahr 2006 vorlag, betrifft der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr 2006. Die Klägerin hat sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraumes - also durchgängig - ihre Tätigkeit als selbständige Anzeigenberaterin beim Wochenblatt M. ausgeübt. Diese durchgängig ausgeübte Erwerbstätigkeit stimmte in beiden Zeiträumen auch in zeitlichem Umfang überein. Das BSG hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass es auf die Übereinstimmung des zeitlichen Umfanges maßgeblich ankommt, da für die Berechnung des Einkommens § 2 Abs 9 BEEG nicht zugrundegelegt werden kann, wenn der zeitliche Umfang in beiden Zeiträumen um mindestens 20 % voneinander abweicht (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 - B 10 EG 2/09 R = veröffentlicht in juris; Urteil vom 17. Februar 2011 - B 10 EG 2/10 R). Für diese einschränkende Auslegung der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG hat das BSG vor allem verfassungsrechtliche Erwägungen herangezogen. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung stellt der erkennende Senat fest, dass der zeitliche Umfang der Tätigkeit der Klägerin als selbständige Anzeigenberaterin in beiden Zeiträumen nicht um mindestens 20 % voneinander abgewichen ist. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vortrag der Klägerin. Diese hat angegeben, dass sie lediglich vier Wochen vor der Geburt ihre Arbeitszeit verringert hat. Dabei hat sie angegeben, nur noch 30 Stunden pro Woche gearbeitet zu haben, bis sie dann ab dem 1. Dezember 2007 ihre Tätigkeit komplett eingestellt hat. Daraus folgt aber, dass sie sowohl vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006 als auch vom 1. August 2006 bis 30. Juni 2007 (vier Wochen vor der Geburt ihres Sohnes) ihre Tätigkeit für das Wochenblatt M. in gleichem zeitlichen Umfang ausgeübt hat. Etwas anderes wird von der Klägerin - nach ausdrücklicher Anfrage durch den Senat - auch nicht behauptet.

Vor diesem Hintergrund durfte die Beklagte bei der Berechnung des Einkommens der Klägerin die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.763,- EUR, wie sie im Bescheid des Finanzamtes S. vom 15. November 2007 für das Jahr 2006 angegeben sind, zugrundelegen. Die festzusetzende Einkommensteuer betrug danach 1.441,- EUR und der Solidaritätszuschlag 79,25 EUR. Hierdurch errechnet sich ein durchschnittliches vorgeburtliches Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 1.520,23 EUR (19.763,- EUR - 1.520,25 EUR = 18.242,75 EUR./. 12 Monate). Die Berechnung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Bei einem Anspruchsfaktor von 67 % ergibt sich mithin ein monatlicher Anspruch auf Elterngeld in Höhe von 1.018,55 EUR. Nachdem die Klägerin bis zum 26. September 2007 Mutterschaftsgeld in Höhe von 48,49 EUR kalendertäglich erhalten hat und das Mutterschaftsgeld gemäß § 3 BEEG auf das zustehende Elterngeld angerechnet wird, ergibt sich, dass ihr für den 1. Lebensmonat kein Anspruch auf Elterngeld zusteht, für den 2. Lebensmonat ein Anspruch in Höhe von 135,81 EUR und für den 3. bis 12. Lebensmonat ein Anspruch in Höhe von monatlich 1.018,55 EUR zusteht.

Die Regelung des § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht verfassungswidrig. Der Senat geht vielmehr mit dem BSG davon aus, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung bestehen (BSG, Urteil vom 17. Februar 2011 - B 10 EG 2/10 R). Der Gesetzgeber war nicht gehindert, Einkommen aus verschiedenen Einkunftsarten aus besonderen sachlichen Gründen ungleich zu behandeln. Die unterschiedliche Behandlung von Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit bei der Einkommensermittlung nach § 2 Abs 7 bis 9 BEEG ist gerechtfertigt in Anbetracht der zahlreichen Unterschiede zwischen einer selbst- und einer fremdbestimmten Erwerbstätigkeit, vor allem hinsichtlich Arbeitseinsatz sowie Zeitpunkt und Höhe des erzielten Einkommens (BSG, Urteil vom 17. Februar 2011 - B 10 EG 2/10 R; BT-Drucks 16/2785, 38). Bei der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG handelt es sich um eine typisierende Regelung, denn es wird dadurch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei Selbständigen ein Rückgriff auf den Steuerbescheid des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums ermöglicht. Dabei durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass das Einkommen im Veranlagungszeitraum für das Einkommen im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes repräsentativ ist. Aufgrund der zulässigen typisierenden Betrachtungsweise trägt auch der Einwand der Klägerin, bei ihr seien die Einkommensverhältnisse eindeutig und ohne hohen Verwaltungsaufwand zu ermitteln, nicht. Denn der Umstand, dass im Einzelfall das Einkommen ohne hohen Verwaltungsaufwand ermittelbar ist, führt nicht dazu, dass die vom Gesetzgeber normierte typisierte Einkommensermittlung nicht zulässig wäre.

Die Regelung ist auch geeignet, erforderlich und angemessen, um das Einkommen Selbständiger zu ermitteln. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen im Hinblick auf die bereits genannte Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf 20-%-Regelung nicht. Denn wenn der zeitliche Umfang der selbständigen Erwerbstätigkeit in beiden Zeiträumen um mindestens 20 % voneinander abweicht, ist die typisierende Fiktion des § 2 Abs 9 Satz 1 BEEG nicht mehr gerechtfertigt. In einem solchen Ausnahmefall - der hier nicht vorliegt - ist mithin das Einkommen nach § 2 Abs 8 BEEG zu berechnen. Durch diese verfassungskonforme Auslegung liegt eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG nicht vor (BSG, Urteil vom 17. Februar 2011 - B 10 EG 2/10 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage liegen bereits Entscheidungen des BSG vor (Urteil vom 3. Dezember 2009 - B 10 EG 2/09 R = veröffentlicht in juris; Urteil vom 17. Februar 2011 - B 10 EG 2/10 R).
Rechtskraft
Aus
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