Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 268/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1606/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. März 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen einen, eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt.
Der am 07.12.1956 geborene Kläger bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Klägers beim Beklagten am 01.08.2008 unterbreitete dieser dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung, zu der der Kläger seine Zustimmung nicht erteilte, vielmehr am 18.08.2008 ein vom ihm selbst formulierte Eingliederungsvereinbarung vorlegte, nach der der Beklagte ihm für sechs Monate eine Tätigkeit im Stadtarchiv Konstanz zuweise. Der Beklagte setzte sodann die Inhalte seiner Eingliederungsvereinbarung mit Verwaltungsakt vom 06.11.2008 fest. Der Kläger wurde darin verpflichtet, in der Zeit vom 10.11.2008 - 10.05.2009 mindestens zwei Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungs-pflichtige oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse pro Monat zu unternehmen und nachzuweisen. Der Verwaltungsakt wurde dem Beklagten am 26.11.2008 mit dem auf den 15.11.2008 datierten Vermerk "Annahme verweigert" durch die Deutsche Post zurückgereicht.
Nachdem der Kläger, auf eine Anhörung des Beklagten, am 16.12.2008 erklärte, ihm sei eine Eingliederungsvereinbarung vom 06.11.2008 weder ausgehändigt worden noch auf dem Postwege zugegangen, er habe eine Eingliederungsvereinbarung auch nicht unterschrieben, übersandte der Beklagte mit Schreiben vom 19.12.2008 den Verwaltungsakt erneut mit dem Hinweis an den Kläger, dass er die Annahme des Verwaltungsaktes - nachweisbar - verweigert habe, dieser jedoch trotz der Annahmeverweigerung als zugestellt gelte.
Den gegen den Verwaltungsakt am 30.12.2008 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe das Schreiben vom 06.11.2008 zurücksenden lassen, da weder auf dem Briefumschlag noch auf dem durch das Zelluloidfenster sichtbaren Teile des Schreibens ein Absender erkennbar gewesen sei. Der Beklagte habe keinen Nachweis erbracht, dass die von ihm selbst aufgesetzte Eingliederungsvereinbarung vom 18.08.2008 von einem Sachbearbeiter unterschrieben worden sei. Ohne den Nachweis diese Unterschrift dürfe diese Eingliederungsvereinbarung nicht einseitig von der Beklagten abgeändert werden. Eine Beteiligung von Nichtbeteiligten (durch die verlangten Eigenbemühungen) sei keine Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2009 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Seine Entscheidung begründete er damit, dass der Bescheid vom 06.11.2008 am 07.11.2008 zur Post aufgegeben worden sei. Am 15.11.2008 habe der Kläger die Annahme des Verwaltungsaktes vom 06.11.2008 bewusst verweigert, weswegen im Hinblick auf die Bekanntgabe des Bescheides auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei. Der Kläger habe das Schreiben erhalten. Die Widerspruchsfrist sei ausgehend hiervon am 15.12.2008 abgelaufen; der Widerspruch vom 30.12.2008 sei nach Fristablauf eingegangen. Bisher habe der Kläger nie die Annahme von Schreiben der Beklagten verweigert.
Hiergegen hat der Kläger am 22.01.2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, er habe in der Postfiliale vor den Postfächern gesehen, dass bei der Briefsendung weder auf dem Umschlag noch auf dem durch das Zelluloidfenster sichtbaren Teil des Schreibens ein Absender angegebenen gewesen sei. Daher habe er den Brief der Mitarbeiterin der Postfiliale ausgehändigt und gesagt, er wünsche, dass dieser Brief an den Absender zurückgeschickt werde. Er habe den Briefumschlag nicht geöffnet, da geöffnete Sendungen nach Auskunft der Post auf Kosten des Empfängers zurückgesandt werden müssten. Er habe keine Kenntnis vom Inhalt des Schreibens erlangt. Die von ihm abverlangten Bewerbungsbemühungen erforderten überdies, dass er Kontakt mit Nichtbeteiligten aufnehme. Hiervon könne die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II nicht abhängig gemacht werden. Auch sei es dem Beklagten verwehrt, Eigenbemühungen zum Zwecke der Abklärung seiner Eingliederungsbereitschaft zu verlangen. Der Beklagte habe schließlich keinen Beweis darüber erbracht, dass die von ihm vorgelegte Eingliederungsvereinbarung von einem Sachbearbeiter des Beklagten unterzeichnet worden sei. Der Verwaltungsakt verstoße gegen Grundrechte und sein Selbstbestimmungsrecht, auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu die aus seiner Sicht eingetretene Bestandskraft des Verwaltungsaktes angeführt. Der Kläger habe Gelegenheit gehabt, sich vom Inhalt der Briefsendung Kenntnis zu verschaffen. Sollte der Kläger den Brief nicht geöffnet haben, gehe dies nicht zu Lasten des Beklagten ...
Mit Urteil vom 11.03.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG angeführt, der Bescheid vom 06.11.2008 sei bestandskräftig und bindend, da der Kläger nicht fristgerecht Widerspruch eingelegt habe. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei der Widerspruch binnen eines Monats schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Widerspruchsfrist beginne mit der Bekanntgabe an den Beschwerten. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Nach seinen eigenen Angaben habe der Klägers den Briefumschlag mit dem Verwaltungsakt entgegengenommen und ihn einer Mitarbeiterin der Postfiliale wieder zurückgegeben. Bereits hiermit sei der Bescheid bekanntgeben worden. Dies erfordere lediglich, dass das Schriftstück so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei einem gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger gerechnet werden könne. Eine Bekanntgabe liege auch dann vor, wenn der Empfänger die Annahme des schriftlichen Verwaltungsaktes verweigere; die tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts des Verwaltungsaktes sei hingegen nicht erforderlich.
Gegen das am 22.03.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.04.2010 Berufung eingelegt. Er bringt hierzu vor, der Verwaltungsakt sei nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Von ihm sei nicht zu erwarten gewesen, von einem Schriftstück, das seinen Absender nicht habe erkennen lassen, Kenntnis zu nehmen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. März 2010 aufzuheben und den Verwaltungsakt des Beklagten vom 06. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf seine bisherigen Ausführungen und den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides
Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) ist zulässig. Dies gilt trotz des Umstandes, dass der Kläger über keine ladungsfähige Anschrift verfügt. Grundsätzlich erfordert ein zulässiges Rechtsschutzbegehren, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtsuchenden genannt wird; die Angabe "postlagernd" genügt diesem Erfordernis nicht (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S veröffentlicht in juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 92 Rn. 3). Der obdachlose Kläger, der denknotwendigerweise eine Wohnanschrift nicht mitteilen kann, ist jedoch über die Anschrift des SG erreichbar, da er dort regelmäßig vorspricht und an ihn gerichtete Schriftstücke - bspw. auch die Mitteilung des Senats über die beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG - abholt, so dass auch Zustellungen des Gerichts möglich sind.
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Soweit der Kläger hierzu vorgebracht hat, das SG habe während der mündlichen Verhandlung die Frage, ob der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 ordnungsgemäß bekanntgegeben wurde, nicht erörtert, dies sei deswegen in der zweiten Tatsacheninstanz zu klären, erfordert nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 ist bestandkräftig und damit für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden.
Der Kläger hat gegen den Verwaltungsakt vom 06.11.2008 nicht fristgerecht Widerspruch eingelegt. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Unter Bekanntgabe ist hierbei die zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsaktes durch eine Behörde an den Beschwerten zu verstehen. Entsprechend der Regelung des § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches reicht es hierfür aus, wenn der Verwaltungsakt in die Verfügungsmacht des Betroffenen gelangt, so dass dieser die Möglichkeit hat, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.1996 - 11 RAr 31/96- veröffentlicht in juris; Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand April 2009, § 37 SGB X, Rn. 3 m.w.N.).
Nach den eigenen Angaben des Klägers hat er den Briefumschlag mit dem Verwaltungsakt in der Postfiliale entgegengenommen. Der Verwaltungsakt ist hiermit in den Machtbereich des Klägers gelangt; er ist dem Kläger zu diesem Zeitpunkt, d.h. am 15.11.2008, bekanntgegeben gewesen. Der Umstand, dass der Kläger das Schreiben ungeöffnet einer Mitarbeiterin der Postfiliale zurückgegeben hat, vermag hieran nichts zu ändern, da die tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts des Briefes für dessen Bekanntgabe nicht erforderlich ist (Krasney, a.a.O.). Eine Bekanntgabe liegt mithin auch dann vor, wenn der Empfänger die Annahme des schriftlichen Verwaltungsaktes verweigert (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.06.1989 -L 11 Ka 123/88- veröffentlicht in juris). Übergeht der Betroffene vielmehr vorsätzlich die Möglichkeit, Bescheide, Beschlüsse, Urteile o.ä. zur Kenntnis zu nehmen, bzw. verschließt er sich bewusst einer Bekanntgabe oder Zustellung von Schriftstücken, so ist sein Berufen auf Unkenntnis bzw. die spätere Kenntnisnahme rechtsmissbräuchlich und verstößt gegen Treu und Glauben (Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 14.04.2010 - 1 BvR 299/10 – veröffentlicht in juris).
Die vom Kläger vertretene Auffassung, der Verwaltungsakt sei nicht bekanntgegeben worden, würde demgegenüber dazu führen, dass es den Adressaten von Verwaltungsakten durch die Verweigerung der Annahme von Postsendungen möglich wäre, den Erlass ihnen unliebsamer Bescheide zu verhindern.
Der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 galt mithin mit dem 15.11.2008 als bekanntgegeben. Die Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG lief hiernach am 15.12.2008 ab. Der am 30.12.2008 eingelegte Widerspruch war mithin verfristet. Dahingestellt bleiben kann, ob das Schreiben des Klägers vom 14.12.2008 als Widerspruch ausgelegt werden kann, da es erst am 16.12.2008, einem Dienstag bei der Beklagten eingegangen und damit gleichfalls verfristet ist.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs. 1 SGG) ist vom Kläger nicht beantragt worden. Überdies kommt eine solche nur in Betracht, wenn dem Kläger kein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist zu Last fällt. Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden.
In der erneuten Übersendung des Verwaltungsaktes mit Schreiben vom 19.12.2008 liegt schließlich auch keine neuerliche Bekanntgabe mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist erneut zu laufen begonnen hätte. Der Beklagte hat vielmehr hinreichend deutlich darauf hin, dass sie von der bereits erfolgten Bekanntgabe des Bescheides ausgehe und den Kläger lediglich erneut über den Inhalt des Bescheides informieren wolle.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 auch inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Weder der Umstand, dass der Beklagte, nachdem eine Einigung über eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande gekommen ist, die Inhalte der Vereinbarung durch Verwaltungsakt festgesetzt hat, noch die dem Kläger auferlegten Verpflichtungen unterliegen rechtlichen Bedenken. § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sieht den Erlass eines Verwaltungsaktes ausdrücklich vor. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II soll in einer Eingliederungsvereinbarung insb. bestimmt werden, welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat. Die Verpflichtung des Klägers, sich pro Monat um zwei Beschäftigungen zu bemühen, ist mithin zulässigerweise im angefochtenen Verwaltungsakt geregelt worden. Hingegen hat der Kläger keinen Anspruch darauf, entsprechend dem Inhalt der von ihm verfassten Eingliederungsvereinbarung, (ausschließlich) eine Tätigkeit im Stadtarchiv Konstanz zugewiesen zu erhalten. Ihm ist vielmehr, in den Grenzen des § 10 Abs. 1 SGB II, jede Tätigkeit zumutbar.
Die Entscheidung des SG, die Klage abzuweisen ist mithin nicht zu beanstanden, die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen einen, eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt.
Der am 07.12.1956 geborene Kläger bezieht vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Klägers beim Beklagten am 01.08.2008 unterbreitete dieser dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung, zu der der Kläger seine Zustimmung nicht erteilte, vielmehr am 18.08.2008 ein vom ihm selbst formulierte Eingliederungsvereinbarung vorlegte, nach der der Beklagte ihm für sechs Monate eine Tätigkeit im Stadtarchiv Konstanz zuweise. Der Beklagte setzte sodann die Inhalte seiner Eingliederungsvereinbarung mit Verwaltungsakt vom 06.11.2008 fest. Der Kläger wurde darin verpflichtet, in der Zeit vom 10.11.2008 - 10.05.2009 mindestens zwei Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungs-pflichtige oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse pro Monat zu unternehmen und nachzuweisen. Der Verwaltungsakt wurde dem Beklagten am 26.11.2008 mit dem auf den 15.11.2008 datierten Vermerk "Annahme verweigert" durch die Deutsche Post zurückgereicht.
Nachdem der Kläger, auf eine Anhörung des Beklagten, am 16.12.2008 erklärte, ihm sei eine Eingliederungsvereinbarung vom 06.11.2008 weder ausgehändigt worden noch auf dem Postwege zugegangen, er habe eine Eingliederungsvereinbarung auch nicht unterschrieben, übersandte der Beklagte mit Schreiben vom 19.12.2008 den Verwaltungsakt erneut mit dem Hinweis an den Kläger, dass er die Annahme des Verwaltungsaktes - nachweisbar - verweigert habe, dieser jedoch trotz der Annahmeverweigerung als zugestellt gelte.
Den gegen den Verwaltungsakt am 30.12.2008 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, er habe das Schreiben vom 06.11.2008 zurücksenden lassen, da weder auf dem Briefumschlag noch auf dem durch das Zelluloidfenster sichtbaren Teile des Schreibens ein Absender erkennbar gewesen sei. Der Beklagte habe keinen Nachweis erbracht, dass die von ihm selbst aufgesetzte Eingliederungsvereinbarung vom 18.08.2008 von einem Sachbearbeiter unterschrieben worden sei. Ohne den Nachweis diese Unterschrift dürfe diese Eingliederungsvereinbarung nicht einseitig von der Beklagten abgeändert werden. Eine Beteiligung von Nichtbeteiligten (durch die verlangten Eigenbemühungen) sei keine Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2009 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Seine Entscheidung begründete er damit, dass der Bescheid vom 06.11.2008 am 07.11.2008 zur Post aufgegeben worden sei. Am 15.11.2008 habe der Kläger die Annahme des Verwaltungsaktes vom 06.11.2008 bewusst verweigert, weswegen im Hinblick auf die Bekanntgabe des Bescheides auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei. Der Kläger habe das Schreiben erhalten. Die Widerspruchsfrist sei ausgehend hiervon am 15.12.2008 abgelaufen; der Widerspruch vom 30.12.2008 sei nach Fristablauf eingegangen. Bisher habe der Kläger nie die Annahme von Schreiben der Beklagten verweigert.
Hiergegen hat der Kläger am 22.01.2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, er habe in der Postfiliale vor den Postfächern gesehen, dass bei der Briefsendung weder auf dem Umschlag noch auf dem durch das Zelluloidfenster sichtbaren Teil des Schreibens ein Absender angegebenen gewesen sei. Daher habe er den Brief der Mitarbeiterin der Postfiliale ausgehändigt und gesagt, er wünsche, dass dieser Brief an den Absender zurückgeschickt werde. Er habe den Briefumschlag nicht geöffnet, da geöffnete Sendungen nach Auskunft der Post auf Kosten des Empfängers zurückgesandt werden müssten. Er habe keine Kenntnis vom Inhalt des Schreibens erlangt. Die von ihm abverlangten Bewerbungsbemühungen erforderten überdies, dass er Kontakt mit Nichtbeteiligten aufnehme. Hiervon könne die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II nicht abhängig gemacht werden. Auch sei es dem Beklagten verwehrt, Eigenbemühungen zum Zwecke der Abklärung seiner Eingliederungsbereitschaft zu verlangen. Der Beklagte habe schließlich keinen Beweis darüber erbracht, dass die von ihm vorgelegte Eingliederungsvereinbarung von einem Sachbearbeiter des Beklagten unterzeichnet worden sei. Der Verwaltungsakt verstoße gegen Grundrechte und sein Selbstbestimmungsrecht, auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu die aus seiner Sicht eingetretene Bestandskraft des Verwaltungsaktes angeführt. Der Kläger habe Gelegenheit gehabt, sich vom Inhalt der Briefsendung Kenntnis zu verschaffen. Sollte der Kläger den Brief nicht geöffnet haben, gehe dies nicht zu Lasten des Beklagten ...
Mit Urteil vom 11.03.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG angeführt, der Bescheid vom 06.11.2008 sei bestandskräftig und bindend, da der Kläger nicht fristgerecht Widerspruch eingelegt habe. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei der Widerspruch binnen eines Monats schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Widerspruchsfrist beginne mit der Bekanntgabe an den Beschwerten. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Nach seinen eigenen Angaben habe der Klägers den Briefumschlag mit dem Verwaltungsakt entgegengenommen und ihn einer Mitarbeiterin der Postfiliale wieder zurückgegeben. Bereits hiermit sei der Bescheid bekanntgeben worden. Dies erfordere lediglich, dass das Schriftstück so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei einem gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse mit der Kenntnisnahme durch den Empfänger gerechnet werden könne. Eine Bekanntgabe liege auch dann vor, wenn der Empfänger die Annahme des schriftlichen Verwaltungsaktes verweigere; die tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts des Verwaltungsaktes sei hingegen nicht erforderlich.
Gegen das am 22.03.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.04.2010 Berufung eingelegt. Er bringt hierzu vor, der Verwaltungsakt sei nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Von ihm sei nicht zu erwarten gewesen, von einem Schriftstück, das seinen Absender nicht habe erkennen lassen, Kenntnis zu nehmen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. März 2010 aufzuheben und den Verwaltungsakt des Beklagten vom 06. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf seine bisherigen Ausführungen und den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheides
Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) ist zulässig. Dies gilt trotz des Umstandes, dass der Kläger über keine ladungsfähige Anschrift verfügt. Grundsätzlich erfordert ein zulässiges Rechtsschutzbegehren, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtsuchenden genannt wird; die Angabe "postlagernd" genügt diesem Erfordernis nicht (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S veröffentlicht in juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 92 Rn. 3). Der obdachlose Kläger, der denknotwendigerweise eine Wohnanschrift nicht mitteilen kann, ist jedoch über die Anschrift des SG erreichbar, da er dort regelmäßig vorspricht und an ihn gerichtete Schriftstücke - bspw. auch die Mitteilung des Senats über die beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG - abholt, so dass auch Zustellungen des Gerichts möglich sind.
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Soweit der Kläger hierzu vorgebracht hat, das SG habe während der mündlichen Verhandlung die Frage, ob der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 ordnungsgemäß bekanntgegeben wurde, nicht erörtert, dies sei deswegen in der zweiten Tatsacheninstanz zu klären, erfordert nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 ist bestandkräftig und damit für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden.
Der Kläger hat gegen den Verwaltungsakt vom 06.11.2008 nicht fristgerecht Widerspruch eingelegt. Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Unter Bekanntgabe ist hierbei die zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsaktes durch eine Behörde an den Beschwerten zu verstehen. Entsprechend der Regelung des § 130 des Bürgerlichen Gesetzbuches reicht es hierfür aus, wenn der Verwaltungsakt in die Verfügungsmacht des Betroffenen gelangt, so dass dieser die Möglichkeit hat, von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.1996 - 11 RAr 31/96- veröffentlicht in juris; Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand April 2009, § 37 SGB X, Rn. 3 m.w.N.).
Nach den eigenen Angaben des Klägers hat er den Briefumschlag mit dem Verwaltungsakt in der Postfiliale entgegengenommen. Der Verwaltungsakt ist hiermit in den Machtbereich des Klägers gelangt; er ist dem Kläger zu diesem Zeitpunkt, d.h. am 15.11.2008, bekanntgegeben gewesen. Der Umstand, dass der Kläger das Schreiben ungeöffnet einer Mitarbeiterin der Postfiliale zurückgegeben hat, vermag hieran nichts zu ändern, da die tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts des Briefes für dessen Bekanntgabe nicht erforderlich ist (Krasney, a.a.O.). Eine Bekanntgabe liegt mithin auch dann vor, wenn der Empfänger die Annahme des schriftlichen Verwaltungsaktes verweigert (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.06.1989 -L 11 Ka 123/88- veröffentlicht in juris). Übergeht der Betroffene vielmehr vorsätzlich die Möglichkeit, Bescheide, Beschlüsse, Urteile o.ä. zur Kenntnis zu nehmen, bzw. verschließt er sich bewusst einer Bekanntgabe oder Zustellung von Schriftstücken, so ist sein Berufen auf Unkenntnis bzw. die spätere Kenntnisnahme rechtsmissbräuchlich und verstößt gegen Treu und Glauben (Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 14.04.2010 - 1 BvR 299/10 – veröffentlicht in juris).
Die vom Kläger vertretene Auffassung, der Verwaltungsakt sei nicht bekanntgegeben worden, würde demgegenüber dazu führen, dass es den Adressaten von Verwaltungsakten durch die Verweigerung der Annahme von Postsendungen möglich wäre, den Erlass ihnen unliebsamer Bescheide zu verhindern.
Der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 galt mithin mit dem 15.11.2008 als bekanntgegeben. Die Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG lief hiernach am 15.12.2008 ab. Der am 30.12.2008 eingelegte Widerspruch war mithin verfristet. Dahingestellt bleiben kann, ob das Schreiben des Klägers vom 14.12.2008 als Widerspruch ausgelegt werden kann, da es erst am 16.12.2008, einem Dienstag bei der Beklagten eingegangen und damit gleichfalls verfristet ist.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs. 1 SGG) ist vom Kläger nicht beantragt worden. Überdies kommt eine solche nur in Betracht, wenn dem Kläger kein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist zu Last fällt. Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden.
In der erneuten Übersendung des Verwaltungsaktes mit Schreiben vom 19.12.2008 liegt schließlich auch keine neuerliche Bekanntgabe mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist erneut zu laufen begonnen hätte. Der Beklagte hat vielmehr hinreichend deutlich darauf hin, dass sie von der bereits erfolgten Bekanntgabe des Bescheides ausgehe und den Kläger lediglich erneut über den Inhalt des Bescheides informieren wolle.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Verwaltungsakt vom 06.11.2008 auch inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Weder der Umstand, dass der Beklagte, nachdem eine Einigung über eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande gekommen ist, die Inhalte der Vereinbarung durch Verwaltungsakt festgesetzt hat, noch die dem Kläger auferlegten Verpflichtungen unterliegen rechtlichen Bedenken. § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sieht den Erlass eines Verwaltungsaktes ausdrücklich vor. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II soll in einer Eingliederungsvereinbarung insb. bestimmt werden, welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat. Die Verpflichtung des Klägers, sich pro Monat um zwei Beschäftigungen zu bemühen, ist mithin zulässigerweise im angefochtenen Verwaltungsakt geregelt worden. Hingegen hat der Kläger keinen Anspruch darauf, entsprechend dem Inhalt der von ihm verfassten Eingliederungsvereinbarung, (ausschließlich) eine Tätigkeit im Stadtarchiv Konstanz zugewiesen zu erhalten. Ihm ist vielmehr, in den Grenzen des § 10 Abs. 1 SGB II, jede Tätigkeit zumutbar.
Die Entscheidung des SG, die Klage abzuweisen ist mithin nicht zu beanstanden, die Berufung ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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