Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1053/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 197/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gelegenheitsursache; Rotatorenmanschette; Alltagsbelastung nicht übersteigende unfallbedingte Einwirkung; Beweislast
1. Ist das Unfallereignis conditio sine qua non der Rotatorenmanschettenruptur gewesen und lässt der medizinische Befund einer vom Unfallversicherungsträger zu beweisenden Vorschädigung objektiv nicht den Schluss auf eine solche Ausprägung zu, dass die Unfalleinwirkung in ihrer Art nicht unersetzlich war, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Ruptur verursacht hätte, sind die in der Beweislast des Klägers stehenden anspruchsbegründenden Tatsachen zur Feststellung von Unfallfolgen bewiesen. Tatsachen, die den objektiven medizinischen Befund widerlegen oder im Sinne einer Gelegeheitsursache deutbar machen sollen, stellen rechtsvernichtende Einreden dar, die in der Beweislast der Beklagten stehen, weshalb der Mangel der nicht bewiesenen Tatsache einer nur eine Alltagsbelastung erreichenden Unfalleinwirkung zu Lasten der Beklagten geht.
2. Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ.
1. Ist das Unfallereignis conditio sine qua non der Rotatorenmanschettenruptur gewesen und lässt der medizinische Befund einer vom Unfallversicherungsträger zu beweisenden Vorschädigung objektiv nicht den Schluss auf eine solche Ausprägung zu, dass die Unfalleinwirkung in ihrer Art nicht unersetzlich war, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Ruptur verursacht hätte, sind die in der Beweislast des Klägers stehenden anspruchsbegründenden Tatsachen zur Feststellung von Unfallfolgen bewiesen. Tatsachen, die den objektiven medizinischen Befund widerlegen oder im Sinne einer Gelegeheitsursache deutbar machen sollen, stellen rechtsvernichtende Einreden dar, die in der Beweislast der Beklagten stehen, weshalb der Mangel der nicht bewiesenen Tatsache einer nur eine Alltagsbelastung erreichenden Unfalleinwirkung zu Lasten der Beklagten geht.
2. Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Oktober 2010 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2009 abgeändert und die Beklagte verurteilt, Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. ab 2. April 2008 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Verletztenrente wegen eines am 29.10.2007 erlittenen Unfalls zusteht.
Der 1959 geborene Kläger ist als Wertstoffhofarbeiter/Staplerfahrer beschäftigt. Am 29.10.2007 stapelte der Kläger Kühlschränke (Kühl-Gefrierkombinationen) in einem Gehäuseschrott-Container. Dabei drohte ein Kühlschrank von dem Stapel herunterzufallen. Bei dem Versuch dies zu verhindern und dem Kühlschrank auszuweichen stolperte der Kläger über die Kante des Containers und stürzte rückwärts aus dem Container. Er fiel mit dem Rücken auf zur Verladung vor dem Container abgestellte Gefrierkombinationen und dann auf den etwa 30-50 cm vom Containereinstieg tieferliegenden Boden.
Die Durchgangsärztin Dr. T. stellte am 29.10.2007 die Diagnose des Verdachts auf eine Außenbandruptur des rechten oberen Sprunggelenks und eine Schulterdistorsion rechts (Durchgangsarztbericht vom 29.10.2007). Die Sprunggelenksverletzung erwies sich als Außenband-Partialruptur, die mit Schiene versorgt wurde. Sie war im Dezember 2007 bei guter Sprunggelenksbeweglichkeit bis auf eine diskrete Schwellung und das bereits fast resorbierte ursprünglich flächige Hämatom abgeheilt (Zwischenbericht von Dr. B. vom 10.12.2007). Die aufgrund fortbestehender Schulterbeschwerden veranlasste Magnetresonanztomographie (MRT) am 05.12.2007 ergab eine Komplettruptur der Supraspinatussehne rechts (Befundbericht der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. W. u. Koll. vom 06.12.2007). Während der stationären Behandlung des Klägers vom 10.12. bis 18.12.2007 in der Kreisklinik B. wurde am 11.12.2007 operativ eine Supraspinatussehnenrefixation vorgenommen (Zwischenbericht vom 18.12.2007). Arbeitsfähigkeit trat ab 02.04.2008 wieder ein (D-Arzt Mitteilung von Dr. B. vom 02.04.2008).
Die Beklagten holte in dem von ihr eingeleiteten Feststellungsverfahren die Angaben des Klägers in dem von ihr übersandten Vordruck u.a. zum Unfallhergang (Angaben des Klägers vom 28.04.2008 mit Vermerk des Klägers vom 23.04.2008), das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - die Gesundheitskasse U.-B. vom 09.05.2008 und vom Radiologen Dr. W. den Befund der MRT der linken Schulter vom 15.04.2008 (Beurteilung: kleine transmurale Läsion der Supraspinatussehne, leichte Gelenkarthritis mit Erguss im Gelenksspalt, unauffällige übrige Rotatorenmanschette, Reizerguss im Bizepssehnenrecessus) ein. Nach der von der Beklagten veranlassten Auswertung der beigezogenen Unterlagen kam der Radiologe Kaspar aufgrund des MRT-Befunds der rechten Schulter vom 05.12.2007 zu dem Ergebnis, dass es sich um eine ältere Supraspinatussehnenruptur handele bei deutlicher Atrophie des Musculus Supraspinatus und unter schwerer AC-Arthrose mit Einengung des Subacromialraumes. In der eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.06.2008 teilte Dr. S. diese Einschätzung.
Mit Bescheid vom 23.06.2008 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen wegen des Unfalls vom 29.10.2007 über den 09.12.2007 hinaus ab. Bei der Schulterverletzung rechts handele es sich im wesentlichen um einen degenerativ bedingten, bereits älteren Riss der Rotatorenmanschette bei fehlendem verletzungskonformen Erstbefund. Die Verletzung an der linken Schulter sei erstmals im April 2008 angegeben worden. Die MRT-Untersuchung der linken Schulter vom 15.04.2008 sei bei fehlendem verletzungskonformen Erstbefund und Durchführung erst ein halbes Jahr nach dem angeschuldigten Ereignis nicht aussagefähig. Es liege ein degeneratives Schadensbild vor, welches durch den direkten Anprall der Schuldner an den Container und andere Gegenstände weder verursacht noch verschlimmert worden sei. Als Unfallfolge werde anerkannt, eine ohne wesentliche Folgen verheilte Zerrung der rechten Schulter und ein ohne wesentliche Folgen verheilter Außenbandriss im Bereich des rechten oberen Sprunggelenks.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Auf Anfrage der Beklagten (Schreiben vom 31.07.2008) teilte der Kläger mit, er könne nicht mehr rekonstruieren, ob und wie der rechte Arm während des Sturzes gestreckt gewesen sei. Möglicherweise habe er reflexartig versucht, mit dem rechten Arm den Sturz, die umstürzende Gefriertruhe oder sonst etwas abzufangen (Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 11.08.2008). Außerdem zog die Beklagte den MRT-Befund vom 09.03.2004 vom Radiologe Dr. H. bezüglich der rechten Schulter des Klägers bei (Beurteilung u.a.: partielle Fasereinrisse der distalen Supraspinatussehne, keine Komplettruptur) sowie einen die Schulterbeschwerden des Klägers im März 2004 betreffenden Behandlungsbericht von Dr. S. (Bericht vom 26.08.2008: Vorstellung des Klägers am 02.03.2004 wegen Schulterschmerzen rechts mit anamnestischer Unfallangabe für 04.01.2004) und veranlasste die Begutachtung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik). Gestützt auf das in seinem Gutachten vom 04.11.2008 angeregte radiologische Zusatzgutachten von Prof. Dr. C. vom 17.12.2008 (Befund MRT vom 05.12.2007: Ruptur der Rotatorenmanschette mit Defektzone von ca. 2 cm gegenüber Vorbefund mit 8 mm; eine im 3,5 Jahresverlauf fortgeschrittene fettige Degeneration II nach Thomazeau des Muskels und aggravierte Retraktion des Musculus supraspinatus) beurteilte Prof. Dr. W. in seiner abschließenden Stellungnahme vom 29.12.2008 - bestätigt mit seiner Äußerung vom 13.01.2009 - das Unfallereignis als "Anlassgeschehen" für die vollständige Ruptur der vorgeschädigten Supraspinatussehne. Somit habe es sich um eine richtunggebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens gehandelt. Die Komplettruptur wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne das angeschuldigte Unfallereignis nicht eingetreten. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten seien auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die beschriebenen unfallabhängigen Befunde im Bereich der rechten Schulter bedingten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bis zum Zeitpunkt der Untersuchung. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 05.02.2009 ging Dr. S. von einer isolierten Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne mit guter Funktion am Unfalltag aus. Der Unfall habe eine Prellung, eventuell auch eine Zerrung bei Vorschaden verursacht, die Operation ginge nicht zulasten der Unfallversicherung. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger erhob am 24.03.2009 Klage vor dem Sozialgericht Ulm mit dem Begehren, Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente, zu gewähren. Das Sozialgericht holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten vom 21.08.2009 ein. Darin bejahte der Sachverständige Dr. H. eine schmerzhafte Funktionsstörung der rechten Schulter als Unfallfolge. Der Unfall habe einen vorbestehenden kleinen Riss in der Supraspinatussehne vergrößert und damit in wesentlicher Weise die mit einer MdE um 20 v.H. zu bewertende Funktionsstörung der rechten Schulter ausgelöst. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Eintritt der Funktionsstörung sei offenkundig. Auch Prof. Dr. C. räume ein, dass es im Rahmen des Unfallereignisses am 29.10.2007 zu einer Komplettruptur der Supraspinatussehne gekommen sei. Soweit Prof. Dr. C. den Begriff Anlassgeschehen, womit die Charakterisierung des Unfalls als Gelegenheitsursachen zu vermuten sei, verwende und wohl damit argumentiere, der Unfall sei nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, könne dem anhand des kernspintomographisch nachgewiesenen Vorschadens nicht gefolgt werden. Eine Beurteilung, wie belastbar die Supraspinatussehne zum Unfallzeitpunkt gewesen sei und ob eine Bagatellbelastung ausgereicht hätte, die Sehne vollständig zu zerreißen, könne anhand der Befunde nicht getroffen werden. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz des 2004 erhobenen Befundes einer körperlich belastenden Tätigkeit bei insoweit unauffälligem Vorerkrankungsverzeichnis nachgegangen sei. Aus medizinischer Sicht könne nach Aktenlage und Schilderung des Klägers nicht ohne weiteres von einer minimalen Alltagsbelastung der rechten Schulter durch den Unfall ausgegangen werden.
Die Beklagte legte nach Aufforderung die im Rahmen der Erstattungsstreitigkeit zwischen ihr und der Deutschen Rentenversicherung von dieser veranlasste gutachterliche Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom 17.12.2008 vor. Darin bewertete Chirurg Dr. J. die Rotatorenmanschettenruptur als zumindest richtunggebende Beeinflussung eines Vorschadens durch das Unfallereignis. Die Beklagte führte hierzu aus, gutachtliche Stellungnahmen, die nicht unter Beachtung der für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Grundsätze erstellt worden seien, seien für sie nicht verwertbar.
Mit Urteil vom 19.10.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich darauf, dass eine Dehnungsbelastung der Supraspinatussehne nicht stattgefunden habe, ein in der unfallmedizinischen Literatur beschriebenes sofortiges Schmerzmaximum und eine traumafolgentypische Funktionseinschränkung nicht vorgelegen habe. Prof. Dr. W. habe übereinstimmend mit Prof. Dr. C. von einem Anlassgeschehen gesprochen. Eine fettige Degeneration des Muskels belege hinreichend, dass degenerative Vorschäden und nicht das Unfallereignis den Riss der Rotatorenmanschette wesentlich bedingt hätten. Dem Gutachten von Dr. H. könne nicht gefolgt werden, denn er lege einen nicht stattgehabten Unfallmechanismus zu Grunde. Es liege nahe, dass sich die Veränderungen über die letzten 3 Jahre vor dem Unfall ergeben hätten.
Gegen das dem Kläger am 16.12.2010 zugestellte Urteil hat er am 14.01.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Gutachten von Dr. H ...
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.10.2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, wegen des Arbeitsunfalls vom 29.10.2007 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. ab 02.04.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung spreche gegen den Unfall als naturwissenschaftliche Ursache für den Komplettriss der Supraspinatussehne, dass keine erhebliche Bewegungseinschränkung, ein Humeruskopfhochstand zum Unfallzeitpunkt, keine relevante Ergussbildung, keine weitere Sehnenschädigung, eine bereits am selben Ort gesicherte 8 mm große Lücke und keine sofortigen starken Schmerzen im Unfallzeitpunkt vorgelegen hätten. Selbst wenn von einer naturwissenschaftlichen Kausalität auszugehen sei, sei der Unfall nicht wesentlich gewesen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass auch ein alltägliches Ereignis ebenfalls zu einer Vergrößerung des bereits bestehenden Sehnenrisses geführt hätte. Hierfür spreche der Humeruskopfhochstand und der vorbestehende Sehnendefekt, die ausgeprägte AC-Gelenkarthrose und hakenförmiges Acromion, ein vergleichbarer Befund der linken Schulter, ein fehlender Kraft- und Funktionsverlust nach dem Unfall und der histologische Befund, der reichlich unterbrochenes Gewebe im entnommenen Sehnenanteil beschreibe.
Am 01.04.2011 ist der Rechtstreit mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert worden.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte wird wegen weitere Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist statthaft. Berufungsausschlussgründe gemäß §§ 143, 144 SGG liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet, da das Sozialgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten waren abzuändern.
Das Sozialgericht hätte die zulässige und begründete Klage nicht abweisen dürfen. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer Verletztenrente ist zulässig. Insbesondere liegt ein diesbezüglich anfechtbarer Verwaltungsakt vor. Mit dem angefochtenen Ausgangsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 sind "Entschädigungsleistungen aus Anlass des Versicherungsfalls vom 29.10.2007 über den 09.12.2007 hinaus" abgelehnt worden, was auch die Ablehnung einer Verletztenrente beinhaltet. Dass der Regelungsgehalt des Bescheids auf die Feststellung von Unfallfolgen beschränkt ist, ist dem Bescheid weder inhaltlich noch seiner Form nach zu entnehmen. Der Entscheidungssatz des Verwaltungsaktes ist dem nachfolgenden Text als Überschrift vorangestellt. Die folgenden textlichen Ausführungen zum Unfallereignis und den hieraus resultierenden unfallbedingten Gesundheitsstörungen ergeben die Begründung dieser Entscheidung. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Antrag zulässig auf die Zahlung einer Verletztenrente beschränkt und nicht mehr an dem - unzulässigen - unbestimmten Leistungsantrag festgehalten.
Das Klagebegehren ist auch begründet, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) ). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache erforderlich (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Ob die Verursachung eines Gesundheitsschadens oder des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung bildet (st. Rspr. des BSG; vgl. stellvertretend BSGE 63, 277 , 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 m.w.N). Welcher Umstand entweder für den Eintritt eines Arbeitsunfalls für den Eintritt des Schadens als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit bewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (vgl. etwa BSGE 59, 193 , 195 = SozR 2200 § 548 Nr. 77 m.w.N.) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 27, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 8/03 R -, SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.).
Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).
In Anwendung dieser Grundsätze ist die im Dezember 2007 diagnostizierte Ruptur der Supraspinatussehne Folge des anerkannten Arbeitsunfalls des Klägers vom 29.10.2007.
Der Unfall war conditio sine qua non für den Riss der Supraspinatussehne im Sinne der Äquivalenztheorie. Der Senat gewinnt seine Überzeugung aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden Indizien und den Angaben des Klägers.
Die durchgeführte MRT am 05.12.2007 ergab auch nach der radiologischen Beurteilung von Prof. Dr. C. - entgegen der Einschätzung des Radiologen K. (Bericht vom 03.06.2008) - eine frische Ruptur der vorgeschädigten Supraspinatussehne, wovon sowohl Prof. Dr. W. als auch Dr. H. in ihrem Gutachten ausgehen. In Übereinstimmung hierzu waren ebenso dem intraoperativen Befund vom 11.12.2007 Zeichen einer frischen Ruptur mit organisierten Hämatomresten, worauf auch Prof. Dr. W. Bezug nimmt, und dem histologischen Befund von Dr. Q. vom 12.12.2007 Hinweise auf eine frische Ruptur der Supraspinatussehne zu entnehmen. Der Pathologe fand an dem überlassenen resezierten Sehnenteil unterbrochenes Gewebe mit reichlichen Fibrinausschwitzungen neben in geringerem Umfang erkennbaren reparativen Vorgängen, was auch nach seiner Einschätzung für eine frischere Ruptur spricht. Sowohl Prof. Dr. C. wie auch Prof. Dr. W. und Dr. H. haben in ihren gutachterlichen Stellungnahmen keine Zweifel daran gehabt, dass der intraoperative und histologische Befund sowie der MRT-Befund vom Dezember 2007 auf das knapp 5 Wochen zuvor stattgefundene Unfallereignis beziehbar sind. Dass das Unfallereignis bereits kein unverzichtbarer Ursachenfaktor der Komplettruptur der Supraspinatussehne war, wovon aber das Sozialgericht und die Beklagte ausgehen, wird daher selbst von Prof. Dr. C. nicht vertreten.
Eine grundsätzlich für die Belastung der Supraspinatussehne geeignete Einwirkung, die nicht die Intensität zum Zerreißen einer gesunden Sehne erreichen musste, wird auch durch den am Unfalltag erhobenen medizinischen Befund bestätigt. Zum Unfallzeitpunkt waren nach Dr. H. und Prof. Dr. W. positive Rotatorenmanschettenzeichen, Schmerzen an der Schulter und eine funktionelle Beeinträchtigung in Form eines schmerzhaften Bogens ab 90° aufgetreten (Durchgangsarztbericht vom 29.10.2007 von Dr. T.), was für eine aktuelle Beeinträchtigung durch den Sturz spricht, die zunächst als Schulterdistorsion gedeutet wurde. Im Hinblick auf diese für eine frische Ruptur sprechenden Anknüpfungstatsachen kann eine etwaige 10 Monate zuvor erfolgte Läsion der rechten Schulter im Januar 2007, deren konkrete Umstände die Beklagte auch nicht aufgeklärt hat, dahinstehen.
Im Zusammenhang mit diesen medizinischen Befunden ist aufgrund des glaubhaften Vorbringens des Klägers, der durchgehend den Kern des Unfallablaufs stimmig und widerspruchsfrei geschildert hat, auch eine sturzbedingte Sehnenruptur nachgewiesen. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger beim Stapeln von Kühlschränken/Gefrierkombinationen in einen Container rückwärts aus dem etwa 30-50 cm über dem Fußboden liegenden Containereinstieg gestürzt ist und dabei mit dem Rücken in zur Verladung vor dem Container bereitgestellte Gefrierschränke auf den Boden fiel. Hierbei war eine aus dem Stapel herunterrutschende Gefrierkombination auf den Kläger gefallen, deren Herabfallen er verhindern wollte. Diesen Unfallhergang hat der Kläger von Anfang an wiederholt angegeben, u.a. in dem dem Unfallfragebogen der Beklagten beigefügten Vermerk vom 23.04.2008, über seine Prozessbevollmächtigte in deren Schreiben vom 11.08.2008 und zuletzt vor dem Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung. Geringfügige Abweichungen in der Unfallschilderung, wie etwa die Angaben zum Abfangen und Abwehren des herunterstürzenden Gefrierschranks (Abfangen mit gestreckten Arm; Anprall auf der rechten Schulter mit solcher Wucht, dass dies zum Sturz aus der Containeröffnung führte), berühren nicht den Kerngehalt der Aussage des Klägers und sind auf den Zeitablauf zurückzuführen, was die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht beeinträchtigt. Im Unfallfragebogen der Beklagten hatte der Kläger unter dem 28.04.2008 durch Ankreuzen zwar einen direkten Sturz auf den Ellenbogen oder ein Abfangen mit der Hand verneint, dagegen den Versuch, den Sturz zu verhindern und einen Sturz direkt auf die Schulter bejaht. Die Frage, ob der Arm gestreckt gewesen sei, blieb unbeantwortet, weshalb die Beklagte sich veranlasst sah, dies noch einmal nachzufragen (Schreiben vom 31.07.2008). Die Erklärung seiner Prozessbevollmächtigten (Schreiben vom 11.08.2008), es könne nicht mehr rekonstruiert werden, wo sich der rechte Arm während des Sturzes befunden habe, deckt sich mit den früheren Angaben des Klägers im Vordruck und ist angesichts des mehrphasigen Ablaufs des Unfallgeschehens auch glaubhaft. Dass der Kläger selbst den Aufprall der Schulter bzw. auch den Stoß durch den herabstürzenden Kühlschrank auf die Schulter als das schadenstiftende Ereignis aus laienhafter Sicht ansieht, ist nicht maßgebend. Umstände, die bei lebensnaher Betrachtung eine noch so geringe Dehnung der Supraspinatussehne zwingend ausschließen, wie das Sozialgericht meint, sind bei dem vom Senat festgestellten Geschehensablauf nicht ersichtlich. Dass eine degenerativ bedingte Vorschädigung, die sich möglicherweise auch aus der später diagnostizierten nicht traumatisch bedingten Degeneration im linken Schultergelenk des Klägers ableiten lässt, vorlag, rechtfertigt nicht den Schluss, dass die frische Schädigung nicht auf einer traumatischen Einwirkung beruht.
Für den Senat ist bei diesem Geschehen entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten bei lebensnaher Betrachtung nahe liegend, dass bei dem Fall nach hinten die im rechten Schultergelenk verlaufende Supraspinatussehne sturzbedingt gedehnt wurde, sei es durch eine reflexhafte schnelle Abfangbewegung während des Sturzes oder durch eine unbewusste Abstützreaktion beim Aufprall mit dem Rücken auf die Gefriertruhe oder den Boden. Von diesen Möglichkeiten ist der Senat in der Zusammenschau mit dem gutachterlich bewerteten medizinischen Befund einer frischen Ruptur hinreichend überzeugt. Es hieße die Beweisanforderungen zu überspannen, wenn gerade auch wie vorliegend bei einem mehrphasigen Unfallgeschehen die Schilderung eines detaillierten Bewegungsablaufs verlangt würde. Genaue Feststellungen über den unmittelbar den Unfall bewirkenden Umstand müssen nicht getroffen werden, wenn die zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Alternativursachen gleichermaßen der versicherten Verrichtung, wie dies vorliegend der Fall ist, zuzurechnen sind (vgl. BSG Urteil vom 14.11.1984 9b RU 68/83 - HV-INFO 1985, Nr. 5, 40-44 - Juris).
Die gutachterliche Auffassung der Ärzte Dr. B., Prof. Dr. W. und Dr. H., dass die Komplettruptur Folge des Unfalls ist, wird nicht dadurch widerlegt, dass unmittelbar nach dem Unfalltrauma keine starke Bewegungseinschränkung und keine starke Schmerzen dokumentiert sind. Abgesehen davon, dass weder Prof. Dr. W. noch Dr. H. in ihrem unfallchirurgischen/orthopädischen Gutachten mit dieser Begründung die naturwissenschaftliche Kausalität verneint haben, ist dieser Einwand auch nicht überzeugend. Der Kläger war ausweislich des MRT-Befund vom 09.03.2004 an der Supraspinatussehne erheblich vorgeschädigt, weshalb Kompensationsmechanismen eingesetzt haben, die eine hinlängliche Funktionalität der Schulterbeweglichkeit erlaubten. Dies ergibt sich aus der Befunderhebung von Dr. B., der bei der Untersuchung des Klägers am 06.12.2007, also nachdem bereits mit MRT vom 05.12.2007 die Komplettruptur der Supraspinatussehne diagnostiziert worden war, ebenfalls keine solche Funktionseinschränkung hat erheben können, wie sie später nach dem operativen Eingriff von Prof. Dr. W. mit deutlicher Reduzierung der Schulterbeweglichkeit in der Hebung seitwärts und körperwärts von 80-0-40° beschrieben wird. Trotz Komplettruptur der Supraspinatussehne wurde von Dr. B. nur eine Abspreizhemmung rechts mit einem deutlichen schmerzhaften Bogen dokumentiert und es ist ausgeführt, dass die Beweglichkeit zeitgleich (gemeint ist seitengleich) möglich, jedoch rechts deutlich schmerzarm sei. Die Schultergelenkbeweglichkeit links war aber zu diesem Zeitpunkt nicht deutlich eingeschränkt. Außerdem ergibt sich eine gewisse Indolenz des Klägers.
Letztlich handelt es sich bei den von der Beklagten angeführten Kriterien um Beweisanzeichen für oder gegen eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenruptur, was Prof. Dr. W. im seinem Gutachten vom 04.11.2008 mit Aufstellung einer Pro- und Contra-Liste berücksichtigt hat und wie sie auch in der nach Aussagekraft und Wertigkeit geordneten Bewertungsskala von Prof. Dr. L. Eingang gefunden haben. Eine isolierte Betrachtung einzelner Indizien ist daher nicht zielführend. In Anwendung dieser Bewertungsskala von L. wurde von Chirurg Dr. J. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 16.12.2008 bei einer Punktzahl von 13 Punkten (= Bewertungsstufe "Trauma überwiegend") zumindest eine richtunggebende "Beeinflussung" eines Vorschadens angenommen, obgleich er neben Vorgeschichte und Vorschädigung sogar einen nicht bewiesenen geeigneten Unfallmechanismus als Contra-Kriterium berücksichtigte. Auch danach ist die Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie - aber auch im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung - gegeben. Eine andere Ursache als den Unfall als alleinige Ursache im naturwissenschaftlichen-philosophischen Sinne der Äquivalenztheorie hat die Beklagte nicht nachgewiesen.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das von der Beklagten bestandskräftig als Arbeitsunfall anerkannte Ereignis nach wertender Betrachtung wesentliche Mitursache der Sehnenruptur war. Unstreitig bestand beim Kläger zum Unfallzeitpunkt eine - nach Einschätzung von Prof. Dr. W. erhebliche - Vorschädigung der Supraspinatussehne rechts. Gestützt auf das radiologische Gutachten von Prof. C. beurteilt Prof. Dr. W. die von ihm angenommene Erweiterung des unfallvorbestehenden Sehnendefekts mit Partialruptur von 8 mm auf eine Komplettruptur auf 2 cm als Anlassgeschehen. Ob dieser Begriff als Synonym für den gebräuchlichen Begriff "Gelegenheitsursache" verwendet wird - und zwar in dem Dr. H. vermuteten Verständnis - kann dahinstehen, denn nach den expliziten Ausführungen von Prof. Dr. W. liegen die Voraussetzungen einer Gelegenheitsursache nicht vor. Prof. Dr. W., der aufgrund seiner forensischen und kurativen ärztlichen Tätigkeit als Direktor der BG-Klinik T. über eine besondere Sachkunde verfügt, hat auf die ausdrückliche Frage der Beklagten in seiner abschließenden Stellungnahme vom 29.12.2008 dargelegt, dass die komplette Ruptur auch aufgrund der Vorschäden und anlagebedingten Veränderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne das angeschuldigte Unfallereignis nicht eingetreten wäre. Hiermit übereinstimmend ist von Dr. H. ausgeführt worden, dass keine empirischen Erkenntnisse über eine Belastungsgrenze degenerierter Supraspinatussehnen vorliegen und der konkrete Schultergelenksbefund unabhängig davon, dass zum Unfallzeitpunkt einige Fasern der Supraspinatussehne gerissen waren, eine aktivierte Schultereckgelenksarthrose vorlag und das knöcherne Schulterdach leicht hakenförmig verbogen war, keine Einschätzung darüber zulässt, dass die diagnostizierte Funktionsstörung ohne das Unfallereignis zu derselben Zeit auch aufgetreten wäre. Dr. H. hat nachvollziehbar ausgeführt, dass es zwar nicht unwahrscheinlich ist, dass zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft der kleine vorbestehende Riss in der Supraspinatussehne im Rahmen der fortschreitenden Degeneration größer geworden wäre, doch erlaubt dies aus medizinischer Sicht nicht die Beurteilung, dass eine volle Ruptur jederzeit auch hätte eintreten können.
Der Hinweis der Beklagten auf den degenerativen Vorschaden der Sehne und übrigen Schultergelenkanteile ist daher nicht überzeugend, denn aus welchen medizinischen Gründen dieser Befund die Annahme einer Gelegenheitsursache rechtfertigt, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen. Der Verweis auf einen vergleichbaren Befund auf der Gegenseite führt nicht weiter, denn dass degenerative Änderungen der Schultergelenke beidseits bestehen, wird auch in dem Gutachten von Dr. H. angeführt. Dies mag belegen, dass eine nicht traumatisch bedingte Degeneration an beiden Schultergelenken bereits vor dem Unfall eingesetzt hatte, sagt aber nichts über die verbliebene Belastbarkeit der Supraspinatussehne rechts aus. Ebenso wenig sind Schlussfolgerung aus der von der Beklagten angeführten Tatsache zu ziehen, dass die übrigen Sehnen der Rotatorenmanschette noch intakt sind und Knorpel und Bänder des Gelenks keine traumatypischen Veränderungen aufweisen. Eine mit der Supraspinatussehne vergleichbare degenerative Entwicklung ist an den anderen Sehnen der Rotatorenmanschette nicht zu diagnostizieren. Im radiologischen Gutachten von Prof. Dr. C. wird eine höhergradige Degeneration der übrigen Rotatorenmanschette verneint. Es ist daher folgerichtig, wenn von Prof. Dr. W. und Dr. H. angenommen wird, dass die Unfalleinwirkung ihrer Intensität nach gesunde Gelenkanteile nicht verletzen konnte, jedoch noch hinreichend stark ausgeprägt war, um die Ruptur der vorgeschädigten Supraspinatussehne zu verursachen. Damit ist allenfalls zu begründen, dass die Vorschädigung unverzichtbar mitursächlich für die Komplettruptur der Sehne war.
Ob das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Supraspinatussehne nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung erreichte, was den Rückschluss auf eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache zuließe (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteil des Senats vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, veröff. in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris), hat der Senat nicht feststellen können. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112). Ergibt sich wie vorliegend aus den Gesamtumständen, dass das Unfallereignis conditio sine qua non der Rotatorenmanschettenruptur war und der medizinischen Befund einer Vorschädigung - als von der Beklagten zu beweisenden Konkurrenzursache -objektiv nicht den Schluss auf eine solche Ausprägung zulässt, dass die Unfalleinwirkung nicht in ihrer Art unersetzlich war, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Ruptur verursacht hätte, sind die in der Beweislast des Klägers stehenden anspruchsbegründenden Tatsachen (unfallbedingter wesentlicher Zusammenhang) zur Feststellung von Unfallfolgen bewiesen. Tatsachen, die den objektiven medizinischen Befund einer rechtlich irrelevanten Vorschädigung widerlegen oder i. S. einer Gelegenheitsursache deutbar machen sollen, stellen rechtsvernichtende Einreden dar, die in der Beweislast der Beklagten stehen, weshalb sie den Mangel der nicht bewiesenen Tatsache zu vertreten hat und ihre Einrede ohne Erfolg bleibt (vgl. zum Nachweis von Konkurrenzursachen BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 und BSG-Urteil vom 06.12.1989 - 2 RU 7/89, juris).
Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (vgl. stellvertretend zuletzt Beschl. des Senats vom 07.08.2009 - L 8 U 5351/08 - und vom 03.06.2009 - L 8 U 345/09 -; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Anhaltspunkte dafür, dass die vom Senat für nachgewiesen erachtete Beanspruchung der Sehne durch eine reflexartige Abwehr-/Abfangbewegung nicht über eine Alltagsbeanspruchung hinausgegangen ist, wie sie z.B. beim Tragen oder Hochheben von mittelschweren Lasten entstehen, hat die Beklagte weder vorgetragen noch ist dies für den Senat ersichtlich. Die Beklagte hat zuletzt (Schriftsatz vom 11.04.2011) ausgeführt, möge auch kein eindeutiger ungeeigneter Mechanismus zur Einflussnahme auf die Rotatorenmanschette nachgewiesen werden (können), so sprächen doch die Vorgeschichte, Ereignisablauf mit Direktanprall, Primärbefund, identische Läsion auf der Gegenseite in der Gesamtschau gegen eine wesentliche Ursache. Dies vermag nach dem oben Ausgeführten eine bloße Alltagsbelastung jedoch nicht zu begründen.
Die Folgen des Unfalls bedingen eine MdE um 20 v.H. Die Sprunggelenksverletzung ist - unstreitig - folgenlos ausgeheilt. Die Unfallfolge der kompletten Ruptur der Supraspinatussehne rechts mit Reruptur nach operativer Fixation geht nach den überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. W. und von Dr. H. mit einer die MdE um 20 v.H. begründenden Bewegungseinschränkung einher. Dies steht im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur, wonach Bewegungseinschränkungen in der Armvorwärtshebung bis 90° eine MdE um 20 v.H. begründen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 419). Bei der Untersuchung durch Dr. H. war aktiv rechts nur eine Armhebung um etwa 60-70° nach vorn und zur Seite möglich, bei assistiver Untersuchung (Unterstützung der aktiven Bewegung durch den Untersucher mit sanftem Druck) ergab sich für beide Bewegungsmaße immerhin noch eine Seitendifferenz zulasten des rechten Arms von 40° (Beugung/Streckung rechts: 130/0/30, links 170/0/40; Abspreizen/Heranführen: rechts 130/0/30, links 170/0/40). Auch außerhalb der Untersuchungssituation konnte Dr. H. beobachten, dass bei erforderlichen Griffen in Kopfhöhe der rechte Arm nicht eingesetzt wurde.
Die dem Kläger zustehende Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. beginnt nach Ende der unfallbedingten, den Anspruch auf Verletztengeld begründenden Arbeitsunfähigkeit (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) am 02.04.2008 und ist als Rente auf unbestimmte Zeit zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Verletztenrente wegen eines am 29.10.2007 erlittenen Unfalls zusteht.
Der 1959 geborene Kläger ist als Wertstoffhofarbeiter/Staplerfahrer beschäftigt. Am 29.10.2007 stapelte der Kläger Kühlschränke (Kühl-Gefrierkombinationen) in einem Gehäuseschrott-Container. Dabei drohte ein Kühlschrank von dem Stapel herunterzufallen. Bei dem Versuch dies zu verhindern und dem Kühlschrank auszuweichen stolperte der Kläger über die Kante des Containers und stürzte rückwärts aus dem Container. Er fiel mit dem Rücken auf zur Verladung vor dem Container abgestellte Gefrierkombinationen und dann auf den etwa 30-50 cm vom Containereinstieg tieferliegenden Boden.
Die Durchgangsärztin Dr. T. stellte am 29.10.2007 die Diagnose des Verdachts auf eine Außenbandruptur des rechten oberen Sprunggelenks und eine Schulterdistorsion rechts (Durchgangsarztbericht vom 29.10.2007). Die Sprunggelenksverletzung erwies sich als Außenband-Partialruptur, die mit Schiene versorgt wurde. Sie war im Dezember 2007 bei guter Sprunggelenksbeweglichkeit bis auf eine diskrete Schwellung und das bereits fast resorbierte ursprünglich flächige Hämatom abgeheilt (Zwischenbericht von Dr. B. vom 10.12.2007). Die aufgrund fortbestehender Schulterbeschwerden veranlasste Magnetresonanztomographie (MRT) am 05.12.2007 ergab eine Komplettruptur der Supraspinatussehne rechts (Befundbericht der radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. W. u. Koll. vom 06.12.2007). Während der stationären Behandlung des Klägers vom 10.12. bis 18.12.2007 in der Kreisklinik B. wurde am 11.12.2007 operativ eine Supraspinatussehnenrefixation vorgenommen (Zwischenbericht vom 18.12.2007). Arbeitsfähigkeit trat ab 02.04.2008 wieder ein (D-Arzt Mitteilung von Dr. B. vom 02.04.2008).
Die Beklagten holte in dem von ihr eingeleiteten Feststellungsverfahren die Angaben des Klägers in dem von ihr übersandten Vordruck u.a. zum Unfallhergang (Angaben des Klägers vom 28.04.2008 mit Vermerk des Klägers vom 23.04.2008), das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - die Gesundheitskasse U.-B. vom 09.05.2008 und vom Radiologen Dr. W. den Befund der MRT der linken Schulter vom 15.04.2008 (Beurteilung: kleine transmurale Läsion der Supraspinatussehne, leichte Gelenkarthritis mit Erguss im Gelenksspalt, unauffällige übrige Rotatorenmanschette, Reizerguss im Bizepssehnenrecessus) ein. Nach der von der Beklagten veranlassten Auswertung der beigezogenen Unterlagen kam der Radiologe Kaspar aufgrund des MRT-Befunds der rechten Schulter vom 05.12.2007 zu dem Ergebnis, dass es sich um eine ältere Supraspinatussehnenruptur handele bei deutlicher Atrophie des Musculus Supraspinatus und unter schwerer AC-Arthrose mit Einengung des Subacromialraumes. In der eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.06.2008 teilte Dr. S. diese Einschätzung.
Mit Bescheid vom 23.06.2008 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen wegen des Unfalls vom 29.10.2007 über den 09.12.2007 hinaus ab. Bei der Schulterverletzung rechts handele es sich im wesentlichen um einen degenerativ bedingten, bereits älteren Riss der Rotatorenmanschette bei fehlendem verletzungskonformen Erstbefund. Die Verletzung an der linken Schulter sei erstmals im April 2008 angegeben worden. Die MRT-Untersuchung der linken Schulter vom 15.04.2008 sei bei fehlendem verletzungskonformen Erstbefund und Durchführung erst ein halbes Jahr nach dem angeschuldigten Ereignis nicht aussagefähig. Es liege ein degeneratives Schadensbild vor, welches durch den direkten Anprall der Schuldner an den Container und andere Gegenstände weder verursacht noch verschlimmert worden sei. Als Unfallfolge werde anerkannt, eine ohne wesentliche Folgen verheilte Zerrung der rechten Schulter und ein ohne wesentliche Folgen verheilter Außenbandriss im Bereich des rechten oberen Sprunggelenks.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Auf Anfrage der Beklagten (Schreiben vom 31.07.2008) teilte der Kläger mit, er könne nicht mehr rekonstruieren, ob und wie der rechte Arm während des Sturzes gestreckt gewesen sei. Möglicherweise habe er reflexartig versucht, mit dem rechten Arm den Sturz, die umstürzende Gefriertruhe oder sonst etwas abzufangen (Schreiben der Klägerbevollmächtigten vom 11.08.2008). Außerdem zog die Beklagte den MRT-Befund vom 09.03.2004 vom Radiologe Dr. H. bezüglich der rechten Schulter des Klägers bei (Beurteilung u.a.: partielle Fasereinrisse der distalen Supraspinatussehne, keine Komplettruptur) sowie einen die Schulterbeschwerden des Klägers im März 2004 betreffenden Behandlungsbericht von Dr. S. (Bericht vom 26.08.2008: Vorstellung des Klägers am 02.03.2004 wegen Schulterschmerzen rechts mit anamnestischer Unfallangabe für 04.01.2004) und veranlasste die Begutachtung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik). Gestützt auf das in seinem Gutachten vom 04.11.2008 angeregte radiologische Zusatzgutachten von Prof. Dr. C. vom 17.12.2008 (Befund MRT vom 05.12.2007: Ruptur der Rotatorenmanschette mit Defektzone von ca. 2 cm gegenüber Vorbefund mit 8 mm; eine im 3,5 Jahresverlauf fortgeschrittene fettige Degeneration II nach Thomazeau des Muskels und aggravierte Retraktion des Musculus supraspinatus) beurteilte Prof. Dr. W. in seiner abschließenden Stellungnahme vom 29.12.2008 - bestätigt mit seiner Äußerung vom 13.01.2009 - das Unfallereignis als "Anlassgeschehen" für die vollständige Ruptur der vorgeschädigten Supraspinatussehne. Somit habe es sich um eine richtunggebende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens gehandelt. Die Komplettruptur wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne das angeschuldigte Unfallereignis nicht eingetreten. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten seien auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die beschriebenen unfallabhängigen Befunde im Bereich der rechten Schulter bedingten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bis zum Zeitpunkt der Untersuchung. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 05.02.2009 ging Dr. S. von einer isolierten Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne mit guter Funktion am Unfalltag aus. Der Unfall habe eine Prellung, eventuell auch eine Zerrung bei Vorschaden verursacht, die Operation ginge nicht zulasten der Unfallversicherung. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger erhob am 24.03.2009 Klage vor dem Sozialgericht Ulm mit dem Begehren, Entschädigungsleistungen, insbesondere Verletztenrente, zu gewähren. Das Sozialgericht holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten vom 21.08.2009 ein. Darin bejahte der Sachverständige Dr. H. eine schmerzhafte Funktionsstörung der rechten Schulter als Unfallfolge. Der Unfall habe einen vorbestehenden kleinen Riss in der Supraspinatussehne vergrößert und damit in wesentlicher Weise die mit einer MdE um 20 v.H. zu bewertende Funktionsstörung der rechten Schulter ausgelöst. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Eintritt der Funktionsstörung sei offenkundig. Auch Prof. Dr. C. räume ein, dass es im Rahmen des Unfallereignisses am 29.10.2007 zu einer Komplettruptur der Supraspinatussehne gekommen sei. Soweit Prof. Dr. C. den Begriff Anlassgeschehen, womit die Charakterisierung des Unfalls als Gelegenheitsursachen zu vermuten sei, verwende und wohl damit argumentiere, der Unfall sei nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, könne dem anhand des kernspintomographisch nachgewiesenen Vorschadens nicht gefolgt werden. Eine Beurteilung, wie belastbar die Supraspinatussehne zum Unfallzeitpunkt gewesen sei und ob eine Bagatellbelastung ausgereicht hätte, die Sehne vollständig zu zerreißen, könne anhand der Befunde nicht getroffen werden. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz des 2004 erhobenen Befundes einer körperlich belastenden Tätigkeit bei insoweit unauffälligem Vorerkrankungsverzeichnis nachgegangen sei. Aus medizinischer Sicht könne nach Aktenlage und Schilderung des Klägers nicht ohne weiteres von einer minimalen Alltagsbelastung der rechten Schulter durch den Unfall ausgegangen werden.
Die Beklagte legte nach Aufforderung die im Rahmen der Erstattungsstreitigkeit zwischen ihr und der Deutschen Rentenversicherung von dieser veranlasste gutachterliche Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes vom 17.12.2008 vor. Darin bewertete Chirurg Dr. J. die Rotatorenmanschettenruptur als zumindest richtunggebende Beeinflussung eines Vorschadens durch das Unfallereignis. Die Beklagte führte hierzu aus, gutachtliche Stellungnahmen, die nicht unter Beachtung der für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Grundsätze erstellt worden seien, seien für sie nicht verwertbar.
Mit Urteil vom 19.10.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich darauf, dass eine Dehnungsbelastung der Supraspinatussehne nicht stattgefunden habe, ein in der unfallmedizinischen Literatur beschriebenes sofortiges Schmerzmaximum und eine traumafolgentypische Funktionseinschränkung nicht vorgelegen habe. Prof. Dr. W. habe übereinstimmend mit Prof. Dr. C. von einem Anlassgeschehen gesprochen. Eine fettige Degeneration des Muskels belege hinreichend, dass degenerative Vorschäden und nicht das Unfallereignis den Riss der Rotatorenmanschette wesentlich bedingt hätten. Dem Gutachten von Dr. H. könne nicht gefolgt werden, denn er lege einen nicht stattgehabten Unfallmechanismus zu Grunde. Es liege nahe, dass sich die Veränderungen über die letzten 3 Jahre vor dem Unfall ergeben hätten.
Gegen das dem Kläger am 16.12.2010 zugestellte Urteil hat er am 14.01.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Gutachten von Dr. H ...
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19.10.2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, wegen des Arbeitsunfalls vom 29.10.2007 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. ab 02.04.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung spreche gegen den Unfall als naturwissenschaftliche Ursache für den Komplettriss der Supraspinatussehne, dass keine erhebliche Bewegungseinschränkung, ein Humeruskopfhochstand zum Unfallzeitpunkt, keine relevante Ergussbildung, keine weitere Sehnenschädigung, eine bereits am selben Ort gesicherte 8 mm große Lücke und keine sofortigen starken Schmerzen im Unfallzeitpunkt vorgelegen hätten. Selbst wenn von einer naturwissenschaftlichen Kausalität auszugehen sei, sei der Unfall nicht wesentlich gewesen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass auch ein alltägliches Ereignis ebenfalls zu einer Vergrößerung des bereits bestehenden Sehnenrisses geführt hätte. Hierfür spreche der Humeruskopfhochstand und der vorbestehende Sehnendefekt, die ausgeprägte AC-Gelenkarthrose und hakenförmiges Acromion, ein vergleichbarer Befund der linken Schulter, ein fehlender Kraft- und Funktionsverlust nach dem Unfall und der histologische Befund, der reichlich unterbrochenes Gewebe im entnommenen Sehnenanteil beschreibe.
Am 01.04.2011 ist der Rechtstreit mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert worden.
Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte wird wegen weitere Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist statthaft. Berufungsausschlussgründe gemäß §§ 143, 144 SGG liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet, da das Sozialgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts war daher aufzuheben und die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten waren abzuändern.
Das Sozialgericht hätte die zulässige und begründete Klage nicht abweisen dürfen. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung einer Verletztenrente ist zulässig. Insbesondere liegt ein diesbezüglich anfechtbarer Verwaltungsakt vor. Mit dem angefochtenen Ausgangsbescheid der Beklagten vom 23.06.2008 sind "Entschädigungsleistungen aus Anlass des Versicherungsfalls vom 29.10.2007 über den 09.12.2007 hinaus" abgelehnt worden, was auch die Ablehnung einer Verletztenrente beinhaltet. Dass der Regelungsgehalt des Bescheids auf die Feststellung von Unfallfolgen beschränkt ist, ist dem Bescheid weder inhaltlich noch seiner Form nach zu entnehmen. Der Entscheidungssatz des Verwaltungsaktes ist dem nachfolgenden Text als Überschrift vorangestellt. Die folgenden textlichen Ausführungen zum Unfallereignis und den hieraus resultierenden unfallbedingten Gesundheitsstörungen ergeben die Begründung dieser Entscheidung. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Antrag zulässig auf die Zahlung einer Verletztenrente beschränkt und nicht mehr an dem - unzulässigen - unbestimmten Leistungsantrag festgehalten.
Das Klagebegehren ist auch begründet, denn der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) ). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Für beide Bereiche der Kausalität (haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff mwN sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache erforderlich (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Ob die Verursachung eines Gesundheitsschadens oder des Todes eines Versicherten "durch" einen Arbeitsunfall festgestellt werden kann, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - letztlich danach, ob das Unfallereignis selbst und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung für den Eintritt der Schädigung bildet (st. Rspr. des BSG; vgl. stellvertretend BSGE 63, 277 , 278 = SozR 2200 § 548 Nr 91 m.w.N). Welcher Umstand entweder für den Eintritt eines Arbeitsunfalls für den Eintritt des Schadens als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Frage kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit bewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Zur Bewertung der Qualität einer bestimmten Bedingung hat die Rechtsprechung (vgl. etwa BSGE 59, 193 , 195 = SozR 2200 § 548 Nr. 77 m.w.N.) vielfach auf die Auffassung des "täglichen" oder "praktischen" Lebens abgestellt. Anders als bei der für das Zivilrecht maßgebenden Adäquanztheorie (stellvertretend BGHZ 137, 11, 19ff m.w.N.) folgt daraus keine abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise; vielmehr ist die Kausalitätsbewertung in der gesetzlichen Unfallversicherung vom ex-post-Standpunkt aus anhand individualisierender und konkretisierender Merkmale des jeweiligen Einzelfalles vorzunehmen. Daher kommt es bei der Wertung im Bereich der Kausalität vor allem darauf an, welche Auswirkungen das Unfallgeschehen gerade bei der betreffenden Einzelperson mit ihrer jeweiligen Struktureigenheit im körperlich-seelischen Bereich hervorgerufen hat (vgl. BSGE 66, 156 , 158 = SozR 3-2200 § 553 Nr. 1 m.w.N.). Gleichzeitig ist im Rahmen der gegenseitigen Abwägung mehrerer, zu einem bestimmten "Erfolg" führender Umstände der Schutzzweck sowohl der gesetzlichen Unfallversicherung im Allgemeinen als auch der jeweils anzuwendenden Norm - hier der §§ 27, 56 SGB VII - zu berücksichtigen. Dies führt zu der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz im Einzelfall reicht (vgl. insgesamt BSG Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 8/03 R -, SozR 4-2200 § 589 Nr. 1 m.w.N.).
Gibt es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, solange die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war (BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).
In Anwendung dieser Grundsätze ist die im Dezember 2007 diagnostizierte Ruptur der Supraspinatussehne Folge des anerkannten Arbeitsunfalls des Klägers vom 29.10.2007.
Der Unfall war conditio sine qua non für den Riss der Supraspinatussehne im Sinne der Äquivalenztheorie. Der Senat gewinnt seine Überzeugung aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden Indizien und den Angaben des Klägers.
Die durchgeführte MRT am 05.12.2007 ergab auch nach der radiologischen Beurteilung von Prof. Dr. C. - entgegen der Einschätzung des Radiologen K. (Bericht vom 03.06.2008) - eine frische Ruptur der vorgeschädigten Supraspinatussehne, wovon sowohl Prof. Dr. W. als auch Dr. H. in ihrem Gutachten ausgehen. In Übereinstimmung hierzu waren ebenso dem intraoperativen Befund vom 11.12.2007 Zeichen einer frischen Ruptur mit organisierten Hämatomresten, worauf auch Prof. Dr. W. Bezug nimmt, und dem histologischen Befund von Dr. Q. vom 12.12.2007 Hinweise auf eine frische Ruptur der Supraspinatussehne zu entnehmen. Der Pathologe fand an dem überlassenen resezierten Sehnenteil unterbrochenes Gewebe mit reichlichen Fibrinausschwitzungen neben in geringerem Umfang erkennbaren reparativen Vorgängen, was auch nach seiner Einschätzung für eine frischere Ruptur spricht. Sowohl Prof. Dr. C. wie auch Prof. Dr. W. und Dr. H. haben in ihren gutachterlichen Stellungnahmen keine Zweifel daran gehabt, dass der intraoperative und histologische Befund sowie der MRT-Befund vom Dezember 2007 auf das knapp 5 Wochen zuvor stattgefundene Unfallereignis beziehbar sind. Dass das Unfallereignis bereits kein unverzichtbarer Ursachenfaktor der Komplettruptur der Supraspinatussehne war, wovon aber das Sozialgericht und die Beklagte ausgehen, wird daher selbst von Prof. Dr. C. nicht vertreten.
Eine grundsätzlich für die Belastung der Supraspinatussehne geeignete Einwirkung, die nicht die Intensität zum Zerreißen einer gesunden Sehne erreichen musste, wird auch durch den am Unfalltag erhobenen medizinischen Befund bestätigt. Zum Unfallzeitpunkt waren nach Dr. H. und Prof. Dr. W. positive Rotatorenmanschettenzeichen, Schmerzen an der Schulter und eine funktionelle Beeinträchtigung in Form eines schmerzhaften Bogens ab 90° aufgetreten (Durchgangsarztbericht vom 29.10.2007 von Dr. T.), was für eine aktuelle Beeinträchtigung durch den Sturz spricht, die zunächst als Schulterdistorsion gedeutet wurde. Im Hinblick auf diese für eine frische Ruptur sprechenden Anknüpfungstatsachen kann eine etwaige 10 Monate zuvor erfolgte Läsion der rechten Schulter im Januar 2007, deren konkrete Umstände die Beklagte auch nicht aufgeklärt hat, dahinstehen.
Im Zusammenhang mit diesen medizinischen Befunden ist aufgrund des glaubhaften Vorbringens des Klägers, der durchgehend den Kern des Unfallablaufs stimmig und widerspruchsfrei geschildert hat, auch eine sturzbedingte Sehnenruptur nachgewiesen. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger beim Stapeln von Kühlschränken/Gefrierkombinationen in einen Container rückwärts aus dem etwa 30-50 cm über dem Fußboden liegenden Containereinstieg gestürzt ist und dabei mit dem Rücken in zur Verladung vor dem Container bereitgestellte Gefrierschränke auf den Boden fiel. Hierbei war eine aus dem Stapel herunterrutschende Gefrierkombination auf den Kläger gefallen, deren Herabfallen er verhindern wollte. Diesen Unfallhergang hat der Kläger von Anfang an wiederholt angegeben, u.a. in dem dem Unfallfragebogen der Beklagten beigefügten Vermerk vom 23.04.2008, über seine Prozessbevollmächtigte in deren Schreiben vom 11.08.2008 und zuletzt vor dem Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung. Geringfügige Abweichungen in der Unfallschilderung, wie etwa die Angaben zum Abfangen und Abwehren des herunterstürzenden Gefrierschranks (Abfangen mit gestreckten Arm; Anprall auf der rechten Schulter mit solcher Wucht, dass dies zum Sturz aus der Containeröffnung führte), berühren nicht den Kerngehalt der Aussage des Klägers und sind auf den Zeitablauf zurückzuführen, was die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht beeinträchtigt. Im Unfallfragebogen der Beklagten hatte der Kläger unter dem 28.04.2008 durch Ankreuzen zwar einen direkten Sturz auf den Ellenbogen oder ein Abfangen mit der Hand verneint, dagegen den Versuch, den Sturz zu verhindern und einen Sturz direkt auf die Schulter bejaht. Die Frage, ob der Arm gestreckt gewesen sei, blieb unbeantwortet, weshalb die Beklagte sich veranlasst sah, dies noch einmal nachzufragen (Schreiben vom 31.07.2008). Die Erklärung seiner Prozessbevollmächtigten (Schreiben vom 11.08.2008), es könne nicht mehr rekonstruiert werden, wo sich der rechte Arm während des Sturzes befunden habe, deckt sich mit den früheren Angaben des Klägers im Vordruck und ist angesichts des mehrphasigen Ablaufs des Unfallgeschehens auch glaubhaft. Dass der Kläger selbst den Aufprall der Schulter bzw. auch den Stoß durch den herabstürzenden Kühlschrank auf die Schulter als das schadenstiftende Ereignis aus laienhafter Sicht ansieht, ist nicht maßgebend. Umstände, die bei lebensnaher Betrachtung eine noch so geringe Dehnung der Supraspinatussehne zwingend ausschließen, wie das Sozialgericht meint, sind bei dem vom Senat festgestellten Geschehensablauf nicht ersichtlich. Dass eine degenerativ bedingte Vorschädigung, die sich möglicherweise auch aus der später diagnostizierten nicht traumatisch bedingten Degeneration im linken Schultergelenk des Klägers ableiten lässt, vorlag, rechtfertigt nicht den Schluss, dass die frische Schädigung nicht auf einer traumatischen Einwirkung beruht.
Für den Senat ist bei diesem Geschehen entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Beklagten bei lebensnaher Betrachtung nahe liegend, dass bei dem Fall nach hinten die im rechten Schultergelenk verlaufende Supraspinatussehne sturzbedingt gedehnt wurde, sei es durch eine reflexhafte schnelle Abfangbewegung während des Sturzes oder durch eine unbewusste Abstützreaktion beim Aufprall mit dem Rücken auf die Gefriertruhe oder den Boden. Von diesen Möglichkeiten ist der Senat in der Zusammenschau mit dem gutachterlich bewerteten medizinischen Befund einer frischen Ruptur hinreichend überzeugt. Es hieße die Beweisanforderungen zu überspannen, wenn gerade auch wie vorliegend bei einem mehrphasigen Unfallgeschehen die Schilderung eines detaillierten Bewegungsablaufs verlangt würde. Genaue Feststellungen über den unmittelbar den Unfall bewirkenden Umstand müssen nicht getroffen werden, wenn die zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Alternativursachen gleichermaßen der versicherten Verrichtung, wie dies vorliegend der Fall ist, zuzurechnen sind (vgl. BSG Urteil vom 14.11.1984 9b RU 68/83 - HV-INFO 1985, Nr. 5, 40-44 - Juris).
Die gutachterliche Auffassung der Ärzte Dr. B., Prof. Dr. W. und Dr. H., dass die Komplettruptur Folge des Unfalls ist, wird nicht dadurch widerlegt, dass unmittelbar nach dem Unfalltrauma keine starke Bewegungseinschränkung und keine starke Schmerzen dokumentiert sind. Abgesehen davon, dass weder Prof. Dr. W. noch Dr. H. in ihrem unfallchirurgischen/orthopädischen Gutachten mit dieser Begründung die naturwissenschaftliche Kausalität verneint haben, ist dieser Einwand auch nicht überzeugend. Der Kläger war ausweislich des MRT-Befund vom 09.03.2004 an der Supraspinatussehne erheblich vorgeschädigt, weshalb Kompensationsmechanismen eingesetzt haben, die eine hinlängliche Funktionalität der Schulterbeweglichkeit erlaubten. Dies ergibt sich aus der Befunderhebung von Dr. B., der bei der Untersuchung des Klägers am 06.12.2007, also nachdem bereits mit MRT vom 05.12.2007 die Komplettruptur der Supraspinatussehne diagnostiziert worden war, ebenfalls keine solche Funktionseinschränkung hat erheben können, wie sie später nach dem operativen Eingriff von Prof. Dr. W. mit deutlicher Reduzierung der Schulterbeweglichkeit in der Hebung seitwärts und körperwärts von 80-0-40° beschrieben wird. Trotz Komplettruptur der Supraspinatussehne wurde von Dr. B. nur eine Abspreizhemmung rechts mit einem deutlichen schmerzhaften Bogen dokumentiert und es ist ausgeführt, dass die Beweglichkeit zeitgleich (gemeint ist seitengleich) möglich, jedoch rechts deutlich schmerzarm sei. Die Schultergelenkbeweglichkeit links war aber zu diesem Zeitpunkt nicht deutlich eingeschränkt. Außerdem ergibt sich eine gewisse Indolenz des Klägers.
Letztlich handelt es sich bei den von der Beklagten angeführten Kriterien um Beweisanzeichen für oder gegen eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenruptur, was Prof. Dr. W. im seinem Gutachten vom 04.11.2008 mit Aufstellung einer Pro- und Contra-Liste berücksichtigt hat und wie sie auch in der nach Aussagekraft und Wertigkeit geordneten Bewertungsskala von Prof. Dr. L. Eingang gefunden haben. Eine isolierte Betrachtung einzelner Indizien ist daher nicht zielführend. In Anwendung dieser Bewertungsskala von L. wurde von Chirurg Dr. J. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 16.12.2008 bei einer Punktzahl von 13 Punkten (= Bewertungsstufe "Trauma überwiegend") zumindest eine richtunggebende "Beeinflussung" eines Vorschadens angenommen, obgleich er neben Vorgeschichte und Vorschädigung sogar einen nicht bewiesenen geeigneten Unfallmechanismus als Contra-Kriterium berücksichtigte. Auch danach ist die Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie - aber auch im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung - gegeben. Eine andere Ursache als den Unfall als alleinige Ursache im naturwissenschaftlichen-philosophischen Sinne der Äquivalenztheorie hat die Beklagte nicht nachgewiesen.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass das von der Beklagten bestandskräftig als Arbeitsunfall anerkannte Ereignis nach wertender Betrachtung wesentliche Mitursache der Sehnenruptur war. Unstreitig bestand beim Kläger zum Unfallzeitpunkt eine - nach Einschätzung von Prof. Dr. W. erhebliche - Vorschädigung der Supraspinatussehne rechts. Gestützt auf das radiologische Gutachten von Prof. C. beurteilt Prof. Dr. W. die von ihm angenommene Erweiterung des unfallvorbestehenden Sehnendefekts mit Partialruptur von 8 mm auf eine Komplettruptur auf 2 cm als Anlassgeschehen. Ob dieser Begriff als Synonym für den gebräuchlichen Begriff "Gelegenheitsursache" verwendet wird - und zwar in dem Dr. H. vermuteten Verständnis - kann dahinstehen, denn nach den expliziten Ausführungen von Prof. Dr. W. liegen die Voraussetzungen einer Gelegenheitsursache nicht vor. Prof. Dr. W., der aufgrund seiner forensischen und kurativen ärztlichen Tätigkeit als Direktor der BG-Klinik T. über eine besondere Sachkunde verfügt, hat auf die ausdrückliche Frage der Beklagten in seiner abschließenden Stellungnahme vom 29.12.2008 dargelegt, dass die komplette Ruptur auch aufgrund der Vorschäden und anlagebedingten Veränderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne das angeschuldigte Unfallereignis nicht eingetreten wäre. Hiermit übereinstimmend ist von Dr. H. ausgeführt worden, dass keine empirischen Erkenntnisse über eine Belastungsgrenze degenerierter Supraspinatussehnen vorliegen und der konkrete Schultergelenksbefund unabhängig davon, dass zum Unfallzeitpunkt einige Fasern der Supraspinatussehne gerissen waren, eine aktivierte Schultereckgelenksarthrose vorlag und das knöcherne Schulterdach leicht hakenförmig verbogen war, keine Einschätzung darüber zulässt, dass die diagnostizierte Funktionsstörung ohne das Unfallereignis zu derselben Zeit auch aufgetreten wäre. Dr. H. hat nachvollziehbar ausgeführt, dass es zwar nicht unwahrscheinlich ist, dass zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft der kleine vorbestehende Riss in der Supraspinatussehne im Rahmen der fortschreitenden Degeneration größer geworden wäre, doch erlaubt dies aus medizinischer Sicht nicht die Beurteilung, dass eine volle Ruptur jederzeit auch hätte eintreten können.
Der Hinweis der Beklagten auf den degenerativen Vorschaden der Sehne und übrigen Schultergelenkanteile ist daher nicht überzeugend, denn aus welchen medizinischen Gründen dieser Befund die Annahme einer Gelegenheitsursache rechtfertigt, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen. Der Verweis auf einen vergleichbaren Befund auf der Gegenseite führt nicht weiter, denn dass degenerative Änderungen der Schultergelenke beidseits bestehen, wird auch in dem Gutachten von Dr. H. angeführt. Dies mag belegen, dass eine nicht traumatisch bedingte Degeneration an beiden Schultergelenken bereits vor dem Unfall eingesetzt hatte, sagt aber nichts über die verbliebene Belastbarkeit der Supraspinatussehne rechts aus. Ebenso wenig sind Schlussfolgerung aus der von der Beklagten angeführten Tatsache zu ziehen, dass die übrigen Sehnen der Rotatorenmanschette noch intakt sind und Knorpel und Bänder des Gelenks keine traumatypischen Veränderungen aufweisen. Eine mit der Supraspinatussehne vergleichbare degenerative Entwicklung ist an den anderen Sehnen der Rotatorenmanschette nicht zu diagnostizieren. Im radiologischen Gutachten von Prof. Dr. C. wird eine höhergradige Degeneration der übrigen Rotatorenmanschette verneint. Es ist daher folgerichtig, wenn von Prof. Dr. W. und Dr. H. angenommen wird, dass die Unfalleinwirkung ihrer Intensität nach gesunde Gelenkanteile nicht verletzen konnte, jedoch noch hinreichend stark ausgeprägt war, um die Ruptur der vorgeschädigten Supraspinatussehne zu verursachen. Damit ist allenfalls zu begründen, dass die Vorschädigung unverzichtbar mitursächlich für die Komplettruptur der Sehne war.
Ob das Unfallereignis in seiner Intensität der Einwirkung auf die Supraspinatussehne nur das Ausmaß einer Alltagsbelastung erreichte, was den Rückschluss auf eine rechtlich erhebliche unfallvorbestehende Sehnendegeneration im Sinne einer Gelegenheitsursache zuließe (vgl. zu dieser Voraussetzung Urteil des Senats vom 16.04.2010 - L 8 U 5043/09 -, veröff. in www.sozialgerichtsbarkeit.de und juris), hat der Senat nicht feststellen können. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112). Ergibt sich wie vorliegend aus den Gesamtumständen, dass das Unfallereignis conditio sine qua non der Rotatorenmanschettenruptur war und der medizinischen Befund einer Vorschädigung - als von der Beklagten zu beweisenden Konkurrenzursache -objektiv nicht den Schluss auf eine solche Ausprägung zulässt, dass die Unfalleinwirkung nicht in ihrer Art unersetzlich war, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Ruptur verursacht hätte, sind die in der Beweislast des Klägers stehenden anspruchsbegründenden Tatsachen (unfallbedingter wesentlicher Zusammenhang) zur Feststellung von Unfallfolgen bewiesen. Tatsachen, die den objektiven medizinischen Befund einer rechtlich irrelevanten Vorschädigung widerlegen oder i. S. einer Gelegenheitsursache deutbar machen sollen, stellen rechtsvernichtende Einreden dar, die in der Beweislast der Beklagten stehen, weshalb sie den Mangel der nicht bewiesenen Tatsache zu vertreten hat und ihre Einrede ohne Erfolg bleibt (vgl. zum Nachweis von Konkurrenzursachen BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 und BSG-Urteil vom 06.12.1989 - 2 RU 7/89, juris).
Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (vgl. stellvertretend zuletzt Beschl. des Senats vom 07.08.2009 - L 8 U 5351/08 - und vom 03.06.2009 - L 8 U 345/09 -; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Anhaltspunkte dafür, dass die vom Senat für nachgewiesen erachtete Beanspruchung der Sehne durch eine reflexartige Abwehr-/Abfangbewegung nicht über eine Alltagsbeanspruchung hinausgegangen ist, wie sie z.B. beim Tragen oder Hochheben von mittelschweren Lasten entstehen, hat die Beklagte weder vorgetragen noch ist dies für den Senat ersichtlich. Die Beklagte hat zuletzt (Schriftsatz vom 11.04.2011) ausgeführt, möge auch kein eindeutiger ungeeigneter Mechanismus zur Einflussnahme auf die Rotatorenmanschette nachgewiesen werden (können), so sprächen doch die Vorgeschichte, Ereignisablauf mit Direktanprall, Primärbefund, identische Läsion auf der Gegenseite in der Gesamtschau gegen eine wesentliche Ursache. Dies vermag nach dem oben Ausgeführten eine bloße Alltagsbelastung jedoch nicht zu begründen.
Die Folgen des Unfalls bedingen eine MdE um 20 v.H. Die Sprunggelenksverletzung ist - unstreitig - folgenlos ausgeheilt. Die Unfallfolge der kompletten Ruptur der Supraspinatussehne rechts mit Reruptur nach operativer Fixation geht nach den überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. W. und von Dr. H. mit einer die MdE um 20 v.H. begründenden Bewegungseinschränkung einher. Dies steht im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur, wonach Bewegungseinschränkungen in der Armvorwärtshebung bis 90° eine MdE um 20 v.H. begründen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 419). Bei der Untersuchung durch Dr. H. war aktiv rechts nur eine Armhebung um etwa 60-70° nach vorn und zur Seite möglich, bei assistiver Untersuchung (Unterstützung der aktiven Bewegung durch den Untersucher mit sanftem Druck) ergab sich für beide Bewegungsmaße immerhin noch eine Seitendifferenz zulasten des rechten Arms von 40° (Beugung/Streckung rechts: 130/0/30, links 170/0/40; Abspreizen/Heranführen: rechts 130/0/30, links 170/0/40). Auch außerhalb der Untersuchungssituation konnte Dr. H. beobachten, dass bei erforderlichen Griffen in Kopfhöhe der rechte Arm nicht eingesetzt wurde.
Die dem Kläger zustehende Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. beginnt nach Ende der unfallbedingten, den Anspruch auf Verletztengeld begründenden Arbeitsunfähigkeit (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) am 02.04.2008 und ist als Rente auf unbestimmte Zeit zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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