Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 4132/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 562/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.12.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat weder die außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit im Streit.
Der 1946 geborene Kläger ist als Kraftfahrer beschäftigt. Er erlitt am 04.07.2005 einen Unfall, als er beim Aussteigen aus seinem LKW ausrutschte und mit dem linken Bein umknickte. Die Durchgangsärztin Dr. M.-B. diagnostizierte am Unfalltag eine pertrochantäre und subtrochantäre Mehrfragment-Spiralfraktur des Femur (Oberschenkelknochen) links (pertrochantäre Femurfraktur: Knochenbruch des Oberschenkelknochens im Bereich zwischen Trochanter major [großer Rollhügel des Oberschenkelknochens] und Trochanter minor [kleiner Rollhügel des Oberschenkelknochens]; subtrochantäre Femurfraktur: Knochenbruch des Oberschenkelknochens unterhalb der Trochanteren [Rollhügel]).
Noch am Unfalltag wurde der Oberschenkel mittels Nagelung und Applikation von Cerklagen operiert. Im Entlassungsbericht vom 22.08.2005 über einen dreiwöchigen stationären Aufenthalt in der K.klink teilten der Oberarzt H. W. und der Stationsarzt V. F. mit, dass der Kläger aus der Anschlussheilbehandlung (AHB) entlassen worden sei. Nach erreichter Rekonvaleszenz sei der Kläger für bis zu mittelschwere Tätigkeiten weiterhin vollschichtig einsetzbar. Die Durchgangsärztin Dr. M.-B. stellte am 15.02.2006 einen zeitgerechten Heilverlauf und den Wiedereintritt der vollen Belastbarkeit des Klägers fest.
Am 06.04.2006 berichtete Dr. M.-B., dass der Kläger sich wegen mangelnder Belastbarkeit an seinem Arbeitsplatz wieder vorgestellt habe. Beim Röntgen habe sich keine Veränderung der Osteosynthesematerialeinlage im Vergleich zu den Voraufnahmen ergeben; die Artikulation sei regelrecht und die Fraktur knöchern konsolidiert. Der Kläger solle stufenweise wieder eingegliedert werden, wobei ab 08.05.2006 voraussichtlich wieder die volle Belastungsfähigkeit erreicht sei.
Prof. Dr. W. u.a. teilten nach Untersuchung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen U.klinik T. am 03.08.2006 mit, dass als Folgen des Arbeitsunfalles vom 04.07.2005 noch belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des linken proximalen Oberschenkels und des linken Hüftgelenkes bei guter Beweglichkeit im linken Hüftgelenk vorlägen. Außerdem bestehe noch eine deutliche Umfangsverminderung im Bereich des linken Oberschenkels. Dem Kläger sei dargelegt worden, dass eine stationäre Reha-Maßnahme angezeigt sei, welche der Kläger jedoch abgelehnt habe. Der Kläger überlege, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen und weiterhin in seiner Nebenerwerbstätigkeit als Landwirt zu arbeiten.
Dr. M.-B. teilte am 10.08.2006 mit, dass der Kläger seit dem 14.08.2006 wieder arbeitsfähig sei und von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch den Unfall um 20 vom Hundert (v.H.) auszugehen sei.
In dem am 23.10.2006 erstellten ersten Rentengutachten gab Prof. Dr. E. als Diagnosen unter anderem eine komplette knöchern konsolidierte per- bis subtrochantäre Mehrfragmentfraktur links, eine Beinlängenverkürzung links um einen Zentimeter, reizlose ca. 30 Zentimeter und 4 Zentimeter lange Narben, eine Muskelumfangsminderung des linken Ober- und Unterschenkels sowie eine allenfalls endgradige Beweglichkeitseinschränkung des linken Hüft- und linken Kniegelenks im Seitenvergleich an. Es bestünden weiterhin Belastungsschmerzen auf Höhe des linken Hüft- und Kniegelenkes mit allabendlicher Schwellneigung am Kniegelenk sowie eine Schmerzzunahme bei Wetterumschwung insbesondere des linken Hüftgelenkes. Vom Unfalltag bis zum 13.08.2006 sei von einer MdE um 100 v.H. sowie anschließend durchgängig bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall von einer MdE um 20 v.H. auszugehen.
Mit Bescheid vom 17.04.2007 anerkannte die Beklagte folgende Gesundheitseinschränkungen als Folgen des Arbeitsunfalles vom 04.07.2005: Endgradige Bewegungseinschränkung am linken Hüft- und Kniegelenk mit belastungsabhängiger Schmerz- und Schwellneigung, knöchern fest verheilte Oberschenkelspiralmehrfragmentfraktur links mit noch einliegendem Material, ein Zentimeter Beinlängenverkürzung links, Muskelminderung am linken Ober- und Unterschenkel sowie reizlose Narbenverhältnisse am linken Ober- und Unterschenkel. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalles gewährte sie dem Kläger ab dem 14.08.2006 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. bis auf Weiteres.
Seinen deswegen am 20.04.2007 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass der behandelnde Arzt in Tübingen bereits im Jahr 2006 von einer voraussichtlichen MdE um 30 v.H. ausgegangen sei und sich seine gesundheitliche Lage seitdem verschlechtert habe.
Am 14.05.2007 erlitt der Kläger einen zweiten Unfall bei seiner Arbeit, als er ins Stolpern geriet und mit seinem Rücken auf eine Steinwand aufschlug. Die Durchgangsärztin Dr. M.-B. teilte hierzu am 05.06.2007 mit, dass eine bei der Untersuchung festgestellte ältere LWK 1/BWK 12-Fraktur (LWK 1: Erster Lendenwirbelkörper; BWK 12: Zwölfter Brustwirbelkörper) ggf. auf den vorausgegangenen Arbeitsunfall vom 04.07.2005 zurückzuführen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.04.2007 zurück, da ausgehend von den Feststellungen insbesondere des Prof. Dr. E. die Höhe der MdE mit 20 v.H. zutreffend festgelegt worden sei.
Der Kläger hat am 16.11.2007 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Beklagte hat im Klageverfahren das zweite Rentengutachten des Prof. Dr. S. vom 19.11.2007 vorgelegt. Danach liege bezüglich der hüftnahen Oberschenkelfraktur links ein überwiegend unkomplizierter Heilungsverlauf vor, bei dem eine feste knöchern ausgeheilte Fraktur, eine Veränderung der Winkelstellung des Oberschenkels zum Schenkelhals (Coxa vara/links 110 Grad, rechts 127 Grad), eine Verkürzung des linken Beines um ca. 1,5 cm und tendenziell endgradig eingeschränkte Bewegungsradien der linken Hüfte festzustellen seien. Eindeutige Hinweise auf wesentliche sensible oder motorische Ausfallserscheinungen oder Durchblutungsstörungen lägen nicht vor. Umfangsmaß und Beschwielung der Fußsohlen wiesen auf einen größenordnungsmäßig seitenvergleichenden Eindruck hin. Die festgestellten Deformierungen des 12. BWK und 1. LWK seien jedenfalls ursächlich nicht Folge des Ereignisses vom 04.07.2005; im Hinblick auf den Unfall vom 14.05.2007 empfehle sich ggf. eine ausführliche Zusammenhangsbegutachtung. Die MdE aufgrund des Unfalles vom 04.07.2005 belaufe sich auf 10 v.H.
Mit Bescheid vom 10.01.2008 hat die Beklagte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit aufgrund des Unfalles vom 04.07.2005 abgelehnt. Die Rente ist mit Ablauf des Monats Januar 2008 entzogen worden. Zur Begründung hat die Beklagte angegeben, dass über den genannten Zeitpunkt hinaus eine MdE um wenigstens 20 v.H. nicht mehr vorliege. Als Folgen des Arbeitsunfalls seien noch vorhanden: Endgradige Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk nach knöchern verheilter Oberschenkel-Spiral-Mehrfragmentfraktur links, Veränderung der Winkelstellung des Oberschenkels zum Schenkelhals im Sinne einer Varusstellung, Beinverkürzung links um 1,5 cm.
Mit Schreiben vom 22.01.2008 haben Prof. Dr. W. u.a. mitgeteilt, dass die Beschwerdesymptomatik bezüglich der LWK1/BWK12-Verletzungen des Klägers nicht auf den Unfall vom 14.05.2007 zurückzuführen sei und die Frage eines Zusammenhangs mit dem Unfallgeschehen von 2005 einer besonderen Zusammenhangsbegutachtung bedürfe.
Im ersten Rentengutachten vom 21.10.2008 zum zweiten Arbeitsunfall vom 14.05.2007 hat der Gutachter J. M. festgestellt, dass die am 14.05.2007 erlittene Rückenprellung keine Folgen hinterlassen habe und die beim Kläger fortbestehenden Beschwerden vollständig auf den Unfall vom 04.07.2005 zurückzuführen seien.
Mit Bescheid vom 06.11.2008 hat die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des zweiten Arbeitsunfalles vom 14.05.2007 abgelehnt, weil insofern nur noch eine folgenlos verheilte Rückenprellung vorliege. Mit ergänzendem Bescheid vom 27.11.2008 hat die Beklagte hierzu darauf hingewiesen, dass die MdE wegen der Unfallfolgen des Ereignisses vom 14.05.2007 unter 10 v.H. liege.
Im Auftrag des SG hat der Unfallchirurg und Orthopäde Dr. L. am 11.12.2009 ein Sachverständigengutachten erstellt. Beim Kläger seien unfallunabhängig Vorderkanten- und Deckplattenimpressionsfrakturen BWK 12 und LWK 1 sowie ausgeprägte degenerative Veränderungen mit Chondrose und Spondylose des thorakolumbalen Übergangs und der LWS festzustellen, welche neben den objektiv feststellbaren Unfallfolgen die beim Kläger knapp zwei Jahre nach dem Unfall aufgetretenen Rückenbeschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen erklären könnten. Auf den Unfall vom 04.07.2005 seien folgende Befunde zurückzuführen: Endgradige Beeinträchtigung der Beweglichkeit im linken Hüftgelenk in den Bewegungsausschlägen Abspreizen und Auswärtsdrehen im Seitenvergleich bei freier Streckung und Beugung; Beinverkürzung links gegenüber rechts von 1,5 cm; röntgenologisch nachweisbare knöchern remodellierte per- und subtrochantäre Oberschenkeltrümmerfraktur, osteosynthetisch mittels Cerklagen und PFN versorgt mit ungelockerter Implantatlage bei verkürzungsverursachender Varisierung des CCD-Winkels um 15 Grad links gegenüber rechts; reizlose OP-Narbenverhältnisse im Bereich des linken Oberschenkels. Seit Eintritt der Arbeitsfähigkeit ab 14.08.2006 bis 31.01.2008 habe sich die MdE auf 20 v.H. und ab dem 01.02.2008 auf 10 v.H. belaufen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat die Orthopädin Dr. L. am 07.06.2010 ein weiteres Sachverständigengutachten erstellt. Danach liege beim Kläger aufgrund des Unfalls vom 04.07.2005 dauerhaft eine MdE um 20 v.H. vor. Zwar sei die beim Kläger später festgestellte Fraktur LWK 1 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zeitlich unabhängig und nach dem Unfall vom 04.07.2005 aufgetreten, wohingegen die Fraktur BWK 12 nach überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits vor dem 04.07.2005 stattgefunden habe. Eine höhere unfallbedingte MdE sei dennoch anzunehmen, weil in der Gesamtschau der noch verbliebenen Unfallfolgen eine größere Funktionseinschränkung als vom Vorgutachter angenommen vorliege. Neben der Beinlängendifferenz von minus 2 Zentimetern, wovon unfallbedingt minus 1,5 Zentimeter auf den linken Oberschenkel entfielen, falle eine Verschmächtigung der Glutealmuskulatur (Gesäßmuskel) links vor allem in Bezug auf den Muskulus Gluteus Medius und Maximus vor. Fünf Jahre nach dem Unfall sei davon auszugehen, dass der erreichbare Trainingszustand insoweit erzielt sei und eine vollständige Kompensation nicht erreicht werden könne. Als Folge hüftgelenksnaher Verletzungen seien diese Muskeldefizite häufig zu beobachten und deswegen mit Sicherheit als durch den Unfall bedingt anzusehen. Die hierdurch verminderte Becken-Stabilisierung des Klägers führe zur Annahme einer unfallbedingten dauerhaften MdE um 20 v.H. Die abweichende MdE-Annahme gegenüber dem Vorgutachter beruhe allein auf dieser zusätzlich zu beachtenden muskulären Insuffizienz der Glutealmuskulatur.
Der Kläger hat ein für die Deutsche Rentenversicherung (DRV) erstattetes Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. St. vom 26.07.2010 vorgelegt, wonach er als Bauhelfer und LKW-Fahrer im Baustellenverkehr seit 2005 nicht mehr erwerbstätig sein könne. Möglich seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach den mittlerweile eingetretenen Verschlechterungen nur noch leichte Tätigkeiten im Umfang zwischen drei und sechs Stunden pro Tag, wobei von einer eingeschränkten Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit auszugehen sei.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 03.12.2010 hat der Kläger die Klage teilweise im Hinblick auf den Bescheid vom 17.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2007 betreffend die Höhe der vorläufigen Entschädigung bis zum 31.01.2008 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 03.12.2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2008 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.02.2008 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.07.2005 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat sich zur Begründung seiner Entscheidung maßgeblich auf die Ausführungen der Gutachterin Dr. L. gestützt, wonach zusätzlich zu den Ausführungen des Dr. L. auch die Verschmächtigung der Glutealmuskulatur links zu berücksichtigen und insofern eine MdE um 20 v.H. gerechtfertigt sei. Unter Berücksichtigung der anerkannten MdE-Grundsätze werde in der Literatur für eine schmerzfreie Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks eine MdE um 20 bis 30 v.H. angenommen, und für einen verheilten Oberschenkelbruch mit Verkürzung bis 4 cm eine MdE um 10 v.H. genannt. Selbst wenn die Bewegungseinschränkungen des Hüftgelenks mit weniger als 20 v.H. in Ansatz zu bringen sein sollten, so sei zusätzlich wiederum die Verschmächtigung der Glutealmuskulatur zu berücksichtigen. Hierdurch werde eine weitergehende Beeinträchtigung der Arbeitsmöglichkeiten des Klägers auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens verursacht, da dieser bei alltäglichen Verrichtungen wie Treppensteigen und dem Aufrichten aus einer sitzenden Position beeinträchtigt sei. Das Urteil des SG ist der Beklagten am 14.01.2011 zugestellt worden.
Die Beklagte hat am 08.02.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Eine MdE um 20 v.H. werde vorliegend nicht erreicht. Auffallend sei bereits, dass Dr. L. bei ihrer Begutachtung wesentlich schlechtere Bewegungsmaße des linken Hüftgelenks festgestellt habe als Dr. L ... Auch beim Abspreizen des linken Beines bzw. der Drehung habe es bei beiden Gutachtern unterschiedliche Werte gegeben. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 581) bedinge eine Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk mit Streckung/Beugung von 0-10-90 eine MdE um 10 v.H. und von 0-30-90 eine MdE um 20 v.H. Der Kläger sei nicht annähernd soweit geschädigt, selbst wenn die von Dr. L. gemessenen Einschränkungen der Beweglichkeit des Hüftgelenks beim Abspreizen der Innen- und Außenrotation zusätzlich berücksichtigt würden. Eine MdE um 20 v.H. könne daher nicht angenommen werden. Die von Dr. L. als unfallbedingt beschriebene etwas verminderte Glutealmuskulatur bedinge keine Funktionseinschränkung, welche eine MdE um 20 v.H. insgesamt für die Unfallfolgen des Ereignisses vom 04.07.2005 rechtfertigen könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.12.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für überzeugend und verweist insoweit auf das Gutachten von Dr. L ...
Im Berufungsverfahren sind die Akten der DRV beigezogen worden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten der DRV, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04.07.2005 keine Verletztenrente ab dem 01.02.2008 zu. Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2008, der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des beim SG anhängigen Verfahrens geworden ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat konnte vorliegend im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Gem. § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Arbeitsunfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989 - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Das SG hat ausgehend von diesen Grundsätzen zu Unrecht entschieden, dass eine Verletztenrente aufgrund des Ereignisses vom 04.07.2005 auch über den 31.01.2008 hinaus zu gewähren ist. Der Senat stützt sich insoweit auf das überzeugende Gutachten des Dr. L., welches die Feststellungen von Prof. Dr. S. im zweiten Rentengutachten vom 19.11.2007 hinsichtlich festzustellender Unfallfolgen und Höhe der MdE bestätigt. Danach beschränken sich zunächst die Unfallfolgen beim Kläger auf den Bereich des linken Beins und des Hüftgelenks. Auch die nach § 109 SGG gehörte Gutachterin Dr. L. hat - ebenso wie Prof. Dr. W. - festgestellt, dass die bei dem Kläger zwischenzeitlich als Unfallfolgen thematisierten BWK 12- und LWK 1-Frakturen nicht auf das Ereignis vom 04.07.2005 zurückzuführen sind.
Bei dem Kläger liegen aufgrund des Unfalles vom 04.07.2005 nach den Feststellungen von Dr. L. eine endgradige Beeinträchtigung der Beweglichkeit im linken Hüftgelenk in den Bewegungsausschlägen Abspreizen und Auswärtsdrehen im Seitenvergleich bei freier Streckung und Beugung, eine Beinverkürzung links gegenüber rechts von 1,5 cm, eine röntgenologisch nachweisbare knöchern remodellierte per- und subtrochantäre Oberschenkeltrümmerfraktur (osteosynthetisch mittels Cerklagen und PFN versorgt) mit ungelockerter Implantatlage bei verkürzungsverursachender Varisierung des CCD-Winkels um 15 Grad links gegenüber rechts sowie reizlose OP-Narbenverhältnisse im Bereich des linken Oberschenkels vor.
Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. S. 581) wird bei einer Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks bei der Streckung/Beugung von 0/10/90 eine MdE um 10 v.H. und bei einer Bewegungseinschränkung von 0/30/90 eine MdE um 20 v.H. angenommen. Beim Kläger liegt allerdings eine freie Streckung/Beugung und lediglich ein endgradig eingeschränktes Abspreizen von 30/0/20 links gegenüber 45/0/20 rechts und eine endgradig eingeschränkte Drehung von 20/0/10 links gegenüber 25/0/10 gegenüber rechts vor.
Sofern Dr. L. auch eine Einschränkung der Streckung/Beugung von 0/0/100 links gegenüber 0/0/130 rechts anführt, ist diese nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen, nachdem Dr. L. in diesem Bereich eine freie Beweglichkeit festgestellt hat. Zwar hat auch Dr. St. am 15.07.2010 bei seiner Begutachtung des Klägers für die DRV eine Einschränkung der Beweglichkeit der Hüfte im Sinne der Feststellungen von Dr. L. bestätigt. Diese Frage kann jedoch offengelassen werden, da auch bei Annahme einer eingeschränkten Beugung von 0/0/100 nach den oben genannten MdE-Werten eine MdE um 10 v.H., welche erst bei einer Einschränkung von 0/10/90 anzunehmen wäre, bei weitem nicht erreicht wäre. Demgegenüber hat die für die MdE-Bemessung nachrangige Funktion des Abspreizens und der Drehung des Beines nicht ein Ausmaß erreicht, welches eine Gesamt-MdE um 20 v.H. rechtfertigen könnte. Auch die Gutachterin Dr. L. sieht in ihrer Gesamtschau der Beschwerden des Klägers lediglich eine "diskrete" Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk des Klägers.
Sofern die Gutachterin die auch zuvor schon festgestellte Verschmächtigung der Glutealmuskulatur und die Beinlängendifferenz für eine weitere MdE-Erhöhung heranziehen möchte, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beinlängendifferenz wird beim Kläger durch besonderes Schuhwerk bzw. Einlagen ausgeglichen. Das Ausmaß der durch diese Diagnosen von Dr. L. angegebenen Funktionseinschränkungen (verminderte Beckenstabilisierung mit Erschwerung des Einbeinstandes sowie Störung des Bergaufgehens, des Treppengehens und beim Aufheben von Gegenständen) rechtfertigt keine MdE von insgesamt wenigstens 20 v.H. Zum einen ergibt sich das aus dem Umfang der genannten Beschwerden, die nicht erkennen lassen, das hierdurch ein entsprechender Umfang von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zugänglich ist. Zum anderen wird die MdE um 20 v.H. von Dr. L. in diesem Zusammenhang auch mit den vom Kläger angegebenen Schmerzen bei diesen Verrichtungen begründet; dies bedeutet aber zum einen dass die Verrichtungen dem Kläger grundsätzlich weiterhin möglich sind. Zum anderen sind Schmerzen bei der MdE-Beurteilung grundsätzlich in den entsprechenden Tabellen und Erfahrungswerten bereits enthalten (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 221), wenn diese nicht über das mit einer Verletzung einhergehende übliche Maß hinausgehen. Darüberhinaus sind Schmerzen auch nur MdE-relevant, wenn sie sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Hierfür sind Anhaltspunkte im vorliegenden Fall nach den beiden aktuellen Gutachten nicht erkennbar.
Eine Rentengewährung aufgrund einer unfallbedingten MdE unter 20 v.H. kommt auch nicht unter Berücksichtigung des zweiten Arbeitsunfalls des Klägers vom 14.05.2007 in Form eines Stützrententatbestands in Betracht. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Da hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 14.05.2007 aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Dr. M. zu Recht mit Bescheid vom 06.11.2008 festgestellt wurde, dass dieses Ereignis keine gesundheitlichen Folgen zurückgelassen hat, kommt ein Stützrententatbestand nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Beklagte hat weder die außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit im Streit.
Der 1946 geborene Kläger ist als Kraftfahrer beschäftigt. Er erlitt am 04.07.2005 einen Unfall, als er beim Aussteigen aus seinem LKW ausrutschte und mit dem linken Bein umknickte. Die Durchgangsärztin Dr. M.-B. diagnostizierte am Unfalltag eine pertrochantäre und subtrochantäre Mehrfragment-Spiralfraktur des Femur (Oberschenkelknochen) links (pertrochantäre Femurfraktur: Knochenbruch des Oberschenkelknochens im Bereich zwischen Trochanter major [großer Rollhügel des Oberschenkelknochens] und Trochanter minor [kleiner Rollhügel des Oberschenkelknochens]; subtrochantäre Femurfraktur: Knochenbruch des Oberschenkelknochens unterhalb der Trochanteren [Rollhügel]).
Noch am Unfalltag wurde der Oberschenkel mittels Nagelung und Applikation von Cerklagen operiert. Im Entlassungsbericht vom 22.08.2005 über einen dreiwöchigen stationären Aufenthalt in der K.klink teilten der Oberarzt H. W. und der Stationsarzt V. F. mit, dass der Kläger aus der Anschlussheilbehandlung (AHB) entlassen worden sei. Nach erreichter Rekonvaleszenz sei der Kläger für bis zu mittelschwere Tätigkeiten weiterhin vollschichtig einsetzbar. Die Durchgangsärztin Dr. M.-B. stellte am 15.02.2006 einen zeitgerechten Heilverlauf und den Wiedereintritt der vollen Belastbarkeit des Klägers fest.
Am 06.04.2006 berichtete Dr. M.-B., dass der Kläger sich wegen mangelnder Belastbarkeit an seinem Arbeitsplatz wieder vorgestellt habe. Beim Röntgen habe sich keine Veränderung der Osteosynthesematerialeinlage im Vergleich zu den Voraufnahmen ergeben; die Artikulation sei regelrecht und die Fraktur knöchern konsolidiert. Der Kläger solle stufenweise wieder eingegliedert werden, wobei ab 08.05.2006 voraussichtlich wieder die volle Belastungsfähigkeit erreicht sei.
Prof. Dr. W. u.a. teilten nach Untersuchung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen U.klinik T. am 03.08.2006 mit, dass als Folgen des Arbeitsunfalles vom 04.07.2005 noch belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des linken proximalen Oberschenkels und des linken Hüftgelenkes bei guter Beweglichkeit im linken Hüftgelenk vorlägen. Außerdem bestehe noch eine deutliche Umfangsverminderung im Bereich des linken Oberschenkels. Dem Kläger sei dargelegt worden, dass eine stationäre Reha-Maßnahme angezeigt sei, welche der Kläger jedoch abgelehnt habe. Der Kläger überlege, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen und weiterhin in seiner Nebenerwerbstätigkeit als Landwirt zu arbeiten.
Dr. M.-B. teilte am 10.08.2006 mit, dass der Kläger seit dem 14.08.2006 wieder arbeitsfähig sei und von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch den Unfall um 20 vom Hundert (v.H.) auszugehen sei.
In dem am 23.10.2006 erstellten ersten Rentengutachten gab Prof. Dr. E. als Diagnosen unter anderem eine komplette knöchern konsolidierte per- bis subtrochantäre Mehrfragmentfraktur links, eine Beinlängenverkürzung links um einen Zentimeter, reizlose ca. 30 Zentimeter und 4 Zentimeter lange Narben, eine Muskelumfangsminderung des linken Ober- und Unterschenkels sowie eine allenfalls endgradige Beweglichkeitseinschränkung des linken Hüft- und linken Kniegelenks im Seitenvergleich an. Es bestünden weiterhin Belastungsschmerzen auf Höhe des linken Hüft- und Kniegelenkes mit allabendlicher Schwellneigung am Kniegelenk sowie eine Schmerzzunahme bei Wetterumschwung insbesondere des linken Hüftgelenkes. Vom Unfalltag bis zum 13.08.2006 sei von einer MdE um 100 v.H. sowie anschließend durchgängig bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall von einer MdE um 20 v.H. auszugehen.
Mit Bescheid vom 17.04.2007 anerkannte die Beklagte folgende Gesundheitseinschränkungen als Folgen des Arbeitsunfalles vom 04.07.2005: Endgradige Bewegungseinschränkung am linken Hüft- und Kniegelenk mit belastungsabhängiger Schmerz- und Schwellneigung, knöchern fest verheilte Oberschenkelspiralmehrfragmentfraktur links mit noch einliegendem Material, ein Zentimeter Beinlängenverkürzung links, Muskelminderung am linken Ober- und Unterschenkel sowie reizlose Narbenverhältnisse am linken Ober- und Unterschenkel. Wegen der Folgen des Arbeitsunfalles gewährte sie dem Kläger ab dem 14.08.2006 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. bis auf Weiteres.
Seinen deswegen am 20.04.2007 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass der behandelnde Arzt in Tübingen bereits im Jahr 2006 von einer voraussichtlichen MdE um 30 v.H. ausgegangen sei und sich seine gesundheitliche Lage seitdem verschlechtert habe.
Am 14.05.2007 erlitt der Kläger einen zweiten Unfall bei seiner Arbeit, als er ins Stolpern geriet und mit seinem Rücken auf eine Steinwand aufschlug. Die Durchgangsärztin Dr. M.-B. teilte hierzu am 05.06.2007 mit, dass eine bei der Untersuchung festgestellte ältere LWK 1/BWK 12-Fraktur (LWK 1: Erster Lendenwirbelkörper; BWK 12: Zwölfter Brustwirbelkörper) ggf. auf den vorausgegangenen Arbeitsunfall vom 04.07.2005 zurückzuführen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.04.2007 zurück, da ausgehend von den Feststellungen insbesondere des Prof. Dr. E. die Höhe der MdE mit 20 v.H. zutreffend festgelegt worden sei.
Der Kläger hat am 16.11.2007 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Beklagte hat im Klageverfahren das zweite Rentengutachten des Prof. Dr. S. vom 19.11.2007 vorgelegt. Danach liege bezüglich der hüftnahen Oberschenkelfraktur links ein überwiegend unkomplizierter Heilungsverlauf vor, bei dem eine feste knöchern ausgeheilte Fraktur, eine Veränderung der Winkelstellung des Oberschenkels zum Schenkelhals (Coxa vara/links 110 Grad, rechts 127 Grad), eine Verkürzung des linken Beines um ca. 1,5 cm und tendenziell endgradig eingeschränkte Bewegungsradien der linken Hüfte festzustellen seien. Eindeutige Hinweise auf wesentliche sensible oder motorische Ausfallserscheinungen oder Durchblutungsstörungen lägen nicht vor. Umfangsmaß und Beschwielung der Fußsohlen wiesen auf einen größenordnungsmäßig seitenvergleichenden Eindruck hin. Die festgestellten Deformierungen des 12. BWK und 1. LWK seien jedenfalls ursächlich nicht Folge des Ereignisses vom 04.07.2005; im Hinblick auf den Unfall vom 14.05.2007 empfehle sich ggf. eine ausführliche Zusammenhangsbegutachtung. Die MdE aufgrund des Unfalles vom 04.07.2005 belaufe sich auf 10 v.H.
Mit Bescheid vom 10.01.2008 hat die Beklagte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit aufgrund des Unfalles vom 04.07.2005 abgelehnt. Die Rente ist mit Ablauf des Monats Januar 2008 entzogen worden. Zur Begründung hat die Beklagte angegeben, dass über den genannten Zeitpunkt hinaus eine MdE um wenigstens 20 v.H. nicht mehr vorliege. Als Folgen des Arbeitsunfalls seien noch vorhanden: Endgradige Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk nach knöchern verheilter Oberschenkel-Spiral-Mehrfragmentfraktur links, Veränderung der Winkelstellung des Oberschenkels zum Schenkelhals im Sinne einer Varusstellung, Beinverkürzung links um 1,5 cm.
Mit Schreiben vom 22.01.2008 haben Prof. Dr. W. u.a. mitgeteilt, dass die Beschwerdesymptomatik bezüglich der LWK1/BWK12-Verletzungen des Klägers nicht auf den Unfall vom 14.05.2007 zurückzuführen sei und die Frage eines Zusammenhangs mit dem Unfallgeschehen von 2005 einer besonderen Zusammenhangsbegutachtung bedürfe.
Im ersten Rentengutachten vom 21.10.2008 zum zweiten Arbeitsunfall vom 14.05.2007 hat der Gutachter J. M. festgestellt, dass die am 14.05.2007 erlittene Rückenprellung keine Folgen hinterlassen habe und die beim Kläger fortbestehenden Beschwerden vollständig auf den Unfall vom 04.07.2005 zurückzuführen seien.
Mit Bescheid vom 06.11.2008 hat die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des zweiten Arbeitsunfalles vom 14.05.2007 abgelehnt, weil insofern nur noch eine folgenlos verheilte Rückenprellung vorliege. Mit ergänzendem Bescheid vom 27.11.2008 hat die Beklagte hierzu darauf hingewiesen, dass die MdE wegen der Unfallfolgen des Ereignisses vom 14.05.2007 unter 10 v.H. liege.
Im Auftrag des SG hat der Unfallchirurg und Orthopäde Dr. L. am 11.12.2009 ein Sachverständigengutachten erstellt. Beim Kläger seien unfallunabhängig Vorderkanten- und Deckplattenimpressionsfrakturen BWK 12 und LWK 1 sowie ausgeprägte degenerative Veränderungen mit Chondrose und Spondylose des thorakolumbalen Übergangs und der LWS festzustellen, welche neben den objektiv feststellbaren Unfallfolgen die beim Kläger knapp zwei Jahre nach dem Unfall aufgetretenen Rückenbeschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen erklären könnten. Auf den Unfall vom 04.07.2005 seien folgende Befunde zurückzuführen: Endgradige Beeinträchtigung der Beweglichkeit im linken Hüftgelenk in den Bewegungsausschlägen Abspreizen und Auswärtsdrehen im Seitenvergleich bei freier Streckung und Beugung; Beinverkürzung links gegenüber rechts von 1,5 cm; röntgenologisch nachweisbare knöchern remodellierte per- und subtrochantäre Oberschenkeltrümmerfraktur, osteosynthetisch mittels Cerklagen und PFN versorgt mit ungelockerter Implantatlage bei verkürzungsverursachender Varisierung des CCD-Winkels um 15 Grad links gegenüber rechts; reizlose OP-Narbenverhältnisse im Bereich des linken Oberschenkels. Seit Eintritt der Arbeitsfähigkeit ab 14.08.2006 bis 31.01.2008 habe sich die MdE auf 20 v.H. und ab dem 01.02.2008 auf 10 v.H. belaufen.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat die Orthopädin Dr. L. am 07.06.2010 ein weiteres Sachverständigengutachten erstellt. Danach liege beim Kläger aufgrund des Unfalls vom 04.07.2005 dauerhaft eine MdE um 20 v.H. vor. Zwar sei die beim Kläger später festgestellte Fraktur LWK 1 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zeitlich unabhängig und nach dem Unfall vom 04.07.2005 aufgetreten, wohingegen die Fraktur BWK 12 nach überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits vor dem 04.07.2005 stattgefunden habe. Eine höhere unfallbedingte MdE sei dennoch anzunehmen, weil in der Gesamtschau der noch verbliebenen Unfallfolgen eine größere Funktionseinschränkung als vom Vorgutachter angenommen vorliege. Neben der Beinlängendifferenz von minus 2 Zentimetern, wovon unfallbedingt minus 1,5 Zentimeter auf den linken Oberschenkel entfielen, falle eine Verschmächtigung der Glutealmuskulatur (Gesäßmuskel) links vor allem in Bezug auf den Muskulus Gluteus Medius und Maximus vor. Fünf Jahre nach dem Unfall sei davon auszugehen, dass der erreichbare Trainingszustand insoweit erzielt sei und eine vollständige Kompensation nicht erreicht werden könne. Als Folge hüftgelenksnaher Verletzungen seien diese Muskeldefizite häufig zu beobachten und deswegen mit Sicherheit als durch den Unfall bedingt anzusehen. Die hierdurch verminderte Becken-Stabilisierung des Klägers führe zur Annahme einer unfallbedingten dauerhaften MdE um 20 v.H. Die abweichende MdE-Annahme gegenüber dem Vorgutachter beruhe allein auf dieser zusätzlich zu beachtenden muskulären Insuffizienz der Glutealmuskulatur.
Der Kläger hat ein für die Deutsche Rentenversicherung (DRV) erstattetes Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. St. vom 26.07.2010 vorgelegt, wonach er als Bauhelfer und LKW-Fahrer im Baustellenverkehr seit 2005 nicht mehr erwerbstätig sein könne. Möglich seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach den mittlerweile eingetretenen Verschlechterungen nur noch leichte Tätigkeiten im Umfang zwischen drei und sechs Stunden pro Tag, wobei von einer eingeschränkten Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit auszugehen sei.
In der mündlichen Verhandlung des SG vom 03.12.2010 hat der Kläger die Klage teilweise im Hinblick auf den Bescheid vom 17.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2007 betreffend die Höhe der vorläufigen Entschädigung bis zum 31.01.2008 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 03.12.2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2008 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.02.2008 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.07.2005 eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Das SG hat sich zur Begründung seiner Entscheidung maßgeblich auf die Ausführungen der Gutachterin Dr. L. gestützt, wonach zusätzlich zu den Ausführungen des Dr. L. auch die Verschmächtigung der Glutealmuskulatur links zu berücksichtigen und insofern eine MdE um 20 v.H. gerechtfertigt sei. Unter Berücksichtigung der anerkannten MdE-Grundsätze werde in der Literatur für eine schmerzfreie Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks eine MdE um 20 bis 30 v.H. angenommen, und für einen verheilten Oberschenkelbruch mit Verkürzung bis 4 cm eine MdE um 10 v.H. genannt. Selbst wenn die Bewegungseinschränkungen des Hüftgelenks mit weniger als 20 v.H. in Ansatz zu bringen sein sollten, so sei zusätzlich wiederum die Verschmächtigung der Glutealmuskulatur zu berücksichtigen. Hierdurch werde eine weitergehende Beeinträchtigung der Arbeitsmöglichkeiten des Klägers auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens verursacht, da dieser bei alltäglichen Verrichtungen wie Treppensteigen und dem Aufrichten aus einer sitzenden Position beeinträchtigt sei. Das Urteil des SG ist der Beklagten am 14.01.2011 zugestellt worden.
Die Beklagte hat am 08.02.2011 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Eine MdE um 20 v.H. werde vorliegend nicht erreicht. Auffallend sei bereits, dass Dr. L. bei ihrer Begutachtung wesentlich schlechtere Bewegungsmaße des linken Hüftgelenks festgestellt habe als Dr. L ... Auch beim Abspreizen des linken Beines bzw. der Drehung habe es bei beiden Gutachtern unterschiedliche Werte gegeben. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 581) bedinge eine Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk mit Streckung/Beugung von 0-10-90 eine MdE um 10 v.H. und von 0-30-90 eine MdE um 20 v.H. Der Kläger sei nicht annähernd soweit geschädigt, selbst wenn die von Dr. L. gemessenen Einschränkungen der Beweglichkeit des Hüftgelenks beim Abspreizen der Innen- und Außenrotation zusätzlich berücksichtigt würden. Eine MdE um 20 v.H. könne daher nicht angenommen werden. Die von Dr. L. als unfallbedingt beschriebene etwas verminderte Glutealmuskulatur bedinge keine Funktionseinschränkung, welche eine MdE um 20 v.H. insgesamt für die Unfallfolgen des Ereignisses vom 04.07.2005 rechtfertigen könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.12.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für überzeugend und verweist insoweit auf das Gutachten von Dr. L ...
Im Berufungsverfahren sind die Akten der DRV beigezogen worden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten der DRV, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04.07.2005 keine Verletztenrente ab dem 01.02.2008 zu. Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2008, der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des beim SG anhängigen Verfahrens geworden ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat konnte vorliegend im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Gem. § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Arbeitsunfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989 - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Das SG hat ausgehend von diesen Grundsätzen zu Unrecht entschieden, dass eine Verletztenrente aufgrund des Ereignisses vom 04.07.2005 auch über den 31.01.2008 hinaus zu gewähren ist. Der Senat stützt sich insoweit auf das überzeugende Gutachten des Dr. L., welches die Feststellungen von Prof. Dr. S. im zweiten Rentengutachten vom 19.11.2007 hinsichtlich festzustellender Unfallfolgen und Höhe der MdE bestätigt. Danach beschränken sich zunächst die Unfallfolgen beim Kläger auf den Bereich des linken Beins und des Hüftgelenks. Auch die nach § 109 SGG gehörte Gutachterin Dr. L. hat - ebenso wie Prof. Dr. W. - festgestellt, dass die bei dem Kläger zwischenzeitlich als Unfallfolgen thematisierten BWK 12- und LWK 1-Frakturen nicht auf das Ereignis vom 04.07.2005 zurückzuführen sind.
Bei dem Kläger liegen aufgrund des Unfalles vom 04.07.2005 nach den Feststellungen von Dr. L. eine endgradige Beeinträchtigung der Beweglichkeit im linken Hüftgelenk in den Bewegungsausschlägen Abspreizen und Auswärtsdrehen im Seitenvergleich bei freier Streckung und Beugung, eine Beinverkürzung links gegenüber rechts von 1,5 cm, eine röntgenologisch nachweisbare knöchern remodellierte per- und subtrochantäre Oberschenkeltrümmerfraktur (osteosynthetisch mittels Cerklagen und PFN versorgt) mit ungelockerter Implantatlage bei verkürzungsverursachender Varisierung des CCD-Winkels um 15 Grad links gegenüber rechts sowie reizlose OP-Narbenverhältnisse im Bereich des linken Oberschenkels vor.
Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. S. 581) wird bei einer Bewegungseinschränkung des Hüftgelenks bei der Streckung/Beugung von 0/10/90 eine MdE um 10 v.H. und bei einer Bewegungseinschränkung von 0/30/90 eine MdE um 20 v.H. angenommen. Beim Kläger liegt allerdings eine freie Streckung/Beugung und lediglich ein endgradig eingeschränktes Abspreizen von 30/0/20 links gegenüber 45/0/20 rechts und eine endgradig eingeschränkte Drehung von 20/0/10 links gegenüber 25/0/10 gegenüber rechts vor.
Sofern Dr. L. auch eine Einschränkung der Streckung/Beugung von 0/0/100 links gegenüber 0/0/130 rechts anführt, ist diese nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen, nachdem Dr. L. in diesem Bereich eine freie Beweglichkeit festgestellt hat. Zwar hat auch Dr. St. am 15.07.2010 bei seiner Begutachtung des Klägers für die DRV eine Einschränkung der Beweglichkeit der Hüfte im Sinne der Feststellungen von Dr. L. bestätigt. Diese Frage kann jedoch offengelassen werden, da auch bei Annahme einer eingeschränkten Beugung von 0/0/100 nach den oben genannten MdE-Werten eine MdE um 10 v.H., welche erst bei einer Einschränkung von 0/10/90 anzunehmen wäre, bei weitem nicht erreicht wäre. Demgegenüber hat die für die MdE-Bemessung nachrangige Funktion des Abspreizens und der Drehung des Beines nicht ein Ausmaß erreicht, welches eine Gesamt-MdE um 20 v.H. rechtfertigen könnte. Auch die Gutachterin Dr. L. sieht in ihrer Gesamtschau der Beschwerden des Klägers lediglich eine "diskrete" Bewegungseinschränkung im linken Hüftgelenk des Klägers.
Sofern die Gutachterin die auch zuvor schon festgestellte Verschmächtigung der Glutealmuskulatur und die Beinlängendifferenz für eine weitere MdE-Erhöhung heranziehen möchte, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beinlängendifferenz wird beim Kläger durch besonderes Schuhwerk bzw. Einlagen ausgeglichen. Das Ausmaß der durch diese Diagnosen von Dr. L. angegebenen Funktionseinschränkungen (verminderte Beckenstabilisierung mit Erschwerung des Einbeinstandes sowie Störung des Bergaufgehens, des Treppengehens und beim Aufheben von Gegenständen) rechtfertigt keine MdE von insgesamt wenigstens 20 v.H. Zum einen ergibt sich das aus dem Umfang der genannten Beschwerden, die nicht erkennen lassen, das hierdurch ein entsprechender Umfang von Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zugänglich ist. Zum anderen wird die MdE um 20 v.H. von Dr. L. in diesem Zusammenhang auch mit den vom Kläger angegebenen Schmerzen bei diesen Verrichtungen begründet; dies bedeutet aber zum einen dass die Verrichtungen dem Kläger grundsätzlich weiterhin möglich sind. Zum anderen sind Schmerzen bei der MdE-Beurteilung grundsätzlich in den entsprechenden Tabellen und Erfahrungswerten bereits enthalten (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 221), wenn diese nicht über das mit einer Verletzung einhergehende übliche Maß hinausgehen. Darüberhinaus sind Schmerzen auch nur MdE-relevant, wenn sie sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Hierfür sind Anhaltspunkte im vorliegenden Fall nach den beiden aktuellen Gutachten nicht erkennbar.
Eine Rentengewährung aufgrund einer unfallbedingten MdE unter 20 v.H. kommt auch nicht unter Berücksichtigung des zweiten Arbeitsunfalls des Klägers vom 14.05.2007 in Form eines Stützrententatbestands in Betracht. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Da hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 14.05.2007 aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Dr. M. zu Recht mit Bescheid vom 06.11.2008 festgestellt wurde, dass dieses Ereignis keine gesundheitlichen Folgen zurückgelassen hat, kommt ein Stützrententatbestand nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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