S 12 R 938/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 938/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
G e r i c h t s b e s c h e i d:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1962 geborene Klägerin stellte einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, welcher am 11.08.2016 bei der Beklagten einging.

Mit Bescheid vom 02.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2017 wurde der Antrag der Klägerin abgelehnt, da die medizinischen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht vorlägen. Die Klägerin war den Begutachtungsterminen nicht erschienen, so dass sich das ärztliche Votum der Beklagten auf die vorliegenden Befundberichte stützte.

Mit dem am 11.10.2017 von der Beklagten an das Sozialgericht Nürnberg als Klageschrift weitergeleiteten Schreiben der Klägerin vom 31.08.2017, eingegangen bei der Beklagten am 26.09.2017, begehrt diese weiterhin die Gewährung einer Rente.

Trotz wiederholter Aufforderungen durch das Gericht entband die Klägerin ihre behandelnden Ärzte nicht von der Schweigepflicht, so dass das Gericht keine ärztlichen Befundberichte beiziehen konnte.

Im weiteren Fortgang beauftragte das Gericht Dr. S. mit der Begutachtung der Klägerin und wies darauf hin, dass, sollte die Klägerin den ersten Begutachtungstermin nicht wahrnehmen, ein zweiter Termin zu vergeben sei und, sollte die Klägerin auch diesen nicht wahrnehmen, das Gutachten nach Aktenlage zu erstellen sei. Die Parteien wurden darüber in Kenntnis gesetzt.

In seinem Gutachten vom 06.10.2018 merkte der ärztliche Sachverständige an, dass die Klägerin zu den Begutachtungsterminen am 12.07.2018 und 25.09.2018 nicht erschienen ist und das Gutachten daher nach Aktenlage erstellt werde. Er benannte folgende sozialmedizinisch relevante Gesundheitsstörungen der Klägerin: - Zustand nach in Subluxationsstellung konsolidierter subcapitaler Humerusfraktur links 11/2015 - Herzinsuffizienz und - Adipositas und führte aus, dass auf Wunsch der Klägerin keine operative Revision der in Fehlstellung verheilten Oberarmfraktur links aus dem Jahr 2015 stattgefunden habe. Daher sei davon auszugehen, dass eine hinreichende Restfunktion auch ohne weitere Interventionen gegeben sei. Hieraus ließen sich zwar qualitative Leistungsausschlüsse ableiten aber keine generelle zeitliche Leistungsminimierung. Bezüglich der Herzinsuffizienz gab Dr. S. an, dass weder über kritische Herzrhythmusstörungen oder eine sonstige medikamentös nicht zu kompensierende Problematik berichtet werde, so dass auch hier zu schlussfolgern sei, dass zwar qualitative Leistungseinschränkungen vorliegen aber keine generellen zeitlichen. In der Summe könne auch aufgrund fehlender Mitwirkung der Klägerin nicht erkannt werden, dass das bisher festgestellte sozialmedizinische Leistungsbild fehlerhaft sei. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne die Klägerin daher mit qualitativen Einschränkungen täglich 6 Stunden und mehr verrichten.

Das Gericht wies in einem Hinweisschreiben an die Klägerin vom 11.10.2018 auf die fehlende Erfolgsaussicht der Klage, die Möglichkeit einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen und die Absicht des Gerichts über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hin.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2017 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Sozialgerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 11.10.2018 wurde die Parteien zur Entscheidung des Rechtsstreites durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG unter Fristsetzung bis zum 09.11.2018 angehört.

Entscheidungsgründe:

Das Sozialgericht Nürnberg ist sachlich und örtlich gemäß §§ 51, 57 SGG zuständig.

Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG konnte ergehen. Die Parteien wurde angehört, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.

Die ordnungsgemäß und fristgerecht eingereichte Klage ist zulässig

Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Bescheid der Beklagten vom 02.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Ausgangspunkt der Prüfung ist der Rentenantrag der Klägerin, welcher am 11.08.2016 bei der Beklagten einging. Prüfungsmaßstab ist damit die Vorschrift des § 43 SGB VI in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie - voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, - in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und - vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen steht fest, dass ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht mit der im Wege des Vollbeweises erforderlichen Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Das Gericht gelangt zu dieser Auffassung aufgrund der aktenkundigen medizinischen Unterlagen und des Gutachtens von Dr. S. vom 06.10.2018. In diesem Gutachten wird der Gesundheitszustand der Klägerin so aktuell wie möglich dargestellt und das aus den festgestellten Gesundheitsstörungen abgeleitete grundsätzlich mögliche Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus der Sicht des Gerichts zutreffend beschrieben.

Der Nachweis für die den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung begründenden Tatsachen muss im Wege des Vollbeweises erfolgen. Dies erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet dabei, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann. Das Gericht muss von der zu beweisenden Tatsache mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können. Es darf dabei kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalls begründeter Zweifel mehr bestehen. Können die genannten Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte. Das heißt, für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Erwerbsminderung trägt insoweit die Versicherte die Darlegungs- sowie die objektive Beweislast.

Unter Berücksichtigung dieser Prämissen muss das Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überzeugt sein, dass bei der Klägerin ein unter 6-stündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegt. Diese Überzeugung kann das Gericht nach Würdigung der ärztlichen Berichte und des vorliegenden Gutachtens nicht finden. Die Klägerin ist mangels anderweitiger Feststellungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen zeitlich unbeschränkt, das heißt mindestens 6 Stunden täglich, zu verrichten. Sie ist damit nicht erwerbsgemindert.

Die sozialmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen der Klägerin - Zustand nach in Subluxationsstellung konsolidierter subcapitaler Humerusfraktur links 11/2015, Herzinsuffizienz und Adipositas - bedingen nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. zwar qualitative aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen. Da bei der Klägerin auf eigenen Wunsch keine operative Revision der in Fehlstellung verheilten Oberarmfraktur links aus dem Jahr 2015 stattgefunden hat und auch keine weiteren Nachweise über diesbezügliche Funktionseinschränkungen vorliegen, geht das Gericht davon aus, dass eine ausreichende Restfunktion gegeben ist, welche eine zeitliche Leistungseinschränkung für zumindest leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht bedingt. Gleiches gilt für die in den medizinischen Berichten beschriebene Herzinsuffizienz. Ein Nachweis kritische Herzrhythmusstörungen ist nicht erbracht. Ebenso liegt kein Nachweis darüber vor, dass eine wie auch immer geartete Herzproblematik nicht medikamentös zu kompensieren ist. Zum Ausmaß der in den vorliegenden Befundberichten beschriebenen Adipositas liegen ebenso keine weiteren Angaben vor. Insoweit ist auch diesbezüglich kein Nachweis einer zeitlichen Leistungsminimierung gegeben.

Daher schließt sich das Gericht der Auffassung des ärztlichen Sachverständigen Dr. S. an, wonach die Kläger nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen noch in der Lage ist leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten.

Da die Frage der Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine rein medizinische Fragestellung ist, bedient sich das Gericht und auch die Beklagte medizinischer Gutachter, die unter Berücksichtigung von medizinischen Berichten und einer Untersuchung über die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Auskunft geben. Liegen keine aktuellen Befundberichte vor, kann nur durch eine Untersuchung ein Bild über den aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin entstehen. Findet eine solche Untersuchung nicht statt, da die Klägerin nicht zu den vereinbarten Terminen erscheint und auch keine Entschuldigung vorlegt, geht dies, nach dem oben Ausgeführten, zu Lasten der Klägerin. Denn die Rentenbewerberin und nicht der Rentenversicherungsträger trägt die objektive Beweislast für die gesundheitlichen Einschränkungen bzw. die Auswirkungen der vorliegenden Störungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (siehe hierzu BSG, Urteil vom 20.10.2004, Az. B 5 RJ 48/03 R; BayLSG, Urteile vom 10.05.2007, Az. L 19 R 375/13, vom 26.01.2017, Az. L 19 R 17/16 und vom 20.09.2017, Az. L 19 R 292/16).

Können Feststellungen zu den Auswirkungen der Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht getroffen werden, sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht nachgewiesen. Somit steht nicht im Sinne des Vollbeweises, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken ist.

Vorliegend ist die Klägerin ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht (§ 103 Satz 1 SGG) nicht nachgekommen. Zwar erforscht das Gericht den Sachverhalt unter Heranziehung der Beteiligten von Amts wegen (§ 103 Satz 1 SGG). Die Beteiligten müssen jedoch ihrer Mitwirkungslast genügen, sonst können sie die oben dargestellten Nachteile treffen.

Der Nachweis einer bestehenden zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin ist nicht gelungen. Somit steht aus der Sicht des Gerichts fest, dass ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht besteht.

Die Klägerin ist nach dem 02.01.1961 geboren. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI scheidet daher aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 193 SGG und orientiert sich am Ergebnis in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
Saved