L 4 KR 1373/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1707/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1373/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ein Therapiedreirad-Tandem.

Der am 1999 geborene und bei der beklagten Krankenkasse familienversicherte Kläger leidet an einem Down-Syndrom. Mit Schreiben vom 29. Mai 2007, eingegangen am 11. Juni 2007, beantragte der Kläger bei der Beklagten die "Bezuschussung" (gemeint wohl: Kostenübernahme) für ein Therapiedreirad-Tandem. Der Kläger legte eine vertragsärztliche Verordnung des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. I. vom 01. Juni 2007 über ein Therapiedreirad-Tandem "Capitän Duo laut Angebot bei Down-Syndrom", einen Kostenvoranschlag der Firma d.-GmbH vom 28. April 2007 für das Therapiedreirad-Tandem "Capitän duo" über insgesamt EUR 6.539,05 sowie zwei Arztbriefe (des Dr. I. sowie des Allgemeinmediziners Dr. S.) vor. Dr. I. führte in seiner "kinderärztlichen Stellungnahme zur Vorlage bei der Krankenkasse" vom 01. Juni 2007 aus, er halte die Anschaffung eines Therapie-Tandem-Fahrrades für erforderlich, um dem geistig behinderten und psychomotorisch entwicklungsgestörten Kläger eine aktive Betätigung außer Haus zu ermöglichen. Mit Hilfe dieses Fahrzeuges solle das Grundbedürfnis nach einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung und Naturerfahrung ermöglicht werden. Da der geistig behinderte Kläger ein Fahrrad nicht selbstständig benutzen bzw. am öffentlichen Verkehr teilnehmen könne, bestehe nur die Möglichkeit, mit Hilfe eines Tandem-Fahrrads den genannten Erfordernissen gerecht zu werden. Diesen psychosozialen Argumenten sei als wesentliche medizinische Indikation die Förderung von Beweglichkeit und Koordination sowie gegebenenfalls die Reduzierung des Übergewichts hinzuzufügen. Dr. S. führte in seinem Attest vom 21. Mai 2007 aus, aufgrund seiner Erkrankung fänden sich beim Kläger ausgeprägte Gleichgewichtsstörungen, häufige physische und psychische Dysfunktionen, Störungen der Feinmotorik, Muskelschwäche und deutliche Mobilitätseinschränkungen. Diese Störungen könnten mit einem Therapierad deutlich gebessert werden und eventuelle Folgelasten massiv reduzieren. Eine Versorgung mit einem Therapierad wäre äußerst sinnvoll.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2007, dort eingegangen am 09. Juni 2007, hatte der Kläger zugleich bei dem Beigeladenen Antrag auf "Bezuschussung zur Anschaffung eines Therapiefahrrads" gestellt. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2007, bei der Beklagten am 18. Juni 2007 eingegangen, hatte der Beigeladene diesen Antrag gemäß § 14 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) an die Beklagte weitergeleitet.

Mit Bescheid vom 16. August 2007 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Nach aktueller Rechtsprechung stelle die Ermöglichung der Überwindung größerer Strecken oder Teilnahme an einer Radtour mit der Familie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Zudem hätten Therapieräder den Zweck, behinderte Kinder und Jugendliche weitgehend in den Kreis Gleichaltriger zu integrieren. Dies sei bei einem Tandem schlecht bzw. gar nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 06. September 2007 Widerspruch ein. Bei dem beantragten Therapiedreirad-Tandem handele es sich nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, sondern um eine Spezialanfertigung für Behinderte (unter Verweis auf Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 26. März 2003 - B 3 KR 26/02 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 2). Therapiedreirad-Tandems seien auch nicht durch Rechtsverordnung als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Das Therapiedreirad-Tandem sei überdies bei ihm (dem Kläger) zur Sicherung eines Behandlungserfolgs erforderlich. Er leide unter anderem an einer motorischen Entwicklungsverzögerung; es bestehe die Gefahr des Stolperns. Durch das Therapiedreirad-Tandem sollten Beweglichkeit und Koordination gefördert werden. Auch die besondere psychische Situation durch schwerste Pflegebedürftigkeit seiner Mutter könne therapeutisch durch die Benutzung des Therapiedreirad-Tandems angegangen werden. Das beantragte Therapiedreirad-Tandem sei auch wirtschaftlich. Dies gelte schon deshalb, weil es ohne Neuanschaffungen auf die wachstums- und gewichtsbedingten Änderungen eingestellt und folglich für einen Zeitraum von ca. zehn Jahren ohne weitere Neuanschaffungen benutzt werden könne. Auf diesen Zeitraum gesehen sei die Anschaffung des Fahrrads auch günstiger als die Durchführung von Physiotherapie. Ein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel bestehe zum Ausgleich einer Behinderung gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung dann, wenn es sich um die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben handele und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen sei. Dazu gehöre auch das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums. Bei Jugendlichen stelle das BSG insoweit auf diejenigen Entfernungen ab, die ein Jugendlicher mit dem Fahrrad zurücklege (unter Verweis auf das Urteil vom 16. April 1998 - B 3 KR 9/97 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 27). Im konkreten Fall diene das beantragte Hilfsmittel nicht der rein quantitativen Erweiterung des räumlichen Bewegungsumfelds, sondern sei erforderlich wegen der dadurch geförderten Integration seiner eigenen Person in der jugendlichen Entwicklungsphase. Hier gewährleiste das Fahrrad die Integration in den Familienkreis. Es verbinde die Familie miteinander und ermögliche eine intensive gemeinsame Nutzung auch zu therapeutischen Zwecken. Insoweit sei auch die konkrete Familiensituation zu berücksichtigen. Seine Mutter benötige als Patientin nach Wachkoma 24-stündige Behandlungspflege. Sein (des Klägers) Vater sei in die Pflege mit eingebunden. Er selbst werde von der Schwägerin betreut, welche im fünf Kilometer entfernten H. lebe. Fahrradfahren sei für die Familie daher nicht nur ein Freizeitvergnügen, sondern es diene dazu, als Familie auf diesem Weg zusammen zu kommen; er selbst werde auf diese Weise in das Familienleben aktiv eingebunden. Es sei daher sehr wichtig, dass eine Gesamtintegration stattfinde. Nur so sei es möglich, dass er (der Kläger) sich trotz Behinderung und Schwerstpflegebedürftigkeit seiner Mutter dem Ziel einer selbstständigen Lebensführung und Bewältigung der Anforderungen des Alltags weiter zu nähern vermöge. Der 8. Senat des BSG habe eine Versorgung mit einem Therapie-Tandem in zwei Fällen zugesprochen, in denen jeweils eine ganz außergewöhnliche Bewegungseinschränkung vorgelegen habe und in der konkreten Familiensituation den gemeinsamen Fahrradausflügen eine große Bedeutung zukomme (unter Verweis auf BSG, Urteile vom 29. September 1997 - 8 RKn 27/96 - SozR 3-2500 § 33 Nr. 25 und vom 13. Mai 1998 - B 8 KN 13/97 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 28). Ein solcher Fall sei hier gegeben.

Die Beklagte holte daraufhin ein sozialmedizinisches Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Gutachter Dr. K. gelangte in seinem Gutachten vom 03. Januar 2008 zu der Auffassung, die Kostenübernahme könne für das beantragte Therapiedreirad-Tandem zu Lasten der Kasse nicht empfohlen werden. Radfahren sei keine grundlegende Organfunktion und stelle auch kein Grundbedürfnis des täglichen Lebens dar. Zur Förderung der Integration sei ein Therapiedreirad-Tandem nicht in besonderer Weise geeignet. Auch die Schwerstpflegebedürftigkeit der Mutter (diese habe eine Hirnblutung nach der Geburt des Klägers erlitten, nunmehr bestehe ein komplett apallisches Syndrom) mache ein Therapiedreirad-Tandem nicht zu einem besonders geeigneten Mittel zur Gewährleistung einer Integration.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03. April 2008 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des BSG sei ein Hilfsmittel nur dann erforderlich, wenn sein Einsatz für eines der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt werde. Das BSG habe bereits entschieden (unter Verweis auf das Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R - juris), dass der Nutzen eines Therapietandems erst außerhalb des durch die gesetzliche Krankenversicherung sicherzustellenden Grundbedürfnisses beginne. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung könne auch im konkreten Fall ein Therapiedreirad-Tandem nicht als Hilfsmittel angesehen werden. Der MDK sei unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Kostenübernahme im Falle des Klägers nicht empfohlen werden könne. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht gehbehindert und somit in der Lage sei, sich ohne körperliche Beeinträchtigungen zu bewegen. Das Therapiedreirad-Tandem sei daher nicht erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen. Das Radfahren an sich gehöre nicht zu den bereits genannten Grundbedürfnissen im Sinne der für die Hilfsmittelversorgung einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Es werde nicht bestritten, dass die Teilnahme an der sonstigen üblichen Lebensgestaltung sowie die Kontaktaufnahme zu Gleichaltrigen erforderlich sei. Allerdings sei bei einem Therapiedreirad-Tandem die Integrationsfähigkeit nicht wie bei einem Therapiedreirad gegeben, da zur Mobilisation immer ein Erwachsener notwendig sei, welcher das Kind begleite. Dies habe auch das BSG in seiner Entscheidung vom 21. November 2002 festgestellt. Das Tandemfahren diene letztlich nicht der Krankenbehandlung. Hierdurch würden allenfalls therapeutische Nebeneffekte erreicht, die kostengünstiger und gezielter durch alternative Behandlungsmöglichkeiten herbeigeführt werden könnten. Auch aus der Schwerstpflegebedürftigkeit der Mutter des Klägers, die eine zusätzliche familiäre Belastung darstelle, lasse sich nicht nachvollziehbar ableiten, dass ein Therapiedreirad-Tandem deshalb ein im Besonderen geeignetes Mitteil sein könne, eine Integration des Klägers zu gewährleisten. Die begehrte Versorgung solle lediglich das Fahrradfahren zur Freizeitgestaltung bzw. familiären Kontaktaufnahme ermöglichen, da der Kläger im Haushalt seiner Tante lebe. Dies stelle jedoch kein durch die gesetzliche Krankenversicherung auszugleichendes elementares Grundbedürfnis im Sinne der für die Hilfsmittelversorgung einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen dar. Auch nach Maßgabe des SGB IX komme ein Anspruch des Klägers nicht in Betracht. Für die Beurteilung des Leistungsantrags seien die für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) maßgeblich.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob der Vater des Klägers am 17. April 2008 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Das SG nannte als Kläger bereits in der Eingangsbestätigung vom 22. April 2008 den Kläger. Mit der Nennung des Klägers im Rubrum wurde dem SG am 28. April 2008 eine schriftliche Vollmacht vorgelegt sowie die Klage am 02. Mai 2008 begründet. Der Kläger wiederholte im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trug er vor, die Beklagte habe fehlerhaft einen Anspruch auf das begehrte Hilfsmittel nur nach den Vorschriften des SGB V geprüft. Gemäß § 14 SGB IX wäre sie verpflichtet gewesen, auch nach Maßgabe des § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX über seinen Anspruch zu entscheiden. Nach dieser Regelung würden auch andere als die medizinischen Hilfsmittel des § 31 SGB IX erfasst, insbesondere also das Therapiedreirad-Tandem. Soweit ein Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Betracht komme, sei darauf hinzuweisen, dass er (der Kläger) über keine eigenen Einkünfte verfüge. Er wohne zudem nicht bei seinen Eltern. Nicht seine Meldeadresse sei entscheidend, sondern wo er sich tatsächlich aufhalte und wohne. Dies sei, wie bereits mehrfach ausgeführt, bei seiner Tante der Fall. Er gehe daher davon aus, dass sein Vater nicht zur Einsatzgemeinschaft im Sinne des SGB XII zähle. Zwar gehörten die Eltern eines Hilfeempfängers zur Einsatzgemeinschaft, wenn der Betreffende minderjährig und unverheiratet sei; der Minderjährige, der die Hilfe beanspruche, müsse aber zumindest zum Haushalt eines Elternteils gehören. Auch § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB XI bestimme ausdrücklich, dass es nur auf das Einkommen des Elternteils ankomme, bei dem der minderjährige Hilfesuchende lebe. Folglich komme es in seinem Fall weder auf Einkommen noch auf Vermögen seiner Eltern an. Unabhängig davon sei § 92 SGB XII zu beachten. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift stehe ungeachtet des Nachrangprinzips zunächst die Pflicht des Hilfeträgers, die Eingliederungshilfe zu erbringen, im Vordergrund. Die Vorschrift stelle sicher, dass bestimmte, dort näher aufgeführte Maßnahmen der Eingliederungshilfe selbst dann in vollem Umfang durchzuführen seien, wenn den im § 19 Abs. 3 SGB XII genannten Personen zuzumuten sei, für diese Leistungen teilweise oder ganz aufzukommen. Erst nachträglich werde der Nachranggrundsatz durch das Erstattungsbegehren gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB XII teilweise wiederhergestellt. Zu beachten sei dann allerdings § 92 Abs. 2 SGB XII, demzufolge die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zugemutet werde. Insoweit sei allenfalls das Einkommen relevant, nicht dagegen das Vermögen. Selbst wenn aber eine Einsatzgemeinschaft vorhanden gewesen wäre, hätte die Beklagte in einem gesonderten Verfahren klären müssen, ob es den Eltern zumutbar sei, Einkommen einzusetzen. Im Verlaufe des Klageverfahrens schaffte der Kläger (nach eigenen Angaben durch Aufwendungen seiner Eltern und weiterer Verwandter) in Eigeninitiative ein Therapiedreirad-Tandem "Capitän Duo" zum Preis von EUR 7.849,94 brutto an (vgl. die Rechnung der Firma d. vom 30. April 2008 mit der Nr. 20405608). Der Kläger legte zudem Auskünfte und Nachweise seines Vaters über dessen Einkünfte und die Einkünfte seiner Mutter im Jahr 2008 sowie Auskünfte über Vermögen und Verbindlichkeiten vor.

Die Beklagte trat dem Klagevorbringen entgegen. Sie wiederholte im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid. Im Zusammenhang mit den Ausführungen des Klägers zu § 55 SGB IX wies die Beklagte darauf hin, dass sie nach § 5 SGB IX in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht Trägerin von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2010 wies das SG die Klage ab. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich weder aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V noch aus § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Die Ablehnung der Versorgung mit einem Therapiedreirad-Tandem sei gemessen an den Vorschriften des SGB V nicht zu Unrecht erfolgt. Die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad-Tandem sei im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V weder erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, noch dazu, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Notwendig seien nur solche Hilfsmittel, die der Krankheitsbekämpfung dienten und spezifisch im Rahmen der Krankenbehandlung eingesetzt würden. Im konkreten Fall sei weder dem Attest von Dr. S. noch dem Attest von Dr. I. zu entnehmen, dass die behandelnden Ärzte Fahrten des Klägers mit einem Therapiedreirad-Tandem als Teil ihres therapeutischen Konzepts ansähen. Im Übrigen lasse sich eine Stärkung der Muskulatur, des Herz-Kreislauf-Systems, der Lungenfunktion, der Körperkoordination und des Balancegefühls gezielter und vielseitiger durch Krankengymnastik als durch Fahrten mit einem Therapie-Tandem erreichen. Die streitige Versorgung sei auch nicht zum Behinderungsausgleich erforderlich gewesen. Dieser in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannte Zweck bedeute nicht, dass die Krankenkasse für den Ausgleich aller direkten oder indirekten Folgen der Behinderung sorgen müsse. Ein Hilfsmittel sei vielmehr nur dann von der Krankenkasse zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 25). Zu diesen Grundbedürfnissen gehöre u.a. das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums. Abzustellen sei dabei auf diejenigen Entfernungen, die ein gesunder Mensch zu Fuß zurück lege. Hierfür sei das streitige Therapiedreirad-Tandem nicht erforderlich. Der Kläger leide zwar nach dem Attest des Dr. I. vom 01. Juni 2007 an einer psychomotorischen Entwicklungsstörung. Es sei aber weder ersichtlich noch vorgetragen, dass er aufgrund dessen außer Stande sei, sich im Nahbereich zu Fuß fortzubewegen. Das Therapiedreirad-Tandem solle offenbar in einem Radius genutzt werden, der über den Nahbereich hinaus gehe. Die streitige Versorgung sei auch nicht geeignet gewesen, zur Teilnahme an Aktivitäten anderer Jugendlicher und damit der Integration des Klägers in den Kreis Gleichaltriger zu dienen. Denn die Anwesenheit einer erwachsenen Begleitperson werde von Jugendlichen bei ihren Aktivitäten, mit denen sie gerade Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Erwachsenen beweisen wollten, üblicherweise nicht akzeptiert (unter Verweis auf BSG, Beschluss vom 29. Januar 2009 - B 3 KR 39/08 B - juris). Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für das Therapiedreirad-Tandem ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Zwar wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, auch Anspruchsgrundlagen außerhalb des SGB V zu prüfen. Entgegen der Auffassung des Klägers begründe die Regelung des § 54 f. SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX jedoch keinen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Therapiedreirad-Tandem. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählten gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII unter anderem die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 SGB IX. Ein Anspruch nach diesen Vorschriften setze mithin die prinzipielle Eignung und Erforderlichkeit der Leistungen für die gesellschaftliche Integration des behinderten Menschen voraus. Zudem müssten die Kosten der Leistungen in einem angemessenen Verhältnis zum erreichbaren Erfolg stehen. Gemessen hieran sei die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad-Tandem nicht erforderlich. Der Vortrag des Klägers, Fahrrad zu fahren sei für die Familie nicht nur ein Freizeitvergnügen, sondern ein Weg, um zusammenzukommen und den Kläger in das Familienleben einzubinden, vermöge das Gericht nicht zu überzeugen. Das Gericht gehe davon aus, dass der Vater des Klägers und gegebenenfalls auch seine Tante über einen Pkw verfügten, mit welchem sie den Kläger zwischen dem Haushalt der Eltern und demjenigen der Tante hin- und herfahren könnten. Es sei auch nicht vorgetragen, dass der Kläger ohne Therapiedreirad-Tandem von Fahrradausflügen ausgeschlossen wäre, die die anderen Familienmitglieder ohne ihn unternähmen. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Mutter erscheine es eher fernliegend, dass solche Ausflüge stattfänden. Der Vorteil des Klägers erschöpfe sich demnach im Wesentlichen darin, in Begleitung einer einzigen (erwachsenen) Person Fahrrad zu fahren, und das auch wohl nur bei geeignetem, warmen Wetter. Für seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sei dieser Nutzen nicht so bedeutsam, dass er die recht hohen Kosten für die Anschaffung eines Therapiedreirad-Tandems (EUR 7.849,94) rechtfertigen könnte. Vielmehr stünden diese Kosten zum Nutzen außer Verhältnis.

Gegen diesen ihm am 22. Februar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22. März 2010 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er hat im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren und der ersten Instanz wiederholt. Ergänzend und vertiefend hat er vorgetragen, das SG habe zu Unrecht ohne weitere Ermittlungen festgestellt, dass es ihm auch auf anderem Wege als mithilfe des Therapiedreirad-Tandems möglich sei, seine Familie zu besuchen. Ohne entsprechende Auskünfte der behandelnden Ärzte und seiner eigenen Person sei dies nicht nachvollziehbar und nicht richtig. Zu Unrecht werde auch verneint, dass die Versorgung mit einem Therapiedreirad-Tandem zum Behinderungsausgleich erforderlich sei. Hier werde darauf abgestellt, dass zur Bestimmung eines Grundbedürfnisses die Fortbewegung im Nahbereich und die Integration in den Kreis Gleichaltriger maßgeblich sei. Dabei habe das SG seine (des Klägers) besondere Lebenssituation durch die Schwerstpflegebedürftigkeit seiner Mutter übergangen, die nach der Rechtsprechung des BSG (unter Verweis auf den Beschluss vom 22. April 2009 - B 3 KR 54/08 B - juris) in Fortsetzung der Rechtsprechung des 8. Senats nach wie vor maßgeblich sei. An die Stelle der Integration in den Kreis gleichaltriger Jugendlicher trete in seinem Fall die Integration in den Familienkreis durch das gemeinsame Fahrradfahren mit seinem Vater. Auf diesem Wege könnten sie beide die durch die Pflege der Mutter knapp bemessene Freizeit auf eine Weise verbringen, die auch dem Bewegungsdrang seiner eigenen Person gerecht werde und helfe, körperliche Defizite zu beseitigen. Daher sei auch die Reduzierung des Therapiedreirad-Tandems auf ein Fortbewegungsmittel unter vielen durch das SG nicht nachvollziehbar, da nicht ersichtlich sei, wie eine Autofahrt geeignet sein solle, die bestehenden motorischen Defizite oder das Übergewicht abzubauen. Im Übrigen treffe nicht zu, dass er das Therapiedreirad-Tandem nur außerhalb des Nahbereichs sowie aus Gründen der Freizeitgestaltung benötige. Wie seine Tante in der nichtöffentlichen Sitzung vom 20. Oktober 2010 zutreffend ausgesagt habe, werde das Therapiedreirad-Tandem auch zur Durchführung von täglichen Besorgungen im Ort benötigt. Auch die Ausführungen des SG zu den §§ 54 ff. SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX seien im Ergebnis nicht zutreffend. Zwar habe das SG diese Vorschriften zu Recht überprüft. Die Auffassung der Beklagten, sie sei nach Maßgabe dieser Regelungen nicht zuständig und nicht verpflichtet, für das beantragte Hilfsmittel aufzukommen, träfen mit Blick auf § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nicht zu. Jedoch habe das SG in der Sache falsch entschieden. Das Therapiedreirad-Tandem sei sehr wohl zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erforderlich; auch diese bestehe in der Integration seiner Person in den Familienkreis. Die vom SG vorgenommene Kosten-Nutzen-Rechnung sei allenfalls dann geboten, wenn der zusätzliche Gebrauchsvorteil des Hilfsmittels im Alltagsleben eher gering, die dafür anfallenden Kosten im Vergleich zu einem bisher als ausreichend angesehenen Versorgungsstandard als unverhältnismäßig hoch einzuschätzen seien. Dies sei jedoch bezogen auf das Therapiedreirad-Tandem gerade nicht der Fall. Es sei nichts ersichtlich und werde im Übrigen auch durch den Beigeladenen nichts vorgetragen, was die Annahme überhöhter Kosten rechtfertige. Der im Sozialhilferecht geltende Grundsatz der Nachrangigkeit stehe der Gewährung von Leistungen durch den Sozialhilfeträger hier nicht entgegen, weil Leistungen nicht nach Maßgabe anderer Vorschriften tatsächlich erbracht würden. Er (der Kläger) sei als behinderter Mensch wegen der Art und Schwere seiner Behinderung auf das Therapiedreirad-Tandem als Eingliederungshilfe angewiesen. Mit dem Therapiedreirad-Tandem würden die im Wachkoma liegende Mutter und der sie pflegende Vater besucht. Zudem spiele Fahrradfahren im Familienverbund eine große Rolle, wie auch seine Tante bezeugt habe, weil dieses nicht nur als Freizeitaktivität, sondern auch zum Einkaufen sowie für Besuche verwandt werde. Darauf abzustellen, dass er (der Kläger) das Therapiedreirad-Tandem nicht alleine nutzen könne, sei nicht entscheidend, weil dann gerade schwerstbehinderte Menschen, die nicht ohne Begleitung im Straßenverkehr beweglich wären, stets von Leistungen der Eingliederungshilfe ausgeschlossen seien, was dem Zweck der Eingliederungshilfe zuwiderlaufe. Im Übrigen gehöre zu den Aufgaben der Eingliederungshilfe - wie sich aus den §§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Nr. 1 SGB IX ergebe - auch die medizinische Rehabilitation, also insbesondere auch ärztliche bzw. ärztlich verordnete Maßnahmen zur Verhütung, Beseitigung oder Milderung der Behinderung. Dazu gehörten aber auch Hilfsmittel wie das Therapiedreirad-Tandem, die über den Zweck der Hilfsmittel des § 31 SGB IX hinausgingen. In der Aufzählung des § 9 Abs. 2 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung - Eingliederungshilfe-VO), der die "anderen Hilfsmittel" im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX beispielhaft ausführe, handele es sich angesichts des Wortlauts "gehören auch" nicht um einen abschließenden Hilfsmittelkatalog. Er (der Kläger) habe die Kosten für das Therapiedreirad-Tandem aus eigenen Mitteln nicht bestreiten können. Er sei Schüler und verfüge daher über kein ausreichendes Einkommen. Hinsichtlich des Einkommens seiner Eltern werde auf die erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen verwiesen. Daraus gehe hervor, dass - auch im Hinblick auf die Pflegesituation seiner Mutter - kein ausreichendes Einkommen vorhanden sei, um das Therapietandem aus eigenen Mitteln zu tragen. Er gehe aber auch schon nicht davon aus, dass sein Vater zur Einsatzgemeinschaft zähle. § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB XII bestimme ausdrücklich, dass es nur auf das Einkommen des Elternteils ankomme, bei dem der minderjährige Hilfesuchende lebe. Er selbst lebe aber bei seiner Tante. Es komme damit weder auf das Einkommen noch auf das Vermögen der Eltern an. Unabhängig davon sei § 92 SGB XII zu beachten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Februar 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. April 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von EUR 7.849,94 zu bezahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts seinen Leistungsantrag neu zu bescheiden, weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Gerichtsbescheids bezogen und ihren bisherigen Vortrag wiederholt. Der Kläger sei unstreitig nicht gehbehindert. Ihm sei, auch unter Berücksichtigung der geistigen Behinderung, eine aktive Bewegung außer Haus im Nahbereich der Wohnung ohne Hilfsmittel möglich. Die Versorgung des Klägers mit einem Therapiedreirad-Tandem sei somit nicht erforderlich. Auch zur sozialen Integration sei die begehrte Versorgung nicht erforderlich, denn eine soziale Isolation, die nur mittels eines Therapiedreirad-Tandems behoben werden könne, sei vorliegend nicht erkennbar und auch nicht mit der schweren Erkrankung der Mutter und der daraus resultierenden besonderen familiären Situation begründbar. Nach ihrer (der Beklagten) Auffassung sei nicht nachgewiesen, dass eine Integration des Klägers in die gemeinsame Aktivität der Familie ausschließlich mit Hilfe der streitgegenständlichen Versorgung erfolgen könne. Eine Weiterleitung des Antrags gemäß § 14 SGB IX sei nicht in Betracht gekommen, da die Leistung originär dem SGB V, hier § 33 SGB V, zuzurechnen sei. Die Regelung des § 55 SGB IX umfasse nach ihrem Abs. 2 Nr. 1 nur die Versorgung mit anderen als in § 31 SGB IX genannten Hilfsmitteln oder den nach § 33 SGB IX genannten Hilfen.

Der im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 07. April 2011 beigeladene Landkreis beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Insbesondere begründe die Regelung des § 54 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX keinen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Therapiedreirad-Tandem. § 9 Abs. 1 Eingliederungshilfe-VO bestimme nämlich, dass andere Hilfsmittel nur solche seien, die zum Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mängel bestimmt seien. Dazu gehörten spezifische Hilfsmittel für Blinde, Hörbehinderte, Ohnhänder und solche behinderten Menschen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung im Alltag auf besondere technische Hilfen angewiesen seien. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Die unter § 55 SGB IX fallenden Hilfsmittel könnten von vornherein nur solche sein, die ein nicht (voll) funktionsfähiges Körperteil wenn nicht ersetzten, so aber doch die Einschränkung möglichst weitgehend kompensieren sollten. Ein Therapietandem komme damit allenfalls in Betracht, wenn der Betreffende gehbehindert sei und sich nicht auf andere Weise fortbewegen könne. Dies sei hier aber nicht der Fall. Ferner sei die Leistung auch deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger das Therapiedreirad-Tandem ersichtlich auch nicht alleine bedienen könne. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch auch nicht nach § 54 SGB XII in Verbindung mit den §§ 55 Abs. 1 Nr. 7, 58 SGB IX, weil Leistungen danach stets unter dem Vorbehalt des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX stünden, wonach nur die notwendigen Sozialleistungen gewährt würden. Eine solche Notwendigkeit könne im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen nicht erkannt werden. Aus der Vernehmung des Vaters und der Tante des Klägers sei deutlich geworden, dass die geltend gemachte Förderung und Teilnahme am Familienleben - vor allem der Kontakt zur stark pflegebedürftigen Mutter - nicht nur durch die Fahrten mit dem Therapiedreirad-Tandem möglich seien. Diese könnten vielmehr zum einen auch mit dem Auto unternommen werden und fänden zum anderen ohnehin nur einmal wöchentlich - und das auch nur bei passendem Wetter - statt. Die sonst durchgeführten Ausflugsfahrten seien zweifelsohne wünschenswert, allerdings nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX erforderlich, weil solche gesundheitsfördernden Unternehmungen an der frischen Luft auch auf anderem Wege wesentlich kostengünstiger machbar seien. Das Therapiedreirad-Tandem könne damit nicht als Mobilitätshilfe angesehen werden. Auch in Ansehung des § 58 SGB IX stelle das Therapiedreirad-Tandem keine Hilfe zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben dar. In Betracht komme hier allein Nr. 1 der Vorschrift. Wie das SG hierzu bereits ausgeführt habe, sei das Therapiedreirad-Tandem aufgrund der Notwendigkeit der Anwesenheit einer erwachsenen Begleitperson nicht dazu geeignet, den Kontakt unter Gleichaltrigen zu fördern. Es sei unter Berücksichtigung der Aussagen von Vater und Tante des Klägers auch nicht erkennbar, dass das Therapiedreirad-Tandem für die weitere Einbindung in den Familienverband erforderlich sei. Offenbar nehme er auch ohne Therapiedreirad-Tandem rege an den Familienleben teil und werde von den Familienmitgliedern aktiv gefördert. Das Therapiedreirad-Tandem müsse vor diesem Hintergrund als ein über den vom Sozialstaat geförderten Umfang hinausgehendes Mittel der Freizeitbeschäftigung angesehen werden. Schließlich sei ein Anspruch auch nach § 54 SGB XI in Verbindung mit § 26 SGB IX nicht gegeben, da vorliegend das Aufstockungsverbot des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII greife. Das Vorbringen des Klägers, wonach das Einkommen und Vermögen der Eltern dem Begehren nicht entgegenstehe, weil der Kläger nicht im Haushalt seiner Eltern lebe, sei zurückzuweisen. Es komme hier nicht auf ein Zusammenleben an. Ein solches sei vielmehr nur für Ehegatten und Lebenspartner vorausgesetzt.

Der frühere Berichterstatter hat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 20. Oktober 2010 den Vater des Klägers zu dessen Lebenssituation angehört und die Tante des Klägers als Zeugin vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 20. Oktober 2010 Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 16. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen in Höhe eines Gesamtbetrages von EUR 7.849,94 für das selbst beschaffte Therapiedreirad-Tandem "Capitän Duo" weder nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (dazu 3.) noch nach Maßgabe der Regelungen des SGB IX bzw. sozialhilferechtlicher Vorschriften (dazu 4.).

1. Die Klage des Kläger war zulässig. Zwar hatte die Klage zunächst der Vater des Klägers erhoben. Der Kläger ist aber durch die sinngemäß erfolgte Berichtigung des Rubrums auf Klägerseite an die Stelle seines ursprünglich klagenden Vaters getreten. Nachdem das SG den Kläger von vornherein als solchen führte (siehe Eingangsbestätigung des SG vom 22. April 2008), übernahm der Kläger dies sinngemäß, als er bereits im nächsten Schriftsatz vom 28. April 2008 (Vorlage der Vollmacht) und dann auch in der Berufungsbegründung vom 02. Mai 2008 sich als Kläger bezeichnete. Mit der sinngemäß erklärten Berichtigung erfolgte ein Beteiligtenwechsel, der eine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG ist. Die Beklagte willigte in diese Klageänderung ein, da sie sich auf die abgeänderte Klage widerspruchslos eingelassen hat (§ 99 Abs. 1, 2 SGG).

Für diese geänderte Klage sind die Prozessvoraussetzungen gegeben. Insbesondere war die Klage fristgerecht erhoben. Der Widerspruchsbescheid vom 03. April 2008 kann dem Prozessbevollmächtigten des Klägers frühestens am 04. April 2008 zugegangen sein, so dass die einmonatige Klagefrist (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) frühestens am Montag, 05. Mai 2008 endete. Bereits zuvor gingen die oben genannten Schriftsätze beim SG ein, in denen der Kläger als solcher bezeichnet war.

2. Streitgegenstand ist hier der Bescheid der Beklagten vom 16. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. April 2008, der über den bei der Beklagten gestellten Antrag des Klägers vom 11. Juni 2007, aus Sicht des Senats jedoch auch über den von Seiten des Beigeladenen an die Beklagte weitergeleiteten Antrag des Klägers auf dieselbe Leistung vom 09. Juni 2007 entschieden hat. Die Beklagte hat in Bescheid und Widerspruchsbescheid ganz allgemein über das Begehren des Klägers entschieden und damit zugleich beide Anträge beschieden. Ob sie dabei eine Anspruchsgrundlage übersehen hat, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit und durch den Senat vollumfänglich zu überprüfen.

3. Ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung ergibt sich nicht nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Da der Kläger nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hatte, kommt im Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung als Anspruchsgrundlage für die Erstattung des für den Erwerb eines Therapiedreirad-Tandems aufgewandten Betrags von EUR 7.849,94 nur die Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (Alternative 1) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden (Alternative 2), sind nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ist, dass die Beklagte dem Kläger die Versorgung mit dem Therapiedreirad-Tandem schuldete und sie nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt bzw. rechtzeitig zu erfüllen abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung reicht dieser Anspruch jedoch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 RK 33/95 - SozR 3 2500 § 13 Nr. 11; Urteil vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 8/06 R - SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 m.w.N.). Der Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kann daher die Grenzen des Leistungssystems nicht erweitern, sondern setzt einen Leistungsanspruch voraus. Maßgeblich ist dabei, ob der Leistungsanspruch zum Zeitpunkt der Behandlung bestanden hat; spätere Rechtsänderungen zugunsten oder zu Ungunsten des Versicherten vermögen den Leistungsanspruch nicht über einen erst später geltend gemachten Erstattungsanspruch nachträglich zu verändern (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 08. Februar 2000 - B 1 KR 18/99 B - SozR 3-2500 § 135 Nr. 12). Ein Anspruch des Klägers auf die Beschaffung eines Therapiedreirad-Tandems bestand jedoch zum Zeitpunkt seiner Anschaffung am 30. April 2008 nicht.

Die Leistungsansprüche der gesetzlich Krankenversicherten sind in § 27 Abs. 1 SGB V grundlegend umschrieben. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen, seither unverändert geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst dabei gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V in der Fassung des GRG unter anderem auch die Versorgung mit Hilfsmitteln, die durch § 33 SGB V eine eigenständige Regelung erfährt. Maßgebend ist hier § 33 SGB V in der ab 01. April 2007 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl I, S. 378), weil die Anschaffung des Therapiedreirad-Tandems im April 2008 erfolgt ist. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V dieser Fassung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

Ausgehend davon bestand ein Anspruch des Klägers auf Ausstattung mit einem Therapiedreirad-Tandem nicht. Zwar ist dieses Tandem nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen. Es handelt sich vielmehr - wie sich anhand von Kostenvoranschlag und Rechnung ergibt - um eine spezielle Dreirad-Tandem-Kombination, die nur für Kranke und Behinderte hergestellt wird (vgl. mit diesem Maßstab das BSG, Urteil vom 12. August 2008 - B 3 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 25). Ein Anspruch des Klägers scheitert jedoch an der fehlenden Erforderlichkeit der Versorgung mit einem Therapiedreirad-Tandem im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.

a) Es geht hier nicht um die Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (1. Variante des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Grundsätzlich fallen Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) durchgeführt werden (BSG, Urteil vom 22. April 2009 - B 3 KR 5/08 R - RdNr. 23, juris). Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände ua der §§ 20 ff. SGB V sowie des § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX, mit denen die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unter den dort jeweils aufgeführten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung als deren Kernaufgabe hinaus auf Aufgaben im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation ausgedehnt worden ist (vgl. dazu Schütze, in juris-PK-SGB V, § 20 SGB V RdNr. 9 und § 23 SGB V RdNr. 12 f).

Das BSG hat daher bereits für ein Therapietandem entschieden, dass dieses nicht erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, weil eine regelmäßige Krankengymnastik nicht nur ausreicht, sondern sogar gezielter und vielseitiger die angestrebten Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines behinderten Menschen erreichen kann, einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl (BSG, Urteil vom 16. September 1999 - B 3 KR 9/98 - SozR 3-2500 § 33 Nr. 32). An dieser Rechtsprechung hat das BSG auch in jüngerer Zeit ausdrücklich festgehalten (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2008 - B 3 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 25). Eine andere Beurteilung hat es nur in den Fällen ausnahmsweise für erforderlich gehalten, in denen das gewünschte Hilfsmittel in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung i.S. der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 07. Oktober 2010 - B 3 KR 5/10 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 32). Davon kann vorliegend indes nicht ausgegangen werden. Auf einem gezielten Therapieplan beruht der Einsatz des Therapiedreirad-Tandems nach dem Gesamtinhalt der Akten nicht. Nach den Schilderungen des Vaters des Klägers sowie der Aussage seiner Tante kommt das Therapiedreirad-Tandem zwar regelmäßig, jedoch stets nach Bedarf und Wetter zum Einsatz, im Sommer öfter als im Winter und bei starkem Regen gar nicht. Daneben nimmt der Kläger nach wie vor physiotherapeutische Maßnahmen, insbesondere offenbar eine Reittherapie wahr, so dass sich eine gezielte Einschaltung des Therapiedreirad-Tandems in einen Behandlungsplan schon anhand dieser Auskünfte nicht ergibt. Auch ist weder der "Kinderärztlichen Stellungnahme" des Dr. I. vom 01. Juni 2007 noch dem Attest des Dr. S. vom 21. Mai 2007 zu entnehmen, dass die behandelnden Ärzte Fahrten des Klägers mit einem Therapiedreirad-Tandem als Teil ihres therapeutischen Konzepts ansehen. Dr. I. hat als vorrangigen Grund für die Anschaffung des Therapiedreirad-Tandems angegeben, hierdurch werde dem Kläger das Grundbedürfnis nach einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung und Naturerfahrung erschlossen; dem Kläger solle eine aktive Betätigung außer Haus ermöglicht werden. Diesen - aus seiner Sicht psychosozialen - Aspekten wolle er als wesentliche medizinische Indikation die Förderung von Beweglichkeit und Koordination und ggf. Reduzierung des Übergewichts hinzufügen. Schon hieraus wird deutlich, dass das Therapiedreirad-Tandem außerhalb eines Therapieplans, nämlich im Wesentlichen als sinnvolle Freizeitbeschäftigung und zu einer mit dieser im Zusammenhang stehenden körperlichen Ertüchtigung gedacht ist. Dr. S. hat ausgeführt, er halte die Versorgung mit einem Therapiedreirad-Tandem für "äußerst sinnvoll", um beim Kläger bestehende Einschränkungen in der Feinmotorik, im Gleichgewichtssinn und Mobilität zu reduzieren und bestehende Ressourcen erheblich zu verbessern. Eine konkrete Einbeziehung des Therapiedreirad-Tandem in einen aufgestellten Therapieplan lässt sich anhand dieser Angaben nicht ableiten. Die vom Kläger vorgetragenen therapeutischen Effekte des Therapiedreirad-Tandems sind daher nicht Teil des ärztlich verantworteten komplexen therapeutischen krankheitsbezogenen Vorgehens. Es ergibt sich vielmehr umgekehrt, dass das Therapiedreirad-Tandem eine gesundheitsförderliche Maßnahmen darstellt, die allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielt. In genau diesem Sinne wird das Therapiedreirad-Tandem nach den Schilderungen von Kläger und Tante auch genutzt. Es wird ergänzend nach Bedarf, Wetter und sonstigen äußeren Gegebenheiten, nicht dagegen andere Therapien ersetzend eingesetzt.

Hieraus ergibt sich dann auch, dass das Therapiedreirad-Tandem auch nicht dazu dient, einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Variante des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

b) Die Benutzung des Therapiedreirad-Tandems ist auch nicht zum Behinderungsausgleich erforderlich. Dieser in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl. jetzt auch § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) eines von der gesetzlichen Krankenkasse zu leistenden Hilfsmittels bedeutet nicht, dass über den Ausgleich der Behinderung als solche hinaus auch sämtliche direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen wären (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich). Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation (vgl. § 1 SGB V sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG, Urteil vom 16. September 2004 - B 3 KR 19/03 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 7; Urteil vom 26. März 2003 - B 3 KR 23/02 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 3). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört u.a. die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw. eines Schulwissens (BSG, Urteil vom 06. August 1998 - B 3 KR 3/97 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 29; Urteil vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 3/02 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 46; Urteil vom 24. Mai 2006 B 3 KR 12/05 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 11 RdNr. 18).

Das hier allein in Betracht kommende Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" hat die Rechtsprechung des BSG schon seit den 1990er Jahren immer nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst und nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden verstanden (vgl. BSG, Urteil vom 08. Juni 1994 - 3/1 RK 13/93 -, SozR 3-2500 § 33 Nr. 7). Es muss dem Versicherten einen gewissen Freiraum zum Zurücklegen kleinerer, üblicherweise zu Fuß zurücklegbarer Entfernungen ("Nahbereich") erschließen. Dazu ist das Therapiedreirad-Tandem im Falle des Klägers jedoch gar nicht erforderlich. Der Kläger ist grundsätzlich in der Lage, selbst zu laufen und sich insoweit einen gewissen Freiraum auch zu Fuß zu erschließen. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass er aufgrund seiner motorischen Entwicklungsstörungen außer Stande ist, sich im Nahbereich zu Fuß fortzubewegen. Der Vater des Klägers hat dessen Einschränkungen im Termin zur nichtöffentlichen Sitzung vom 20. Oktober 2010 vielmehr so umschrieben, dass der Kläger ein "Hans-Guck-in-die-Luft" sei, der leicht stolpere. Dies lässt nicht auf wesentliche Einschränkungen im Gehvermögen schließen. Zwar ist die damit bestehende grundsätzliche Bewegungsfreiheit zu Fuß nur unter Aufsicht möglich. Einen darüber hinausgehenden Freiraum verschafft ihm jedoch auch das Therapiedreirad-Tandem nicht, weil der Kläger auch mit dem Therapiedreirad-Tandem nicht alleine unterwegs sein kann, sondern stets der Beaufsichtigung und der Fremdhilfe bedarf (vgl. mit diesem Argument auch BSG, Beschluss vom 29. Januar 2009 - B 3 KR 39/08 B - juris). Das Therapiedreirad-Tandem stellt insoweit allenfalls eine Erleichterung für die Aufsichtsperson dar, weil sich der Kläger von ihm nicht so einfach entfernen kann, nicht dagegen verhilft es dem Kläger selbst zu einer größeren körperlichen Mobilität. Daher ist auch unerheblich, dass das Therapiedreirad-Tandem nach der Aussage der Tante des Klägers auch im Ort zur Verrichtung von Besorgungen eingesetzt werde. Im Übrigen ist das Therapiedreirad-Tandem insoweit auch ersetzbar, weil es nach Aussage der Tante nur bei gutem Wetter genutzt wird, anderenfalls aber Strecken auch mit dem Auto zurückgelegt werden.

Das Therapiedreirad-Tandem kann dem Kläger also den Nahbereich nicht im eigentlichen Sinne erschließen. Das Radfahren selbst aber stellt als spezielle Art der Fortbewegung kein eigenständiges Grundbedürfnis dar (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 - B 3 KR 17/05 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 12 RdNr. 16 mwN). Auch wird von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht das Ermöglichen von Freizeitbeschäftigungen wie Wandern, Dauerlauf, Ausflüge uä, die das "Stimulieren aller Sinne", die "Erfahrung von Geschwindigkeit und Raum", das "Erleben physischen und psychischen Durchhaltens" sowie das "Gewinnen von Sicherheit und Selbstbewusstsein" mit sich bringen, geschuldet (so BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R -, USK 2002-88, RdNr 17 f mwN).

Anderes gilt allerdings - worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat - dort, wo das Hilfsmittel entweder zum Schulbesuch im Rahmen der Schulpflicht oder der Integration von Kindern oder Jugendlichen in der Entwicklungsphase dient. Die Notwendigkeit der Hilfsmittelversorgung ergibt sich hier nicht aus der rein quantitativen Erweiterung des Bewegungsradius, sondern aus dem Gesichtspunkt der Integration behinderter Jugendlicher in das Lebensumfeld nichtbehinderter Gleichaltriger sowie der Ermöglichung des Schulbesuches. Der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich ist also auf eine möglichst weit gehende Eingliederung des behinderten Kindes bzw. Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger ausgerichtet. Es reicht deshalb aus, wenn durch das begehrte Hilfsmittel die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich gefördert wird (so das BSG, Urteil vom 10. November 2005 B 3 KR 31/04 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 10).

Durch das hier angeschaffte Therapiedreirad-Tandem ist eine solche Erweiterung der Integrationsmöglichkeiten des Klägers jedoch nicht gegeben. Der Ermöglichung des Schulbesuchs dient das Tandem nach der Auskunft des Vaters des Klägers in der nicht-öffentlichen Sitzung des LSG vom 20. Oktober 2010 nicht. Der Kläger wird von einem Schulbus abgeholt. Dass ein Tandem aber schon als solches nicht zur Integration eines Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger dienen kann, hat das BSG bereits mehrfach entschieden. Denn die zu seiner Bedienung notwendige Anwesenheit einer erwachsenen Begleitperson (die im Übrigen die Tante des Klägers auch ganz konkret für das vom Kläger angeschafft Therapiedreirad-Tandem bestätigt hat) wird von Jugendlichen bei ihren Aktivitäten, mit denen sie gerade Selbständigkeit und Unabhängigkeit von Erwachsenen beweisen wollten, üblicherweise nicht akzeptiert (so schon BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 8/02 R -USK 2002-88, RdNr 19; entsprechend auch wieder BSG, Beschluss vom 29. Januar 2009 - B 3 KR 39/08 B - juris; Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 25).

Letztlich behauptet aber der Kläger auch nicht, das Hilfsmittel zu seiner Integration in den Kreis Gleichaltriger oder zum Zwecke des Schulbesuchs zu benötigen, sondern zur Durchführung gemeinsamer Fahrradausflüge im Familienverbund. In diesem Zusammenhang hat das BSG aber ohne bislang entschieden zu haben, ob gemeinsame Fahrradausflüge mit der Familie überhaupt ein relevanter Faktor für die soziale Integration und Kommunikation eines Behinderten sein können, der die Gewährung eines Therapiedreirad-Tandems erforderlich machen könnte - die Erstattungsfähigkeit eines Hilfsmittels zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung von vornherein nicht für gegeben erachtet, wenn sich an der Möglichkeit der sozialen Integration des betreffenden Jugendlichen oder Kindes aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls auch ohne das Fahrrad oder Tandem keine Zweifel ergeben (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 21. November 2002, aaO, wo sogar nur "relativ gute" Möglichkeiten der sozialen Integration und Kommunikation zum Maßstab genommen werden). Zur Beurteilung dieser Gesamtumstände hat es insbesondere den täglichen Besuch einer Behindertenschule sowie das Vorhandensein von Geschwistern für maßgeblich erachtet. Ausgehend davon ist aber auch im Fall des Klägers das Therapiedreirad-Tandem kein erforderliches Mittel zur sozialen Integration, wie es nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen ist. Auch der Kläger besucht nämlich regelmäßig eine Behindertenschule und ist - jedenfalls nach den Schilderungen seiner Tante - in den Kreis der Familie seiner Tante einschließlich deren dort noch lebenden Kinder gut eingebunden. Gemeinsames Familienleben mit seinen Eltern ist auch mit dem Auto möglich und findet bei schlechtem Wetter ohnehin - nach den Angaben von Tante und Vater - mit dem Auto statt. Dem Kläger stehen daher auch außerhalb des Fahrradfahrens gute Integrationsmöglichkeiten zur Verfügung. Dass das Therapiedreirad-Tandem aus seiner Sicht hier die beste Möglichkeit darstellt, ist unerheblich.

Auch insgesamt vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass das Radfahren mit dem Therapiedreirad-Tandem einen so wesentlichen Teil des Familienlebens darstellt, dass der Kläger ohne das Radfahren von einem wesentlichen Teil der familiären Freizeitaktivitäten ausgeschlossen wäre. Nach den Schilderungen der Tante in ihrer Aussage vom 20. Oktober 2010 wird das Radfahren mit dem Therapiedreirad-Tandem, soweit es bei schönem Wetter regelmäßig abends und zur Erledigung von Besorgungen unternommen wird, im Wesentlichen (abgesehen von der Erleichterung der Aufsichtssituation, s. dazu oben) unternommen, um dem Kläger zur körperlichen Ertüchtigung das Radfahren zu ermöglichen. Der Kläger wird daher insoweit also nicht in einen festen Alltag regelmäßigen Radfahrens integriert, sondern ist vielmehr Anlass und Auslöser des Radfahrens. Ein Integrationsmittel ist das Therapiedreirad-Tandem insoweit also nicht. Entsprechendes gilt auch für die Besuche bei seinem Vater und die dort mit dem Vater unternommenen Fahrradausflüge. Anderes gilt nur für die von der Tante geschilderten Radausflüge auch mit Freunden. Diese finden jedoch nach ihren Angaben nur sechs bis sieben Mal im Jahr statt. Ihnen kommt daher eine besondere soziale Bedeutung im Sinne der Rechtsprechung des BSG nicht zu. Dass sich aus dem Gesundheitszustand der Mutter ein davon abweichender Maßstab ergäbe, vermag der Senat nicht zu erkennen. Er zwingt die Familie nicht, gerade mit dem Therapiedreirad-Tandem gemeinsame Unternehmungen zu bestreiten.

Es kann daher auch vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Teilnahme an familiären Fahrradausflügen ein von der Krankenkasse zu finanzierendes Grundbedürfnis darstellt. Zu Unrecht beruft sich der Kläger darüber hinaus auf die teilweise noch weitergehende Rechtsprechung des 8. Senats zur Erstattungsfähigkeit von Hilfsmitteln für Kinder und Jugendliche. Diese Rechtsprechung hat der 3. Senat - anders als vom Kläger vorgetragen - nicht beibehalten, sondern vielmehr mittlerweile ausdrücklich aufgegeben. In seinem Urteil vom 12. August 2009 (B 3 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 33 Nr. 25) hat er insoweit deutlich ausgeführt, bisher sei lediglich eine Abgrenzung zur Rechtsprechung des 8. Senats vorgenommen worden; der jetzt zu entscheidende Fall werde jedoch zum Anlass genommen, diese Rechtsprechung des - für die Hilfsmittelversorgung durch die Krankenkassen nicht mehr zuständigen - 8. Senats, die sich als zu weitgehend und die Grenzen zwischen medizinischer und sozialer Rehabilitation verwischend erwiesen hat, nunmehr ausdrücklich aufzugeben, um für die Zukunft Klarheit zu schaffen, auf welcher Grundlage zu entscheiden ist.

c) Der Kläger kann seinen ursprünglichen Sachleistungsanspruch auch nicht auf § 31 SGB IX stützen. Die Vorschriften des SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewähren den Versicherten im Bereich der Hilfsmittelversorgung keinen über die Leistungspflichten nach § 33 SGB V hinausreichende Leistungsansprüche, wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat (Urteil vom 26. März 2003 - B 3 KR 23/02 R -, SozR 4-2500 § 33 Nr. 3; Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 11/08 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 25; st. Rspr.). Mit dem SGB IX hat der Gesetzgeber die bisherigen Bestimmungen zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft und zum Ausgleich von Benachteiligungen, die vor allem im Rehabilitations-Angleichungsgesetz (RehaAnglG) und im Schwerbehindertengesetz (SchwbG) enthalten waren, zusammengefasst, sprachlich überarbeitet und hinsichtlich der Stärkung der Selbstbestimmung sowie des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten ausgebaut. Hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe wird aber nach wie vor auf die für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetze verwiesen, während diese im Übrigen nur maßgebend sind, soweit sie Abweichendes vorsehen (§ 7 SGB IX; vgl. dazu Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/5074 S. 94). Die Krankenkassen sind gemäß § 5 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX Träger von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, für deren Voraussetzungen die Vorschriften des SGB V maßgebend sind. Der Anspruch des Klägers, der wegen seiner dauerhaften Behinderungen unter den Personenkreis des SGB IX fällt, ihn mit einem Hilfsmittel zu versorgen, richtet sich somit nach § 33 SGB V. Soweit das SGB IX in § 31 den Hilfsmittelbegriff definiert, kann offenbleiben, ob dies zu den Leistungsvoraussetzungen zählt, die sich allein nach dem SGB V richten, oder ob es sich um Art und Gegenstand der Leistungen handelt, für die das SGB IX gilt, sofern die einschlägigen Leistungsgesetze nichts anderes vorsehen. Denn § 31 SGB IX gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt des § 33 SGB V wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und hat somit diese Rechtsprechung bestätigt (vgl. BSG, Urteil vom 12. August 2009 - B 3 KR 11/08 R - a.a.O.).

4. Auch nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX kann der Kläger keinen Erstattungsanspruch geltend machen. Denn das Leistungsrecht der anderen Rehabilitationsträger ergibt den geltend gemachten Erstattungsanspruch ebenfalls nicht.

Allerdings war die Beklagte - worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat - nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (soweit sie über den Antrag des Klägers vom 11. Juni 2007 entschieden hat, als erstangegangene Trägerin in unmittelbarer Anwendung dieser Vorschrift, soweit sie über den von der Beigeladenen weitergeleiteten Antrag vom 09. Juni 2007 entschieden hat, in analoger Anwendung dieser Vorschrift, vgl. Abs. 2 Satz 3 aaO) zur Prüfung auch der weiter in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen verpflichtet. Danach verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung. Der nunmehr zur Entscheidung verpflichtete Rehabilitationsträger hat den Anspruch nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind, zu überprüfen (st.Rspr. des BSG, vgl. Urteil vom 20. November 2008 - B 3 KN 4/07 KR R - juris; vgl. auch Urteil vom 25. Juni 2009 B 3 KR 4/08 R - SozR 4-2500 § 33 Nr. 26).

Der Sache nach käme hier nur ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Rahmen der Eingliederungshilfe und nach Maßgabe der weiteren sozialhilferechtlichen Leistungsvoraussetzungen gem. §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB IX auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 Nr. 12 Eingliederungs-VO in Betracht. Diese Ansprüche hat die Beklagte in ihren Bescheiden nicht ausdrücklich geprüft. Im Ergebnis ist die Entscheidung der Beklagten indes auch unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlagen nicht zu beanstanden. Denn es fehlt dazu schon an der weiteren sozialhilferechtlichen Voraussetzung einer Bedürftigkeit des Klägers.

Leistungen der Sozialhilfe erhält nach § 2 Abs. 1 SGB XII nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere auch von Angehörigen erhält. Wessen Einkommen und Vermögen im Einzelnen zu berücksichtigen ist, wird durch die Regelung des § 19 SGB XII vorgegeben. Ob und inwieweit der Einsatz eigener Mittel im Einzelnen zumutbar ist, regeln die §§ 82 ff. SGB XII für den Einkommenseinsatz sowie die §§ 90 ff. SGB XII für den Vermögenseinsatz. Ausgehend von diesen Regelungen musste sich der Kläger erhebliches Vermögen der Eltern zum Zeitpunkt der Anschaffung des Therapiedreirad-Tandems als anspruchsvernichtend entgegenhalten lassen.

Anders als vom Kläger vorgetragen, war für die Frage der Bedürftigkeit seiner Person auch das Einkommen und Vermögen seiner Eltern heranzuziehen. Maßgeblich hierfür ist die Regelung des § 19 SGB XII in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl. I, S. 554). Diese fasst den Kreis der Leistungsberechtigten unterschiedlich je nachdem, ob es sich um Hilfen zum Lebensunterhalt (§ 19 Abs. 1 SGB XII a.F.) oder um Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII (§ 19 Abs. 3 SGB XII) und folglich auch um Ansprüche auf Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen handelt. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII (der im Übrigen, anders als § 19 Abs. 1 SGB XII, seither nicht verändert worden ist) werden Leistungen auch der Eingliederungshilfe nur erbracht, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Diese Regelung bezieht ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach auch diejenigen Eltern ein, die nicht mit ihrem Kind in einem Haushalt leben. Demgegenüber stellte § 19 Abs. 1 SGB XII der hier maßgeblichen Fassung bei bedürftigen minderjährigen Kindern ausdrücklich darauf ab, dass sie dem Haushalt der Eltern oder eines Elternteils angehören. Eine entsprechende Einschränkung findet sich in § 19 Abs. 3 SGB XII dagegen nicht.

Angesichts der Klarheit dieser Regelung kann dahinstehen, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung des Therapiedreirad-Tandems tatsächlich nicht mit seinem Vater (jedenfalls teilweise) in einem Haushalt lebte. Der Senat hat hieran zwar Zweifel, weil der Kläger im Haushalt seiner Eltern seine Meldeadresse hat und zudem den Schilderungen des Vaters in der nichtöffentlichen Sitzung vom 20. Oktober 2010 am Rande zu entnehmen ist, dass der Kläger jedenfalls auch von seiner Meldeadresse mit dem Schulbus abgeholt wird (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Rechtsprechung des Hessischen LSG in seinem Urteil vom 25. November 2011 - L 7 SO 194/09 - juris, wonach die Unterbringung eines Ehegatten in einem Pflegeheim allein aus gesundheitlichen Gründen noch nicht zum Getrenntleben führt). Auf eine genauere Klärung der Umstände kam es jedoch mit Blick auf den eindeutigen Wortlauts des § 19 Abs. 3 SGB XII nicht an. Denn danach ist es für die Anrechnung von Einkommen und Vermögen zur Beurteilung eines Anspruchs auf die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel gerade unerheblich, dass der minderjährige und unverheiratete (einkommenslose und vermögenslose) Hilfesuchende mit Eltern (einem Elternteil) nicht in Haushaltsgemeinschaft lebt (ebenso das Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - , Urteil vom 08. Juli 1982 - 5 C 39/81 - BVerwGE 66, 82, zur insoweit wortgleichen Vorgängerregelung des § 28 Bundessozialhilfegesetz). Soweit die Richtigkeit dieser Auffassung in der Literatur in Frage gestellt wird (vgl. mit anderer Auffassung z.B. Coseriu, juris-PK-SGB XII § 19 Rn. 46), ist aus Sicht des Senats zum Einen maßgeblich, dass der Gesetzgeber sogar innerhalb derselben Vorschrift des § 19 Abs. 3 SGB XII insoweit differenziert, als bei Ehegatten ein Nicht-Getrenntleben zur Voraussetzung der Einkommens- und Vermögensanrechnung gemacht wird, bei Kindern dagegen nicht; dies lässt einen Rückschluss nur dahingehend zu, dass bei Kindern die Haushaltszugehörigkeit ihrer Eltern für die Anrechnung von deren Einkommen und Vermögen keine Rolle spielt. Zum anderen ist entscheidend, dass der Gesetzgeber im Nachgang zur Rechtsprechung des BVerwG mehrfach die Gelegenheit gehabt hätte, eine Angleichung der Regelung des § 19 Abs. 3 SGB XII an die Regelung des § 19 Abs. 1 SGB XII vorzunehmen und den Kreis der anrechnungsrelevanten Eltern auf die mit den Kindern in einem Haushalt lebenden zu begrenzen. Dies ist jedoch nie erfolgt. Der Gesetzgeber hat sogar vielmehr gerade umgekehrt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I, S. 453) mit Wirksamkeit vom 01. Januar 2011 (indem er eine entsprechende Einschränkung für die Einkommens- und Vermögensanrechnung bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII auf haushaltsangehörige Eltern nunmehr zwar nicht mehr durch § 19 Abs. 1 SGB XII, wohl aber - insoweit neu verortet - durch § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB XII statuiert) nochmals klargestellt, dass an dieser Differenzierung festgehalten werden soll. Hätte er eine entsprechende Eingrenzung des Personenkreises auch bezogen auf die Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel beabsichtigt, wäre angesichts der Neuregelung von § 19 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB XII eine entsprechende Änderung auch des § 19 Abs. 3 SGB XII zu erwarten gewesen. Damit sprechen sowohl Wortlaut und Systematik des § 19 SGB XII als auch die Rechtshistorie dagegen, dass nach § 19 Abs. 3 SGB XII das Einkommen und Vermögen von Eltern nicht herangezogen werden darf, wenn die Kinder nicht bei ihnen leben. Der Senat folgt daher der Auffassung des BVerwG.

Den Eltern des Klägers war es auch zumutbar, das Therapiedreirad-Tandem selbst zu finanzieren. Die Frage der Zumutbarkeit der Heranziehung von Einkommen und Vermögen der Eltern des Klägers richtet sich nach den Regelungen der §§ 82 ff. und 90 ff. SGB XII a.F. Danach ergab sich ein Leistungsanspruch des Klägers nicht. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob nicht schon die Einkommenssituation der Eltern einem sozialhilferechtlichen Leistungsanspruch entgegen stand. Denn jedenfalls lag zum 30. April 2008 (dem Tag der Anschaffung des Therapiedreirad-Tandems) ausweislich der vom Kläger vorgelegten Unterlagen erhebliches Vermögen der Eltern vor, welches zum Anspruchsausschluss führte. Die Anrechnung von Vermögen bestimmt sich nach § 90 SGB XII, der seit seinem Inkrafttreten zum 01. Januar 2005 bis heute keine Änderung erfahren hat. Nach seinem Abs. 1 ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen; nur bei Vorliegen einer Ausnahmekonstellation nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 ist Vermögen nicht zu verwerten. Nach der ganz ständigen Rechtsprechung des BSG stellt dabei Vermögen die Summe aller aktiven Vermögenswerte dar; Verbindlichkeiten sind - soweit sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem konkreten Vermögenswert stehen - nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 02. November 2000 - B 1 AL 35/00 - SozR 3-4220 § 6 Nr. 8; vgl. zum Ganzen auch Mecke, in jurisPK-SGB XII § 90 Rn. 14 ff.). Im April 2008 hatten die Eltern des Klägers ganz erhebliches Vermögen in Form von Aktien (im Wert von über EUR 65.000,00) sowie Bausparverträgen (in Höhe von über EUR 20.000,00). Überdies bewohnten die Eltern ein Haus im Wert von über EUR 500.000,00. Jedenfalls das Vermögen in Form von Aktien stellte kein Schonvermögen im Sinne von § 90 Abs. 2 und 3 SGB XII dar und war deshalb von den Eltern des Klägers zur Anschaffung des Fahrrads zur Verfügung zu stellen.

Dem stand - entgegen der Ausführungen des Klägers - auch nicht die Regelung des § 92 SGB XII entgegen. Einer der abschließend gefassten Katalogfälle des § 19 Abs. 2 SGB XII lag nicht vor, weil der Kläger schon eingeschult war, er das Therapiedreirad-Tandem jedoch für seinen Schulbesuch nicht benötigte und dieses insbesondere auch keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX (vgl. dazu unter 2. c)) darstellte. Infolgedessen war der Kläger mit der von ihm begehrten Leistung nicht von einer Bedürftigkeitsprüfung ausgeschlossen (vgl. dazu z.B. Lachwitz, in HK-SGB IX, § 55 Rn. 31). Die vom Kläger zitierte Regelung des Abs. 1 war demgegenüber hier gar nicht anwendbar, weil die Eltern des Klägers das Therapiedreirad-Tandem nicht nur teilweise, sondern vollständig aus ihrem Vermögen begleichen konnten.

Auf die Frage, ob der Sache nach ein Therapiedreirad-Tandem eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft darstellen kann, wenn es zur Teilnahme an Fahrradausflügen in der Familie benötigt wird, kam es vorliegend daher gar nicht mehr an. Mangels Vorliegens der sozialhilferechtlichen Leistungsvoraussetzungen kam im Übrigen auch der hilfsweise geltend gemachten Neubescheidungsanspruch nicht in Betracht, da ein Ermessen der Beklagten insoweit gar nicht eröffnet war.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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