L 10 U 3898/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 341/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3898/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09.07.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 und Nr. 2110 (im Folgenden: BK 2108 bzw. BK 2110) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der Kläger war nach seinen Angaben von 1960 bis 1976 in der Schweiz tätig, zunächst ca. zwei Jahre in einem metallverarbeitenden Betrieb an der Presse, dann ca. ein Jahr im Straßenbau und in der Folge als Fahrer von LKW bzw. Planierraupen (Angaben gegenüber Dipl.-Ing. St.). In Deutschland war er von 1976 bis 1979 bei der Spedition Roba in Weil/Rhein als Lagerarbeiter und danach bis Juli 1988 bei verschiedenen Speditionen als Fern- bzw. Kraftfahrer tätig, u.a. bei der Spedition L. in E.-K., der Spedition M. in L. und bei der Firma V. in E. (vgl. u.a. die Angaben im Formular "Arbeits-/Krankheitsanamnese"). Seither ist der Kläger nicht mehr beruflich tätig.

Im September 2003 beantragte er die Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als BK und machte geltend, er leide an einem Lumbalsyndrom bei Bandscheibenvorfall LWK 4/5 und Bandscheibenprotrusion LWK 5/S1 mit Schmerzausstrahlung in beide Beine. In dem erwähnten Formular führte er weiter aus, die Rückenbeschwerden hätten sich im Jahr 1979 erstmals bemerkbar gemacht, und zwar beim Heben und Sitzen. Als belastend für die Wirbelsäule gab er die Tätigkeit bei der Firma V. an, bei der er als Kraftfahrer im Straßenbau mit Hebe- und Tragebelastungen von mehr als 25 kg belastet gewesen sei (Abplanen des LKW, Balken heben und tragen), in extremer Rumpfbeugehaltung und längere Zeit unter Einwirkung von Vibrationen gearbeitet habe.

Das von der Beklagten beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis weist seit September 1983 zahlreiche Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Lumbalsyndromen aus. Nach Beiziehung zahlreicher medizinischer Unterlagen veranlasste die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. F ... Dieser sah bei der Tätigkeit als LKW-Fahrer die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 und BK 2110 nicht als erfüllt an. Darüber hinaus verneinte er das Vorliegen eines altersvorauseilenden Befundes und ein belastungskonformes Schadensbild. Zudem spreche ein metabolisches Syndrom und eine hochpathologische Fettwertekonstellation gegen eine berufliche Verursachung der Lendenwirbelsäulen(LWS)-Erkrankung.

Mit Bescheid vom 14.01.2004 lehnte die Beklagte sowohl die Anerkennung einer BK 2108 als auch einer BK 2110 mit der Begründung ab, beim Kläger liege eine umfassende Bandscheibenerweichung ohne Anhaltspunkte für eine mechanische Schädigung, die erfahrungsgemäß nur Teilbereiche der Wirbelsäule betreffe, vor. Die Wirbelsäulenerkrankung sei nicht auf einen Bandscheibenschaden zurückzuführen. Auch bestünden keine dem Lebensalter vorauseilenden Veränderungen an der Wirbelsäule. Zudem liege eine sich auf den Stütz- und Bewegungsapparat auswirkende Stoffwechselerkrankung in Form eines metabolischen Syndroms vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Wirbelsäulenerkrankung sei daher nicht wahrscheinlich. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.02.2005).

Am 18.03.2005 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben (S 4 U 1017/05) und geltend gemacht, seine Wirbelsäulenerkrankung sei alleine auf die langjährige extreme berufliche Beanspruchung der Wirbelsäule zurückzuführen. Die Beklagte habe die arbeitstechnischen Voraussetzungen zu Unrecht nicht geprüft. Während seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer im Nah- und Fernverkehr habe er den LKW selbst be- und entladen müssen. Er habe Stückgut von bis zu 24 Tonnen transportiert, das er in Stückguteinheiten von 40 bis 45 kg über zehn bis zwölf Meter hinweg vor dem Körper zum Lastwagen habe tragen, dort hinaufheben, in diesem verteilen und dann am Bestimmungsort wieder entladen müssen. Zwei Stunden täglich habe er in extremer Rumpfbeugehaltung arbeiten müssen. Er sei als LKW-Fahrer und Fahrer von Baumaschinen darüber hinaus über Jahre hinweg vertikalen Ganzkörperschwingungen und wiederholten Stoßbelastungen ausgesetzt gewesen. In den achtziger Jahren seien die Fahrersitze der LKW noch nicht den heutigen gesundheitsschonenden Anforderungen angepasst gewesen. Auch auf öffentlichen Straßen sei er Belastungen in diesem Sinne ausgesetzt. Unzutreffend sei, dass von luftbereiften Fahrzeuge keine derartigen Belastungen ausgingen; im Übrigen seien die von ihm geführten Fahrzeuge nicht immer luftbereift gewesen.

Nach einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem die Beklagte beratenden Dipl.-Ing. St. über dessen Tätigkeiten hat Dipl.-Ing. St. ausgeführt, nennenswerte Belastungen im Sinne der BK 2108 seien nicht aufgetreten. Mit Ausnahme der Tätigkeit als Gabelstaplerfahrer bei der Firma R. hat er die Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Sinne der BK 2110 nicht für belastend erachtet. Die sodann von der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft (Rechtsvorgängerin der Beigeladenen) durchgeführten Ermittlungen zu dieser Tätigkeit haben eine Gefährdung im Sinne der BK 2110, nicht hingegen im Sinne der BK 2108 ergeben.

Mit Urteil vom 09.07.2008 hat das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erfülle weder die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 noch für die BK 2110. Er erreiche deutlich nicht die nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) erforderliche Mindesttagesdosis von 2.700 Nh.; im Hinblick auf die BK 2110 fehle es an der Langjährigkeit der belastenden Tätigkeit.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 17.07.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.08.2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2110 zu erfüllen, da er langjährig vorwiegend vertikalen Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen ausgesetzt gewesen sei. Der erforderliche Zeitraum von sieben Jahren sei erfüllt. Das SG habe zu Unrecht die Beschäftigungszeiten bei den Firmen H., L., M. und V. nicht berücksichtigt. Im Übrigen sei er von 1963 bis 1972 auch bei verschiedenen schweizerischen Firmen belastend im Sinne der BK 2110 tätig gewesen, wobei er Raupenfahrzeuge im Baustellenverkehr gefahren habe. Im Hinblick auf die BK 2108 liege die Belastungsdosis nach dem MDD im Übrigen mindestens doppelt so hoch wie zu Grunde gelegt. Auch insoweit bedürfe es der weiteren Sachverhaltsaufklärung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09.07.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2005 zu verurteilen, eine BK nach Nr. 2108 und 2110 der Anlage 1 zu BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Senat hat das Gutachten des Prof. Dr. H. auf Grund Untersuchung des Klägers vom 25.05. und 11.07.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat deutliche Degenerationen in den Wirbelsegmenten C4/5, C5/6 und C6/7, leichte Degenerationen in den Wirbelsegmenten L4/5 und L5/S1 ohne wesentliche funktionelle Folgen und neurogene Ausfallserscheinungen diagnostiziert, auf das demonstrative Verhalten anlässlich der Untersuchung hingewiesen und die degenerative Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als durch die beruflichen Tätigkeiten hervorgerufen oder verschlimmert angesehen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BKen ablehnenden Verwaltungsentscheidungen und die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung dieser BKen. Dem auf Entschädigung gerichteten Begehren im schriftsätzlich gestellten Antrag kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004 der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, die Erkrankung des Klägers als BK 2108 und BK 2110 anzuerkennen. Denn eine derartige BK liegt beim Kläger nicht vor.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VI begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV zählt dazu auch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges berufsbedingtes Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige berufsbedingte Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben, und als Konsequenz aus diesem Zwang muss die Aufgabe dieser Tätigkeiten tatsächlich erfolgt sein. Neben dem Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, die durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen entstanden ist, erfordert die Anerkennung der BK 2110 gleichermaßen, dass die Erkrankung den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt hat, und als Konsequenz aus diesem Zwang die Tätigkeit tatsächlich aufgegeben wurde.

Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Folge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier also eine bandscheibenbedingte Erkrankung - erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16).

Ob der Kläger im Sinne der obigen Darlegungen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der in Rede stehenden BKen erfüllt, was das SG verneint hat, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Denn beim Kläger sind jedenfalls die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 und 2110 zu verneinen.

Der Senat geht zwar davon aus, dass der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108 und 2110 leidet, hingegen sieht er keinen hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang mit den beruflichen Tätigkeiten des Klägers.

Unter bandscheibenbedingten Erkrankungen sind Bandscheibendegenerationen (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule zu verstehen (BSG, Urteil vom 31.05.2005, B 2 U 12/04 in SozR 4-5671 Anl.1 Nr.2108 Nr. 2 unter Verweis auf die Begründung in BR-Drucks. 773/92 S. 8 zur 2. Änderungsverordnung, durch welche die BK Nr. 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen worden ist). Dies bedeutet, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung neben den beschriebenen röntgenologisch feststellbaren Veränderungen auch ein darauf beruhendes Krankheitsbild erfordert, das über einen längeren Zeitraum andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist und zu Funktionseinschränkungen führt (BSG, a.a.O.).

Wenn auch das beim Kläger vorliegende Krankheitsbild für den Senat im Einzelnen nicht feststellbar ist, bejaht der Senat gleichwohl das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule.

Der Sachverständige Prof. Dr. H. hat in dem vom Senat eingeholten Gutachten ausgeführt, dass die vom Kläger geklagten Rückenbeschwerden allenfalls im Bereich des Halses und der Schulterregion den dort vorhandenen cervikalen Schäden zugeordnet werden können, nicht jedoch in den übrigen Regionen, also insbesondere nicht im vorliegend allein relevanten Bereich der Lendenwirbelsäule. So hat der Kläger nach den Darlegungen des Sachverständigen anlässlich seiner gutachtlichen Untersuchungen ein ausgeprägtes demonstratives Verhalten gezeigt, wobei die geklagten Beschwerden zum großen Teil den objektivierbaren somatischen Befunden nicht haben zugeordnet werden können. In diesem Sinne hat der Kläger - so Prof. Dr. H. - schon beim Gangbild ein stark willkürlich geprägtes demonstratives und zunächst sehr langsames Gehen gezeigt, bei dem er dann zunehmend unökonomische Ausgleichsbewegungen des Rumpfes mit teilweise plötzlichen leichten Beugebewegungen im rechten Kniegelenk in der Standphase unterschiedlichen Ausmaßes mit einer zumeist mäßigen inklinierten Haltung des gesamten Rumpfes und mehreren plötzlich propulsierenden Vorwärtsbewegungen, die er muskulär durch die Beine jedoch jeweils gut abgefangen hat, demonstriert hat. All dies korreliert schon nicht mit den von dem Sachverständigen ansonsten vorgefundenen normalen Schwung- und Standphasen, Abrollbewegungen der Füße und den Bewegungsexkursionen der übrigen Beingelenke. Bei normalem Zehen- und Fersengang beidseits hat der Kläger darüber hinaus auch wechselnde unterschiedlichen Hubhöhen gezeigt und im Rahmen der Bestimmung der Beweglichkeit der Hüftgelenke bei bestimmten Bewegungen lumbale Schmerzen angegeben, obwohl diese Bewegungen ihrerseits mechanisch weder die lumbale Muskulatur noch Nervengewebe zwischen diesen Bereichen betroffen haben. Auch die Demonstration einer ausgiebigen und ausgeprägten Muskelschwäche am rechten Bein hat der Sachverständige weder mit den sehr gut entwickelten Muskeln in Einklang bringen können, noch mit den sehr starken willkürlichen antagonistischen Muskelkräften bei den Bewegungsprüfungen. Auffällig ist ferner die Angabe von verstärkten lumbalen Schmerzen beim Senken des rechten Fußes gewesen, also einer Bewegung, die den Ischias-Nerv entspannt und gerade nicht reizt sowie die angegebene strumpfförmige Gefühlsstörung am rechten Unterschenkel und Fuß, die somatisch nicht erklärbar ist.

Vor dem Hintergrund dieses demonstrativen Verhaltens hat der Sachverständige für den Senat nachvollziehbar auf ein starkes Begehren des Klägers und lediglich in geringerem Maße auf Beschwerden als Folgen eines Wirbelverschleißes geschlossen. Gleichwohl bejaht der Senat das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Denn selbst wenn die tatsächliche Schmerzsituation beim Kläger angesichts seines Verhaltens in der Untersuchungssituation nicht feststellbar ist, hat der Sachverständige als Folge der röntgenologisch feststellbaren Veränderungen im Bereich der LWS eine - wenn auch geringgradige - Beschwerdesituation angenommen und damit ein auf den feststellbaren Veränderungen beruhendes Krankheitsbild.

Für den Senat überzeugend hat der Sachverständige jedoch verneint, dass die objektivierbaren Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungen des Klägers zurückzuführen sind.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen besteht beim Kläger radiologisch im Bereich der Bandscheibe L5/S1 ein leichter degenerativer Schaden; darüber hinaus zeigen sich kernspintomographisch Protrusionen an den Bandscheiben L4/5 und L5/S1. Dies stellt ein Hinweis auf eine belastungsbedingte Verursachung dar. Denn nach den Konsensempfehlungen ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe in "Trauma und Berufskrankheit" 2005, 211ff.) spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der LWS eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung. Allerdings spricht der Umstand, dass die Bandscheibe L4/5 selbst nicht degeneriert ist, gegen eine belastungsbedingte Ursache dieser Protrusion. Auf einen Verschleiß aus innerer Ursache, also schicksalhaft bedingt, weisen darüber hinaus - so Prof. Dr. H. weiter - auch die zusätzlichen Spondylosen und Spondylarthrosen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 hin, die sich gerade auch an einzelnen Segmenten der (nicht durch die in Rede stehenden Belastungen betroffene) Halswirbelsäule finden, wobei diejenigen im Segment C5/6 besonders ausgeprägt sind. Schließlich finden sich entsprechende Verschleißzeichen auch im Bereich der Brustwirbelsäule, wo leichte polysegmentale Spondylosen bestehen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen treten die insoweit bestehenden Spondylosen und Spondylarthrosen nämlich nicht zwangsläufig als Folge von Degenerationen der Bandscheibe auf, sondern häufiger sogar ohne Bandscheibendegeneration. Spondylosen entwickeln sich - so Prof. Dr. H. - nur dann diskogen, d.h. als Folge von Bandscheibendegenerationen, wenn die Diskose sehr stark und die Diskusräume infolgedessen erheblich höhengemindert sind. Denn nur dann kann eine Gefügestörung im Bewegungssegment auftreten und die Wirbelbogengelenke, an denen sich die Spondylarthrosen abspielen, biomechanisch ungünstig beeinflussen. Der Umstand, dass beim Kläger Spondylosen ohne wesentliche Diskosen und Spondylarthrosen ohne starke Diskosen vorliegen, spricht daher gegen die Annahme, dass diese knöchernen Veränderungen bandscheibenbedingt und daher durch die beruflichen Belastungen verursacht sind. Hinzu kommt, dass gleichrangige und sogar stärkere solcher Degenerationen im Halswirbelbereich nachzuweisen sind, was wiederum für einen schicksalhaften Verschleiß spricht und gegen eine berufliche Ursache. Die gegenteilige, ohne nähere Begründung vorgebrachte Behauptung des Klägers, der degenerative Bandscheibenschaden L5/S1, die Protrusionen im Bereich von L4/5 und L5/S1 sowie die Spondylosen und Spondylarthrosen im Bereich der Halswirbelsäule wiesen nicht auf einen schicksalhaften Verschleiß hin, überzeugt demgegenüber nicht. Der Senat vermag sich nach alledem daher nicht davon zu überzeugen, dass die objektivierbaren Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungen zurückzuführen sind.

Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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