Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 3002/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 725/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Der 1978 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und in D. wohnhaft. Er beantragte am 01.08.2008 die Feststellung seiner Behinderung beim Beklagten. Dazu gab er an, am Von-Hippel-Lindau-Syndrom zu leiden (Delation von Exon 3 des VHL-Gens und des nachfolgenden IRAK2-Gens; Befundbericht des Universitäts-Klinikums Freiburg vom 20.03.2006).
Der Kläger legte dazu einen Arztbrief von Prof. Dr. N., Abteilung Innere Medizin IV der Universitätsklinik F. vom 23.1/7.2.2008 vor. Er beschrieb einen Zustand nach einer Hämangioblastom-Operation im Brustwirbelkörper (BWK) 11/12 im August 2005 und weitere Hämangioblastome im Halswirbelköper (HWK) 2/3 und BWK 1/2 und 11. Die Kontrollen zeigten kein Fortschreiten im Vergleich zu den Vorbefunden vom 15.01.2007. Im Bereich der Nieren fänden sich kontrollbedürftige Strukturen, die größer würden, vom Urologen aber als nicht operationsbedürftig eingestuft worden seien. An der Bauchspeicheldrüse bestehe eine Zyste. Der Kläger habe über wiederkehrende stechende Hinterkopfschmerzen berichtet. Der augenärztliche Befund von 22.01.2008 sei unauffällig gewesen. Eine Kontrolle in einem Jahr sei zu empfehlen.
Auf Nachfrage des Beklagten erstattete der behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. am 23.09.2008 einen Befundbericht. Er teilte die Diagnosen und betroffenen Organsysteme mit und gab an, der Kläger leide unter Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule mit schmerzbedingter Einschränkung der Beweglichkeit der Hals- (HWS) und Brustwirbelsäule (BWS). Störungen in Motorik oder Koordination bestünden keine. Es bestünden Missempfindungen am rechten Ober- und Unterschenkel. Dr. W. legte einen Arztbrief von Dipl.-med. K. vom 22.07.2008 vor, der die Pankreaszyste und Zysten in beiden Nieren als unverändert zum Befund vom Januar 2008 beschrieb.
Der Neurologe Dr. H. untersuchte den Kläger am 24.04.2008 (Arztbrief vom 28.04.2008). Er stellte eine Überempfindlichkeit der Haut am rechten Oberschenkel und ein Taubheitsgefühl am rechten Bein nach der Hämangiom-Operation am BWK 11/12 fest. Seit einem halben Jahr habe der Kläger an wechselnden Stellen am rechten Oberschenkel jeweils ein bis zwei Sekunden anhaltende stechende Schmerzen am Oberschenkel. Die Muskeleigenreflexe seien seitengleich mittellebhaft. Die Schmerzen seien am ehesten neuropathisch.
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. G. vom 04.11.2008) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2008 einen GdB von 30 seit 01.01.2004 unter Berücksichtigung von Gefühlsstörungen am rechten Bein nach Operation eines Hämangioblastoms im Bereich der Brustwirbelsäule; Bewegungseinschränkungen der HWS und BWS, Von-Hippel-Lindau-Syndrom (GdB 30) und Nierenzysten, Bauchspeicheldrüsenzyste (GdB 10) fest.
Dagegen erhob der Kläger am 03.12.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführte, dass die Behinderungen sich nicht gegenseitig bedingten und eine Pankreaszyste nicht berücksichtigt sei. Weiterhin fehle es an einer Berücksichtigung von zystischen Veränderungen (Hämangiome) des Kleinhirns mit daraus resultierenden Störungen der Motorik, von Hämangiomen der HWS und BWS mit chronischen Schmerzen in diesem Bereich und zystischen Veränderungen im Bereich der Leber.
Der Beklagte befragte erneut Dr. W., der am 01.04.2009 ergänzend angab, dass nunmehr eine Leberzyste von 6 mm sichtbar sei. Beschwerden träten im Bereich der gesamten Wirbelsäule mit schmerzbedingter Bewegungseinschränkung von HWS und BWS auf. In diesem Zusammenhang komme es zu Kopfschmerzen mit gelegentlichem Schwindel. Gelegentlich trete eine Schwäche der linken oberen Extremität auf. Die Missempfindungen am rechten Ober- und geringer am rechten Unterschenkel bestünden weiterhin.
Dr. W. legte den Bericht über eine Kontrolluntersuchung durch Prof. N. vom 27.02.2009 vor. Dort gab der Kläger wetterbedingte Schmerzen im rechten Bein an. Es sei zu einer Einblutung der Zyste am rechten Nierenunterpol gekommen. Die Zyste in der Pankreas sei unverändert. Von Seiten des Augenarztes bestünden lediglich beobachtungsbedürftige Befunde. In den Kernspintomographien von Kopf und Rückenmark seien im Bereich des Kopfes drei Hämangioblastome mit nur geringer Größenzunahme erkennbar. Auch die Hämangioblastome in Höhe HWK 2/3 und BWK 12 nähmen nur gering zu. Eine Operationsindikation bestehe nicht. Es bestünden zwei komplizierte Nierenzysten, die Nierenwerte seien aber normal. Eine Kontrolle in einem Jahr sei ausreichend.
Nach erneuter Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. S. vom 26.05.2009) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2009 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 08.07.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung er ausführte, dass nicht alle Folgeerkrankungen seiner Grunderkrankung berücksichtigt worden seien.
Der Kläger legte einen Arztbrief von Prof. Dr. van V.-W. vom 14.07.2009 vor. Dort hatte sich der Kläger zur Kontrolluntersuchung vorgestellt. Es bestünden Parästhesien im Nacken und linken Arm sowie eine Gangataxie, die nur minimal auffalle. Weitere neurologische Defizite seien nicht erkennbar. Im Bereich der HWS sei es zu ödematösen Auftreibungen des Halsmarks infolge der Hämangioblastome gekommen, so dass eine operative Entfernung angezeigt sei.
Prof. Dr. N. untersuchte den Kläger erneut am 07.07.2009 (Arztbrief vom 09.07.2009). Der Kläger berichtete dort über zunehmende Probleme mit den Augen, Gleichgewichtsprobleme und wiederkehrende Taubheitsgefühlen im linken Arm. Er sehe in letzter Zeit vermehrt Blitze. Der Augenarzt stellte einen stabilen Befund fest. Prof. N. überwies den Kläger an die Neurochirurgie.
Weiterhin legte der Kläger zur Begründung seiner Klage einen Arztbrief des Internisten Dr. S. vom 11.05.2009 vor. Dort hatte er sich wegen eines seit acht Jahren bestehenden Sodbrennens und einer Gewichtsabnahme von acht kg binnen sechs Monaten vorgestellt. Dr. S. diagnostizierte eine axiale Hiatushernie und Schleimhautzungen am Übergang von Speiseröhre in den Magen. Die Untersuchung des Darms war unauffällig. Der hinzugezogene Pathologe PD Dr. D. stellte eine geringgradige Gastritis und eine mäßiggradige chronische Entzündung fest.
Der Kläger legte eine humangenetische Beratung von Prof. Dr. Z. vom 25.02.2009 vor.
Vom 08.-13.09.2009 war der Kläger in stationärer Behandlung der neurochirurgischen Universitätsklinik F. (Entlassungsbericht vom 14.09.2009). Dort wurde das Hämangioblastom im Bereich des HWK 2/3 operativ entfernt. Die zwischenzeitlich aufgetretenen Missempfindungen im Nacken und an der linken Schulter seien im Verlauf der Behandlung rückläufig gewesen. Bei einer Kontrolluntersuchung am 18.01.2010 (Arztbrief vom gleichen Tage) klagte der Kläger noch über eine leichte Taubheit im Nacken sowie eine Pelzigkeit im Bereich des linken Arms. Die vor der Operation bestehenden starken Schmerzen bestünden nicht mehr.
Aus einem Arztbrief des Urologen Prof. Dr. W. vom 01.06.2010 ergab sich, dass der Kläger nicht an Störungen beim Wasserlassen litt. Eine Untersuchung von Hoden und Nebenhoden war unauffällig. Die Untersuchung habe ein geringes Fortschreiten der Zysten im Bereich der linken Niere gezeigt. Rechts seien die Nierenzysten in ihrer Größe konstant. Prof. Dr. W. riet dem Kläger deshalb zum Abwarten.
Der Augenarzt Dr. J. berichtete am 18.05.2010 über eine Stabilität von zwei Gefäßveränderungen im Bereich der Augen. Diese könnten weiter beobachtet werden, eine Kontrolle in einem Jahr sei zu empfehlen.
Dazu trug der Kläger vor, dass er bei der neurochirurgischen Untersuchung unter starkem Medikamenteneinfluss gestanden habe. Er sei außerdem krankgeschrieben gewesen. Wenn er arbeite, veränderte sich sein Gesundheitszustand. Die Schmerzen seien weiterhin vorhanden, hauptsächlich im Genick, Hals und in den Schultern. Gleichzeitig leide er unter starken Kopfschmerzen und Bewegungseinschränkungen beim Drehen des Kopfes. Die Schmerzen seien sehr schwankend. An einigen Tagen seien sie so stark, dass er sich krankschreiben lassen müsse. Dann könnten ihm nur starke Schmerzmittel helfen. Diese Schmerzattacken könnten mehrere Tage andauern. Die Nierenzyste vergrößere sich weiterhin, es sei zu befürchten, dass sie zu Bösartigkeit neige. Ihm sei gesagt worden, dass auch hier eine Operation anstehe. Auch die Veränderung in den Augen habe leicht zugenommen, so dass er Blitze sehe, die sein Sehvermögen beeinträchtigten. Schließlich sei seine Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eingeschränkt. Ihm sei immer vor Augen, dass seine Mutter schon mit 52 Jahren an derselben Krankheit verstorben sei. Außerdem wisse er nie, welcher der Tumoren in seinem Körper gerade wachse. Das wirke sich erheblich auf seine Lebensqualität aus.
Mit Urteil vom 13.01.2011 wies das SG die Klage ab. Mit Beschlüssen vom 01.03.2011 berichtigte das SG das Urteil und die Niederschrift wegen einer Unvollständigkeit im Kostentenor. Zur Begründung seines Urteils führte es aus, die versorgungsmedizinischen Grundsätze erfassten und beurteilten seltene Krankheiten wie diejenige des Klägers, die ganz unterschiedliche Organe befalle, nicht. Die Bewertung des GdB habe deshalb danach zu erfolgen, welche Organe mit welchen Funktionsbeeinträchtigungen betroffen seien. Im Vordergrund stünden hier die Hämangioblastome in der Wirbelsäule, die entsprechend den Wirbelsäulenschäden zu beurteilen seien. Ein GdB von 30 sei hier ausreichend. Die Zysten in Nieren und Pankreas bedingten keinen zusätzlichen GdB, da weitergehende organische Störungen nicht nachgewiesen seien. Künftige Entwicklungen seien nicht zu berücksichtigen. Die Erkrankung des Klägers sei auch nicht wie eine Karzinomerkrankung zu bewerten, denn eine solche liege unstreitig nicht vor. Ein Gesamt-GdB von 30 sei zutreffend.
Gegen das dem Kläger am 19.01.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.02.2011 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ausführt, dass eine Gesamtbetrachtung seiner Erkrankung notwendig sei. Die auftretenden Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit würden sonst nicht gewürdigt. Die Hämangioblastome führten auch nachoperativ zu starken Schmerzen, die einem schweren Schmerzsyndrom entsprächen. Weiterhin seien die psychischen Beeinträchtigungen, insbesondere die Angst und Ungewissheit im Alltag zu berücksichtigen, die mit dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom und den ständig notwendigen Kontrollen von Zysten und Gewebeveränderungen verbunden seien.
Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass er wegen der psychischen Beeinträchtigungen aufgrund des Von-Hippel-Lindau-Syndroms nicht in nervenärztlicher Behandlung sei. Von einem Orthopäden sei er zuletzt 2003 behandelt worden. Er nehme aber Physiotherapie wahr.
Zur weiteren Begründung hat der Kläger einen Auszug aus seiner Patientenakte des Arztes W. vom 14.10.2011 vorgelegt, aus dem sich die von diesem bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten ergeben. Weiterhin hat er verschiedene Arztbriefe vorgelegt. Der Augenarzt Dr. J. hat am 03.06.2011 ein Angiom am rechten Auge mit Laser behandelt. Eine weitere Kontrolle sei in ca. einem Jahr notwendig. Prof. Dr. N. hat den Kläger ebenfalls am 03.06.2011 behandelt (Arztbrief vom 10.06.2011). Dort hat der Kläger berichtet, dass es ihm insgesamt gut gehe, allerdings habe er jetzt häufiger stärkere Schmerzen am rechten Oberschenkel. In der Niere bestünden zwei komplexe Zysten, die in ihrer Größe zunähmen. Weitere bereits bekannte Zysten in der linken Niere nähmen ebenfalls zu, andere würden kleiner. Die Zysten an der Bauchspeicheldrüse seien konstant. In der urologischen Kontrolle sei keine Indikation zu einer Operation gestellt worden. Am 16.01.2012 (Arztbrief vom 28.02.2012) hat Prof. Dr. N. den Kläger erneut untersucht. Dort hat der Kläger ab und zu leichte Kopfschmerzen und ab und zu Schwindel angegeben. Die Kontrolluntersuchung mittels MR von Kopf und Wirbelsäule habe keinen akuten Behandlungsbedarf ergeben, eine Kontrolle nach einem Jahr werde empfohlen. Es bestünden nun auch Zysten im Kleinhirn mit Zunahmetendenz.
Schließlich hat sich der Kläger in das interdisziplinäre Schmerzzentrum der Universitätsklinik F., zu Dr. K., begeben (Arztbrief vom 29.02.2012). Dort hat er über Schmerzen der Haut in der oberen HWS und der linken Halsseite sowie im rechten Oberschenkel mit wechselnder Intensität berichtet. Die Schmerzattacken dauerten von Sekunden bis Stunden. Dazwischen gebe es auch schmerzfreie Phasen. Die Haut fühle sich vereinzelt pelzig an. Vereinzelt verursache schon der Hautkontakt mit Jeans Schmerzen. Es werde ein Therapieversuch mit einem TENS Gerät durchgeführt. Eine dauernde medikamentöse Schmerzlinderung wünsche der Kläger derzeit noch nicht.
In der neurochirurgischen Universitätsklinik ist der Kläger am 09.03.2012 untersucht worden. Da keine wesentlichen neuen Beschwerden bestünden, sei ein abwartendes Verhalten trotz zwischenzeitlicher Herausbildung einer kleinen Zyste von 1 x 1 cm Größe anzuraten (Arztbrief Prof. Dr. v. V. vom 09.03.2012).
Am 05.04.2012 (Arztbrief vom 12.04.2012) hat sich der Kläger zur Kontrolle von Bauchorganen und Augen bei Prof. Dr. N. vorgestellt. Dieser hat keine wesentliche Größendynamik bei den Zysten und komplizierten Zysten in den Nieren festgestellt. Die Pankreaszyste sei unverändert. Das urologische Konzil habe keine Indikation für eine Operation ergeben. Die augenärztliche Untersuchung habe einen stabilen Befund bei voller Sehkraft beider Augen gezeigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 13.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2009 zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide, schließt sich dem angefochtenen Urteil an und verweist im Übrigen auf im Laufe des Rechtsstreits vorgelegte ärztliche Stellungnahmen von Dr. R. vom 17.06.2010 und Dr. K. vom 16.05.2012.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf einen Band Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe und die Akten des Senats Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 12.07.2012 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2009 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 13.01.2011 nimmt der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend führt der Senat Folgendes aus: Auch aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und den von ihm vorgelegten ärztlichen Unterlagen ist nicht auf einen höheren GdB zu schließen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, sind zunächst die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen in den einzelnen Funktionsbereichen zu betrachten. Diese sind jeweils einem Einzel-GdB zuzuordnen. Aus den verschiedenen Einzel-GdB ist dann ein Gesamt-GdB nach § 69 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu bilden.
Der Kläger trägt vor, dass der GdB schon deshalb höher zu bewerten sei, weil mit der bei ihm vorliegenden Von-Hippel-Lindau-Erkrankung auch psychische Beeinträchtigungen aufgrund der ständigen Unsicherheit und Schmerzen verbunden sind. Diese Beeinträchtigungen haben sowohl der Beklagte als auch das SG aber in zutreffender Weise ihrer Bewertung zugrunde gelegt. Allein die Bewegungseinschränkungen in der Wirbelsäule bedingen keinen GdB, denn sie sind – mit Ausnahme einer leichten ausschließlich schmerzbedingten Einschränkung der HWS – gering bis gar nicht ausgeprägt. Das SG hat insofern vor allem die im Bereich der Wirbelsäule und des Kopfes auftretenden Schmerzen und die Missempfindungen in Hals, Armen und im rechten Bein entsprechend den bei Wirbelsäulensyndromen auftretenden Schmerzen und neurologischen Ausfällen berücksichtigt. Dabei ist es davon ausgegangen, dass mittelschwere Beeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten – nämlich in BWS und HWS – vorlägen. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden.
Aus den vorliegenden Arztunterlagen ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Insbesondere ergeben sich aus den psychischen Beeinträchtigungen, die mit der gestellten Diagnose verbunden sind, keine ausreichenden Gründe für eine Höherbewertung des GdB. Zutreffend ist zwar, dass der Kläger mit einer dauernden Ungewissheit zu leben hat. Diese ist insofern mit einer Tumorerkrankung nach Heilungsbewährung vergleichbar, denn auch Tumorpatienten müssen sich – wie der Kläger – jährlichen Kontrollen unterziehen, um Rezidive und Metastasen auszuschließen. Tumorpatienten werden aber nach Ablauf der Heilungsbewährung von zwei oder fünf Jahren von den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht mit einem eigenen GdB allein wegen dieser Sorge eingestuft. In diesen Fällen ist lediglich dann ein GdB für die mit der Unsicherheit verbundenen psychischen Beeinträchtigung zu berücksichtigen, wenn diese sich als psychische Erkrankung im Sinne der Nr. 3.7 Teil B der versorgungsmedizinischen Grundsätze manifestiert. Dafür ergeben sich hier nach den zahlreich zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen keine Anhaltspunkte. Der Kläger befindet sich nach seinem Vorbringen auch nicht in psychiatrischer Behandlung.
Schließlich ist auch kein zusätzlicher GdB für die aufgetretenen Schmerzen zu berücksichtigen. Der Kläger hat selbst gegenüber den behandelnden Ärzten angegeben, nur gelegentlich unter Kopfschmerzen zu leiden. Außerdem kommt es zu Hautschmerzen an Schulter und Hals sowie zunehmenden Schmerzen am Oberschenkel. Diese Schmerzen hat das SG bereits entsprechend den Wirbelsäulensyndromen berücksichtigt. Sie sind nach den vorliegenden Arztunterlagen nicht so ausgeprägt, dass der Kläger eine dauernde Analgesierung für notwendig erachtet. Ein starker Leidensdruck durch Schmerzen ist beim Kläger nicht gegeben, wie Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 16.05.2012 überzeugend ausgeführt hat. Zu längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten ist es ebenfalls nicht gekommen. Ein höherer GdB als 30 in Anlehnung an die Bewertung von Wirbelsäulenschäden ist daraus nicht abzuleiten.
Die Zysten in Nieren, Pankreas (Bauchspeicheldrüse) und Leber führen zu keinem höheren als den vom Beklagten berücksichtigten GdB von 10, denn mit Ausnahme der jährlichen Kontrolle sind diese Zysten mit keinen funktionellen Organbeeinträchtigungen für den Kläger verbunden, die Nierenwerte sind normal. Mit dem GdB von 10 ist die mit der jährlichen Kontrollbedürftigkeit verbundene Unsicherheit, ob die Zysten weiter wachsen, hinreichend berücksichtigt.
Die Kontrollbedürftigkeit der Augen führt nicht zu einem eigenen GdB. Der Kläger besitzt seine volle Sehkraft, Beeinträchtigungen ergeben sich aus den vorliegenden umfassenden augenärztlichen Befunden nicht. Auch die Beschwerden im Bereich des Magens mit einer leichten Hiatushernie führen nicht zur Berücksichtigung eines eigenen GdB, denn sie sind nur gering ausgeprägt und können mit den regelmäßig eingenommenen Medikamenten gegen Sodbrennen erfolgreich therapiert werden.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Diese Regelung ermöglicht die vom Kläger beanstandete Gesamtbetrachtung der bei ihm vorliegenden Beeinträchtigungen aufgrund der von Hippel-Lindau-Erkrankung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der aufgetretenen Hämangioblastomen in verschiedenen Wirbelkörpern, den leichten Gefäßveränderungen im Auge, den Zysten in Kleinhirn, Nieren, Pankreas und Leber. Dennoch ist ein höherer GdB als 30 nicht gerechtfertigt, denn der GdB von 30 für die Beschwerden in der Wirbelsäule mit Schmerzen und Missempfindungen im rechten Bein, der linken Schulter und am Hals berücksichtigt bereits die Unsicherheit aufgrund des Von-Hippel-Lindau-Syndroms. Die erneute Berücksichtigung derselben Unsicherheit durch eine Erhöhung des GdB auf 40 durch den GdB von 10 für die Bauchorgane ist insofern nicht gerechtfertigt.
Die Berufung ist deshalb mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.
Der 1978 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und in D. wohnhaft. Er beantragte am 01.08.2008 die Feststellung seiner Behinderung beim Beklagten. Dazu gab er an, am Von-Hippel-Lindau-Syndrom zu leiden (Delation von Exon 3 des VHL-Gens und des nachfolgenden IRAK2-Gens; Befundbericht des Universitäts-Klinikums Freiburg vom 20.03.2006).
Der Kläger legte dazu einen Arztbrief von Prof. Dr. N., Abteilung Innere Medizin IV der Universitätsklinik F. vom 23.1/7.2.2008 vor. Er beschrieb einen Zustand nach einer Hämangioblastom-Operation im Brustwirbelkörper (BWK) 11/12 im August 2005 und weitere Hämangioblastome im Halswirbelköper (HWK) 2/3 und BWK 1/2 und 11. Die Kontrollen zeigten kein Fortschreiten im Vergleich zu den Vorbefunden vom 15.01.2007. Im Bereich der Nieren fänden sich kontrollbedürftige Strukturen, die größer würden, vom Urologen aber als nicht operationsbedürftig eingestuft worden seien. An der Bauchspeicheldrüse bestehe eine Zyste. Der Kläger habe über wiederkehrende stechende Hinterkopfschmerzen berichtet. Der augenärztliche Befund von 22.01.2008 sei unauffällig gewesen. Eine Kontrolle in einem Jahr sei zu empfehlen.
Auf Nachfrage des Beklagten erstattete der behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. am 23.09.2008 einen Befundbericht. Er teilte die Diagnosen und betroffenen Organsysteme mit und gab an, der Kläger leide unter Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule mit schmerzbedingter Einschränkung der Beweglichkeit der Hals- (HWS) und Brustwirbelsäule (BWS). Störungen in Motorik oder Koordination bestünden keine. Es bestünden Missempfindungen am rechten Ober- und Unterschenkel. Dr. W. legte einen Arztbrief von Dipl.-med. K. vom 22.07.2008 vor, der die Pankreaszyste und Zysten in beiden Nieren als unverändert zum Befund vom Januar 2008 beschrieb.
Der Neurologe Dr. H. untersuchte den Kläger am 24.04.2008 (Arztbrief vom 28.04.2008). Er stellte eine Überempfindlichkeit der Haut am rechten Oberschenkel und ein Taubheitsgefühl am rechten Bein nach der Hämangiom-Operation am BWK 11/12 fest. Seit einem halben Jahr habe der Kläger an wechselnden Stellen am rechten Oberschenkel jeweils ein bis zwei Sekunden anhaltende stechende Schmerzen am Oberschenkel. Die Muskeleigenreflexe seien seitengleich mittellebhaft. Die Schmerzen seien am ehesten neuropathisch.
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. G. vom 04.11.2008) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2008 einen GdB von 30 seit 01.01.2004 unter Berücksichtigung von Gefühlsstörungen am rechten Bein nach Operation eines Hämangioblastoms im Bereich der Brustwirbelsäule; Bewegungseinschränkungen der HWS und BWS, Von-Hippel-Lindau-Syndrom (GdB 30) und Nierenzysten, Bauchspeicheldrüsenzyste (GdB 10) fest.
Dagegen erhob der Kläger am 03.12.2008 Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführte, dass die Behinderungen sich nicht gegenseitig bedingten und eine Pankreaszyste nicht berücksichtigt sei. Weiterhin fehle es an einer Berücksichtigung von zystischen Veränderungen (Hämangiome) des Kleinhirns mit daraus resultierenden Störungen der Motorik, von Hämangiomen der HWS und BWS mit chronischen Schmerzen in diesem Bereich und zystischen Veränderungen im Bereich der Leber.
Der Beklagte befragte erneut Dr. W., der am 01.04.2009 ergänzend angab, dass nunmehr eine Leberzyste von 6 mm sichtbar sei. Beschwerden träten im Bereich der gesamten Wirbelsäule mit schmerzbedingter Bewegungseinschränkung von HWS und BWS auf. In diesem Zusammenhang komme es zu Kopfschmerzen mit gelegentlichem Schwindel. Gelegentlich trete eine Schwäche der linken oberen Extremität auf. Die Missempfindungen am rechten Ober- und geringer am rechten Unterschenkel bestünden weiterhin.
Dr. W. legte den Bericht über eine Kontrolluntersuchung durch Prof. N. vom 27.02.2009 vor. Dort gab der Kläger wetterbedingte Schmerzen im rechten Bein an. Es sei zu einer Einblutung der Zyste am rechten Nierenunterpol gekommen. Die Zyste in der Pankreas sei unverändert. Von Seiten des Augenarztes bestünden lediglich beobachtungsbedürftige Befunde. In den Kernspintomographien von Kopf und Rückenmark seien im Bereich des Kopfes drei Hämangioblastome mit nur geringer Größenzunahme erkennbar. Auch die Hämangioblastome in Höhe HWK 2/3 und BWK 12 nähmen nur gering zu. Eine Operationsindikation bestehe nicht. Es bestünden zwei komplizierte Nierenzysten, die Nierenwerte seien aber normal. Eine Kontrolle in einem Jahr sei ausreichend.
Nach erneuter Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. S. vom 26.05.2009) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2009 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 08.07.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung er ausführte, dass nicht alle Folgeerkrankungen seiner Grunderkrankung berücksichtigt worden seien.
Der Kläger legte einen Arztbrief von Prof. Dr. van V.-W. vom 14.07.2009 vor. Dort hatte sich der Kläger zur Kontrolluntersuchung vorgestellt. Es bestünden Parästhesien im Nacken und linken Arm sowie eine Gangataxie, die nur minimal auffalle. Weitere neurologische Defizite seien nicht erkennbar. Im Bereich der HWS sei es zu ödematösen Auftreibungen des Halsmarks infolge der Hämangioblastome gekommen, so dass eine operative Entfernung angezeigt sei.
Prof. Dr. N. untersuchte den Kläger erneut am 07.07.2009 (Arztbrief vom 09.07.2009). Der Kläger berichtete dort über zunehmende Probleme mit den Augen, Gleichgewichtsprobleme und wiederkehrende Taubheitsgefühlen im linken Arm. Er sehe in letzter Zeit vermehrt Blitze. Der Augenarzt stellte einen stabilen Befund fest. Prof. N. überwies den Kläger an die Neurochirurgie.
Weiterhin legte der Kläger zur Begründung seiner Klage einen Arztbrief des Internisten Dr. S. vom 11.05.2009 vor. Dort hatte er sich wegen eines seit acht Jahren bestehenden Sodbrennens und einer Gewichtsabnahme von acht kg binnen sechs Monaten vorgestellt. Dr. S. diagnostizierte eine axiale Hiatushernie und Schleimhautzungen am Übergang von Speiseröhre in den Magen. Die Untersuchung des Darms war unauffällig. Der hinzugezogene Pathologe PD Dr. D. stellte eine geringgradige Gastritis und eine mäßiggradige chronische Entzündung fest.
Der Kläger legte eine humangenetische Beratung von Prof. Dr. Z. vom 25.02.2009 vor.
Vom 08.-13.09.2009 war der Kläger in stationärer Behandlung der neurochirurgischen Universitätsklinik F. (Entlassungsbericht vom 14.09.2009). Dort wurde das Hämangioblastom im Bereich des HWK 2/3 operativ entfernt. Die zwischenzeitlich aufgetretenen Missempfindungen im Nacken und an der linken Schulter seien im Verlauf der Behandlung rückläufig gewesen. Bei einer Kontrolluntersuchung am 18.01.2010 (Arztbrief vom gleichen Tage) klagte der Kläger noch über eine leichte Taubheit im Nacken sowie eine Pelzigkeit im Bereich des linken Arms. Die vor der Operation bestehenden starken Schmerzen bestünden nicht mehr.
Aus einem Arztbrief des Urologen Prof. Dr. W. vom 01.06.2010 ergab sich, dass der Kläger nicht an Störungen beim Wasserlassen litt. Eine Untersuchung von Hoden und Nebenhoden war unauffällig. Die Untersuchung habe ein geringes Fortschreiten der Zysten im Bereich der linken Niere gezeigt. Rechts seien die Nierenzysten in ihrer Größe konstant. Prof. Dr. W. riet dem Kläger deshalb zum Abwarten.
Der Augenarzt Dr. J. berichtete am 18.05.2010 über eine Stabilität von zwei Gefäßveränderungen im Bereich der Augen. Diese könnten weiter beobachtet werden, eine Kontrolle in einem Jahr sei zu empfehlen.
Dazu trug der Kläger vor, dass er bei der neurochirurgischen Untersuchung unter starkem Medikamenteneinfluss gestanden habe. Er sei außerdem krankgeschrieben gewesen. Wenn er arbeite, veränderte sich sein Gesundheitszustand. Die Schmerzen seien weiterhin vorhanden, hauptsächlich im Genick, Hals und in den Schultern. Gleichzeitig leide er unter starken Kopfschmerzen und Bewegungseinschränkungen beim Drehen des Kopfes. Die Schmerzen seien sehr schwankend. An einigen Tagen seien sie so stark, dass er sich krankschreiben lassen müsse. Dann könnten ihm nur starke Schmerzmittel helfen. Diese Schmerzattacken könnten mehrere Tage andauern. Die Nierenzyste vergrößere sich weiterhin, es sei zu befürchten, dass sie zu Bösartigkeit neige. Ihm sei gesagt worden, dass auch hier eine Operation anstehe. Auch die Veränderung in den Augen habe leicht zugenommen, so dass er Blitze sehe, die sein Sehvermögen beeinträchtigten. Schließlich sei seine Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eingeschränkt. Ihm sei immer vor Augen, dass seine Mutter schon mit 52 Jahren an derselben Krankheit verstorben sei. Außerdem wisse er nie, welcher der Tumoren in seinem Körper gerade wachse. Das wirke sich erheblich auf seine Lebensqualität aus.
Mit Urteil vom 13.01.2011 wies das SG die Klage ab. Mit Beschlüssen vom 01.03.2011 berichtigte das SG das Urteil und die Niederschrift wegen einer Unvollständigkeit im Kostentenor. Zur Begründung seines Urteils führte es aus, die versorgungsmedizinischen Grundsätze erfassten und beurteilten seltene Krankheiten wie diejenige des Klägers, die ganz unterschiedliche Organe befalle, nicht. Die Bewertung des GdB habe deshalb danach zu erfolgen, welche Organe mit welchen Funktionsbeeinträchtigungen betroffen seien. Im Vordergrund stünden hier die Hämangioblastome in der Wirbelsäule, die entsprechend den Wirbelsäulenschäden zu beurteilen seien. Ein GdB von 30 sei hier ausreichend. Die Zysten in Nieren und Pankreas bedingten keinen zusätzlichen GdB, da weitergehende organische Störungen nicht nachgewiesen seien. Künftige Entwicklungen seien nicht zu berücksichtigen. Die Erkrankung des Klägers sei auch nicht wie eine Karzinomerkrankung zu bewerten, denn eine solche liege unstreitig nicht vor. Ein Gesamt-GdB von 30 sei zutreffend.
Gegen das dem Kläger am 19.01.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.02.2011 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ausführt, dass eine Gesamtbetrachtung seiner Erkrankung notwendig sei. Die auftretenden Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit würden sonst nicht gewürdigt. Die Hämangioblastome führten auch nachoperativ zu starken Schmerzen, die einem schweren Schmerzsyndrom entsprächen. Weiterhin seien die psychischen Beeinträchtigungen, insbesondere die Angst und Ungewissheit im Alltag zu berücksichtigen, die mit dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom und den ständig notwendigen Kontrollen von Zysten und Gewebeveränderungen verbunden seien.
Auf Nachfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass er wegen der psychischen Beeinträchtigungen aufgrund des Von-Hippel-Lindau-Syndroms nicht in nervenärztlicher Behandlung sei. Von einem Orthopäden sei er zuletzt 2003 behandelt worden. Er nehme aber Physiotherapie wahr.
Zur weiteren Begründung hat der Kläger einen Auszug aus seiner Patientenakte des Arztes W. vom 14.10.2011 vorgelegt, aus dem sich die von diesem bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten ergeben. Weiterhin hat er verschiedene Arztbriefe vorgelegt. Der Augenarzt Dr. J. hat am 03.06.2011 ein Angiom am rechten Auge mit Laser behandelt. Eine weitere Kontrolle sei in ca. einem Jahr notwendig. Prof. Dr. N. hat den Kläger ebenfalls am 03.06.2011 behandelt (Arztbrief vom 10.06.2011). Dort hat der Kläger berichtet, dass es ihm insgesamt gut gehe, allerdings habe er jetzt häufiger stärkere Schmerzen am rechten Oberschenkel. In der Niere bestünden zwei komplexe Zysten, die in ihrer Größe zunähmen. Weitere bereits bekannte Zysten in der linken Niere nähmen ebenfalls zu, andere würden kleiner. Die Zysten an der Bauchspeicheldrüse seien konstant. In der urologischen Kontrolle sei keine Indikation zu einer Operation gestellt worden. Am 16.01.2012 (Arztbrief vom 28.02.2012) hat Prof. Dr. N. den Kläger erneut untersucht. Dort hat der Kläger ab und zu leichte Kopfschmerzen und ab und zu Schwindel angegeben. Die Kontrolluntersuchung mittels MR von Kopf und Wirbelsäule habe keinen akuten Behandlungsbedarf ergeben, eine Kontrolle nach einem Jahr werde empfohlen. Es bestünden nun auch Zysten im Kleinhirn mit Zunahmetendenz.
Schließlich hat sich der Kläger in das interdisziplinäre Schmerzzentrum der Universitätsklinik F., zu Dr. K., begeben (Arztbrief vom 29.02.2012). Dort hat er über Schmerzen der Haut in der oberen HWS und der linken Halsseite sowie im rechten Oberschenkel mit wechselnder Intensität berichtet. Die Schmerzattacken dauerten von Sekunden bis Stunden. Dazwischen gebe es auch schmerzfreie Phasen. Die Haut fühle sich vereinzelt pelzig an. Vereinzelt verursache schon der Hautkontakt mit Jeans Schmerzen. Es werde ein Therapieversuch mit einem TENS Gerät durchgeführt. Eine dauernde medikamentöse Schmerzlinderung wünsche der Kläger derzeit noch nicht.
In der neurochirurgischen Universitätsklinik ist der Kläger am 09.03.2012 untersucht worden. Da keine wesentlichen neuen Beschwerden bestünden, sei ein abwartendes Verhalten trotz zwischenzeitlicher Herausbildung einer kleinen Zyste von 1 x 1 cm Größe anzuraten (Arztbrief Prof. Dr. v. V. vom 09.03.2012).
Am 05.04.2012 (Arztbrief vom 12.04.2012) hat sich der Kläger zur Kontrolle von Bauchorganen und Augen bei Prof. Dr. N. vorgestellt. Dieser hat keine wesentliche Größendynamik bei den Zysten und komplizierten Zysten in den Nieren festgestellt. Die Pankreaszyste sei unverändert. Das urologische Konzil habe keine Indikation für eine Operation ergeben. Die augenärztliche Untersuchung habe einen stabilen Befund bei voller Sehkraft beider Augen gezeigt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 13.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2009 zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide, schließt sich dem angefochtenen Urteil an und verweist im Übrigen auf im Laufe des Rechtsstreits vorgelegte ärztliche Stellungnahmen von Dr. R. vom 17.06.2010 und Dr. K. vom 16.05.2012.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf einen Band Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe und die Akten des Senats Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 12.07.2012 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2009 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 13.01.2011 nimmt der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend führt der Senat Folgendes aus: Auch aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren und den von ihm vorgelegten ärztlichen Unterlagen ist nicht auf einen höheren GdB zu schließen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, sind zunächst die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen in den einzelnen Funktionsbereichen zu betrachten. Diese sind jeweils einem Einzel-GdB zuzuordnen. Aus den verschiedenen Einzel-GdB ist dann ein Gesamt-GdB nach § 69 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu bilden.
Der Kläger trägt vor, dass der GdB schon deshalb höher zu bewerten sei, weil mit der bei ihm vorliegenden Von-Hippel-Lindau-Erkrankung auch psychische Beeinträchtigungen aufgrund der ständigen Unsicherheit und Schmerzen verbunden sind. Diese Beeinträchtigungen haben sowohl der Beklagte als auch das SG aber in zutreffender Weise ihrer Bewertung zugrunde gelegt. Allein die Bewegungseinschränkungen in der Wirbelsäule bedingen keinen GdB, denn sie sind – mit Ausnahme einer leichten ausschließlich schmerzbedingten Einschränkung der HWS – gering bis gar nicht ausgeprägt. Das SG hat insofern vor allem die im Bereich der Wirbelsäule und des Kopfes auftretenden Schmerzen und die Missempfindungen in Hals, Armen und im rechten Bein entsprechend den bei Wirbelsäulensyndromen auftretenden Schmerzen und neurologischen Ausfällen berücksichtigt. Dabei ist es davon ausgegangen, dass mittelschwere Beeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten – nämlich in BWS und HWS – vorlägen. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden.
Aus den vorliegenden Arztunterlagen ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Insbesondere ergeben sich aus den psychischen Beeinträchtigungen, die mit der gestellten Diagnose verbunden sind, keine ausreichenden Gründe für eine Höherbewertung des GdB. Zutreffend ist zwar, dass der Kläger mit einer dauernden Ungewissheit zu leben hat. Diese ist insofern mit einer Tumorerkrankung nach Heilungsbewährung vergleichbar, denn auch Tumorpatienten müssen sich – wie der Kläger – jährlichen Kontrollen unterziehen, um Rezidive und Metastasen auszuschließen. Tumorpatienten werden aber nach Ablauf der Heilungsbewährung von zwei oder fünf Jahren von den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht mit einem eigenen GdB allein wegen dieser Sorge eingestuft. In diesen Fällen ist lediglich dann ein GdB für die mit der Unsicherheit verbundenen psychischen Beeinträchtigung zu berücksichtigen, wenn diese sich als psychische Erkrankung im Sinne der Nr. 3.7 Teil B der versorgungsmedizinischen Grundsätze manifestiert. Dafür ergeben sich hier nach den zahlreich zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen keine Anhaltspunkte. Der Kläger befindet sich nach seinem Vorbringen auch nicht in psychiatrischer Behandlung.
Schließlich ist auch kein zusätzlicher GdB für die aufgetretenen Schmerzen zu berücksichtigen. Der Kläger hat selbst gegenüber den behandelnden Ärzten angegeben, nur gelegentlich unter Kopfschmerzen zu leiden. Außerdem kommt es zu Hautschmerzen an Schulter und Hals sowie zunehmenden Schmerzen am Oberschenkel. Diese Schmerzen hat das SG bereits entsprechend den Wirbelsäulensyndromen berücksichtigt. Sie sind nach den vorliegenden Arztunterlagen nicht so ausgeprägt, dass der Kläger eine dauernde Analgesierung für notwendig erachtet. Ein starker Leidensdruck durch Schmerzen ist beim Kläger nicht gegeben, wie Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 16.05.2012 überzeugend ausgeführt hat. Zu längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten ist es ebenfalls nicht gekommen. Ein höherer GdB als 30 in Anlehnung an die Bewertung von Wirbelsäulenschäden ist daraus nicht abzuleiten.
Die Zysten in Nieren, Pankreas (Bauchspeicheldrüse) und Leber führen zu keinem höheren als den vom Beklagten berücksichtigten GdB von 10, denn mit Ausnahme der jährlichen Kontrolle sind diese Zysten mit keinen funktionellen Organbeeinträchtigungen für den Kläger verbunden, die Nierenwerte sind normal. Mit dem GdB von 10 ist die mit der jährlichen Kontrollbedürftigkeit verbundene Unsicherheit, ob die Zysten weiter wachsen, hinreichend berücksichtigt.
Die Kontrollbedürftigkeit der Augen führt nicht zu einem eigenen GdB. Der Kläger besitzt seine volle Sehkraft, Beeinträchtigungen ergeben sich aus den vorliegenden umfassenden augenärztlichen Befunden nicht. Auch die Beschwerden im Bereich des Magens mit einer leichten Hiatushernie führen nicht zur Berücksichtigung eines eigenen GdB, denn sie sind nur gering ausgeprägt und können mit den regelmäßig eingenommenen Medikamenten gegen Sodbrennen erfolgreich therapiert werden.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Diese Regelung ermöglicht die vom Kläger beanstandete Gesamtbetrachtung der bei ihm vorliegenden Beeinträchtigungen aufgrund der von Hippel-Lindau-Erkrankung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der aufgetretenen Hämangioblastomen in verschiedenen Wirbelkörpern, den leichten Gefäßveränderungen im Auge, den Zysten in Kleinhirn, Nieren, Pankreas und Leber. Dennoch ist ein höherer GdB als 30 nicht gerechtfertigt, denn der GdB von 30 für die Beschwerden in der Wirbelsäule mit Schmerzen und Missempfindungen im rechten Bein, der linken Schulter und am Hals berücksichtigt bereits die Unsicherheit aufgrund des Von-Hippel-Lindau-Syndroms. Die erneute Berücksichtigung derselben Unsicherheit durch eine Erhöhung des GdB auf 40 durch den GdB von 10 für die Bauchorgane ist insofern nicht gerechtfertigt.
Die Berufung ist deshalb mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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