L 8 SB 114/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 3375/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 114/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neufeststellung ihres Grades der Behinderung GdB mit mindestens 50.

Die 1961 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige. Für sie stellte das Landratsamt B. (LRA) mit Bescheid vom 02.03.2005 einen GdB von 30 fest. Mit Bescheid vom 06.03.2006 lehnte das LRA eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Die Behinderungen der Klägerin bezeichnete es in diesem Bescheid wie folgt: "Fibromyalgiesyndrom, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose), Augenerkrankung, Depressive Verstimmung".

Am 02.04.2008 beantragte die Klägerin die Neufeststellung ihrer Behinderung mit mindestens 50. Der Beklagte zog einen Entlassungsbericht vom 13.02.2008 über eine in der Zeit vom 22.01.2008 bis 12.02.2008 durchgeführte medizinische Rehabilitation der W.-Z. Kliniken, Rheumaklinik B. W. bei. Dort gab die Klägerin Durchschlafstörungen wegen Schmerzen und eine multiple Unverträglichkeit auf Antirheumatika an. Seit 2002 sei es zu Schwellungen im Bereich des rechten Handgelenks und der Fingergelenke gekommen. Das führe zu einer Morgensteifigkeit über 90 min. Weiterhin leide sie unter Schmerzen beider Fußballen. Im Jahr 2004 sei ein Sjögren-Syndrom mit Polyarthritis, ein Sicca-Syndrom, ein positiver Rheumafaktor und eine Osteoporose festgestellt worden. Bei der dortigen Untersuchung stellte sich das Gangbild als symmetrisch in normaler Schrittlänge durchführbar dar. Die Tenderpoints für Fibromyalgie waren alle druckschmerzhaft. Die Halswirbelsäule war frei beweglich, aber endgradig druckschmerzhaft. Die Rumpfbeugung sei wegen Schmerzen kaum möglich. Der Faustschluss der Hände sei erschwert und rechts nicht vollständig, die Handkraft vermindert. Die Gelenke der unteren Extremitäten seien frei beweglich mit endgradigem Bewegungsschmerz. In beiden Händen würden Missempfindungen an den zweiten bis vierten Fingern angegeben. Außerdem bestehe ein ständiges Schwindelgefühl, das im Rahmen der Rehabilitation als von Ängsten überlagert eingeordnet wurde. Als Rehabilitationsdiagnosen wurde ein primäres Sjögren-Syndrom, ein sekundäres Fibromyalgiesyndrom, Osteoporose, ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom, ein degeneratives Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom, ein Glaukom beidseits, eine Schilddrüsenüberfunktion nach Autoimmun-Thyreoiditis, Tinnitus beidseits, Innenohrschwerhörigkeit beidseits und eine frühzeitige Postmenopause festgestellt. Eine Psychotherapie sei angesichts einer deutlichen Überlagerung durch Ängste angezeigt.

Der Beklagte holte einen Befundbericht des Augenarztes Dr. R. ein. Er berichtete am 14.05.2008 vom einem chronischen Glaukom. Die Klägerin habe eine Sehkraft von 1,0 auf beiden Augen, das Gesichtsfeld sei intakt, der Fundus unauffällig.

Der HNO-Arzt Dr. P. M. berichtete am 03.06.2008 über eine geringgradige leichte kombinierte Schwerhörigkeit beidseits und einen teilweise dekompensierten Tinnitus beidseits. Die Klägerin sei in psychiatrischer Betreuung wegen des Tinnitus. Dr. M. legte ein Tonaudiogramm vom 10.04.2008 vor. Es bestehe ein Schwindel ohne Anhalt für eine otogene Ursache. Tonaudiometrisch bestehe ein praktisch unauffällig seitengleiches Hörvermögen.

Der Hausarzt Dr. A. erstellte am 16.06.2008 einen ärztlichen Befundschein. Die Klägerin leide an einem chronischem Schmerzsyndrom bei chronischem Sjögren-Syndrom mit diffusen Polyarthralgien, Sicca-Syndrom und positiver Serodiagnostik, einem sekundären Fibromyalgiesyndrom, chronisch degenerativem Wirbelsäulensyndrom - Hals- und Lendenwirbelsäulenbetont -, chronischer Coxalgie beidseits, Osteoporose und Karpaltunnelsyndrom beidseits. Weiterhin bestehe eine chronische Gastritis mit Refluxkrankheit, ein Schwindel, Tinnitus und Schwerhörigkeit sowie Gleichgewichtsstörungen, eine Immunthyreoiditis und ein depressives Syndrom mit Somatisierung und schweren Schlafstörungen.

Aus einem Arztbrief der Internistin und Rheumatologin Dr. R. vom 03.04.2008 ergab sich, dass durch die Rehabilitation keine wesentliche Besserung eingetreten sei. Der Gastroenterologe Dr. H. stellte im Mai 2008 eine Refluxösophagitis 1. Grades fest. Die Internistin Dr. G. kontrollierte am 02.06.2008 den Schilddrüsenbefund. Dabei stellte sie eine normal große Schilddrüse mit grenzwertig hohem TSH unter laufender medikamentöser Behandlung fest. Die Dosierung der Medikamente wurde beibehalten.

Nach Anhörung seines ärztlichen Dienstes (Dr. W., 24.07.2008) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 04.08.2008 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Die Behinderungen bezeichnete er nunmehr wie folgt: Fibromyalgiesyndrom, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose), Augenerkrankung, Depressive Verstimmung, Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen.

Dagegen erhob die Klägerin am 11.08.2008 Widerspruch, den der Beklagte zum Anlass nahm, den behandelnden Psychiater Dr. L. schriftlich zu hören. Er gab am 17.03.2009 an, die Klägerin sei seit 18.02.2008 bei ihm in ambulanter Behandlung. Er teilte mit, dass sich vor dem Hintergrund eines jahrelangen Sjögren-Syndroms eine schwere depressive Erkrankung eingestellt habe. Die Klägerin sei anhaltend depressiv herabgestimmt, habe Antriebstörungen, Vitalsymptome, neuropsychologische Defizite und es bestehe ein sozialer Rückzug. Die Klägerin sei gerade eben in der Lage, die wichtigstens Anforderungen des Alltags zu bewältigen. Eine Gestaltung ihres Alltagslebens sei nicht möglich. Ihre Gestaltungsfähigkeit sei so weit reduziert, dass sie als schwerbehindert einzustufen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung psychovegetativer Störungen, funktioneller Organbeschwerden und einer Refluxkrankheit der Speiseröhre könne ein höherer GdB nicht festgestellt werden.

Dagegen erhob die Klägerin am 14.05.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), zu deren Begründung sie vortrug, sie leide tags und nachts unter schweren Schmerzen. Die Schmerzerkrankung bestimme ihren Tagesablauf. Die Bewegungsfähigkeit der Gliedmaßen sei insofern eingeschränkt. Es bestehe auf rheumatologischem Gebiet ein GdB von 30, auf orthopädischem ein solcher von 40, so dass insgesamt mindestens 50 zuzuerkennen seien. Ihr Hauptproblem liege auf psychiatrischem Fachgebiet und in der mangelnden Fähigkeit die vielen Schmerzen zu verkraften. Die Depressionen seien verbunden mit einer schwerwiegenden Angststörung. Der Teil-GdB auf psychiatrischem Fachgebiet betrage wenigstens 40. Schwindel, Kopfschmerzen und Osteoporose kämen hinzu. Außerdem habe sie gynäkologische Probleme. Sie bekomme ihre Regel nicht, obwohl sie nicht in den Wechseljahren sei. Die Augenerkrankung bedinge einen GdB von wenigstens 20, ein Bluthochdruck sei mit 10 und die schweren Kopfschmerzen mit 10-20 zu berücksichtigen. Ohrgeräusche, Tinnitus beidseits, Hörminderung, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen seien ebenfalls mit 20 bis 30 anzusetzen.

Zur weiteren Begründung legte sie ein Attest von Dr. L. vom 08.07.2009 vor. Er bescheinigte, dass die Klägerin sich im Februar 2008 mit einer schweren depressiven Episode bei ihm vorgestellt habe. Die Behandlung habe die Situation leicht gebessert, aber nicht verhindern können, dass die Depression jetzt eine chronische Verlaufsform genommen habe. Das Krankheitsbild sei jetzt von ausgeprägten negativen Kognitionen im Sinne einer Hoffnungslosigkeit und einem Sinnlosigkeitsgefühl überschattet. Hinzu kämen Ängste, die sich teils an der ungewissen Zukunft teils aber auch an irrealen Fantasien festmachten. An ein irgendwie gestaltetes Alltagsleben sei nicht mehr zu denken, die Klägerin vermeide Familienfeste, Feiern, das früher gewohnte gesellige Zusammensein mit Freunden und Bekannten, sie gehe nicht ins Kino und nehme auch sonst an öffentlichen Veranstaltungen nicht mehr teil. Allein diese Beschwerden rechtfertigten die Schwerbehinderung. Der Tinnitus verstärke die Depression. Dazu komme ein Fibromyalgiesyndrom, das zu Schmerzen führe, die hauptsächlich stammbezogen im Nacken und im Rücken aufträten und durch Stress, Nässe und Kälte eine Aggravation erführen. Außerdem habe die Klägerin diffuse Beschwerden im Bauch, die auf ein Colon irritabile hinwiesen. Der rheumatische Schmerz werde grundsätzlich durch den Osteoporoseschmerz verstärkt. Es bestehe eine Schmerzausstrahlung von der Halswirbelsäule in beide Schultern und Arme bis in den Hinterkopf und in die Lendenwirbelsäule. Neurologisch bestehe ein Wurzelkompressionssyndrom C6 und C7 sowie L5 und S1 beidseits.

Die Klägerin legte einen ärztlichen Befundbericht von Dr. R. vom 19.01.2010 vor. Danach litt sie seit 2002 unter Mundtrockenheit, Augentrockenheit und Schluckbeschwerden, später seien auch Schmerzen hinzugekommen. Sämtliche Tender points und Kontrollpunkte seien positiv. Die Wirbelsäule sei in ihrer Neigungs- und Drehbeweglichkeit um ein Drittel eingeschränkt. Das chronische Fibromyalgiesyndrom habe weiter in der Beschwerdesymptomatik zugenommen.

Das Sozialgericht zog die Akten der Deutschen Rentenversicherung B.-W. betreffend die Erwerbsminderung der Klägerin bei. Darin befand sich eine ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr. H. vom 24.08.2007, dass die Klägerin eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, das sog. Sjögren-Syndrom habe. Sie habe die dazu eingenommene Medikation Anfang 2007 beendet, so dass es nunmehr zu einer Verschlechterung der Aktivität der Erkrankung und der Schmerzsymptomatik gekommen sei. Funktionsstörungen würden insofern allerdings nur an den Händen angegeben. Darüber hinaus befanden sich verschiedene ärztliche Befundberichte der behandelnden Ärzte aus den Jahren 2008 und 2009 bei diesen Akten. Unter anderen stellte Dr. G. am 30.06.2009 eine gute Einstellung der Schilddrüsenmedikation fest. Dr. R. berichtete am 26.05.2009 an den Hausarzt, dass im Vordergrund das chronische Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ stehe. Die psychosomatischen Zusammenhänge seien der Patientin leider nicht zugänglich. Mit Arztbrief vom 12.10.2009 wies Dr. R. darauf hin, dass die Laborparameter für die Schmerzsymptomatik nicht verantwortlich sein könnten.

Die DRV holte ein Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 24.11.2009 ein. Die Klägerin berichtete dort über ein ständiges Rauschen im linken Ohr, das Gehör sei subjektiv in Ordnung, Hörhilfen seien nicht notwendig. Die Augen seien mithilfe der verordneten Augentropfen in Ordnung. Seit 2003 bestehe eine Refluxkrankheit, die Klägerin nehme dafür regelmäßig Pantoprazol. Sie habe immer Rückenschmerzen, eine orthopädische Behandlung erfolge nicht, sie nehme Novaminsulfon drei- bis viermal täglich 20 Tropfen. Im Vordergrund stünden die Schmerzen in den Händen, Beinen und im Rücken. Manchmal müsse sie fast den ganzen Tag liegen. Sie könne nicht mit vielen Menschen zusammen sein und nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, Gerüche störten sie. Eine Psychotherapie erfolge seit einem Jahr einmal wöchentlich. Der Blutdruck lag bei der Untersuchung durch Dr. K. bei 110/65 mmHg. Es werde mal über der Brustwirbelsäule, mal über der Lendenwirbelsäule und an verschiedenen Stellen des Rückens unterschiedlich ein Klopfschmerz angegeben, der nicht reproduzierbar sei. Die Zeichen nach Schober betrügen 10/13,5 nach Ott 30/32, der Finger-Boden-Abstand 37 cm, im Langsitz 16 cm. Wesentliche Einschränkungen der Beweglichkeit konnte Dr. K. nicht feststellen. Bei der Kontrolle des Medikamentenspiegels stellte Dr. K. fest, dass Novaminsulfon in der angegebenen Menge nicht eingenommen worden sein könne. Sie schloss daraus, dass Schmerzen im von der Klägerin geschilderten Ausmaß nicht vorliegen könnten. Die Depression stelle sich bei der Untersuchung eher leicht dar.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.12.2010 verurteilte das SG den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 40 ab 02.04.2008. Im Übrigen wies es die Klage ab. Das Fibromyalgiesyndrom sei mit einem GdB von 30 zutreffend eingeordnet. Dieser GdB sei schon großzügig bemessen. Mehr als dieser Wert sei für die auftretenden Körper- und Knochenschmerzen nicht möglich. Die Depression sei entsprechend einem Vergleichsangebot des Beklagten vom 21.04.2010 mit einem EinzelGdB von 20 zutreffend eingeschätzt. Das Augenleiden habe der Beklagte mit 10, die Beeinträchtigung im Bereich des Hörorgans mit ebenfalls 10 zutreffend berücksichtigen. Es ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40 entsprechend einem Vergleichsangebot des Beklagten vom 21.04.2010.

Gegen den ihr am 07.01.2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 10.01.2011 eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie zunächst ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt hat.

Zur weiteren Begründung hat sie einen Operationsbericht des Chirurgen Dr. T. vom 21.10.2010 vorgelegt, der die Klägerin wegen eines Karpaltunnelsyndroms operiert hat.

Das Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. T. auf psychiatrischen Fachgebiet sei zutreffend. Es liege insofern ein EinzelGdB von 30 vor. Dazu komme aber ein EinzelGdB von 20 bis 30 auf hno-ärztlichem Fachgebiet. Die Gleichgewichtsstörung, Ohrgeräusche und Tinnitus stellten für sie ein zentrales Problem dar. Auch die Augenerkrankung bedinge einen GdB von 20 bis 30. Insofern sei der eingetretene Gesichtsfeldausfall zu berücksichtigen. Hinzu kämen noch die orthopädischen Beschwerden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin vorgetragen, ihre Augenerkrankung habe sich verschlimmert. Sie habe im Sommer alle drei Wochen den Arzt aufgesucht. Nach Umstellung auf neue Augentropfen gehe es wieder besser, sie müsse aber weiterhin aufpassen und alle drei Monate zur Kontrolle.

Die Klägerin beantragt, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Dezember 2010 wird abgeändert und der Bescheid vom 04.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.05.2009 aufgehoben wird und der Beklagte verurteilt, einen GdB von 50 ab 02.04.2008 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide sowie im Laufe des Rechtsstreits vorgelegte Stellungnahmen von Dr. K. vom 15.10.2008, 19.04.2010 und vom 14.07.2011.

Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts die Akten aus dem parallel laufenden Rechtsstreits um eine Erwerbsminderungsrente vor dem SG (S 15 R 2835/10) beigezogen. Der Augenarzt Dr. R. hat dem Sozialgericht am 07.07.2010 berichtet, die Klägerin sei wegen eines Offenwinkelglaukoms bei ihm in Behandlung, das aufgrund der Behandlung kompensiert sei. Eine Benetzungsstörung der Hornhaut werde mit Augentropfen behandelt, Brechungsfehler der Augen durch eine entsprechende Brille ausgeglichen.

Dr. A. hat am 13.07.2010 im Wesentlichen die gleichen Befunde wie im Verwaltungsverfahren mitgeteilt. Er hat einen Abschlussbericht der Psychotherapeutin L. G. vom 27.04.2010 über die vom 18.09.2008 bis 18.03.2010 durchgeführte Psychotherapie vorgelegt. Dort sollte eine Schmerzbewältigung erarbeitet werden. Es seien aufgrund bestehender Ängste und starker Schmerzen starke Vermeidungstendenzen erkennbar. Die Klägerin habe es aber im Laufe der Therapie geschafft, mehr Kontakt zu Nachbarinnen und Freundinnen aufzubauen. Menschenansammlungen vermeide sie weiterhin. Die Schmerzen hätten im Laufe der Psychotherapie kaum gebessert werden können. Entlastung sei durch eine bessere Akzeptanz der inneren und äußeren Situation eingetreten. In ihrem begrenzten Raum habe die Klägerin Freizeitmöglichkeiten etwas finden können. Sie habe von den erlernten Entspannungsverfahren profitiert. Eine Stimmungsaufbesserung habe teilweise erzielt werden können. Es bestehe weiterhin eine mittelschwere depressive Symptomatik.

In den Akten des Sozialgerichts hat sich weiterhin ein Arztbrief der Neurologin Dr. S.-K. vom 15.06.2010 befunden, die die Klägerin wegen Schmerzen und Missempfindungen an beiden Händen untersucht aber keine neurologische Störung gefunden hat.

Der HNO-Arzt Dr. M. hat dem SG ohne Datum mitgeteilt, die Klägerin werde von ihm wegen Schwindelbeschwerden, einer leichten Schwerhörigkeit beidseits und eines teilweise dekompensierten Tinnitus behandelt. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei maßgeblich durch die Beeinträchtigungen im Bewegungsapparat bestimmt. Er habe degenerative Veränderungen in der Halswirbelsäule festgestellt.

Dr. R. hat dem Sozialgericht am 06.08.2010 als sachverständige Zeugin mitgeteilt, die Klägerin wirke depressiv verstimmt, etwas verlangsamt. Die Beweglichkeit der Extremitäten sei weitgehend frei, der Faustschluss möglich. Allerdings seien alle Tender points positiv und es bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom. Das Sjögren-Syndrom und das Fibromyalgie-Syndrom seien nicht miteinander zu vergleichen. Ersteres sei eine Immunsystemerkrankung mit deutlich erhöhtem Lymphomrisiko. Die psychische Erkrankung anhand der Therapieintensität zu bewerten, erscheine im Hinblick auf die Unterversorgung in diesem Bereich nicht gerechtfertigt. Der Klägerin seien außerdem psychosomatische Zusammenhänge zur verstärkten Schmerzwahrnehmung nur schwer zugänglich.

Der Psychiater Dr. L. hat am 21.03.2011 Bezug auf seine Stellungnahme 13.10.2009 genommen, die im Wesentlichen mit der Stellungnahme vom 08.07.2009 im erstinstanzlichen Verfahren übereinstimmt.

Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten des Psychiaters Prof. Dr. T. vom 16.01.2012 eingeholt. Dort hat die Klägerin angegeben, sie leide vor allem unter Ängsten. Sie habe Platzangst, fühle sich unter vielen Menschen einfach nicht gut. Ihr werde dann schwindelig und sie bekomme Herzklopfen. Diese Zustände träten jeden Tag auf, die Psychotherapie habe nicht viel geholfen. Sie leide außerdem unter Schlafstörungen, könne schlecht einschlafen, wache dann nach anderthalb Stunden wieder auf und könne erneut nicht einschlafen. Weiterhin bestehe ein Drehschwindel. In letzter Zeit habe sie häufig den Geschmack und Geruch von Gift in der Nase. Ferner leide sie an Mundtrockenheit und Beklemmungszuständen. Sie habe Schwierigkeiten, aus dem Haus zu gehen, andererseits tue es ihr nicht gut, zu Hause zu hocken. Der ganze Körper produziere Schmerzen, morgens mehr als tagsüber. Prof. Dr. T. hat ausgeführt, der Stellenwert der vorliegenden Störungen erscheine bei der Klägerin nicht sehr hoch. Sie spreche nur wenig darüber. Sie erwähne insbesondere nicht spontan eine depressive Verstimmung mit Stimmungstief oder Antriebsmangel. Sie spreche von ihren Schmerzen, jedoch nicht von speziellen Störungen wie das Fibromyalgiesyndrom. Die Psychomotorik erscheine verknappt und verkargt. In geistiger Hinsicht bestünden keine Störungen. Die Persönlichkeit sei klagsam, ängstlich-vermeidend, neurasthenisch, die Klägerin weise offensichtlich Probleme mit dem Durchsetzungsverhalten auf. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung liege nicht vor. Die Klägerin sei eher zurückgezogen resignierend, wirke leise, leicht ängstlich und von ihren Schmerzen beherrscht. Auf psychiatrischem Fachgebiet liege ein GdB von 30 vor, insgesamt ein solcher von 40.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf einen Band Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Stuttgart und die Akten des Senats hingewiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).

Nach diesen Kriterien ist der vom SG ausgeurteilte GdB von 40 zutreffend und ausreichend.

Die Klägerin hat psychische Beschwerden, die mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet sind. Sie leidet unter einem Fibromyalgiesyndrom, das sich im Wesentlichen in Schmerzen ausdrückt und von Dr. R. auch als Schmerzstörung vom Typ Fibromyalgie bezeichnet wird. Weiterhin leidet sie an einer chronifizierten Depression mit Schlafstörungen und an verschiedenen Ängsten. Diese Beschwerden sind als Neurosen einzustufen. Nach Nr. 3.7 Teil B VG werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wie z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische und phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen mit einem GdB von 30 bis 40, schwere Störungen wie z.B. schwere Zwangskrankheiten mit höheren GdB-Werten eingestuft. Die Klägerin leidet nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. T., die im Wesentlichen mit den von Dr. R. und Dr. L. vorgetragenen Befunden übereinstimmen, unter Schmerzen in verschiedenen Körperregionen mit wechselnder Ausprägung. Sie ist eher still und klagsam, schmerzgeplagt und macht sich Sorgen um ihre Gesundheit. Eine eigentliche Depression konnte Prof. Dr. T. bei der aktuellen Untersuchung nicht feststellen. Sie ist durch diese Beschwerden in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt. Eine schwere Störung, die z.B. einer schweren Zwangskrankheit gleichzusetzen ist, ergibt sich demgegenüber aus den vorliegenden Befunden nicht.

Die Funktionsbeeinträchtigung der Klägerin durch die rheumatologische Erkrankung einschließlich der Osteoporose ist mit einem GdB von höchstens 10 einzuschätzen. Die insofern auftretenden Schmerzen sind bereits bei der Beurteilung der Schmerzstörung mit 30 berücksichtigt. Darüber hinaus traten in der Vergangenheit Bewegungsstörungen der Hände und Finger auf, die zwischenzeitlich nicht mehr berichtet werden. Vielmehr haben sowohl Dr. R. als auch Dr. K. den Faustschluss im Gegensatz zum Rehabilitationsentlassungsbericht vom 13.02.2008 als komplett bezeichnet. Einschränkungen der Beweglichkeit der Finger, wie sie im Jahr 2006 noch Dr. M. ("konnte die Handtasche kaum öffnen") beschrieb, sind danach erhobenen Befunden nicht mehr zu entnehmen. Die Beschwerden durch das Sjögren-Syndrom drücken sich im Wesentlichen durch Schmerzen aus, die als solche von den Schmerzen durch das Fibromyalgiesyndrom nicht zu unterscheiden sind. Dem steht die sachverständige Zeugenaussage von Dr. R. vom 06.08.2010 im Rentenverfahren nicht entgegen. Sie unterschied in diesem Schreiben zwischen beiden Erkrankung danach, welche Begleiterkrankungen bei ihnen auftreten können. Demgegenüber konnte auch Dr. R. eine Unterscheidung der Schmerzen nach ihrem Ursprung (Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp oder rheumatische Erkrankung) nicht treffen. Das mit dem Sjögren-Syndrom verbundene Lymphom-Risiko hat sich bei der Klägerin unverändert seit mindestens 2004 nicht verwirklicht.

Die Funktionseinschränkungen der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet bedingen keinen höheren GdB als 10. Die Klägerin leidet nach Angaben ihres Hausarztes und Dr. R. unter Beschwerden in der Hals- und Lendenwirbelsäule. Eine wesentliche Bewegungseinschränkung konnte keiner der behandelnden oder begutachtenden Ärzte feststellen. Dr. M. verwies insofern auf degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule in den apparativen Untersuchungen, beschrieb aber keine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule. Soweit Dr. L. eine Nervenwurzelreizsymptomatik im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich vermutete, so drückt sich diese Symptomatik nicht in Bewegungseinschränkungen sondern in Schmerzen aus, die im Rahmen der psychischen Beschwerden bereits berücksichtigt sind. Die Bewegungseinschränkungen allein bedingen nach Nr. 18.9 Teil B VG keinen höheren GdB als 10.

Die Beschwerden im Bereich der Hüften, die von Dr. A. als Coxalgie bezeichnet werden, bedingen keinen GdB von wenigstens 10, denn diese Beschwerden führen nach allen vorliegenden Unterlagen nicht zu einer Bewegungseinschränkung und belasten die Klägerin nach ihren Angaben gegenüber Prof. T. auch nicht.

Das Karpaltunnelsyndrom wurde zwischenzeitlich operativ behandelt, für einen Misserfolg der Operation ergeben sich keine Anhaltspunkte. Ein GdB von 10 ist für dieses Syndrom deshalb nicht gerechtfertigt.

Die Refluxkrankheit der Speiseröhre bedingt einen GdB von höchstens 10. Nach Nr. 10.2 Teil B VG bedingt eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit anhaltenden Refluxbeschwerden je nach Ausmaß einen GdB von 10 bis 30. Bei der Klägerin liegt eine Refluxkrankheit ersten Grades vor, die medikamentös behandelt wird. Unter der Behandlung bezeichnet die Klägerin die Beschwerden nach dem Gutachten von Dr. K. als in Ordnung. Ein besonderes Ausmaß dieser Beschwerden ist daraus nicht zu erkennen. Ein Teil-GdB von 10 ist ausreichend.

Die gynäkologischen Beschwerden der Klägerin bedingen keinen GdB von wenigstens 10 (mehr). Die Klägerin hat eine sehr frühe Menopause erlebt. Diese kann als Verlust der Gebärmutter und/oder Sterilität im Sinne von Nr. 14.2 Teil B VG eingeordnet werden. Danach ist ein GdB von 20 nur gerechtfertigt im jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch. Die Klägerin hat inzwischen das 51. Lebensjahr überschritten. Ein Kinderwunsch besteht nicht mehr, die Menopause ist in diesem Lebensalter üblicherweise schon eingetreten, so dass ein GdB wegen dieser Störung nicht gerechtfertigt ist.

Das Augenleiden der Klägerin bedingt einen GdB von allenfalls 10. Die Klägerin leidet an einer Benetzungsstörung der Hornhaut, einem chronischen Glaukom und an einer Kurz- und Weitsichtigkeit. Nach Nr. 4 Teil B VG umfasst die Sehbehinderung alle Störungen des Sehvermögens. Für die Beurteilung ist in erster Linie die korrigierte Sehschärfe maßgeblich. Ausfälle des Gesichtsfelds und des Blickfelds sind zu berücksichtigen. Die Klägerin hat auf beiden Augen eine korrigierte Sehschärfe von 1,0 (d.h. 100 %), Gesichtsfeldausfälle sind nach Dr. R. nicht eingetreten. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat behauptete Gesichtsfeldausfall ist nicht nachgewiesen. Anlass zu weiteren Ermittlungen hierzu hat der Senat nicht gesehen, nachdem die Klägerin ihrem Vorbringen gemäß trotz des bereits vor Wochen letztmals erfolgten Arztbesuchs keine diesbezüglich konkrete Befunderhebung angegeben oder eine aktuelle augenärztliche Bescheinigung hierüber vorgelegt hat. Das Glaukom war und ist behandlungsbedürftig, führt aber zu keinem Verlust der Sehkraft, das gleiche gilt für den Augeninnendruck. Die Benetzungsstörung wirkt unter Anwendung der verschriebenen Augentropfen auch nach den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. K. und zuletzt vor dem Senat nicht wesentlich beeinträchtigend. Ein GdB von mehr als 10 ergibt sich daraus nicht.

Die Beschwerden der Klägerin auf hno-ärztlichem Fachgebiet bedingen einen GdB von 20. Sie leidet an einer leichtgradigen Schwerhörigkeit, die Dr. M. als fast unauffällig bewertet, einem Tinnitus und an Gleichgewichtsstörungen. Der Hörverlust allein bedingt nach Nr. 5.2 Teil B VG keinen GdB. Die Klägerin hat kaum Beeinträchtigungen, die Hörkurve ist fast normal. Ein wesentlicher Hörverlust ist damit nicht verbunden. Ohrgeräusche werden nach Nr. 5.3 Teil B VG mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet, wenn sie keine wesentlichen psychischen Begleiterscheinungen zeitigen. Bei erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen besteht ein GdB von 20. Die Klägerin hat einen Tinnitus im Sinne eines dauernden Rauschens im Ohr berichtet. Wesentliche psychovegetative Begleiterscheinungen hat keiner der behandelnden und begutachtenden Ärzte feststellen können. Der Tinnitus allein bedingt deshalb einen GdB von allenfalls 10. Gleichgewichtsstörungen ohne wesentliche Folgen werden nach Nr. 5.3 Teil B VG mit einem GdB von 0 bis 10 bewertet. Bei leichten Folgen wie einer leichten Unsicherheit, geringen Schwindelerscheinungen wie Schwanken, Stolpern, Ausfallschritten bei alltäglicher Belastung und stärkerer Unsicherheit und Schwindelerscheinungen bei höheren Belastungen bedingen einen GdB von 20. Erst mittelgradige Folgen wie z.B. eine Fallneigung bereits bei alltäglichen Belastungen bedingen einen höheren GdB. Die Klägerin hat bei Prof. Dr. T. über einen Drehschwindel mit Unsicherheitsgefühl berichtet. Sie müsse sich dann hinlegen oder ausruhen. Eine Fallneigung bei alltäglichen Belastungen hat sie nicht angegeben. Ein GdB von mehr als 20 auch in Zusammenschau mit dem Tinnitus ergibt sich daraus nicht.

Die Behinderungen der Klägerin bedingen insgesamt keinen höheren GdB als 40. Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Bei der Klägerin bestehen GdB von 30, 10, 10, 10, 10 und 20. Ausgehend von den psychischen Beschwerden, die mit einem GdB von 30 bewertet sind, wird der GdB durch die Gleichgewichtsstörung mit Tinnitus um 10 auf 40 erhöht. Eine weitere Erhöhung kommt insofern nicht in Betracht, denn die behandelnden Ärzte bezeichnen die Gleichgewichtsstörung als erheblich psychisch überlagert, so dass eine Erhöhung auf 50 in diesem Fall eine Doppelbewertung wäre. Dasselbe gilt für die Beeinträchtigung durch den Tinnitus, die als solche nur im Zusammenhang mit den ohnehin bestehenden psychischen Beschwerden überhaupt Krankheitswert hat. Die übrigen Behinderungen, die mit einem GdB von 10 zu bewerten sind, führen nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved