L 8 SB 1650/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 3669/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1650/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung eine Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.

Die Klägerin ist 1954 geboren, kroatische Staatsangehörige, im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung und in K. wohnhaft.

Ein Antrag auf Feststellung ihrer Behinderung vom 26.06.2002 hatte keinen Erfolg (mangels Mitwirkung Versagensbescheid vom 16.10.2002, Ablehnungsbescheid vom 28.04.2003, Widerspruchsbescheid vom 22.05.2003). Die dagegen zum Sozialgericht Karlsruhe erhobene Klage (S 6 SB 1867/03) nahm die Klägerin zurück.

Am 23.03.2009 beantragte die Klägerin eine Änderung der bisherigen Entscheidung. Dazu teilte sie mit, sie leide unter Beschwerden am linken Ellenbogen, an der Wirbelsäule, Bluthochdruck und Atemnot.

Der Beklagte zog Unterlagen beim behandelnden Internisten Dr. F. bei. Er hatte am 03.11.2006 die Lungenfunktion überprüft und dabei normale Funktionswerte festgestellt. Als Dauerdiagnose bestehe eine periphere chronische venöse Insuffizienz, ein benigne essentielle Hypertonie, eine nichttoxische Struma, eine Arthrose im Oberarm (Humerus, Ellenbogengelenk) und eine Refluxkrankheit ohne Ösophagitis.

Er legte einen Arztbrief von Dr. R., Internist und Gastroenterologe, vom 21.02.2008 vor, der die Klägerin wegen Oberbauchschmerzen untersucht hatte. Er äußerte den Verdacht auf Refluxbeschwerden, ging aber eher von einer funktionellen Dyspepsie aus.

Der Chirurg und Proktologe PD Dr. M. stellte in einem Schreiben vom 14.02.2008 Hämorrhoiden II. Grades fest, die er mit Sklerosierung und Ligatur behandele. Blut sei nicht ausgetreten.

Der Orthopäde Dr. T. beschrieb in einem Brief vom 20.12.2007 zunehmende Schmerzen im linken Ellenbogen mit Schwellung und einem Streckdefekt von 20°, eingeschränkter Rotation im Unterarm und starken Bewegungsschmerzen. Er diagnostizierte eine Ellenbogenarthrose links. Am 03.07.2007 behandelte er die Klägerin wegen wiederkehrender Beschwerden im Bereich der Hals-(HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS). Es bestehe eine Verspannung der Streckmuskulatur an HWS und LWS ohne neurologische Defizite. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit sei schmerzhaft eingeschränkt.

Der Urologe Dr. W. stellte in einem Arztbrief vom 15.06.2007 einen kleinen Nierenkelchstein rechts dar. Die urologische Kontrolle sei unauffällig, bestehende Flankenschmerzen seien am ehestens auf eine Lumboischialgie zurückzuführen.

Nach Anhörung des versorgungsärztlichen Dienstes (Dr. S., 21.05.2009) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2009 eine Änderung der bisherigen Entscheidung ab. Es bestehe kein GdB von mindestens 20. Es bestünden Beeinträchtigungen durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Krampfadern, eine Funktionsbehinderung des linken Ellenbogengelenks bei degenerativen Gelenkveränderungen.

Dagegen erhob die Klägerin am 05.06.2009 Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug, dass die festgestellten Behinderungen und eine Lungenfunktionseinschränkung, Atemnot, Nierenleiden, Hämorrhoiden und eine Hypertonie einen GdB von 50 bedingten.

Der Beklagte legte den Vorgang erneut dem versorgungsärztlichen Dienst vor, Dr. K. hielt am 02.07.2009 einen GdB von 20 für die Beeinträchtigung des Ellenbogengelenks für vertretbar.

Mit Teilabhilfebescheid vom 22.07.2009 stellte der Beklagte einen GdB von 20 ab 26.03.2009 fest. Den dennoch aufrecht erhaltenen Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2009 zurück.

Dagegen erhob die Klägerin am 20.08.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), zu deren Begründung sie ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholte.

Das SG befragte Dr. F. und Dr. T. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. F. teilte unter dem 10.05.2010 mit, er habe bei der Klägerin einen Blutdruck von 138/100 mmHg am 19.06.2009, 138/90 mmHg am 23.07.2009, 182/98 mmHg am 05.10.2009 und von 120/88 mmHg am 22.10.2009 festgestellt. Das Ruhe-EKG und die Lungenfunktionsmessung seien altersentsprechend gewesen. Die Krampfadern seien leichtgradig und mit einem GdB von 10 angemessen bewertet. Die essentielle Hypertonie habe keine Sekundärkomplikationen gezeigt und werde mittels einer Zweierkombination aus Medikamenten behandelt. Sie bedinge einen GdB von 10. Er legte einen Arztbrief des Radiologen F. G. vom 06.04.2009 vor, der infiltrative oder aktive spezifische Lungenveränderungen ausschließen konnte. Ein Anhalt für ein intrathorakales NPL bestehe nicht, das Herz sei normal groß ohne Insuffizienzzeichen.

Der Orthopäde Dr. T. gab mit Schreiben vom 02.07.2010 an, die Klägerin sei seit April 2001 bei ihm in Behandlung. Es würden wechselnde Beschwerden der Wirbelsäule mit ausstrahlenden Schmerzen in das rechte Bein im Sinne einer Lumboischialgie sowie Beschwerden im Sinne einer Cervico-Brachialgie geklagt und behandelt. Es bestehe ein Tennisellenbogen links mit posttraumatischer Arthrose. Schließlich bestünden Beschwerden im rechten Kniegelenk mit Kapseldruckschmerz. Er habe eine Gonarthrose diagnostiziert. Die Wirbelsäulenbeschwerden hätten sich im letzten Jahr verschlimmert, sie bedingten jetzt einen GdB von 20. In Zusammenschau mit den Knie- und Ellenbogenbeschwerden betrage der GdB 20.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.02.2012 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das Gericht gehe für die Ellenbogengelenksbeschwerden wohlwollend von einem schwachen GdB von 20 aus. Das Wirbelsäulensyndrom sei mit einem GdB von 10 zu berücksichtigen. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit sei zwar schmerzhaft eingeschränkt, es lägen jedoch keine Anhaltspunkte für mittelgradige Bewegungseinschränkungen vor. Auch Dr. T. bezeichne den GdB von 20 ausdrücklich als wohlwollend. Krampfadern und Bluthochdruck seien jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten, wie Dr. F. nachvollziehbar angegeben habe. Trotz der Gonarthrose seien keine Hinweise auf eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks der Klägerin ersichtlich. Der Gesamt-GdB von 20 sei bereits wohlwollend, eine höhere Bewertung komme nicht in Betracht.

Gegen den ihr am 05.03.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 05.04.2012 beim SG Berufung eingelegt. Es könne nicht richtig sein, dass zwei Einzel-GdB von 20 für Wirbelsäule und Ellenbogen nur einen Gesamt-GdB von 20 ergäben. Dr. T. habe doch mitgeteilt, dass sich die Wirbelsäulenbeschwerden verschlechtert hätten.

Die Klägerin beantragt, der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27.02.2012 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 27.05.2009 und den Teilabhilfebescheid vom 22.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2009 abzuändern und den Grad der Behinderung von 50 ab dem 26.03.2009 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide und eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vom 29.12.2010. Er schließt sich dem angefochtenen Gerichtsbescheid an.

Die Beteilligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf einen Band Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe und die angefallenen Akten des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig.

Der Senat kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben, § 124 Abs. 2 SGG.

Zur Begründung seiner eigenen Entscheidung nimmt der Senat zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid vom 27.02.2012.

Auch aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ergibt sich keine andere Beurteilung. Selbst wenn man mit der Klägerin sowohl für die Ellenbogenbeschwerden als auch für die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule einen GdB von je 20 annehmen wollte, ergäbe sich kein höherer Gesamt-GdB als 20.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Die Beschwerden der Klägerin am linken Ellenbogen bedingen wie das SG zutreffend dargelegt hat, einen sehr schwachen GdB von 20. Auch die Beschwerden an der Wirbelsäule können allenfalls wohlwollend mit einem GdB von 20 berücksichtigt werden, denn Funktionseinschränkungen hat Dr. T. nicht mitgeteilt, die Behandlungsfrequenz und die eingenommenen Medikamente sprechen gegen länger andauernde Wirbelsäulensyndrome im Sinne von Nr. 18.9 Teil B VG. Neurologische Ausfälle und Einschränkungen sind nach den Angaben von Dr. T. nicht eingetreten und macht die Klägerin auch nicht geltend. Eine besondere gegenseitige Beeinträchtigung durch das Streckdefizit im linken Ellenbogen mit den Beschwerden in der Wirbelsäule ist nicht erkennbar und wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Eine erhöhende Auswirkung auf die Gesamt-GdB-Bildung kommt bei dieser Ausgangslage nicht in Betracht. Ein höherer Gesamt-GdB als 20 ist deshalb nicht abzuleiten.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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