L 13 R 5871/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1245/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5871/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1954 geborene Kläger, der nach dem Hauptschulabschluss von August 1969 bis Februar 1973 eine mit der Gesellenprüfung abgeschlossene Lehre als Elektroinstallateur absolviert hat, war nach seinen Angaben danach bis 1977 als Elektriker und im Weiteren bis 1980 als Kundendienstmonteur für eine Brauerei, von 1980 bis 1987 als Hausmeister, von 1987 bis 1991 als Kundendienstmonteur (Antriebstechnik) sowie ab 1991 wiederum als Kundendienstmonteur bei einer Brauerei (F. Getränkeservice GmbH) bis 31. Dezember 2005 beschäftigt. Ab Juni 2004 war er, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte, nach welchem Sehstörungen verblieben waren, zunächst arbeitsunfähig und dann arbeitssuchend. Von Oktober 2006 bis September 2008 arbeitete er (im Rahmen eines wiederholt befristeten Arbeitsverhältnisses) bei einem Baumarkt im Bereich der Warenannahme, wobei die Beklagte im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 einen Zuschuss zur dauerhaften beruflichen Eingliederung gewährt hatte (Bescheid vom 19. Oktober 2006). Zuletzt hat er noch bis Ende Dezember 2010 als Helfer in einem Lager gearbeitet (Angaben bei Dr. G.). Wegen der weiteren Einzelheiten der versicherungsrechtlichen Zeiten bis Dezember 2004 wird auf den Versicherungsverlauf vom 1. Dezember 2005 verwiesen.

Aus einem stationären Heilverfahren, das vom 5. Oktober bis 9. November 2004 in der Rehabilitationsklinik K. mit den Diagnosen (D) inkomplette Quadrantenanopsie (nach rechts oben bei cerebral-ischämischem Ereignis, vermutlich embolischer Genese), ventrikuläre Extrasystolie, vorbefundlich Vorhofseptumdefekt und Vorhofaneurhysma, Hyperlipoprotein-ämie, Übergewicht, Nikotinabusus, psychophysischer Erschöpfungszustand und V.a. rezidivierende depressive Stimmungsschwankungen durchgeführt wurde, war der Kläger für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit - näher - bezeichneten qualitativen Einschränkungen als sechs Stunden leistungsfähig entlassen worden.

Den Rentenantrag des Klägers vom 25. August 2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 2005 ab, da der Kläger als Elektroinstallateur mindestens sechs Stunden arbeitstäglich tätig sein könne. Grundlage dieser Entscheidung waren u.a. Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. M. vom 29. November 2005 (D: Sehstörung [homonyme Quadrantenanopsie], leichtgradiger Schlaganfall als Ursache der Sehstörung, WS-Verschleiß [mäßige Verstärkung der BWS-Kyphose im oberen Anteil, gering verstärkte LWS-Lordose] mit geringen Funktionseinschränkungen; Psyche: kein Hinweis für tiefergreifende, depressive Verstimmung; mittelschwere körperliche Arbeiten zu ebener Erde - ohne Zeitdruck, Nachtschicht, Hantieren an beweglichen Teilen und fahren von Fahrzeugen oder ähnlichen Fortbewegungsmitteln - sowie Tätigkeiten eines Elektroinstallateurs, nicht aber am konkreten bisherigen Arbeitsplatz, seien sechs Stunden und mehr möglich) und des Augenarztes Dr. S. vom 27. November 2005 (D: inkomplette homonyme Quadrantenanopsie nach rechts oben; Tätigkeiten eines Elektroinstallateurs ohne Fahren eines Kfz sowie jegliche Tätigkeit an einem Schreibtisch oder PC seien bei nicht eingeschränktem Stereosehen und Augenbeweglichkeit zumutbar).

Den Widerspruch des Klägers, der geltend machte, eine Tätigkeit als Elektroinstallateur sei ihm nicht möglich, wies die Beklagte zurück, da der Kläger - nach Gewährung der Leistungen zur Teilhabe - als Fachverkäufer in einem Baumarkt, Kundendienstberater und Hausmeister sechs Stunden arbeitstäglich leistungsfähig sei (Widerspruchsbescheid vom 22. März 2007). Grundlage der Entscheidung war u.a. auch eine Auskunft der F. Getränkeservice GmbH vom 19. Dezember 2005 sowie des T. B. Center vom 17. Januar 2007, wonach der Kläger eine Verkäufertätigkeit ausübe, wofür eine zweijährige Ausbildung erforderlich und die in Lohngruppe II des Einzelhandelstarifvertrags Baden-Württemberg eingestuft sei.

Deswegen hat der Kläger am 29. März 2007 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.

Das SG hat behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Über die von ihnen erhobenen Befunde haben der Internist und Kardiologe W. am 31. Juli 2007 (starke Behinderung in der beruflichen Leistungsfähigkeit durch Gesichtsfeldausfall, weswegen Tätigkeiten bis zu sechs Stunden nicht mehr möglich seien), der Augenarzt Dr. O. am 8. August 2007 (wegen beidseitigem Gesichtsfeldausfall striktes Fahrverbot im öffentlichen Straßenverkehr, leichte Tätigkeiten, auch über sechs Stunden täglich, erschienen möglich, sofern dabei keine erhöhten Anforderungen an das Sehvermögen bzw. das Gesichtsfeld bestünden) und der Allgemeinmediziner C. im Oktober 2007 (die Leistungsfähigkeit sollte ein Facharzt für Innere Medizin und ein Psychiater beurteilen; aus medizinischer Sicht könnten leichte Tätigkeiten bis sechs Stunden täglich durchgeführt werden) berichtet.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein neurologisches Sachverständigengutachten des PD Dr. K. vom 22. September 2008 eingeholt. Dieser hat u.a. ausgeführt, der Kläger gebe an, die Stimmung sei seit dem Schlaganfall deutlich gedrückt. Zum psychischen Befund hat er vermerkt, der Kläger sei wach, voll orientiert sowie affektiv herabgestimmt bei erhaltener Schwingungsfähigkeit, normalem Antrieb, unauffälligem formalen und inhaltlichem Denken, gelegentlichen Schlafstörungen und Grübeltendenz. Der Gutachter hat eine linkshirnige Ischämie mit homonymer Quadrantenanopsie nach rechts oben, eine Lumboischialgie bei degenerativen WS-Veränderungen und einen unsystematischen Schwindel diagnostiziert sowie den V.a. eine depressive Störung geäußert. Wegen der Sehstörung könne der Kläger kein Kraftfahrzeug und auch keinen Stapler mehr fahren. Der Kläger könne auf Grund seiner Angaben und der Diagnosen vorwiegend leichte körperliche Arbeiten mit Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen - ohne länger anhaltende gleichförmige Körperhaltungen, häufiges Bücken, Akkord- und Fließbandarbeiten sowie Einwirkungen von Kälte, Zugluft und Nässe - sechs bis sechseinhalb Stunden arbeitstäglich verrichten. Die üblichen Pausen seien ausreichend und der Arbeitsweg von täglich viermal 500 m sei mit zumutbarem Zeitaufwand zu bewältigen. Von den Vorgutachten weiche er nicht ab, allerdings wirke möglicherweise eine leichte depressive Störung leistungseinschränkend. Wegen der geäußerten Gleichgewichtsstörungen sei eine HNO-ärztliche Abklärung zu empfehlen.

Das SG hat dann ferner ein HNO-ärztliches Sachverständigengutachten des Dr. d. V. vom 18. August 2009 eingeholt. Dieser hat eine beginnende beidseitige Innenohrschwerhörigkeit, eine chronische Sinusitis maxillaris und eine Gangunsicherheit, die nicht einem Krankheitsbild auf HNO-Fachgebiet zuzuordnen sei, festgestellt. Auf Grund der HNO-fachärztlichen Untersuchung bestehe keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit und der Kläger könne insofern mindestens sechs Stunden arbeitstäglich Erwerbstätigkeiten ausüben.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe seine Gesundheitsstörungen nicht ausreichend gewürdigt. Entgegen deren Auffassung seien ihm Tätigkeiten als Kundenberater oder Hausmeister/Hauswart nicht möglich. Er könne keine drei Stunden einer Erwerbstätigkeit nachgehen und keine Arbeiten eines Fachverkäufers oder Facharbeiters verrichten. Bei den in dem Baumarkt verrichteten Tätigkeiten handle es sich um Hilfsarbeiten. Die Gutachten ergäben kein "richtiges" Gesamtbild. Er hat noch eine "Fachdienstliche Stellungnahme" des Fachberaters H., Integrationsfachdienst, vom 9. September 2009 zu den Anforderungsprofilen bei Tätigkeiten als Elektroinstallateur und -installateurhelfer, Elektromonteur, Verkaufshelfer im Baumarkt sowie Montage-/Produktionshelfer (die üblichen Anforderungen an einen Arbeitnehmer bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden und mehr könnten nicht erfüllt werden) vorgelegt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne mit den bestehenden Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten eines Fachverkäufers, Kundenberaters oder Hausmeisters verrichten. Hierzu hat sie Stellungnahmen von Dr. G. vom 21. November 2007 (Leistungsbeurteilung wie Dr. M.) und Dr. H.-Z. vom 6. Oktober 2009 (leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne besondere Anforderungen an das Gesichtsfeld, besondere Zeitdruck und Absturzgefahr sowie als Fachverkäufer, Kundenberater oder Hausmeister seien mindesten sechs Stunden arbeitstäglich möglich) vorgelegt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. November 2009 abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit seien nicht erfüllt, da der Kläger nach dem Ergebnis der Ermittlungen, insbesondere der eingeholten Gutachten, jedenfalls noch in der Lage sei, ihm zumutbare Tätigkeiten als Verkäufer in einem Baumarkt oder als Kundenberater zu verrichten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 13. November 2009 zugestellten Gerichtsbescheid, hat der Kläger am Montag, den 14. Dezember 2009, Berufung eingelegt.

Der Senat hat - auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG - ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. G. vom 12. Juli 2010 und ein Sachverständigengutachten des Internisten und Kardiologen PD Dr. F. vom 27. Oktober 2011 sowie - von Amts wegen - ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin und Nervenheilkunde Dr. I. vom 8. Oktober 2012 eingeholt.

Dr. G. hat den vom Kläger angegebenen Tagesablauf sowie den von ihm erhobenen psychischen Befund dargestellt und ist u.a. nach Auswertung durchgeführter Tests zum Ergebnis gelangt, auf neuro-psychiatrischem Gebiet bestünden ein Z.n. cerebraler Ischämie mit Quadrantenanopsie nach rechts oben, eine Gesichtsfeldeinschränkung auch beim Blick nach links oben, ein mittelgradiges depressives Syndrom, eine Alkoholabhängigkeit mit Alkoholmissbrauch, eine Nikotinabhängigkeit mit Nikotinmissbrauch sowie auf allgemein-medizinischem bzw. internistischem Gebiet zusätzlich eine arterielle Hypertonie, eine BWS-Hyperkyphose ohne Funktionsminderung, eine Neigung zu Lumboischialgie mit leichter Funktionsminderung, ein HWS-Syndrom mit mäßigen Funktionseisnchränkungen sowie ein bekanntes Vorhofseptum-aneurhysma mit kleinem Vorhofseptumdefekt. Ferner werde eine chronische Sinusitis maxillares und eine behandelbare Fettstoffwechselstörung mitgeteilt. Seit Anfang 2010 seien nach Angaben des Klägers vier psychotherapeutische Behandlungen erfolgt und auch eine medikamentöse Therapie durchgeführt worden. Der behandelnde Nervenarzt habe im Hinblick auf den Alkoholkonsum von tagsüber vier bis fünf Flaschen Bier eine Entziehungskur empfohlen, wozu dieser sich nicht habe entschließen können. Dieser sei auf Grund der nicht ausreichend behandelten Depression, der Gesichtsausfälle und des nicht behandelten Alkoholismus aktuell nicht in der Lage, sechs Stunden und mehr leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung qualitativer Einschränkungen zu verrichten. Wegen der Gesichtsfeldausfälle seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen, solche, die eine Fahreignung erforderten, auch mit Stapler, sowie Tätigkeiten an laufenden gefährdenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten, mit dem Erfordernis erhöhter Konzentration und überwiegenden Bildschirmarbeiten auszuschließen. Auszuschließen seien auch Arbeiten mit erhöhter Verantwortung und geistig beanspruchende Tätigkeiten, ebenso mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten. Denkbar seien einfache Montagearbeiten, Verkaufstätigkeiten, Tätigkeiten mit Bedienen einfacher Maschinen, Lagerarbeiten, wie Auffüllen von Regalen, oder auch Tätigkeiten eines Pförtners oder Parkplatzwächters. Wegen der ausgeprägten Belastbarkeitsminderung und einer unzureichend behandelten Depression wie auch dem nicht behandelten Alkoholismus könne der Kläger nur noch drei bis unter sechs Stunden arbeiten. Eine entsprechende quantitative Minderung sollte allerdings nur für die Dauer eines Jahres zuerkannt werden. Während der Dauer des Jahres sollte dem Kläger die Auflage erteilt werden, eine Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung in Bezug auf Alkohol und Nikotin durchführen zu lassen. Nach erfolgter Verhaltenstherapie wie auch Entwöhnungsbehandlung werde der Kläger für fähig erachtet, dann durchaus wieder einer Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden Dauer nachzugehen. Arbeitsunübliche Pausen seien nicht erforderlich und die Wegefähigkeit erscheine nicht eingeschränkt. Die Einschränkung bestehe seit dem Untersuchungszeitpunkt am 26. Juni 2010, nachdem ein aussagekräftiger psychiatrischer Vorbefund nicht vorliege.

PD Dr. F. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, diagnostisch sei von einem cerebralen Insult im Juni 2004 mit inkompletter Quadrantenanopsie rechts oben, einem Vorhofseptumaneurysma und Vorhofseptumdefekt mit Links-Rechts-Shunt, einer Hypolipoproteinämie, einer Steathosis hepatis ohne Krankheitswert, einer Nierenzyste links ohne Krankheitswert und einer Hyperurikämie auszugehen. Ferner bestünden ein V.a. eine koronare Herzkrankheit mit leichtgradiger kardialer Pumpstörung und regionalen Wandbewegungsstörungen, ein rezidivierendes LWS-Syndrom, ein chronisches HWS-Syndrom, ein Status nach Sprunggelenksdistorsion im Januar 2001, depressive Stimmungsschwankungen und der V.a. schädigenden Alkoholkonsum. Der Kläger sei bis 140 Watt belastbar und gebe auch im Alltag keinerlei kardiologische Beschwerden an. Die internistisch-kardiologischen Befunde führten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu keiner dauerhaften Erwerbsminderung. Aus kardiologischer Sicht könne der Kläger mittelschwere Arbeiten - auf Grund des Sehfehlers ohne Tätigkeiten mit Absturzgefahr, Führen von Kfz oder Gabelstapler, Tätigkeit an rotierenden Maschinen - sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Dr. I. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, eine wesentliche, insbesondere quantitative, Leistungsminderung bestehe nicht. Nach Durchführung von Tests sowie der Auswertung der Untersuchungsegebnisse und der aktenkundigen Befunde sowie der im Gutachten wiedergegebenen anamnestischen Angaben hat Dr. I. auf internistischem Gebiet ein Vorhofseptumaneurysma und einen Vorhofseptumdefekt ohne wesentliche Auswirkung auf die Herz-Kreislauf-Situation, eine medikamentös adäquat eingestellte arterielle Hypertonie, eine Hyperlipoproteinämie ohne Krankheitswert, ein leichtes Übergewicht, eine Leberverfettung ohne Einschränkung der Funktion, eine Nierenzyste und eine Hyperurikämie ohne Krankheitswert diagnostiziert sowie den V.a. eine coronare Herzerkrankung mit leichtgradiger Einschränkung geäußert. Auf neurologischem Gebiet bestehe eine inkomplette Quadrantenhemianopsie nach rechts oben und ein rezidivierender diffuser Schwindel nach cerebraler Ischämie links occipital wahrscheinlich embolischer Genese am 16. April 2004 sowie ein lokales HWS-Syndrom und rezidivierende Lumboischialgien ohne Funktionseinschränkungen. Auf psychiatrischem Gebiet bestünden rezidivierende depressive Verstimmungzustände, reaktive im Rahmen der derzeitigen psychosozialen Situation ohne Einschränkung der sozialen Anpassungsfähigkeit, ein Alkoholabusus ohne Anzeichen einer Organschädigung und ein Nikotinabusus. Ferner bestünden Zustände nach Sprunggelenksdistorsion links im Januar 2001 und Fraktur des Mittelfußknochens im Jahr 2010 ohne Funktionseinschränkung. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes - ohne Arbeiten auf Leitern, an rotierenden Maschinen oder sonstigen gefährlichen Maschinen sowie Erfordernis des Führens von Kraftfahrzeugen oder Gabelstaplern, Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung oder mit Akkord-/Fließbandeinsatz und mit Wechsel- oder Nachtschicht, ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über zehn kg, gleichförmige Körperhaltung, häufiges Bücken, überwiegend im Gehen, Stehen oder Sitzen und ohne Einsatz in Nässe oder Kälte - sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten. Bei konsequenter ambulanter Behandlung und entsprechender Motivation sei sogar noch eine Besserung des Zustandes zu erwarten. Die von Dr. G. angegebenen verschiedenen Defizite hätten sich in dieser Form nicht mehr nachweisen lassen oder sich zumindest gebessert. Insbesondere seien keine Koordinationsstörungen mehr nachweisbar und auch keine schwere Depression oder kognitive Defizite.

Der Kläger ist mit Hinweis auf ihm übersandte Entscheidungen des Senats vom 25. September 2012 und deren Fundstelle (Juris) auf in Betracht kommende Verweisungstätigkeiten als Registrator und Poststellenmitarbeiter hingewiesen worden.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, er sei zu einer zeitlich nicht eingeschränkten Erwerbstätigkeit nicht in der Lage. Bereits das SG habe die Stellungnahme des Integrationsfachdienstes unzutreffend gewürdigt. Wegen der Einzelheiten wird auf sein schriftliches Vorbringen verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 1. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2007 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren, hilfsweise durch ein Sachverständigengutachten nach § 109 SGG durch Dr. G., H.-Str. 15, D., klären zu lassen unter Einbeziehung des Gutachtens Fachklinik H. Dr. I. vom 8. Oktober 2012, ob die im Gutachten vom 12. Juli 2010 bestehenden Defizite noch bestehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, eine dauerhafte Leistungsminderung in rentenberechtigendem Ausmaß sei nicht erwiesen. Hierzu hat sie u.a. eine Stellungnahme des Nervenarztes B. vom 30. August 2010 vorgelegt, nach dessen Auffassung das Gutachten von Dr. G. nicht überzeugend sei. Auf die schriftliche Stellungnahme wird im Übrigen verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Dieser hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - u. a. - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 43 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind sowie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG, Urteil vom 30. September 1987, 5b RJ 20/86 in SozR 2200 § 1246 Nr. 147). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG, a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14. September 1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird.

Gemessen an den vorstehend aufgeführten Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er ist weder berufsunfähig noch teilweise oder voll erwerbsgemindert.

Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus der Gesamtschau der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. M. vom 29. November 2005 und des Dr. S. vom 27. November 2005, welche im Wege des Urkundenbeweises verwertbar waren, der vom SG eingeholten Sachverständigengutachten des PD Dr. K. vom 22. September 2008 und des Dr. d. V. vom 18. August 2009, der als qualifizierten Beteiligtenvortrag verwertbaren Stellungnahme des Nervenarztes B. vom 30. August 2010 sowie der vom Senat eingeholten Sachverständigengutachten des PD Dr. F. vom 27. Oktober 2011 und des Dr. I. vom 8. Oktober 2012.

Auf HNO-ärztlichem Gebiet bestehen im Wesentlichen eine beginnende beidseitige Innenohrschwerhörigkeit und eine chronische Sinusitis maxillaris. Die Gangunsicherheit ist keinem Krankheitsbild auf HNO-Gebiet zuzuordnen. Daraus resultiert nach den für den Senat schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. d. V. keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit, so dass der Kläger insoweit ohne wesentliche qualitative Einschränkungen berufliche Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann.

Der Senat stellt weiter auf Grund des Gutachtens von Dr. I. fest, dass der Kläger daneben auf internistischem Gebiet im Wesentlichen unter einem Vorhofseptumaneurysma und einem Vorhofseptumdefekt ohne wesentliche Auswirkung auf die Herz-Kreislauf-Situation, einer medikamentös adäquat eingestellten arteriellen Hypertonie, einer Hyperlipoproteinämie ohne Krankheitswert, einem leichten Übergewicht, einer Leberverfettung ohne Einschränkung der Funktion, einer Nierenzyste und einer Hyperurikämie ohne Krankheitswert leidet bzw. litt. Ferner besteht ein V.a. eine coronare Herzerkrankung mit leichtgradiger Einschränkung. Auf neurologischem Gebiet bestehen eine inkomplette Quadrantenhemianopsie nach rechts oben und ein rezidivierender diffuser Schwindel nach cerebraler Ischämie links occipital wahrscheinlich embolischer Genese am 16. April 2004 sowie ein lokales HWS-Syndrom und rezidivierende Lumboischialgien ohne Funktionseinschränkungen. Auf psychiatrischem Gebiet bestehen rezidivierende depressive Verstimmungzustände, reaktive im Rahmen der derzeitigen psychosozialen Situation ohne Einschränkung der sozialen Anpassungsfähigkeit, ein schädigender Alkoholgebrauch ohne Anzeichen einer Organschädigung und ein Nikotinabusus. Ferner bestehen Zustände nach Sprunggelenksdistorsion links im Januar 2001 und Fraktur des Mittelfußknochens im Jahr 2010 ohne Funktionseinschränkung. Weitergehende und schwerer wiegende dauerhafte Gesundheitsstörungen, die für die Beurteilung des Leistungsvermögens im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung von Bedeutung wären, sind dagegen nicht nachgewiesen.

Soweit Dr. G. darüber hinaus im Wesentlichen von einer schwerer wiegenden Depression und einem Alkoholismus, die bis zur Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung und Verhaltenstherapie zu einer quantitativen Leistungsminderung führten, ausgeht, waren entsprechende Gesundheitsstörungen weder bei der Untersuchung bei Dr. I., noch bei sonstigen gutachterlichen Untersuchungen feststellbar. Auch die von Dr. G. angegebenen Befunde und Testergebnisse tragen – wie der Nervenarzt B. für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat – die Diagnose einer (andauernden) mittelgradigen Depression nicht. Auch bei Dr. G. war der Kläger allseits orientiert und bewusstseinsklar, die Stimmung war mäßig depressiv herabgesenkt und er wirkte in der Affektion mäßig vermindert schwingungsfähig. Dr. G. beschreibt eine leichte psychomotorische Verlangsamung, aber keine inhaltlichen Denkstörungen bei deutlich verlangsamtem Abrufen von Sachverhalten aus der Erinnerung. Auch die dargestellten Testergebnisse rechtfertigen insgesamt nicht die Diagnose einer mittelgradigen Depression (das Ergebnis nach der Hamilton-Skala 17 Score entspricht dem Grenzbereich zwischen leichter und mäßiger Ausprägung, das Ergebnis des TFDD-Tests, Teil 2, mit einem Score von 8 rechtfertigt nur einen Verdacht auf Depression). Auch angesichts der von Dr. G. als unzureichend angesehenen Therapie, die (zumutbar) medikamentös verbesserbar und auch ambulant möglich ist, kann hier nur von einer leichten depressiven Erkrankung ohne wesentliche Relevanz für das Leistungsvermögen ausgegangen werden (vgl. auch Nervenarzt B.). Im Übrigen hat auch der Neurologe PD Dr. K. nach seiner Untersuchung keine von ihm selbst festgestellte wesentliche psychische Störung beschrieben. Ferner ist auch dem sowohl gegenüber Dr. G. als auch gegenüber Dr. I. geschilderten Tagesablauf zu entnehmen, dass der Kläger einen strukturierten Tag hat und auch geistige wie körperliche Aktivitäten entwickelt. Der Kläger steht nach den Angaben gegenüber Dr. I. zwischen 08.00 und 09.00 Uhr auf, frühstückt, räumt auf, "schafft", was anliegt (im Garten, Holz machen, Renovierungsarbeiten am Haus), hilft seiner Ehefrau im Haushalt "soweit er darf" und erledigt mit dieser gemeinsam den Einkauf. Ferner geht er mit seiner Frau spazieren, beschäftigt sich mit Bastelarbeiten (Schreinerarbeiten), fährt mit dem Fahrrad durch den Wald bis 30 km. Im Garten arbeitete er ein bis zwei Stunden am Wochenende, manchmal bis zu zwei Stunden auch am Nachmittag. Am Abend sieht er Fernsehen und geht gegen 23.00 Uhr zu Bett. Gemäß seinen Angaben bei Dr. G. liest er auch die Zeitung, beschäftigt sich mit seinem Computer (E-Mails lesen, Computerspiel) und geht auch mit dem Hund weg. Auch diese Aktivitäten sprechen gegen eine andauernde mittelgradige Depression. Ferner war der Kläger auch bei Dr. I. in allen Bewusstseinsqualitäten klar orientiert ohne inhaltliche oder formale Denkstörungen und schilderte die Daten zur Vorgeschichte einigermaßen flüssig und adäquat. Konzentration und Aufmerksamkeitsniveau waren bis Ende der Untersuchung bei Dr. I., die im Zeitraum von 7.15 Uhr bis 16.00 Uhr erfolgte, erhalten geblieben.

Die von Dr. G. gestellte Diagnose Alkoholmissbrauch bzw. Alkoholismus entspricht aus psychiatrischer Sicht schon nicht dem Klassifikationssystem der WHO, dem ICD 10, wonach in der Psychiatrie insoweit nur noch von schädigendem Alkoholgebrauch und Alkoholabhängigkeit gesprochen wird (vgl. auch Nervenarzt B.). Für einen schädigenden Alkoholgebrauch können allenfalls die anamnestischen Angaben und die leichte Erhöhung der Gamma-GT sprechen. Eine laborchemische Bestimmung des CDT als validem Marker für vermehrten Alkoholkonsum ist nicht erfolgt, der ersatzweise heranziehbare Marker, das MCV, lag beim Kläger im Normbereich. Andererseits sind auch die klinischen Kriterien des ICD 10 für ein Alkoholabhängigkeitssyndrom (starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren) nicht belegt. Objektive Hinweise auf ein Entzugssyndrom liegen ebenfalls nicht vor. Insofern liegen - so im Ergebnis auch die den Senat überzeugenden schlüssigen Ausführungen des Nervenarztes B. - allenfalls Störungen vor, die ambulant und auch neben einer beruflichen Tätigkeit behandelbar sind. Der Senat kann sich aus den genannten Gründen der Leistungsbeurteilung von Dr. G. nicht anschließen.

Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen war und ist der Kläger nach dem Gutachten von Dr. I. und in Gesamtschau aller Gutachten und gutachterlichen Äußerungen zur Überzeugung des Senats noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes - ohne Arbeiten auf Leitern, an rotierenden Maschinen oder sonstigen gefährlichen Maschinen sowie Erfordernis des Führens von Kraftfahrzeugen oder Gabelstaplern, Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung oder mit Akkord- und Fließbandeinsatz und mit Wechsel- oder Nachtschicht, ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über zehn kg, gleichförmige Körperhaltung, häufiges Bücken, überwiegend im Gehen, Stehen oder Sitzen und ohne Einsatz in Nässe oder Kälte - sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Bei konsequenter ambulanter Behandlung und entsprechender Motivation ist auch noch eine Besserung des Zustandes zu erwarten. Die von Dr. G. angegebenen verschiedenen Defizite habe sich in dieser Form bei keiner der sonstigen Untersuchungen gezeigt bzw. nachweisen lassen. Insbesondere fanden sich keine Koordinationsstörungen und auch keine schwere Depression oder kognitive Defizite. Damit ergibt sich nach dem den Senat überzeugenden Gutachten des Dr. I., das in Zweifel zu ziehen keine Gründe vorliegen, ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von sechs Stunden. Dies steht im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Leistungsbeurteilungen von den Dres. M. und S., PD Dr. K., Dr. d. V. und PD Dr. F. sowie von Dr. G., Dr. H.-Z. und dem Nervenarzt B ... Eine weitergehende qualitative oder gar quantitative dauerhafte Leistungsminderung ist dagegen auch durch das Gutachten von Dr. G. nicht bewiesen, nachdem dieser weder den von ihm angenommenen Schweregrad der psychischen Störung, noch eine Alkoholabhängigkeit in dem angegebenen Ausmaß durch entsprechende Befunde belegen konnte. Im Übrigen ist auch er von einer Leistungseinschränkung auf drei bis unter sechs Stunden und das nur für die Dauer eines Jahres bei nicht ausreichender zumutbarer Behandlung ausgegangen.

Ausgehend von diesen Leistungseinschränkungen kann der Kläger zwar seine bisherige berufliche Tätigkeit als Kundendienstmonteur, die als Facharbeitertätigkeiten im Sinne des o. g. Mehrstufenschemas einzuordnen sind, nicht mehr verrichten. Er ist jedoch noch in der Lage, sozial zumutbare angelernte Tätigkeiten eines Poststellenmitarbeiters in einem Umfang von sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und damit nicht berufsunfähig und nicht erwerbsgemindert.

Die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters ist für einen Facharbeiter nicht mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg im Sinne des oben dargelegten Mehrstufenschemas verbunden. Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats zumutbar auf eine Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter nach Entgeltgruppe 3 des Teil I "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst" der Entgeltordnung zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) - eingeführt mit Änderungstarifvertrag Nr. 4 vom 2. Januar 2012 zum TV-L - verweisbar. Entsprechende Tätigkeiten existieren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichendem Umfang, was sich aus den in dem Rechtsstreit eingeführten Urteil des Senats vom 25. September 2012, L 13 R 4924/09, (veröffentlicht auch in Juris) nach Ermittlungen in diesem Berufungsverfahren (Arbeitgeberauskünfte im Bereich des öffentlichen Dienstes, der gesetzlichen Krankenkassen sowie der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen, wonach bereits Arbeitgeber des süddeutschen Raumes eine signifikante Anzahl an entsprechender Beschäftigungsverhältnisse, die keine abgeschlossene Berufsausbildung und eine Anlernzeit von max. 3 Monaten erfordern und für betriebsfremde Personen offen stehen, bestätigt haben, bei welchen die Eingruppierung von Anfang an in der Entgeltgruppe 3 der Entgeltordnung zum TV-L bzw. in der entsprechenden Entgeltgruppe nach dem Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung [TV-TgDRV] bzw. dem BAT AOK erfolgt, soweit die Tätigkeit bei Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes ausgeübt wird) ergibt. Diesen Feststellungen des Senats in dem genannten Verfahren, gegen die die Beteiligten keine Einwendungen erhoben haben, ergeben, dass – in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden bisherigen Rechtsprechung, die durch das Ergebnis der genannten Ermittlungen des Senats bestätigt wurde – dem Kläger diese Arbeiten sozial zumutbar und möglich sind.

Der Kläger kann nach Auffassung des Senats die für die Ausübung der genannten Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten auch innerhalb von drei Monaten erwerben. Die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher (vgl. Hessisches LSG vom 15. April 2011 - L 5 R 331/09 - Juris Rdnr. 38; LSG BW, 10. Senat, vom 18. Juli 2006 - L 10 R 953/05 - sozialgerichtsbarkeit.de). Hierbei handelt es sich regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z. T. in Großraumbüros (Poststelle). Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände; ausreichend sind durchschnittliche Lese- und Schreibkenntnisse (Hessisches LSG a.a.O.). Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über zehn Kilogramm gehoben bzw. getragen werden müssen. Solche Transporttätigkeiten sind jedoch zumindest in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in einer Poststelle; denn der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle wird dort regelmäßig von wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen (LSG BW, 10. Senat, a.a.O.).

Der Kläger wird danach mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen dem gesundheitlichen Belastungsprofil der in Rede stehenden Verweisungstätigkeit gerecht. Der Umstand, dass dem Kläger nach Auffassung von Dr. I. angesichts seiner Beeinträchtigungen nur noch leichte Arbeiten mit Heben bis zehn kg verrichten kann, steht dabei einer Verweisung nicht im Wege. Zwar kommt damit für den Kläger nicht mehr jeder Arbeitsplatz in einer Poststelle in Betracht. Für die Benennung einer Verweisungstätigkeit ist indes nicht erforderlich, dass der leistungsgeminderte Versicherte auf allen in Betracht kommenden Arbeitsplätzen einsetzbar wäre. Vielmehr genügt die grundsätzliche Eignung für eine solche Tätigkeit und die Gewissheit, dass geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind (LSG BW, 10. Senat, a.a.O.). Dies ist zur Überzeugung des Senats auf Grund des Ergebnisses der durchgeführten Ermittlungen und unter Berücksichtigung seines Urteils vom 25. September 2012, dem sich auch der 9. Senat des LSG BW in den Entscheidungen vom 20. November 2012, L 9 R 2980/109, und 22. November 2012, L 9 R 559/10, (nicht veröffentlicht) angeschlossen hat, der Fall.

Weder die o.g. körperlichen Einschränkungen, noch der schädigende Alkoholgebrauch und die leichte depressive Störung stehen mit den daraus resultierenden und oben dargestellten qualitativen Einschränkungen der Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters entgegen. Dies ergibt sich für den Senat im Wesentlichen aus dem Sachverständigengutachten des Dr. I. und aus der Gesamtschau aller vorliegenden gutachterlichen Äußerungen.

Im Übrigen bestehen auch keine Bedenken bezüglich einer objektiven Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit als Poststellenmitarbeiter. Die hierzu erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse kann der Kläger innerhalb von drei Monaten erwerben, auch wenn er eine verwaltungsnahe bzw. kaufmännische Ausbildung nicht absolviert hat; dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie auch die Ermittlungen des Senats in seinen o. g. Entscheidungen ergeben haben - Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung sind. Vor dem Hintergrund der zuletzt von ihm ausgeübten Tätigkeit als Kundendienstmonteur, die auch nach seinen Angaben Facharbeiterniveau hatte, sowie der von der Beklagten geförderten Tätigkeit in einem Baumarkt, die jedenfalls der Stufe eines gehobenen Angelernten zuzuordnen war und deren Fortsetzung allein an der mangelnden Fähigkeit einen Gabelstapler zu fahren, scheiterte, und im Hinblick auf das Alter des Klägers ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger intellektuell im Stande ist, die Anforderungen an die Verweisungstätigkeit zu erfüllen.

Die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters ist dem Kläger auch subjektiv zuzumuten. Ausgehend davon, dass der "bisherige Beruf" des Klägers der Stufe der Facharbeiter zuzuordnen ist, darf dieser grundsätzlich nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zu den sonstigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern. Auch wenn dies beim Poststellenmitarbeiter nach Entgeltgruppe 3 Teil I "Allgemeine Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst" der Entgeltordnung zum TV-L nicht der Fall ist (Urteil des Senats vom 25. September 2012, a.a.O., eingeholten Arbeitgeberauskünften ist von einer Anlernzeit für die in Betracht kommenden Stellen von 3 bis 6 Wochen auszugehen), ist aber der Kreis der in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten noch nicht abschließend umschrieben. Vielmehr ist ihm gemäß dem Urteil des Senats vom 25. September 2012, a.a.O., das in den Rechtsstreit eingeführt worden ist, unter Berücksichtigung der dort zitierten Rechtsprechung des BSG die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters nach Teil I Entgeltgruppe 3 (weiterhin) sozial zumutbar. Zu demselben Ergebnis ist ohne Bezugnahme auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auch das Hessische LSG in seiner bereits genannten Entscheidung gelangt (a.a.O., Juris Rdnr. 43; im Ergebnis ebenso u. a. LSG Baden-Württemberg, 10. Senat, a.a.O. und 9. Senat vom 20. Und 22. November 2012). Dem Kläger steht demnach kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) zu.

Da der Kläger leichte berufliche Tätigkeiten wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann, ist er auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert und hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI).

Weitere Ermittlungen nach § 109 SGG durch nochmalige gutachterliche Anhörung von Dr. G. sind nicht durchzuführen und werden vom Senat abgelehnt. Die Beweisfrage, ob die im Gutachten des Dr. G. bestehenden (bzw. beschriebenen) Defizite noch bestehen, ist nicht entscheidungserheblich, da bereits dessen Leistungsbeurteilung vom 12. Juli 2010 - wie oben dargelegt - nicht gefolgt werden konnte. Im Übrigen ist das Recht des Klägers auf Einholung von Gutachten nach § 109 SGG verbraucht, nachdem Gutachten auf seinen Antrag nach § 109 SGG bereits vom SG bei PD Dr. K. sowie vom Senat bei Dr. G. und PD Dr. F. eingeholt worden sind und besondere Umstände, die die Einholung eines weiteren Gutachten nach dieser Vorschrift rechtfertigen könnten (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 109 Rdnr. 10b m.w.N.), nicht vorliegen.

Der Sachverhalt ist zur Überzeugung des Senats vollständig geklärt.

Da der Kläger somit weder berufsunfähig, noch teilweise oder gar voll erwerbsgemindert ist, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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