L 5 R 5532/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3772/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5532/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14.10.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine höhere Rentenzahlung ohne Absenkung der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 für nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anerkannte r. Versicherungszeiten.

Die 1950 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige aus R., wo sie als Arzthelferin beschäftigt war. Sie siedelte am 06.10.1995 in die Bundesrepublik Deutschland über.

Auf Antrag der Klägerin vom 21.09.1998 gewährte die Beklagte dieser mit Bescheid vom 14.12.1999 eine zunächst zeitlich befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Multiplikation der Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 nach § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz (FRG) sowie unter Berücksichtigung der in R. zurückgelegten Beitragszeiten zu lediglich 5/6.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.01.2000 (wohl 09.01.2001), eingegangen bei der Beklagten am 15.01.2001, stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag und beantragte die ungekürzte 6/6 Berücksichtigung der in Rumänien zurückgelegten Beitragszeiten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 23.03.2001 ab, gab ihm aber im Widerspruchsverfahren nach Vorlage weiterer Unterlagen zur Beschäftigung in R. statt. Der am 15.1.2001 weiter gestellte Antrag auf Auszahlung der Rente ohne Kürzung durch den 0,6 Faktor ruhte wegen eines beim Bundesverfassungsgerichts anhängigen Normenkontrollverfahrens zur Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG.

Mit Schreiben vom 23.12.2008 stellte die Klägerin mit der Begründung, es hätten sich sehr viele Gesetze geändert, einen weiteren Überprüfungsantrag. Mit Bescheid vom 03.02.2009 wies die Beklagte den - im Hinblick auf § 22 Abs. 4 FRG noch offenen - Überprüfungsantrag vom 15.01.2001 ab. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 13.06.2006 entschieden, dass die Kürzung der FRG-Entgeltpunkte auf 60 % grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Nur für Personen aus rentennahen Jahrgängen, die vor dem 01.01.1991 in die Bundesrepublik gezogen seien, sei ein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes angenommen worden, weil es an einer Übergangsregelung gefehlt habe. Darauf könne sich die Klägerin, die erst nach dem 31.12.1990 am 23.10.1995 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sei, nicht berufen. Auf sie finde die Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG Anwendung.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 06.03.2009 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie ausführen ließ, sie falle auch nach der Entscheidung des BVerfG nicht unter den Personenkreis, für den die Kürzungen vorgesehen seien. Sie sei Vertriebene mit eigenem Vertreibungsschicksal und könne sich deshalb auf die volle Anerkennung ihrer Versicherungsbeiträge, die sie im Vertreibungsgebiet geleistet habe, berufen. Das BVerfG gehe davon aus, dass nur Personen ohne eigene Beitragsleistungen Kürzungen der Entgeltpunkte hinzunehmen hätten. Die Klägerin habe aber Beiträge an einen ausländischen Versicherungsträger erbracht, ohne dass sie auf den Zeitpunkt ihrer Einreise nach Deutschland habe Einfluss nehmen können. Diese Beiträge seien durch Zuschüsse des Bundes an den Rentenversicherungsträger ausgeglichen worden, so dass es sich um von Dritten im Wege der Schuldübernahme tatsächlich geleistete Beiträge handele.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2009 zurück und stellte erneut darauf ab, dass die Klägerin erst am 23.10.1995 nach Deutschland gekommen sei, so dass die Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG uneingeschränkt auf sie Anwendung finde.

Dagegen erhob die Klägerin am 29.07.2009 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgte. Es handele sich in ihrem Fall um ein völlig anderes Verfahren, als es vom BVerfG entschieden worden sei. Das BVerfG habe sich mit Personen befasst, die vor dem 01.01.1990 als Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien und es selbst in der Hand gehabt hätten, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet zu nehmen. Nicht auseinandergesetzt habe sich das BVerfG mit Personen, die als Betroffene des 2. Weltkrieges in ihren Heimatländern gegen ihren Willen festgehalten worden waren und die auch nachher ihren Wohnsitz nicht frei in Deutschland hätten nehmen dürfen. Der Bund habe die Verpflichtung, solche Personen, die nach dem Ende des Krieges unschuldig außerhalb der Bundesrepublik Deutschland festgehalten worden seien und damit stellvertretend Reparationsleistungen in anderen Staaten hätten verrichten müssen, mit den Personen, die im Bundesgebiet lebten, gleichzustellen. Auch die Spätaussiedler hätten eine Rentenanwartschaft erworben, die einer willkürlichen Kürzung der Entgeltpunkte entgegenstehe. Eine Kürzung der Entgeltpunkte um 40 % verstoße auch gegen Art. 3 Grundgesetz - GG -. Zwischen den Vertriebenen, die in Deutschland hätten verbleiben dürfen und denen, die aus Deutschland verschleppt und zur Zwangsarbeit verbracht worden seien, bestehe kein Unterschied. Die verspätete Rückkehr vor allem der Spätaussiedler aus der ehemaligen U. beruhe alleine auf den anschließenden besonderen Umständen (kalter Krieg). Die Klägerin sei allein wegen der deutschen Volkszugehörigkeit und nur deshalb, weil Deutschland die S. überfallen und die Volksdeutschen vereinnahmt habe, verfolgt worden. Dies führe dazu, dass sie die gleichen Rechte haben müsse, wie alle anderen Vertriebenen auch und zwar unabhängig davon, wann sie in Deutschland wieder aufgenommen worden sei, es sei denn, sie hätte es "in der Hand" gehabt, vorher auszureisen, wie das BVerfG in der genannten Entscheidung differenziert habe.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 29.09.2010 anstelle der bisher geleisteten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.08.2010 in eine Altersrente wegen Schwerbehinderung gewährt.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 29.09.2010 sei gemäß § 96 Absatz 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente. Ein solcher Anspruch folge insbesondere nicht aus § 22 Abs. 4 FRG i.V.m. Art. 6 § 4 c FANG i.d.F. vom 20.04.2007. Die Entgeltpunkte für Beitragszeiten bei nichtdeutschen Rentenversicherungen (§15 FRG) und Beschäftigungszeiten vor der Vertreibung (§16 FRG) würden nach den Vorgaben in § 22 Abs. 1 bis 3 FRG ermittelt und seien nach § 22 Abs. 4 FRG mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren. § 22 Abs. 4 FRG sei durch Art. 3 Nr. 4 b Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.09.1996 (BGBl. I, S. 1461) eingeführt worden und habe eine entsprechende Kürzung der FRG-Renten vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Normenkontrollbeschluss vom 13.06.2006 zur Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 4 FRG (Az. 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01 und 1 BvL 10/04 - zit. in Juris) ausgeführt, dass es grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar sei, bei der Berechnung der Renten von Aussiedlern und Spätaussiedlern die auf der Grundlage des FRG ermittelten Entgeltpunkte um 40 % zu reduzieren. Es verstoße jedoch gegen das Vertrauensschutzprinzip, dass die Kürzung auf Berechtigte, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen hätten und deren Rente nach dem 30.09.1996 begonnen habe, ohne eine Übergangsregelung für zu diesem Zeitpunkt rentennahe Jahrgänge zur Anwendung komme. Auf diese Entscheidung hin habe der Gesetzgeber § 22 Abs. 4 FRG durch Art. 6 § 4 c FANG i.d.F. vom 20.04.2007 (BGBl. I S. 554) geändert. Danach werde für Berechtigte, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen hätten, deren Rente nach dem 30.09.1996 beginne und über deren Rentenantrag oder über deren bis zum 31.12.2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30.06.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei, für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt, der sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 FRG ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte ergebe. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine ungekürzte Rente, da sie unstreitig zum 01.01.1991 nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe, sondern erst am 06.10.1995 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf diese Stichtagsentscheidung habe das Bundesverfassungsgericht nicht geäußert. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber die ihm vom Grundgesetz eingeräumten Entscheidungsspielräume verletzt habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Vertrauen in den unveränderten Fortbestand einer Rechtslage nicht geschützt sei. Zwar begrenze das Vertrauensschutzgebot als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen. Jedoch gehe der Vertrauensschutz nicht so weit, den Bürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu sichern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.02.2004, NJW 2004, 739, 747). Die schlichte Erwartung, dass das geltende Recht unverändert fortbestehen werde, sei verfassungsrechtlich nicht geschützt. Darauf, dass es der Klägerin nach ihrem Vortrag nicht möglich gewesen sei, vor dem 01.01.1991 aus Rumänien auszureisen, komme es nicht an. Es sei - entgegen der wohl vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vertretenen Auffassung - nicht Aufgabe der Rentengewährung, deutschen Staatsangehörigen Beitragszeiten außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Rentenrechts als von ihnen im Ausland geleistete "Reparationsleistungen" der Bundesrepublik Deutschland zu vergüten. Vielmehr stellten die in den Herkunftsgebieten erbrachten oder zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten keine rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Eigenleistung dar, da deren Wertschöpfung nicht innerhalb der zur Leistung verpflichteten Solidargemeinschaft erfolgt und ihr auch nicht zugute gekommen sei (so ausdr. BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006, a.a.O.). Zwangsarbeiten habe die Klägerin im Übrigen nicht verrichtet.

Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihrem Bevollmächtigten am 20.10.2010 zugestellt worden war, hat die Klägerin am 19.11.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die Kürzung auch für Pflichtbeitragszeiten der Kindererziehung und der Ausbildung sei rechtswidrig. Diese Zeiten seien auch der Solidargemeinschaft im allgemeinen zu Gute gekommen. Die im Ausland geleisteten Kindererziehungszeiten seien im vorliegenden Verfahren durch das FRG mit Kindererziehungszeiten im Inland gleichgestellt worden. Ebenso wie die Ausbildungszeiten dürften diese Zeiten dann, wenn sie einer Rente zu Grunde zu legen seien, die wie bei der Klägerin auch auf Beitragszeiten in der Bundesrepublik Deutschland beruhe, nicht gekürzt werden. Dieses würde den Personenkreis, zu dem die Klägerin gehöre, willkürlich diskriminieren. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, dass Personen, die vor der Klägerin den Vertreibungszustand hätten beenden können, bzw. die ohne Vertriebene zu sein, Auslandszeiten der Ausbildung und Kindererziehung zurückgelegt hätten, von der Kürzung verschont blieben, während im Falle der Klägerin nur deshalb, weil sie zum Personenkreis des FRG gehöre, eine Kürzung vorgenommen werde. Die Pflichtbeiträge, die der Vertriebene während seines Vertreibungszustandes an einen ausländischen Versicherungsträger geleistet habe, seien Pflichtbeiträge, die Teil der Solidargemeinschaft seien. Wenn es sich aber um Pflichtbeiträge handelt, die "nach Bundesrecht" geleistet worden seien, so fielen sie nicht unter die vom Bundesverfassungsgericht als "Fremdbeiträge" einzustufenden Beiträge. Das Bundesverfassungsgericht habe sich mit dieser Problematik nicht auseinandergesetzt. Es habe diese Frage bisher offen gelassen, so dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Falles eine erneute Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeigeführt werden müsse. Zumindest aber müsse geklärt werden, ob nach dem Beitritt R. zur Europäischen Union die in R. zurückgelegten Kindererziehungs- und Ausbildungszeiten bei Vertriebenen gekürzt werden dürften. Dieses müsste europarechtlichen Regelungen widersprechen, so dass unter Berücksichtigung der hier geltenden europarechtlichen Vorschriften zu entscheiden sei. Eventuell sei es notwendig, die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14.10.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 03.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheide vom 14.12.1999 und 1.8.2010 zu ändern und ihr ab 1.4.1999 höhere Rente ohne Kürzung der Entgeltpunkte um den Faktor 0,6 jedenfalls für die Ausbildungszeiten vom 08.07.1967 bis zum 15.06.1972, für die Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung und die Schwangerschaft und für Anrechnungszeiten zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und verweist auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Mit Schreiben vom 09.05.2012 und vom 05.07.2012 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat die für die FRG-Zeiten der Klägerin ermittelten Entgeltpunkte zu Recht unter Anwendung des in § 22 Abs. 4 FRG geregelten Kürzungsfaktors um 40 v. H. gekürzt. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat nimmt auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

§ 22 Abs. 4 FRG ist verfassungsgemäß und gilt auch für die Klägerin. Das BVerfG hat § 22 Abs. 4 FRG für verfassungsmäßig erklärt, insbesondere eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 14 GG verneint, und im Hinblick auf den Vertrauensschutz lediglich eine Übergangsregelung für Berechtigte gefordert, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt (Beschl. v. 13.06.2006, - 1 BvL 9/00 - u.a.). Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin, die erst am 23.10.1995 in die Bundesrepublik Deutschland kam, nicht.

Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O.) die Reduzierung der Entgeltpunkte durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 als solche einer Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit unterzogen und lediglich im Hinblick auf den Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge eine Übergangsregelung gefordert, die der Gesetzgeber mit Art. 6 § 4a Abs. 2 FANG geschaffen hat und die ebenfalls verfassungsmäßig ist (BVerfG, Beschl. v. 15.07.2010, - 1 BvR 1201/10 -; BSG, Urt. v. 20.10.2009, - B 5 R 38/08 R -). Das BVerfG hat die Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bezweckte Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung als verhältnismäßig angesehen und dem Gesetzgeber eine größere Gestaltungsfreiheit gerade für Eingriffe in Positionen zugestanden, die - wie die Rentenanwartschaften nach dem FRG - nicht auf Eigenbeiträgen beruhen, sondern Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge sind. Die unterschiedliche Behandlung der nach dem FRG Berechtigten im Vergleich zu anderen Gruppen hat das BVerfG mit den unterschiedlichen Versicherungsbiografien begründet.

Auch für beitragsfreie Zeiten der Kindererziehung und der Ausbildung kann deshalb - entgegen der Auffassung des Kläger-Vertreters - nicht von einer Kürzung nach § 22 Abs. 4 FRG abgesehen werden. Auch diese Zeiten werden allein aufgrund der Anwendung des FRG anerkannt und stellen eine besondere Vergünstigung aus Fürsorgegesichtspunkten dar, während beitragslose Zeiten in der Rentenversicherung im Bundesgebiet deshalb einem Annexschutz unterfallen, weil sie von den Begünstigten in ihrer Erwerbsphase mitfinanziert werden, so dass darauf beruhende Anwartschaften jedenfalls mittelbar als beitragsgestützt anzusehen sind (vgl. Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Verfahren des BVerfG zum Beschluss vom 13.06.2006, a.a.O.).

Ebenso wenig trägt die Argumentation des Kläger-Vertreters, aufgrund des Bundeszuschusses für Rentenleistungen nach dem FRG sei von einer tatsächlichen Beitragszahlung der Klägerin im Sinne einer Schulderfüllung durch Dritte auszugehen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O.) dargelegt, dass es gerade das Kriterium der Eigenleistung sei, das zur Unterscheidung der rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften von den Rechtsansprüchen führe, die der Staat aus Gründen der Fürsorge einräume, mit der Folge, dass letztere mangels einer Leistung des Begünstigten nicht dem Eigentumsschutz unterfielen. Diese Differenzierung verbietet es, die auf der Grundlage des Fürsorgegedankens gezahlten Bundeszuschüsse zur Finanzierung der Rentenzahlungen nach dem FRG den als Eigenleistung gezahlten Beiträgen gleichzustellen. Die Konsequenz der Argumentation des Kläger-Vertreters, dass alle Fremdrenten letztlich doch fiktiv als eigenfinanziert anzusehen seien, widerspricht dem Finanzierungssystem der gesetzlichen Rentenversicherung, in dem Fremdrenten gerade nicht auf Eigenbeiträgen beruhen, sondern Vergünstigungen auf der Basis staatlicher Fürsorge darstellen. Eine Vorlage an des BVerfG kommt deshalb ebenso wenig in Betracht wie eine Vorlage an den EuGH, zumal der Kläger-Vertreter selbst eine Verletzung europarechtlicher Vorschriften nur im Sinne einer Eventualität mutmaßt und nicht konkret dargetan hat.

Das Vorbringen der Klägerin ändert deshalb nichts an der vom BVerfG - im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und 14 GG sowie den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz - festgestellten Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit des § 22 Abs. 4 FRG. Diese Regelung ist auf die Klägerin anzuwenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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