Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 1999/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4069/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 04. September 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ab welchem Zeitpunkt dem Kläger das Merkzeichen "Bl" (Blindheit) zuzuerkennen ist.
Dem 1950 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 18.06.2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 seit 27.04.2004 zuerkannt. Als Funktionsbeeinträchtigung wurde u.a. eine Seh-behinderung mit einem Teil-GdB von 70 zugrunde gelegt.
Am 08.12.2010 beantragte der Kläger die Feststellung des Merkzeichens "Bl". Der behandelnde Augenarzt Dr. G. teilte hierzu am 27.12.2010 mit, beim Kläger bestehe am rechten Auge eine fortgeschrittene Keratopathie bei Zustand nach Hornhauttransplantation. Am linken Auge bestehe ein Zustand nach Hornhauttransplantation sowie eine glaukomatöse Optikusatrophie. Die Sehschärfe betrage mit Kontaktlinse rechts 0,05, links bestehe kein Lichtschein. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 21.01.2011 führte Dr. E. aus, die hochgradige Sehbehinderung bedinge zwar einen GdB von 100, Blindheit im Sinne von Teil A Nr. 6 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung liege nicht vor. Mit Bescheid vom 28.01.2011 lehnte der Beklagte daraufhin die Feststellung des Merkzeichens "Bl" ab. Hiergegen erhob der Kläger am 03.02.2011 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, inzwischen sei eine weitere Verengung des Gesichtsfeldes eingetreten. Beigefügt war der von Dr. G. am 04.02.2011 durchgeführte Blindengeldgutachten-Übersichtstest. Vorgelegt wurde weiter der Befund einer gutachterlichen Untersuchung des Klägers in der Universitäts-Augenklinik W. vom 30.03.2009. Danach betrug die Sehschärfe des rechten Auges mit getragener Kontaktlinse 0,1.
Der Beklagte hat daraufhin Dr. R. mit der Erstellung eines augenärztlichen Gutachtens beauf-tragt. Im Gutachten vom 23.05.2011 hat Dr. R. aufgrund einer gutachterlichen Untersuchung des Klägers am 10.05.2011 ausgeführt, zum Zeitpunkt der Untersuchung habe dieser mit dem rechten Auge Handbewegungen im Abstand von 1 Meter erkennen können, am linken Auge sei kein Lichtschein wahrnehmbar gewesen. Der Versuch einer Gesichtsfeldbestimmung mit dem Goldmannperimeter habe am rechten Auge ergebnislos nach zweiminütigem Proben abgebrochen werden müssen, da der Kläger die große Marke nicht wahrnehme. Der Spaltlampenbefund erkläre die fast vollständige Erblindung: Die rechte Hornhaut sei nach Transplantation erneut eingetrübt, die vorliegende Pseudophakie mehr zu ahnen als zu sehen, ein Einblick auf den Augenhintergrund nicht möglich durch Hornhauttrübung des Transplantates. Die transplantierte Hornhaut rechts könne nach der erneuten Eintrübung nicht mehr aufklaren, somit sei der Eintritt der Erblindung zum Untersuchungszeitpunkt gegeben.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 25.05.2011 stellte der Beklagte die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "Bl" ab 10.05.2011 fest. Nachdem der Kläger seinen Widerspruch mit der Begründung aufrecht erhalten hatte, er habe bereits am 18.10.2009 Antrag auf Blindengeld gestellt, bereits zu diesem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" vorgelegen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2011 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" hätten bereits ab 18.10.2009 (dem Datum des Antrags auf Landesblindengeld) vorgelegen. Der Kläger hat weiter den Befundbericht des Landeskrankenhauses K./Österreich vom 19.12.2003 über eine stationäre Behandlung vom 28.11.2003 bis 22.12.2003 vorgelegt. Danach war der Kläger wegen einer hypertensiven Entgleisung mit paroxysmaler Tachykardie und Zu-stand nach Kollaps sowie Bewusstlosigkeit unklarer Dauer am 12.11.2003 in einem Peripherie-spital aufgenommen worden. Es war die Diagnose einer Kokkenmeningitis gestellt worden. Im Konsiliarbericht der Augenabteilung vom 16.11.2003 wurde eine Hornhaut rechts erodiert, beidseits gelblich verfärbt, Endothelbeschläge links, AT links 22 mm HG, rechts durch Erosion nicht messbar, beschrieben. Im augenfachärztlichen Konsiliar vom 19.12.2003 zeigte die Hornhaut nach wie vor Descrementfalten rechts, die hinteren Synechien zum Teil gelöst, nach wie vor Pigmentablagerungen, links Hornhautdescrementfalten. Die Pupille zeigte eine Seclusio-Pupille mit Pigmenteinlagerungen.
In der Versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.02.2012 hat Dr. W. ausgeführt, es ergäben sich weiterhin keinerlei Gesichtspunkte, das Merkzeichen "Bl" für die Zeit vor 10.05.2011 fest-zustellen. Der Kläger hat sodann noch weitere Befundberichte aus den Jahren 2003 bis 2007 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. In der Versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2012 hat Dr. Götz hierzu ausgeführt, auch aus den weiteren vorgelegten Unterlagen lasse sich die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" zu einem früheren Zeitpunkt nicht ableiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" seien vor dem 10.05.2011 nicht nachgewiesen.
Gegen den am 07.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.09.2012 Berufung eingelegt.
Der Senat hat bei Dr. R. ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt. Im Gutachten vom 05.01.2013 hat dieser ausgeführt, das linke Auge des Klägers sei schon bei der Untersuchung durch Dr. G. im Dezember 2010 ohne Lichtscheinwahrnehmung gewesen. Am rechten Auge könnten bis Mai 2011 wechselnde Sehschärfenwerte aufgrund des bestehenden Krankheitsbildes angenommen werden. Eine computergesteuerte Gesichtsfelduntersuchung, wie am 04.02.2011 durchgeführt, könne in Zweifel gezogen werden. Es werde in der Regel für die Anerkennung von Blindengeld die Untersuchung mit dem Goldmannperimeter durchgeführt. Auch durch eine erneute Untersu-chung könne nicht geklärt werden, ob in der Zeit vor dem 10.05.2011 eine Sehkraft von 1/50 oder weniger oder zusätzliche Gesichtsfeldausfälle vorgelegen hätten. Jedenfalls die Untersu-chung mit der Goldmannperimetrie in der Universitäts-Augenklinik W. am 30.03.2009 habe keine zum Erlangen von Blindengeld ausreichende Ausfälle gezeigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 04. September 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2011 in Gestalt des Bescheides vom 25. Mai 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm das Merkzeichen "Bl" ab 18. Oktober 2009 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlie-ßungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" vor dem 10.05.2011.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetz-buch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch ge-sundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausglei-chen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenaus-weisverordnung ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "Bl" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Danach ist ein behinderter Mensch blind, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist weiter derjenige anzusehen, bei dem die beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei dem nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen, die dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachten sind. Gleichzuachtende Störungen des Sehvermögens in diesem Sinne sind nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) im Wesentlichen mit einer Minderung der Sehschärfe einhergehende Gesichtsfeldausfälle. Blind ist auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde. Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 der als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) überein (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 30.06.2009 - L 13 SB 62/04 -juris).
Eine entsprechende Herabsetzung der Sehschärfe ist beim Kläger vor dem 10.05.2011 nicht nachgewiesen.
Gegen ein Vorliegen der Voraussetzungen bereits ab 2003, wie der Kläger vorgetragen hat, spricht bereits sein eigener Vortrag. So hat er im Schreiben vom 21.07.2009 mitgeteilt, im Januar des Jahres 2009 sei ihm beim Einsetzen in das rechte Auge eine Kontaktlinse gebrochen. Seither betrage sein Sehvermögen bei eingesetzter Kontaktlinse nur noch ca. 20 %.
Auch aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen lässt sich kein früherer Zeitpunkt der Erblindung feststellen. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass Dr. G. im Befundbericht vom 12.12.2008 noch eine Sehschärfe rechts mit Kontaktlinse von 0,3 festgestellt hat. Bei der Unter-suchung in der Universitätsaugenklinik Ulm im Januar 2009 konnte für das rechte Auge ein Fernvisus von 1/10 gemessen werden. Diesen Visus hat Dr. G. auch unter dem 16.06.2009 mit-geteilt. In der Folgezeit ist zwar eine weitere Verschlechterung des Sehvermögens eingetreten. Gleichwohl hat Dr. G. in den Auskünften vom 13.11.2009 und 20.12.2010 noch ein Sehvermö-gen rechts von 0,05 und damit mehr als für die Zuerkennung des Merkzeichens maßgeblichen 0,02 mitgeteilt. Ein Visus von beidseits von 1/50 oder weniger zu einem früheren Zeitpunkt als dem 10.05.2011 ist damit nicht nachgewiesen.
Die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" kann auch nicht auf eine zusätzlich bestehende Einen-gung des Gesichtsfeldes gestützt werden (vgl. Teil A Nr. 6 b) bb) VG). Nach den Richtlinien der DOG liegt eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (ein Fünfzigstel) oder weniger gleichzusetzende Sehbehinderung bei einer Einengung des Gesichtsfeldes vor, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (ein Zwanzigstel) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15 Grad vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50 Grad unberücksichtigt bleiben.
Zwar hat Dr. G. beim Kläger am 04.02.2011 eine computergesteuerte Gesichtsfelduntersuchung durchgeführt. Das hierbei verwendete Testverfahren ist jedoch für die Feststellung einer Ge-sichtsfeldeinschränkung nicht geeignet, da es nicht den Empfehlungen der DOG entspricht. Nach Teil B Nr. 4 Abs. 2 VG ist die Sehschärfe grundsätzlich entsprechend den Empfehlungen der DOG nach DIN 58220 zu prüfen. Die übrigen Partialfunktionen des Sehvermögens sind nur mit Geräten und Methoden zu prüfen, die den Richtlinien der DOG entsprechend eine gutachtenrelevante einwandfreie Beurteilung erlauben. Hinsichtlich der Gesichtsfeldbestimmung bedeutet dies, dass nur Ergebnisse der manuell-kinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4 verwendet werden dürfen. Diesen Anforderungen entspricht die von Dr. G. durchgeführte Gesichtsfeldmessung nicht, so dass die dabei ermittelten Werte nicht heranzuziehen sind. Der Senat stützt sich hierbei auf die von Dr. R. erstatteten augenärztlichen Gutachten vom 23.05.2011, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, und vom 05.01.2013. Danach war das linke Auge zwar schon im Dezember 2010 ohne Lichtscheinwahrnehmung. Am rechten Auge lagen jedoch bis Mai 2011 aufgrund des Krankheitsbildes wechselnde Sehschärfenwerte vor. Eine Minderung der beidäugigen Sehkraft auf 1/50 oder weniger ist danach erst ab der gutachterlichen Untersuchung am 10.05.2011 nachgewiesen, so dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" erst ab diesem Datum erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ab welchem Zeitpunkt dem Kläger das Merkzeichen "Bl" (Blindheit) zuzuerkennen ist.
Dem 1950 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 18.06.2004 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 seit 27.04.2004 zuerkannt. Als Funktionsbeeinträchtigung wurde u.a. eine Seh-behinderung mit einem Teil-GdB von 70 zugrunde gelegt.
Am 08.12.2010 beantragte der Kläger die Feststellung des Merkzeichens "Bl". Der behandelnde Augenarzt Dr. G. teilte hierzu am 27.12.2010 mit, beim Kläger bestehe am rechten Auge eine fortgeschrittene Keratopathie bei Zustand nach Hornhauttransplantation. Am linken Auge bestehe ein Zustand nach Hornhauttransplantation sowie eine glaukomatöse Optikusatrophie. Die Sehschärfe betrage mit Kontaktlinse rechts 0,05, links bestehe kein Lichtschein. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 21.01.2011 führte Dr. E. aus, die hochgradige Sehbehinderung bedinge zwar einen GdB von 100, Blindheit im Sinne von Teil A Nr. 6 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung liege nicht vor. Mit Bescheid vom 28.01.2011 lehnte der Beklagte daraufhin die Feststellung des Merkzeichens "Bl" ab. Hiergegen erhob der Kläger am 03.02.2011 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, inzwischen sei eine weitere Verengung des Gesichtsfeldes eingetreten. Beigefügt war der von Dr. G. am 04.02.2011 durchgeführte Blindengeldgutachten-Übersichtstest. Vorgelegt wurde weiter der Befund einer gutachterlichen Untersuchung des Klägers in der Universitäts-Augenklinik W. vom 30.03.2009. Danach betrug die Sehschärfe des rechten Auges mit getragener Kontaktlinse 0,1.
Der Beklagte hat daraufhin Dr. R. mit der Erstellung eines augenärztlichen Gutachtens beauf-tragt. Im Gutachten vom 23.05.2011 hat Dr. R. aufgrund einer gutachterlichen Untersuchung des Klägers am 10.05.2011 ausgeführt, zum Zeitpunkt der Untersuchung habe dieser mit dem rechten Auge Handbewegungen im Abstand von 1 Meter erkennen können, am linken Auge sei kein Lichtschein wahrnehmbar gewesen. Der Versuch einer Gesichtsfeldbestimmung mit dem Goldmannperimeter habe am rechten Auge ergebnislos nach zweiminütigem Proben abgebrochen werden müssen, da der Kläger die große Marke nicht wahrnehme. Der Spaltlampenbefund erkläre die fast vollständige Erblindung: Die rechte Hornhaut sei nach Transplantation erneut eingetrübt, die vorliegende Pseudophakie mehr zu ahnen als zu sehen, ein Einblick auf den Augenhintergrund nicht möglich durch Hornhauttrübung des Transplantates. Die transplantierte Hornhaut rechts könne nach der erneuten Eintrübung nicht mehr aufklaren, somit sei der Eintritt der Erblindung zum Untersuchungszeitpunkt gegeben.
Mit Teil-Abhilfebescheid vom 25.05.2011 stellte der Beklagte die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "Bl" ab 10.05.2011 fest. Nachdem der Kläger seinen Widerspruch mit der Begründung aufrecht erhalten hatte, er habe bereits am 18.10.2009 Antrag auf Blindengeld gestellt, bereits zu diesem Zeitpunkt hätten die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" vorgelegen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2011 den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" hätten bereits ab 18.10.2009 (dem Datum des Antrags auf Landesblindengeld) vorgelegen. Der Kläger hat weiter den Befundbericht des Landeskrankenhauses K./Österreich vom 19.12.2003 über eine stationäre Behandlung vom 28.11.2003 bis 22.12.2003 vorgelegt. Danach war der Kläger wegen einer hypertensiven Entgleisung mit paroxysmaler Tachykardie und Zu-stand nach Kollaps sowie Bewusstlosigkeit unklarer Dauer am 12.11.2003 in einem Peripherie-spital aufgenommen worden. Es war die Diagnose einer Kokkenmeningitis gestellt worden. Im Konsiliarbericht der Augenabteilung vom 16.11.2003 wurde eine Hornhaut rechts erodiert, beidseits gelblich verfärbt, Endothelbeschläge links, AT links 22 mm HG, rechts durch Erosion nicht messbar, beschrieben. Im augenfachärztlichen Konsiliar vom 19.12.2003 zeigte die Hornhaut nach wie vor Descrementfalten rechts, die hinteren Synechien zum Teil gelöst, nach wie vor Pigmentablagerungen, links Hornhautdescrementfalten. Die Pupille zeigte eine Seclusio-Pupille mit Pigmenteinlagerungen.
In der Versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.02.2012 hat Dr. W. ausgeführt, es ergäben sich weiterhin keinerlei Gesichtspunkte, das Merkzeichen "Bl" für die Zeit vor 10.05.2011 fest-zustellen. Der Kläger hat sodann noch weitere Befundberichte aus den Jahren 2003 bis 2007 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. In der Versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2012 hat Dr. Götz hierzu ausgeführt, auch aus den weiteren vorgelegten Unterlagen lasse sich die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" zu einem früheren Zeitpunkt nicht ableiten.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" seien vor dem 10.05.2011 nicht nachgewiesen.
Gegen den am 07.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.09.2012 Berufung eingelegt.
Der Senat hat bei Dr. R. ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt. Im Gutachten vom 05.01.2013 hat dieser ausgeführt, das linke Auge des Klägers sei schon bei der Untersuchung durch Dr. G. im Dezember 2010 ohne Lichtscheinwahrnehmung gewesen. Am rechten Auge könnten bis Mai 2011 wechselnde Sehschärfenwerte aufgrund des bestehenden Krankheitsbildes angenommen werden. Eine computergesteuerte Gesichtsfelduntersuchung, wie am 04.02.2011 durchgeführt, könne in Zweifel gezogen werden. Es werde in der Regel für die Anerkennung von Blindengeld die Untersuchung mit dem Goldmannperimeter durchgeführt. Auch durch eine erneute Untersu-chung könne nicht geklärt werden, ob in der Zeit vor dem 10.05.2011 eine Sehkraft von 1/50 oder weniger oder zusätzliche Gesichtsfeldausfälle vorgelegen hätten. Jedenfalls die Untersu-chung mit der Goldmannperimetrie in der Universitäts-Augenklinik W. am 30.03.2009 habe keine zum Erlangen von Blindengeld ausreichende Ausfälle gezeigt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 04. September 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2011 in Gestalt des Bescheides vom 25. Mai 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm das Merkzeichen "Bl" ab 18. Oktober 2009 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlie-ßungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" vor dem 10.05.2011.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetz-buch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch ge-sundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausglei-chen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenaus-weisverordnung ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "Bl" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Danach ist ein behinderter Mensch blind, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist weiter derjenige anzusehen, bei dem die beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei dem nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen, die dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachten sind. Gleichzuachtende Störungen des Sehvermögens in diesem Sinne sind nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) im Wesentlichen mit einer Minderung der Sehschärfe einhergehende Gesichtsfeldausfälle. Blind ist auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde. Insoweit stimmt der Blindheitsbegriff in § 72 Abs. 5 SGB XII mit demjenigen nach Teil A Nr. 6 der als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 erlassenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) überein (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 30.06.2009 - L 13 SB 62/04 -juris).
Eine entsprechende Herabsetzung der Sehschärfe ist beim Kläger vor dem 10.05.2011 nicht nachgewiesen.
Gegen ein Vorliegen der Voraussetzungen bereits ab 2003, wie der Kläger vorgetragen hat, spricht bereits sein eigener Vortrag. So hat er im Schreiben vom 21.07.2009 mitgeteilt, im Januar des Jahres 2009 sei ihm beim Einsetzen in das rechte Auge eine Kontaktlinse gebrochen. Seither betrage sein Sehvermögen bei eingesetzter Kontaktlinse nur noch ca. 20 %.
Auch aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen lässt sich kein früherer Zeitpunkt der Erblindung feststellen. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass Dr. G. im Befundbericht vom 12.12.2008 noch eine Sehschärfe rechts mit Kontaktlinse von 0,3 festgestellt hat. Bei der Unter-suchung in der Universitätsaugenklinik Ulm im Januar 2009 konnte für das rechte Auge ein Fernvisus von 1/10 gemessen werden. Diesen Visus hat Dr. G. auch unter dem 16.06.2009 mit-geteilt. In der Folgezeit ist zwar eine weitere Verschlechterung des Sehvermögens eingetreten. Gleichwohl hat Dr. G. in den Auskünften vom 13.11.2009 und 20.12.2010 noch ein Sehvermö-gen rechts von 0,05 und damit mehr als für die Zuerkennung des Merkzeichens maßgeblichen 0,02 mitgeteilt. Ein Visus von beidseits von 1/50 oder weniger zu einem früheren Zeitpunkt als dem 10.05.2011 ist damit nicht nachgewiesen.
Die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" kann auch nicht auf eine zusätzlich bestehende Einen-gung des Gesichtsfeldes gestützt werden (vgl. Teil A Nr. 6 b) bb) VG). Nach den Richtlinien der DOG liegt eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (ein Fünfzigstel) oder weniger gleichzusetzende Sehbehinderung bei einer Einengung des Gesichtsfeldes vor, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (ein Zwanzigstel) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15 Grad vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50 Grad unberücksichtigt bleiben.
Zwar hat Dr. G. beim Kläger am 04.02.2011 eine computergesteuerte Gesichtsfelduntersuchung durchgeführt. Das hierbei verwendete Testverfahren ist jedoch für die Feststellung einer Ge-sichtsfeldeinschränkung nicht geeignet, da es nicht den Empfehlungen der DOG entspricht. Nach Teil B Nr. 4 Abs. 2 VG ist die Sehschärfe grundsätzlich entsprechend den Empfehlungen der DOG nach DIN 58220 zu prüfen. Die übrigen Partialfunktionen des Sehvermögens sind nur mit Geräten und Methoden zu prüfen, die den Richtlinien der DOG entsprechend eine gutachtenrelevante einwandfreie Beurteilung erlauben. Hinsichtlich der Gesichtsfeldbestimmung bedeutet dies, dass nur Ergebnisse der manuell-kinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4 verwendet werden dürfen. Diesen Anforderungen entspricht die von Dr. G. durchgeführte Gesichtsfeldmessung nicht, so dass die dabei ermittelten Werte nicht heranzuziehen sind. Der Senat stützt sich hierbei auf die von Dr. R. erstatteten augenärztlichen Gutachten vom 23.05.2011, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, und vom 05.01.2013. Danach war das linke Auge zwar schon im Dezember 2010 ohne Lichtscheinwahrnehmung. Am rechten Auge lagen jedoch bis Mai 2011 aufgrund des Krankheitsbildes wechselnde Sehschärfenwerte vor. Eine Minderung der beidäugigen Sehkraft auf 1/50 oder weniger ist danach erst ab der gutachterlichen Untersuchung am 10.05.2011 nachgewiesen, so dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" erst ab diesem Datum erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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