Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3778/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 6068/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 06. November 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuteilung einer neuen Versicherungsnummer unter Zugrundelegung eines geänderten Geburtsdatums.
Für den in der Türkei geborenen Kläger wurde erstmals am 04.10.1977 eine Versicherungsnummer vergeben, die das damals angegebene Geburtsdatum 01.01.1960 berücksichtigte. Am 12.09.2007 beantragte der Kläger über seine Bevollmächtigten die Abänderung des Geburtsdatums auf den 20.11.1955. Er verwies hierzu auf eine beigefügte beglaubigte Abschrift des Taufbuches des Dorfes M. sowie auf das Zeugnis des Priesters, der ihn getauft habe, der nunmehr in Berlin lebe. Er sei am 20.11.1955 geboren und am 30.11.1955 getauft worden. Er legte zudem eine Bestätigung seines Vaters, des derzeitigen Gemeindepfarrers in Medin, M. T. und des Bürgermeisters C. T. vom 30.10.2007 vor. In der ebenfalls mit vorgelegten deutschen Übersetzung des öffentlich bestellten und vereidigten Übersetzers Metin Tok vom 17.11.2007 war folgendes vermerkt worden:
"Auszug aus dem Taufbuch der St. Jakob-Kirche des Dorfes M.
Vorname des Täuflings: S. Vorname des Vaters: M. Vorname der Mutter: G. Das Geburtsdatum: 20.11.1955 Der Taufpate: S. Der taufende Priester: P. Das Taufdatum: 30.11.1955"
In einer Anmerkung hielt der Übersetzer fest, dass die Familiennamen (T., T. und B.) im Taufbuch nicht erwähnt wurden, weil es früher bei den syrisch-orthodoxen Christen üblich gewesen sei, dass man die beteiligten Personen nur mit dem Vornamen in das Taufbuch eingetragen habe.
Die Erklärung des Gemeindepfarrers M. T. und des Bürgermeisters C. T. vom 30.10.2007 ist folgendermaßen übersetzt worden: "Der umseitige Auszug aus dem Taufbuch der St. Jakob-Kirche des Dorfes M. bescheinigt das Geburtsdatum sowie das Taufdatum des S. T., der als Sohn der Eheleute M. und G. T. am 20.11.1955 im Dorf M. geboren ist. Er wurde am 30.11.1955 durch den Priester Pfr. Y. T. in der St. Jakob-Kirche des Dorfes M. getauft. Hiermit wird die Richtigkeit der oben angegebenen Geburts- u. Taufdaten durch die Unterschrift des Gemeindepfarrers des Dorfes M. (Pfr. M. T.) und dessen Bürgermeister C. T. bestätigt."
Mit Bescheid vom 07.03.2008 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Versicherungsnummer mit einem abgeänderten Geburtsdatum ab. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß § 33a Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) das Geburtsdatum maßgebend sei, welches bei der erstmaligen Vergabe der Versicherungsnummer gegenüber einem Sozialleistungsträger bzw. Arbeitgeber nachgewiesen worden sei. Nach dieser Vorschrift dürfe von diesem Geburtsdatum nur dann abgewichen werden, wenn vom Rentenversicherungsträger festgestellt werde, dass damals ein Schreibfehler vorgelegen habe oder eine Urkunde vorgelegt werde, deren Original vor dem Vergabedatum der Versicherungsnummer ausgestellt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass sämtliche Urkunden bzw. Nachweise, die das Geburtsdatum mit dem 20.11.1955 auswiesen, zeitlich nach den ersten Angaben aus Anlass der Arbeitsaufnahme in Deutschland ausgestellt worden seien, so dass die Ausnahmeregelung nicht einschlägig sei. Es komme deshalb nicht darauf an, welcher Beweiswert diesen Urkunden beizumessen wäre. Nur wenn eine vor der Erstvergabe der Versicherungsnummer ausgestellte Urkunde ein anderes Geburtsdatum beweise, bestehe in der Regel nicht die Gefahr der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Dagegen blieben Geburtsdatumsänderungen, die nach der Erstausgabe einer Versicherungsnummer vorgenommen wurden, bei der beanspruchten Neuvergabe der Versicherungsnummer unberücksichtigt.
Hiergegen hat der Kläger am 26.03.2008 Widerspruch eingelegt. Er hielt daran fest, dass durch die Kopie des Taufbuches mit rückseitiger Bestätigung seitens des Bürgermeister des Dorfes C. T. sowie des Pfarrers des Dorfes Melke Tok nachgewiesen sei, dass die Kopie mit der Originalseite des Taufbuches übereinstimme, und dieses im Jahre 1953 eingeführt worden sei und als Originaltaufbuch in der St. Jakob-Kirche in M. verbleiben müsse. Ferner, dass er am 30.11.1955 getauft und am 20.11.1955 geboren worden sei. Der Kläger legte erneut eine Kopie eines Auszuges aus dem Taufbuch sowie eine weitere handschriftliche Bestätigung, unterzeichnet vom Pfarrer der Dorfgemeinde, M. T., sowie des Bürgermeisters der Dorfgemeinde, C. T., vom 23.02.2009 vor, in dem diese bestätigten, dass die Taufurkunde des S. T., Sohn von M. T., nach den eingetragenen Angaben des Taufbuches der St. Jakob-Kirche in Medin ausgestellt worden sei. Die Eintragungen in das Taufbuch der Kirche hätten erst im Jahre 1953 begonnen. Seitdem sei jedes getaufte Kind mit seinem jeweiligen Geburts- und Taufdatum in dieses Buch eingetragen worden. Das Buch werde nur für Taufzwecke verwendet und werde unveränderlich als Originaltaufbuch bis heute weitergeführt (Übersetzung des öffentlich bestellten und vereidigten Übersetzers M. T. vom 22.04.2009).
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die beiden Taufbuchauszüge kein Eintragungsdatum enthielten und daher nicht als Beweismittel im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I anerkannt werden könnten. Andere Urkunden habe der Kläger nicht vorgelegt.
Hiergegen hat der Kläger am 27.10.2008 Klage zum Sozialgerichts Ulm (SG) erhoben.
Der Kläger hält unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages an seiner Rechtsauffassung fest. Darüber hinaus hat er die Bestätigung des Bischofes G. M. Ü. vom 06.05.2009 in deutscher Übersetzung vorgelegt. Dieser führt aus, dass er als Gebürtiger des Dorfes M. bestätige, dass das Taufregister der Kirche Mor Jacob von S. des Dorfes ab dem Jahr 1953 seine volle Richtigkeit besitze. Dieses Taufregister werde bis heute benutzt, um die Geburten und Taufen der Dorfbewohner einzutragen. Die eigene Geburt und Taufe im Jahre 1957 sei ebenfalls in diesem Taufregister eingetragen. Außerdem hat der Kläger die Bestätigung des Priesters Herrn H. T. vom 14.09.2009 vorgelegt. Dieser führt aus, dass er ab 1953 Priester in der Gemeinde M. gewesen sei und ihm die damalige Führung des Taufbuchs oblegen habe. Ihm liege der Auszug aus dem Taufbuch der St.-Jakobs-Kirche des Dorfes M. vor. Er bestätige hiermit, dass er am 30.11.1955 die Taufe des Kindes S. T. vorgenommen und gleichzeitig im Taufbuch persönlich eingetragen habe.
Mit Urteil vom 06.11.2009 hat das SG den Bescheid vom 07.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2008 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger rückwirkend ab dem 12.09.2007 eine Versicherungsnummer unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 20.11.1955 zu erteilen. § 33a Abs. 3 SGB I schaffe eine Ermächtigung und räume der Beklagten die Befugnis ein, ein anderes Geburtsdatum als maßgebend zu betrachten, ohne dass hierbei gleichzeitig Ermessen auszuüben sei. Aus der vorgelegten auszugsweisen Kopie des Taufbuches, von dem eine Übersetzung gefertigt und dem Gericht vorgelegt worden sei, ergebe sich das Geburtsdatum 20.11.1955. Dass der Kläger allein eine Kopie des Taufbuches und nicht das Original vorgelegt habe, hindere das Gericht nicht an einer für den Kläger günstigen Entscheidung. Denn nach dem Wortlaut des § 33a Abs. 1 Nr. 2 SGB I müsse sich das abweichende Geburtsdatum aus einer Urkunde ergeben, dessen Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 der Norm ausgestellt worden sei. Schon aus dem Gesetzeswortlaut gehe hervor, dass das Original zwar vor dem genannten Zeitpunkt ausgestellt, aber dem Gericht nicht vorliegen müsse. Für die Überzeugungsbildung des Gerichts könne also eine Kopie von Bedeutung sein und zwar unabhängig davon, wann sie ausgestellt worden sei. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die den Kläger betreffende Eintragung im Taufbuch am 30.11.1955 und damit vor dem 04.10.1977 erfolgt sei. Diesen Schluss ziehe die Kammer sowohl aus der Kopie des Taufbuches selbst, wie auch aus den weiteren ergänzend vorgelegten Dokumenten. In der vorgelegten auszugsweisen Kopie des Taufbuches würden zehn Taufen dokumentiert, die nach den Eintragungen zwischen dem 18.02.1955 und dem 28.03.1956 in der St.-Jakob-Kirche in M. stattgefunden hätten. Die Taufe des Klägers befinde sich von oben gezählt an der sechsten Stelle der Eintragungen. Anhaltspunkte, dass in den vorgelegten Dokumenten die Unwahrheit behauptet werde oder etwa der Auszug des Taufbuches manipuliert sei, drängten sich nicht auf. Dies sei auch von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vorgetragen worden. In den Bestätigungen des Bürgermeisters von M., des heutigen Pfarrers als auch des Bischoffes G. M. Ü. werde hervorgehoben, dass das Taufbuch schon seit 1953 geführt und die Geburten und Taufen der Dorfbewohner dort eingetragen würden. Der Erzpriester T. erkläre zudem in seiner Bestätigung vom 14.09.2009, ihm habe die Führung des Taufbuches oblegen und er habe die Taufe des Klägers persönlich gleichzeitig eingetragen. Auch diese Erklärungen offenbarten für sich gesehen keine Unrichtigkeiten. Gegen die gezogene Schlussfolgerung spreche auch nicht, dass die Bestätigungen sämtlich erst nach dem 4. Oktober 1977 ausgestellt seien. Denn § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I verlange allein, dass das Original der Urkunde, aus der sich das abweichende Geburtsdatum ergebe, vor dem Datum der ersten Angabe eines Geburtsdatums nach Absatz 1 ausgestellt sein müsse. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass Urkunden, aus denen das Gericht Anhaltspunkte für die Beweiswürdigung im Hinblick auf diese Frage gewinne, ihrerseits vor diesem Zeitpunkt liegen müssten.
Gegen das der Beklagten am 25.11.2009 zugestellte Urteil hat diese am 23.12.2009 Berufung eingelegt. Sie macht zur Begründung geltend, dass dem SG zwar zuzustimmen sei, dass auch eine Fotokopie eine Urkunde darstellen könne. Die Ausstellung des Originals müsse aber zweifelsfrei vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Angabe des Geburtsdatums liegen. Ausschlaggebend sei, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden könne, dass eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Das Ausstellungsdatum des Taufbuches lasse sich jedoch aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht zweifelsfrei feststellen. Die Kopie des Taufbuchs selber lasse weder den Aussteller noch das Datum der Ausstellung erkennen. Diese Zweifel bestätige auch das angegriffene Urteil. Weder die Aussagen des Gemeindepfarrers, der wohl der Vater des Täuflings sei, noch des Bürgermeister, noch des taufenden Priesters könnten die Beweiskraft der vorgelegten Kopie stützen. Bezüglich des taufenden Priesters sei es kaum nachvollziehbar, dass dieser sich auf den Tag genau nach ca. 50 Jahren an einen bestimmten Tauftag bzw. das davorliegende Geburtsdatum erinnern könne. Auch hinsichtlich der anderen beiden Zeugen sei wohl anzunehmen, dass hier zweifelsfrei nur grundsätzliche Angaben über das Zustandekommen des Taufbuches gemacht werden könnten. Es erscheine fraglich, ob der Bürgermeister überhaupt Aussagen zum Entstehungszeitpunkt des Taufbuches machen könne. Zur Beweiskraft von Ersteintragung von Geburten in der Türkei habe das BSG ausgeführt: " Gleichzeitig wird aber berücksichtigt werden müssen, dass auch die Ersteintragung einer Geburt, insbesondere in ländlichen Gebieten der Türkei, keine Vermutung der Richtigkeit für sich beanspruchen könne. In der Literatur ( ...) wird berichtet, dass Eintragungen nicht selten erst mehrere Jahre nach der Geburt vorgenommen wurden und der genaue Zeitpunkt der Geburt bei der Eintragung und Umständen schon nicht mehr bekannt war ...". Im Taufbuch sei lediglich der Name "Sabo" aufgeführt. Schon diesbezüglich fehle es an der Sicherheit, dass es sich um den Kläger handele, zumal entsprechend der Interneteinträge der Name "Sabo" im Aramäischen keine Ausnahme darstelle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält daran fest, dass im Taufbuch festgehalten sei, dass eine Taufe stattgefunden habe und zwar eines Kindes mit dem Namen Sabo. Es werde definiert über die Namen der Eltern und den Namen des Taufpaten. Es sei das Geburtsdatum und das Taufdatum festgehalten worden. In der Urkunde sei nicht vermerkt, wann tatsächlich die Eintragung erfolgt sei. Von Seiten des Bürgermeisters sei bestätigt worden, dass die Kopie mit dem Original übereinstimme. Weiterhin sei durch den taufenden Priesters bestätigt, dass er alle Taufen, so auch diese Taufe, nach ihrer Reihenfolge und zum Zeitpunkt der Taufe eingetragen habe. Er verweist auf das Urteil des BSG vom 05.04.2001 (B 13 RI 35/00), wonach grundsätzlich eine Verpflichtung bestehe, von der Behörde des anderen Staates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkret auf den Einzelfall bezogene Anhaltpunkte ersichtlich in Frage gestellt würden. Aus Sicht des Klägers fehle es gerade an solchen Anhaltspunkten. Das BSG habe es ausreichen lassen, dass mit Hilfe einer Alturkunde Beweis erbracht werde, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits an einem bestimmten Tag gelebt habe und so zumindest dieser Tag als Geburtstag zu Grunde gelegt werden könne. Dies sei im Hinblick darauf, dass das Taufregister Auskunft über den Zeitpunkt der Taufe gebe und dieser auch eingetragen sei, vergleichbar mit dem vorliegenden Verfahren. § 33a Abs. 2 SGB I verlange nicht, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt sei, dies wäre aber im vorliegenden Fall sogar gegeben. Es reiche, wenn die durch die Urkunden bewiesenen Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum schließen ließen. Ob das Geburtsdatum tatsächlich zutreffend eingetragen worden sei, könne zweifelhaft sein. Unzweifelhaft sei jedoch die Taufe im Taufregister eingetragen und festgehalten worden. Damit stehe der Zeitpunkt der Taufe fest, weil zum Zeitpunkt der Taufe der Kläger geboren sein musste. Es sei damit festzustellen, dass ein früheres Geburtsdatum, als das bislang von Seiten der Beklagten festgestellte, festzustellen sei.
Der Kläger wurde in einem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 21.05.2010 persönlich angehört. Wegen der gemachten Angaben wird auf die Niederschrift vom selben Tage verwiesen.
Der Kläger hat daraufhin Kopien von Fotografien aus dem Taufbuch vorgelegt (Bl. 39 ff. der Senatsakten). Er hat darüber hinaus eine Bestätigung der Republik Türkei vom 10.06.1992 vorgelegt, wonach der am 01.01.1960 in M. gebürtige S. T., Sohn des M. und der G., gemäß des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 § 25 C und mit dem Beschluss des Ministerrates vom 10.02.1992, Aktenzeichen 92/2749, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden sei, weil er in der Türkei nicht zur Ableistung seines Wehrdienstes gekommen sei. Außerdem hat der Kläger eine Kopie des Nüfus Kayit Örnegi vom 03.03.1988 vorgelegt.
Der Senat hat auszugsweise die Fotografien des Taufbuches übersetzen lassen (Bl. 61-63 der Senatsakte). Die Beklagte weist darauf hin, dass sich im Vergleich zu den Kopien, die der Kläger aus dem Taufbuch vorgelegt habe, Unterschiede ergäben. Es seien unterschiedliche Schreibweisen festzustellen. Die Eintragungen und die Schriftbilder der Geburtsdaten stimmten nach Auffassung der Beklagten nicht überein. In Zeile 12 der beigefügten Kopien sei der Monat Oktober durch die Zahl 10 dargestellt. Dabei seien die Nullen in der Fotokopie im Vergleich zur Fotografie jeweils unterschiedlich groß. Ferner erschienen in der Zeile 12 in der mittigen Spalte die letzten beiden "5er" unterschiedlich geschrieben. Auch weitere Diskrepanzen, die die Beklagte näher ausgeführt hat, seien festzustellen. Diese lediglich beispielhaft aufgezeigten Unterschiede ließen sich nicht über die unterschiedlich Art der Abbildung erklären. Aufgrund der unterschiedlichen Schreibweisen sei logischerweise davon auszugehen, dass nachträgliche Änderungen des Taufregisterauszuges oder irgendwelcher Kopien vorgenommen worden seien. Weil das Original nicht vorgelegt worden sei, könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass hier keine Veränderungen vorgenommen worden seien, beziehungsweise die daran enthaltenen Daten alle dem Ersteintrag entsprechen. Aufgrund der fehlenden Nachnamen könne darüber hinaus nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Personengleichheit handele. Aus der vorgelegten Kopie des Nüfus Kayit Örnegi gehe hervor, dass der Kläger am 01.01.1960 geboren worden sei. Der Eintrag der Personenstandsdaten in das türkische Einwohnerbuch habe einen höheren Beweiswert, weil in der Regel in der Türkei sämtliche Ausweispapiere, Rentendokumente etc. auf diesem amtlichen Eintrag basierten. Die Angaben des Klägers, er habe sich wegen der Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik Deutschland jünger gemacht, sei nicht nachvollziehbar, weil zum damaligen Zeitpunkt der Einstellungsstop bei 34 Jahren gelegen habe und er diese Grenze nicht annähernd erreicht habe. Es sei daher bislang kein Nachweis er-bracht, dass der Kläger vor dem 01.01.1960 geboren sein könnte.
Der Kläger hat hierauf erwidert, die Unterschiede seien im Gegensatz zur Kopie der entsprechenden Seiten der "Rundung" des Buches zuzuschreiben, die sich aus der Fotografie ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Vergabe einer neuen Versicherungsnummer verpflichtet.
Richtige Klageart für das Begehren des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 05.04.2001, B 13 RJ 35/0 0 R, in Juris).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 20.11.1955. Der für diesen Rechtsstreit entscheidende Teil der Versicherungsnummer ist das in ihr gem. § 147 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI enthaltene Geburtsdatum. Im Falle einer Änderung des Geburtsjahres hätte dies gem. § 152 Nr. 3 SGB VI i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung - VKVV - zur Folge, dass der Versicherte eine neue Versicherungsnummer erhält.
Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist gem. § 33a Abs. 1 SGB I das Geburtsdatum maßgebend, das erstmals gegenüber einem Sozialleistungsträger oder dem Arbeitgeber angegeben wurde. Ein davon abweichendes Geburtsdatum ist es nur dann, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass 1. ein Schreibfehler vorliegt, oder 2. sich das andere Geburtsdatum aus einer Urkunde ergibt, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist (§ 33a Abs. 2 SGB I). Sind die Voraussetzungen für eine Abweichung gegeben, ist das entsprechende Datum im Leistungsfall grundsätzlich unabhängig davon maßgebend, welche Angaben zum Geburtsdatum an anderer Stelle vorgemerkt oder festgestellt sind.
Der Gesetzgeber hat mit § 33a SGB I die Anknüpfung an das "wahre" Geburtsdatum aufgegeben und - zur Vermeidung einer dafür besonders verwaltungsintensiven Prüfung und um missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen (vgl die Gesetzesbegründung BT-Drucks 13/8994, S. 67 zu Art. 1a) - das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert. Für die Beurteilung der Frage, ob sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt, können auch nicht nur Personenstandsunterlagen bzw. nur solche Urkunden herangezogen werden, die das Geburtsdatum unmittelbar selbst dokumentieren (vgl. BSG, Urt. v. 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, in Juris). Denn die Vorschrift enthält keine Beschränkung auf eine Berücksichtigung nur bestimmter Arten von Urkunden, so dass sich der Urkundenbegriff des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nach den allgemeinen Bestimmungen richtet. Urkunden sind danach alle durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärungen, die geeignet sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Dass nur Urkunden zu berücksichtigen sind, deren Original vor der ersten Angabe des Versicherten im Sinne von § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, bedeutet auch nicht, dass das Original der Urkunde vorliegen muss. Ausschlaggebend ist allein, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, dass eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe i.S.d. § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Daher kann für die Überzeugungsbildung des Gerichts auch eine Kopie von Bedeutung sein, unabhängig davon, wann diese ausgestellt worden ist (vgl. insoweit und m.w.N. BSG, Urt. v. 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R).
§ 33a Abs. 2 Nr ... 2 SGB I ist zudem zu entnehmen ("ergibt"), dass das der ersten Angabe entsprechende Geburtsdatum nicht automatisch durch das Geburtsdatum, das die ältere Urkunde enthält, zu ersetzen ist. Auch und gerade im Hinblick auf den weiten Urkundenbegriff ist im Rahmen des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden, ob statt des zuerst angegebenen Geburtsdatums nunmehr das sich aus einer älteren Urkunde ergebende Geburtsdatum zugrunde zu legen ist. Dabei kommt der Art der Urkunde besondere Bedeutung zu (BSG Urt. v. 05.04.2001, a.a.O.).
Der Senat kann sich unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht vom Vorliegen einer Urkunde überzeugen, die ein anderes Geburtsdatum des Klägers zeitlich vor den Erstangaben des Klägers bei der Vergabe der Versicherungsnummer belegen könnte.
Der Senat stellt zunächst fest, dass die vorgelegten Kopien von Auszügen des Taufregisters des Dorfes Medin für sich genommen keine abschließende Auskunft darüber geben, welche Person wann geboren und getauft wurde. Bereits mit der Anmerkung des Übersetzers in der ersten vorgelegten Übersetzung vom 17.11.2007 war darauf hingewiesen worden, dass in diesem Taufbuch - entsprechend der damaligen Gepflogenheiten syrisch-orthodoxer Christen - nur Vornamen ins Taufbuch eingetragen worden sind. Ein hinreichender Bezug zum Täufling ergibt sich nur über die ebenfalls nur mit dem Vornamen im Taufregister eingetragenen Eltern. Weitere Daten, die einen sicheren Rückschluss auf den Täufling zuließen, wie Wohnort oder andere Daten, fehlen. Damit wird erst durch die Bestätigung des Vaters und Gemeindepfarrers M. T. und des Bürgermeisters C. T., die diese am 30.10.2007 abgegeben haben, die Behauptung untermauert, bei dem an 6. Stelle von oben genannten Täufling handele es sich um den Kläger. Denn erst diese bestätigen in den vorgelegten Aussagen, dass der Auszug aus dem Taufbuch das Geburtsdatum sowie das Taufdatum des S. T., der als Sohn der Eheleute M. und G. T. am 20.11.1955 geboren sei, bescheinige. Darüber hinaus bescheinigen sie, dass der Kläger am 30.11.1955 durch den Priester Pfr. Y. T. in der St. Jakob-Kirche des Dorfes M. getauft worden sei. In Bezug auf die hier nach § 33a SGB I allein maßgebliche Urkunde, den Auszug aus dem Taufregister, bescheinigen der heutige Pfarrer des Dorfes M. und der Bürgermeister lediglich die Umstände, die sich aus dem Taufbuch selbst ergeben, ohne zu belegen, dass und wann diese Eintragungen erfolgt sind, da sie nicht behaupten, dass sie diese Eintragungen selbst vorgenommen hätten noch dass sie bei der Eintragung zugegen gewesen wären. Dass das Taufbuch seit 1953 geführt worden sein soll, belegt für sich genommen auch nicht zwangsläufig, dass alle Geburten tatsächlich in der richtigen zeitlichen Reihenfolge eingetragen wurden und dass diese Daten auch zutreffend sind (vgl. hierzu BSG, 15.04.2001, B 13 RJ 35/00 R, in Juris, dort Rz 30). Etwas anderes lässt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht mit den vorgelegten Einlassungen des damaligen Pfarrers T. begründen. Dieser hatte in seiner "Bestätigung" vom 14.09.2009 (Bl. 20 SG-Akte) zwar angegeben, dass ihm die Führung des Taufbuches ab 1953 oblegen habe und ausgeführt, dass ihm der Auszug aus dem Taufbuch der St. Jakobs-Kirche des Dorfes M. vorgelegen habe, worauf er bestätigte, dass er am 30.11.1955 die Taufe des Kindes Sabo Tok vorgenommen und gleichzeitig in das Taufbuch persönlich eingetragen habe. Damit ist für den Senat die Echtheit der Urkunde, und nur hierauf kommt es an, aber nicht belegt. Der Einlassung kann schon nicht entnommen werden, in welcher Form ihm der Auszug aus dem Taufbuch vorgelegt worden ist. Nachdem der benannte Zeuge in Berlin lebt, kann ausgeschlossen werden, dass er sich persönlich von der Eintragung im Taufbuch im Dorf M. überzeugt hat. Soweit die Auskunft auf der auch dem Gericht vorgelegten Kopie beruht, bestehen begründete Zweifel an der Echtheit und Aussagekraft der Urkunde, weil die vom Kläger mit der Behauptung, bei den vorgelegten Kopien handele es sich um solche des Taufbuches nicht mit den auf Veranlassung des Senats vorgelegten Fotografien übereinstimmen ...
Ausgehend von der im Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes vorgelegten "Originalkopie" (Bl. 30 der Senatsakten - mit handschriftlichen Bestätigungen vom 04.07.2008 auf der Rückseite) ergeben sich im Vergleich zu den vorgelegten Fotografien deutliche Abweichungen, die auch nicht mit der Wölbung der Buchseiten, die im Rahmen einer Fotografie ohne Zweifel deutlicher hervortreten, erklärt werden können. So findet sich beispielsweise oberhalb der Zeile, die den Kläger betreffen soll (Zeile 12 der von der Beklagten vorgelegten Nummerierung) auf der Fotokopie bei dem Datum "21.10.1955" eine deutlich kleinere und kräftiger gemalte Null und eine "2", die den vorgegebenen tabellarischen Seitenrand der Buchseite auf der Fotografie berührt, während sie auf der Kopie hiervon noch deutlich abgesetzt ist. Darüber hinaus ist die erste "5" in der Jahreszahl "1955" auf der Fotografie deutlich höhergestellt als auf der Kopie, wo die gesamte Jahreszahl die untere Begrenzungslinie berührt. Auffällig ist auch das darüberstehende Taufdatum "14.09.1955". Auf der Fotografie kreuzt der senkrechte Strich der Zahl 4 die untere Begrenzungslinie, während er auf der Fotokopie diesen nicht berührt. Darüber hinaus wird die Zahl "1955" in der Fotografie gleichmäßig über der unteren Begrenzungslinie des tabellarischen Rasters geführt, während auf der vom Kläger vorgelegten Kopie die "95" deutlich höher steht. Unterschiede ergeben sich zwischen Fotografie und Kopie auch beim Taufdatum in der Zeile 20, wo die "8" in der Zahl "28" deutlich anders geschwungen ist und in Zeile 22, wo die "5" in der Zahl 1956 auf der Fotografie so ausgeschwungen gezeichnet ist, dass sie den Bogen der "9" berührt. Diese Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden, insbesondere auch für die handschriftlichen Eintragungen der enthaltenen Namen. Ergänzend darf hierzu auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 14.05.2013 verwiesen werden. Der Senat vermag angesichts dieser Widersprüchlichkeiten und der Einlassung des Klägers im Schriftsatz vom 05.06.2013, er habe sich mit dem Priester in Verbindung gesetzt und die Mitteilung erhalten, dass die Fotografie und die Kopie von der gleichen Seite stammten, nicht zu entscheiden, ob neben dem Original-Taufbuch auch noch eine Abschrift dieses Taufbuches geführt wird und die unterschiedlichen Abbildungen des Taufbuches von unterschiedlichen Büchern stammen oder ob die Kopien oder Fotografien nachträglich manipuliert wurden. Fest steht jedenfalls, dass die vorgelegten Kopien nicht die Echtheit einer bestehenden Urkunde im Sinne des § 33a SGB I belegen, auch wenn sich inhaltliche Differenzen auf den vorgelegten Seiten nicht festmachen lassen. Dass nun die Fotografien des Taufbuches die Existenz einer solchen Urkunde belegen könnten, ergibt sich ebenso wenig. Denn auch hierfür gelten die oben gemachten Ausführungen, wonach die Urkunde selbst nur Vornamen enthält. Die vorgelegten Bestätigungen der Pfarrer T. und T. und des Bürgermeisters beziehen sich auf die vorliegenden Kopien und nicht auf die im Berufungsverfahren angefertigten Fotografien. Nur ergänzend muss darauf hingewiesen werden, dass der Kläger entgegen der Aufforderung durch den Senat keine Fotos des Taufbuches vorgelegt hat, sondern wiederum nur Kopien einer Fotografie, was die Aussagekraft wegen der insgesamt undeutlichen Wiedergabe ebenfalls deutlich beeinträchtigt. Denn durch die zudem schlechte Qualität der Kopien lassen sich Änderungen und Manipulationen gerade nicht ausschließen und eine durchgehende Bindung der Buchseiten nicht abschließend feststellen. Soweit der Kläger unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (B 5 RJ 33/03, a.a.O.) geltend macht, es bestehe nach europarechtlichen Grundsätzen die Verpflichtung, von der Behörde eines anderen Mitgliedsstaates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogenen Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist, verkennt er ungeachtet der Tatsache, dass ernstliche Zweifel an der Echtheit der Urkunde wie ausgeführt tatsächlich bestehen, dass es sich um keine von einer Behörde ausgestellte Urkunde eines Mitgliedsstaates handelt.
Eine Geburt des Klägers vor dem 01.01.1960, die im Übrigen auch durch die vorgelegte Kopie des Nüfus Kayit Örnegi bestätigt wird, durch eine vor dem 04.10.1977 ausgestellte Urkunde lässt sich daher für den Senat nicht ohne Zweifel feststellen. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuteilung einer neuen Versicherungsnummer unter Zugrundelegung eines geänderten Geburtsdatums.
Für den in der Türkei geborenen Kläger wurde erstmals am 04.10.1977 eine Versicherungsnummer vergeben, die das damals angegebene Geburtsdatum 01.01.1960 berücksichtigte. Am 12.09.2007 beantragte der Kläger über seine Bevollmächtigten die Abänderung des Geburtsdatums auf den 20.11.1955. Er verwies hierzu auf eine beigefügte beglaubigte Abschrift des Taufbuches des Dorfes M. sowie auf das Zeugnis des Priesters, der ihn getauft habe, der nunmehr in Berlin lebe. Er sei am 20.11.1955 geboren und am 30.11.1955 getauft worden. Er legte zudem eine Bestätigung seines Vaters, des derzeitigen Gemeindepfarrers in Medin, M. T. und des Bürgermeisters C. T. vom 30.10.2007 vor. In der ebenfalls mit vorgelegten deutschen Übersetzung des öffentlich bestellten und vereidigten Übersetzers Metin Tok vom 17.11.2007 war folgendes vermerkt worden:
"Auszug aus dem Taufbuch der St. Jakob-Kirche des Dorfes M.
Vorname des Täuflings: S. Vorname des Vaters: M. Vorname der Mutter: G. Das Geburtsdatum: 20.11.1955 Der Taufpate: S. Der taufende Priester: P. Das Taufdatum: 30.11.1955"
In einer Anmerkung hielt der Übersetzer fest, dass die Familiennamen (T., T. und B.) im Taufbuch nicht erwähnt wurden, weil es früher bei den syrisch-orthodoxen Christen üblich gewesen sei, dass man die beteiligten Personen nur mit dem Vornamen in das Taufbuch eingetragen habe.
Die Erklärung des Gemeindepfarrers M. T. und des Bürgermeisters C. T. vom 30.10.2007 ist folgendermaßen übersetzt worden: "Der umseitige Auszug aus dem Taufbuch der St. Jakob-Kirche des Dorfes M. bescheinigt das Geburtsdatum sowie das Taufdatum des S. T., der als Sohn der Eheleute M. und G. T. am 20.11.1955 im Dorf M. geboren ist. Er wurde am 30.11.1955 durch den Priester Pfr. Y. T. in der St. Jakob-Kirche des Dorfes M. getauft. Hiermit wird die Richtigkeit der oben angegebenen Geburts- u. Taufdaten durch die Unterschrift des Gemeindepfarrers des Dorfes M. (Pfr. M. T.) und dessen Bürgermeister C. T. bestätigt."
Mit Bescheid vom 07.03.2008 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Versicherungsnummer mit einem abgeänderten Geburtsdatum ab. Zur Begründung führte sie aus, dass gemäß § 33a Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) das Geburtsdatum maßgebend sei, welches bei der erstmaligen Vergabe der Versicherungsnummer gegenüber einem Sozialleistungsträger bzw. Arbeitgeber nachgewiesen worden sei. Nach dieser Vorschrift dürfe von diesem Geburtsdatum nur dann abgewichen werden, wenn vom Rentenversicherungsträger festgestellt werde, dass damals ein Schreibfehler vorgelegen habe oder eine Urkunde vorgelegt werde, deren Original vor dem Vergabedatum der Versicherungsnummer ausgestellt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass sämtliche Urkunden bzw. Nachweise, die das Geburtsdatum mit dem 20.11.1955 auswiesen, zeitlich nach den ersten Angaben aus Anlass der Arbeitsaufnahme in Deutschland ausgestellt worden seien, so dass die Ausnahmeregelung nicht einschlägig sei. Es komme deshalb nicht darauf an, welcher Beweiswert diesen Urkunden beizumessen wäre. Nur wenn eine vor der Erstvergabe der Versicherungsnummer ausgestellte Urkunde ein anderes Geburtsdatum beweise, bestehe in der Regel nicht die Gefahr der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Dagegen blieben Geburtsdatumsänderungen, die nach der Erstausgabe einer Versicherungsnummer vorgenommen wurden, bei der beanspruchten Neuvergabe der Versicherungsnummer unberücksichtigt.
Hiergegen hat der Kläger am 26.03.2008 Widerspruch eingelegt. Er hielt daran fest, dass durch die Kopie des Taufbuches mit rückseitiger Bestätigung seitens des Bürgermeister des Dorfes C. T. sowie des Pfarrers des Dorfes Melke Tok nachgewiesen sei, dass die Kopie mit der Originalseite des Taufbuches übereinstimme, und dieses im Jahre 1953 eingeführt worden sei und als Originaltaufbuch in der St. Jakob-Kirche in M. verbleiben müsse. Ferner, dass er am 30.11.1955 getauft und am 20.11.1955 geboren worden sei. Der Kläger legte erneut eine Kopie eines Auszuges aus dem Taufbuch sowie eine weitere handschriftliche Bestätigung, unterzeichnet vom Pfarrer der Dorfgemeinde, M. T., sowie des Bürgermeisters der Dorfgemeinde, C. T., vom 23.02.2009 vor, in dem diese bestätigten, dass die Taufurkunde des S. T., Sohn von M. T., nach den eingetragenen Angaben des Taufbuches der St. Jakob-Kirche in Medin ausgestellt worden sei. Die Eintragungen in das Taufbuch der Kirche hätten erst im Jahre 1953 begonnen. Seitdem sei jedes getaufte Kind mit seinem jeweiligen Geburts- und Taufdatum in dieses Buch eingetragen worden. Das Buch werde nur für Taufzwecke verwendet und werde unveränderlich als Originaltaufbuch bis heute weitergeführt (Übersetzung des öffentlich bestellten und vereidigten Übersetzers M. T. vom 22.04.2009).
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die beiden Taufbuchauszüge kein Eintragungsdatum enthielten und daher nicht als Beweismittel im Sinne des § 33a Abs. 2 SGB I anerkannt werden könnten. Andere Urkunden habe der Kläger nicht vorgelegt.
Hiergegen hat der Kläger am 27.10.2008 Klage zum Sozialgerichts Ulm (SG) erhoben.
Der Kläger hält unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages an seiner Rechtsauffassung fest. Darüber hinaus hat er die Bestätigung des Bischofes G. M. Ü. vom 06.05.2009 in deutscher Übersetzung vorgelegt. Dieser führt aus, dass er als Gebürtiger des Dorfes M. bestätige, dass das Taufregister der Kirche Mor Jacob von S. des Dorfes ab dem Jahr 1953 seine volle Richtigkeit besitze. Dieses Taufregister werde bis heute benutzt, um die Geburten und Taufen der Dorfbewohner einzutragen. Die eigene Geburt und Taufe im Jahre 1957 sei ebenfalls in diesem Taufregister eingetragen. Außerdem hat der Kläger die Bestätigung des Priesters Herrn H. T. vom 14.09.2009 vorgelegt. Dieser führt aus, dass er ab 1953 Priester in der Gemeinde M. gewesen sei und ihm die damalige Führung des Taufbuchs oblegen habe. Ihm liege der Auszug aus dem Taufbuch der St.-Jakobs-Kirche des Dorfes M. vor. Er bestätige hiermit, dass er am 30.11.1955 die Taufe des Kindes S. T. vorgenommen und gleichzeitig im Taufbuch persönlich eingetragen habe.
Mit Urteil vom 06.11.2009 hat das SG den Bescheid vom 07.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2008 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger rückwirkend ab dem 12.09.2007 eine Versicherungsnummer unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 20.11.1955 zu erteilen. § 33a Abs. 3 SGB I schaffe eine Ermächtigung und räume der Beklagten die Befugnis ein, ein anderes Geburtsdatum als maßgebend zu betrachten, ohne dass hierbei gleichzeitig Ermessen auszuüben sei. Aus der vorgelegten auszugsweisen Kopie des Taufbuches, von dem eine Übersetzung gefertigt und dem Gericht vorgelegt worden sei, ergebe sich das Geburtsdatum 20.11.1955. Dass der Kläger allein eine Kopie des Taufbuches und nicht das Original vorgelegt habe, hindere das Gericht nicht an einer für den Kläger günstigen Entscheidung. Denn nach dem Wortlaut des § 33a Abs. 1 Nr. 2 SGB I müsse sich das abweichende Geburtsdatum aus einer Urkunde ergeben, dessen Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 der Norm ausgestellt worden sei. Schon aus dem Gesetzeswortlaut gehe hervor, dass das Original zwar vor dem genannten Zeitpunkt ausgestellt, aber dem Gericht nicht vorliegen müsse. Für die Überzeugungsbildung des Gerichts könne also eine Kopie von Bedeutung sein und zwar unabhängig davon, wann sie ausgestellt worden sei. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die den Kläger betreffende Eintragung im Taufbuch am 30.11.1955 und damit vor dem 04.10.1977 erfolgt sei. Diesen Schluss ziehe die Kammer sowohl aus der Kopie des Taufbuches selbst, wie auch aus den weiteren ergänzend vorgelegten Dokumenten. In der vorgelegten auszugsweisen Kopie des Taufbuches würden zehn Taufen dokumentiert, die nach den Eintragungen zwischen dem 18.02.1955 und dem 28.03.1956 in der St.-Jakob-Kirche in M. stattgefunden hätten. Die Taufe des Klägers befinde sich von oben gezählt an der sechsten Stelle der Eintragungen. Anhaltspunkte, dass in den vorgelegten Dokumenten die Unwahrheit behauptet werde oder etwa der Auszug des Taufbuches manipuliert sei, drängten sich nicht auf. Dies sei auch von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vorgetragen worden. In den Bestätigungen des Bürgermeisters von M., des heutigen Pfarrers als auch des Bischoffes G. M. Ü. werde hervorgehoben, dass das Taufbuch schon seit 1953 geführt und die Geburten und Taufen der Dorfbewohner dort eingetragen würden. Der Erzpriester T. erkläre zudem in seiner Bestätigung vom 14.09.2009, ihm habe die Führung des Taufbuches oblegen und er habe die Taufe des Klägers persönlich gleichzeitig eingetragen. Auch diese Erklärungen offenbarten für sich gesehen keine Unrichtigkeiten. Gegen die gezogene Schlussfolgerung spreche auch nicht, dass die Bestätigungen sämtlich erst nach dem 4. Oktober 1977 ausgestellt seien. Denn § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I verlange allein, dass das Original der Urkunde, aus der sich das abweichende Geburtsdatum ergebe, vor dem Datum der ersten Angabe eines Geburtsdatums nach Absatz 1 ausgestellt sein müsse. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass Urkunden, aus denen das Gericht Anhaltspunkte für die Beweiswürdigung im Hinblick auf diese Frage gewinne, ihrerseits vor diesem Zeitpunkt liegen müssten.
Gegen das der Beklagten am 25.11.2009 zugestellte Urteil hat diese am 23.12.2009 Berufung eingelegt. Sie macht zur Begründung geltend, dass dem SG zwar zuzustimmen sei, dass auch eine Fotokopie eine Urkunde darstellen könne. Die Ausstellung des Originals müsse aber zweifelsfrei vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Angabe des Geburtsdatums liegen. Ausschlaggebend sei, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden könne, dass eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Das Ausstellungsdatum des Taufbuches lasse sich jedoch aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht zweifelsfrei feststellen. Die Kopie des Taufbuchs selber lasse weder den Aussteller noch das Datum der Ausstellung erkennen. Diese Zweifel bestätige auch das angegriffene Urteil. Weder die Aussagen des Gemeindepfarrers, der wohl der Vater des Täuflings sei, noch des Bürgermeister, noch des taufenden Priesters könnten die Beweiskraft der vorgelegten Kopie stützen. Bezüglich des taufenden Priesters sei es kaum nachvollziehbar, dass dieser sich auf den Tag genau nach ca. 50 Jahren an einen bestimmten Tauftag bzw. das davorliegende Geburtsdatum erinnern könne. Auch hinsichtlich der anderen beiden Zeugen sei wohl anzunehmen, dass hier zweifelsfrei nur grundsätzliche Angaben über das Zustandekommen des Taufbuches gemacht werden könnten. Es erscheine fraglich, ob der Bürgermeister überhaupt Aussagen zum Entstehungszeitpunkt des Taufbuches machen könne. Zur Beweiskraft von Ersteintragung von Geburten in der Türkei habe das BSG ausgeführt: " Gleichzeitig wird aber berücksichtigt werden müssen, dass auch die Ersteintragung einer Geburt, insbesondere in ländlichen Gebieten der Türkei, keine Vermutung der Richtigkeit für sich beanspruchen könne. In der Literatur ( ...) wird berichtet, dass Eintragungen nicht selten erst mehrere Jahre nach der Geburt vorgenommen wurden und der genaue Zeitpunkt der Geburt bei der Eintragung und Umständen schon nicht mehr bekannt war ...". Im Taufbuch sei lediglich der Name "Sabo" aufgeführt. Schon diesbezüglich fehle es an der Sicherheit, dass es sich um den Kläger handele, zumal entsprechend der Interneteinträge der Name "Sabo" im Aramäischen keine Ausnahme darstelle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält daran fest, dass im Taufbuch festgehalten sei, dass eine Taufe stattgefunden habe und zwar eines Kindes mit dem Namen Sabo. Es werde definiert über die Namen der Eltern und den Namen des Taufpaten. Es sei das Geburtsdatum und das Taufdatum festgehalten worden. In der Urkunde sei nicht vermerkt, wann tatsächlich die Eintragung erfolgt sei. Von Seiten des Bürgermeisters sei bestätigt worden, dass die Kopie mit dem Original übereinstimme. Weiterhin sei durch den taufenden Priesters bestätigt, dass er alle Taufen, so auch diese Taufe, nach ihrer Reihenfolge und zum Zeitpunkt der Taufe eingetragen habe. Er verweist auf das Urteil des BSG vom 05.04.2001 (B 13 RI 35/00), wonach grundsätzlich eine Verpflichtung bestehe, von der Behörde des anderen Staates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkret auf den Einzelfall bezogene Anhaltpunkte ersichtlich in Frage gestellt würden. Aus Sicht des Klägers fehle es gerade an solchen Anhaltspunkten. Das BSG habe es ausreichen lassen, dass mit Hilfe einer Alturkunde Beweis erbracht werde, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits an einem bestimmten Tag gelebt habe und so zumindest dieser Tag als Geburtstag zu Grunde gelegt werden könne. Dies sei im Hinblick darauf, dass das Taufregister Auskunft über den Zeitpunkt der Taufe gebe und dieser auch eingetragen sei, vergleichbar mit dem vorliegenden Verfahren. § 33a Abs. 2 SGB I verlange nicht, dass das Geburtsdatum als solches in der Urkunde ausdrücklich und vollständig vermerkt sei, dies wäre aber im vorliegenden Fall sogar gegeben. Es reiche, wenn die durch die Urkunden bewiesenen Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts auf ein abweichendes Geburtsdatum schließen ließen. Ob das Geburtsdatum tatsächlich zutreffend eingetragen worden sei, könne zweifelhaft sein. Unzweifelhaft sei jedoch die Taufe im Taufregister eingetragen und festgehalten worden. Damit stehe der Zeitpunkt der Taufe fest, weil zum Zeitpunkt der Taufe der Kläger geboren sein musste. Es sei damit festzustellen, dass ein früheres Geburtsdatum, als das bislang von Seiten der Beklagten festgestellte, festzustellen sei.
Der Kläger wurde in einem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 21.05.2010 persönlich angehört. Wegen der gemachten Angaben wird auf die Niederschrift vom selben Tage verwiesen.
Der Kläger hat daraufhin Kopien von Fotografien aus dem Taufbuch vorgelegt (Bl. 39 ff. der Senatsakten). Er hat darüber hinaus eine Bestätigung der Republik Türkei vom 10.06.1992 vorgelegt, wonach der am 01.01.1960 in M. gebürtige S. T., Sohn des M. und der G., gemäß des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 § 25 C und mit dem Beschluss des Ministerrates vom 10.02.1992, Aktenzeichen 92/2749, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen worden sei, weil er in der Türkei nicht zur Ableistung seines Wehrdienstes gekommen sei. Außerdem hat der Kläger eine Kopie des Nüfus Kayit Örnegi vom 03.03.1988 vorgelegt.
Der Senat hat auszugsweise die Fotografien des Taufbuches übersetzen lassen (Bl. 61-63 der Senatsakte). Die Beklagte weist darauf hin, dass sich im Vergleich zu den Kopien, die der Kläger aus dem Taufbuch vorgelegt habe, Unterschiede ergäben. Es seien unterschiedliche Schreibweisen festzustellen. Die Eintragungen und die Schriftbilder der Geburtsdaten stimmten nach Auffassung der Beklagten nicht überein. In Zeile 12 der beigefügten Kopien sei der Monat Oktober durch die Zahl 10 dargestellt. Dabei seien die Nullen in der Fotokopie im Vergleich zur Fotografie jeweils unterschiedlich groß. Ferner erschienen in der Zeile 12 in der mittigen Spalte die letzten beiden "5er" unterschiedlich geschrieben. Auch weitere Diskrepanzen, die die Beklagte näher ausgeführt hat, seien festzustellen. Diese lediglich beispielhaft aufgezeigten Unterschiede ließen sich nicht über die unterschiedlich Art der Abbildung erklären. Aufgrund der unterschiedlichen Schreibweisen sei logischerweise davon auszugehen, dass nachträgliche Änderungen des Taufregisterauszuges oder irgendwelcher Kopien vorgenommen worden seien. Weil das Original nicht vorgelegt worden sei, könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass hier keine Veränderungen vorgenommen worden seien, beziehungsweise die daran enthaltenen Daten alle dem Ersteintrag entsprechen. Aufgrund der fehlenden Nachnamen könne darüber hinaus nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Personengleichheit handele. Aus der vorgelegten Kopie des Nüfus Kayit Örnegi gehe hervor, dass der Kläger am 01.01.1960 geboren worden sei. Der Eintrag der Personenstandsdaten in das türkische Einwohnerbuch habe einen höheren Beweiswert, weil in der Regel in der Türkei sämtliche Ausweispapiere, Rentendokumente etc. auf diesem amtlichen Eintrag basierten. Die Angaben des Klägers, er habe sich wegen der Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik Deutschland jünger gemacht, sei nicht nachvollziehbar, weil zum damaligen Zeitpunkt der Einstellungsstop bei 34 Jahren gelegen habe und er diese Grenze nicht annähernd erreicht habe. Es sei daher bislang kein Nachweis er-bracht, dass der Kläger vor dem 01.01.1960 geboren sein könnte.
Der Kläger hat hierauf erwidert, die Unterschiede seien im Gegensatz zur Kopie der entsprechenden Seiten der "Rundung" des Buches zuzuschreiben, die sich aus der Fotografie ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Vergabe einer neuen Versicherungsnummer verpflichtet.
Richtige Klageart für das Begehren des Klägers ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 05.04.2001, B 13 RJ 35/0 0 R, in Juris).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergabe einer neuen Versicherungsnummer unter Berücksichtigung des Geburtsdatums 20.11.1955. Der für diesen Rechtsstreit entscheidende Teil der Versicherungsnummer ist das in ihr gem. § 147 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI enthaltene Geburtsdatum. Im Falle einer Änderung des Geburtsjahres hätte dies gem. § 152 Nr. 3 SGB VI i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung über die Versicherungsnummer, die Kontoführung und den Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung - VKVV - zur Folge, dass der Versicherte eine neue Versicherungsnummer erhält.
Sind Rechte oder Pflichten davon abhängig, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, ist gem. § 33a Abs. 1 SGB I das Geburtsdatum maßgebend, das erstmals gegenüber einem Sozialleistungsträger oder dem Arbeitgeber angegeben wurde. Ein davon abweichendes Geburtsdatum ist es nur dann, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass 1. ein Schreibfehler vorliegt, oder 2. sich das andere Geburtsdatum aus einer Urkunde ergibt, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist (§ 33a Abs. 2 SGB I). Sind die Voraussetzungen für eine Abweichung gegeben, ist das entsprechende Datum im Leistungsfall grundsätzlich unabhängig davon maßgebend, welche Angaben zum Geburtsdatum an anderer Stelle vorgemerkt oder festgestellt sind.
Der Gesetzgeber hat mit § 33a SGB I die Anknüpfung an das "wahre" Geburtsdatum aufgegeben und - zur Vermeidung einer dafür besonders verwaltungsintensiven Prüfung und um missbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen vorzubeugen (vgl die Gesetzesbegründung BT-Drucks 13/8994, S. 67 zu Art. 1a) - das im Geltungsbereich des SGB für altersabhängige Rechte und Pflichten maßgebende Geburtsdatum eigenständig definiert. Für die Beurteilung der Frage, ob sich aus einer Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der Angabe nach Absatz 1 ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt, können auch nicht nur Personenstandsunterlagen bzw. nur solche Urkunden herangezogen werden, die das Geburtsdatum unmittelbar selbst dokumentieren (vgl. BSG, Urt. v. 28.04.2004, B 5 RJ 33/03 R, in Juris). Denn die Vorschrift enthält keine Beschränkung auf eine Berücksichtigung nur bestimmter Arten von Urkunden, so dass sich der Urkundenbegriff des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nach den allgemeinen Bestimmungen richtet. Urkunden sind danach alle durch Niederschrift verkörperten Gedankenerklärungen, die geeignet sind, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Dass nur Urkunden zu berücksichtigen sind, deren Original vor der ersten Angabe des Versicherten im Sinne von § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, bedeutet auch nicht, dass das Original der Urkunde vorliegen muss. Ausschlaggebend ist allein, ob zur vollen Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, dass eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der ersten Angabe i.S.d. § 33a Abs. 1 SGB I ausgestellt worden ist, ein anderes Geburtsdatum ergibt. Daher kann für die Überzeugungsbildung des Gerichts auch eine Kopie von Bedeutung sein, unabhängig davon, wann diese ausgestellt worden ist (vgl. insoweit und m.w.N. BSG, Urt. v. 05.04.2001, B 13 RJ 35/00 R).
§ 33a Abs. 2 Nr ... 2 SGB I ist zudem zu entnehmen ("ergibt"), dass das der ersten Angabe entsprechende Geburtsdatum nicht automatisch durch das Geburtsdatum, das die ältere Urkunde enthält, zu ersetzen ist. Auch und gerade im Hinblick auf den weiten Urkundenbegriff ist im Rahmen des § 33a Abs. 2 Nr. 2 SGB I nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts zu entscheiden, ob statt des zuerst angegebenen Geburtsdatums nunmehr das sich aus einer älteren Urkunde ergebende Geburtsdatum zugrunde zu legen ist. Dabei kommt der Art der Urkunde besondere Bedeutung zu (BSG Urt. v. 05.04.2001, a.a.O.).
Der Senat kann sich unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht vom Vorliegen einer Urkunde überzeugen, die ein anderes Geburtsdatum des Klägers zeitlich vor den Erstangaben des Klägers bei der Vergabe der Versicherungsnummer belegen könnte.
Der Senat stellt zunächst fest, dass die vorgelegten Kopien von Auszügen des Taufregisters des Dorfes Medin für sich genommen keine abschließende Auskunft darüber geben, welche Person wann geboren und getauft wurde. Bereits mit der Anmerkung des Übersetzers in der ersten vorgelegten Übersetzung vom 17.11.2007 war darauf hingewiesen worden, dass in diesem Taufbuch - entsprechend der damaligen Gepflogenheiten syrisch-orthodoxer Christen - nur Vornamen ins Taufbuch eingetragen worden sind. Ein hinreichender Bezug zum Täufling ergibt sich nur über die ebenfalls nur mit dem Vornamen im Taufregister eingetragenen Eltern. Weitere Daten, die einen sicheren Rückschluss auf den Täufling zuließen, wie Wohnort oder andere Daten, fehlen. Damit wird erst durch die Bestätigung des Vaters und Gemeindepfarrers M. T. und des Bürgermeisters C. T., die diese am 30.10.2007 abgegeben haben, die Behauptung untermauert, bei dem an 6. Stelle von oben genannten Täufling handele es sich um den Kläger. Denn erst diese bestätigen in den vorgelegten Aussagen, dass der Auszug aus dem Taufbuch das Geburtsdatum sowie das Taufdatum des S. T., der als Sohn der Eheleute M. und G. T. am 20.11.1955 geboren sei, bescheinige. Darüber hinaus bescheinigen sie, dass der Kläger am 30.11.1955 durch den Priester Pfr. Y. T. in der St. Jakob-Kirche des Dorfes M. getauft worden sei. In Bezug auf die hier nach § 33a SGB I allein maßgebliche Urkunde, den Auszug aus dem Taufregister, bescheinigen der heutige Pfarrer des Dorfes M. und der Bürgermeister lediglich die Umstände, die sich aus dem Taufbuch selbst ergeben, ohne zu belegen, dass und wann diese Eintragungen erfolgt sind, da sie nicht behaupten, dass sie diese Eintragungen selbst vorgenommen hätten noch dass sie bei der Eintragung zugegen gewesen wären. Dass das Taufbuch seit 1953 geführt worden sein soll, belegt für sich genommen auch nicht zwangsläufig, dass alle Geburten tatsächlich in der richtigen zeitlichen Reihenfolge eingetragen wurden und dass diese Daten auch zutreffend sind (vgl. hierzu BSG, 15.04.2001, B 13 RJ 35/00 R, in Juris, dort Rz 30). Etwas anderes lässt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht mit den vorgelegten Einlassungen des damaligen Pfarrers T. begründen. Dieser hatte in seiner "Bestätigung" vom 14.09.2009 (Bl. 20 SG-Akte) zwar angegeben, dass ihm die Führung des Taufbuches ab 1953 oblegen habe und ausgeführt, dass ihm der Auszug aus dem Taufbuch der St. Jakobs-Kirche des Dorfes M. vorgelegen habe, worauf er bestätigte, dass er am 30.11.1955 die Taufe des Kindes Sabo Tok vorgenommen und gleichzeitig in das Taufbuch persönlich eingetragen habe. Damit ist für den Senat die Echtheit der Urkunde, und nur hierauf kommt es an, aber nicht belegt. Der Einlassung kann schon nicht entnommen werden, in welcher Form ihm der Auszug aus dem Taufbuch vorgelegt worden ist. Nachdem der benannte Zeuge in Berlin lebt, kann ausgeschlossen werden, dass er sich persönlich von der Eintragung im Taufbuch im Dorf M. überzeugt hat. Soweit die Auskunft auf der auch dem Gericht vorgelegten Kopie beruht, bestehen begründete Zweifel an der Echtheit und Aussagekraft der Urkunde, weil die vom Kläger mit der Behauptung, bei den vorgelegten Kopien handele es sich um solche des Taufbuches nicht mit den auf Veranlassung des Senats vorgelegten Fotografien übereinstimmen ...
Ausgehend von der im Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes vorgelegten "Originalkopie" (Bl. 30 der Senatsakten - mit handschriftlichen Bestätigungen vom 04.07.2008 auf der Rückseite) ergeben sich im Vergleich zu den vorgelegten Fotografien deutliche Abweichungen, die auch nicht mit der Wölbung der Buchseiten, die im Rahmen einer Fotografie ohne Zweifel deutlicher hervortreten, erklärt werden können. So findet sich beispielsweise oberhalb der Zeile, die den Kläger betreffen soll (Zeile 12 der von der Beklagten vorgelegten Nummerierung) auf der Fotokopie bei dem Datum "21.10.1955" eine deutlich kleinere und kräftiger gemalte Null und eine "2", die den vorgegebenen tabellarischen Seitenrand der Buchseite auf der Fotografie berührt, während sie auf der Kopie hiervon noch deutlich abgesetzt ist. Darüber hinaus ist die erste "5" in der Jahreszahl "1955" auf der Fotografie deutlich höhergestellt als auf der Kopie, wo die gesamte Jahreszahl die untere Begrenzungslinie berührt. Auffällig ist auch das darüberstehende Taufdatum "14.09.1955". Auf der Fotografie kreuzt der senkrechte Strich der Zahl 4 die untere Begrenzungslinie, während er auf der Fotokopie diesen nicht berührt. Darüber hinaus wird die Zahl "1955" in der Fotografie gleichmäßig über der unteren Begrenzungslinie des tabellarischen Rasters geführt, während auf der vom Kläger vorgelegten Kopie die "95" deutlich höher steht. Unterschiede ergeben sich zwischen Fotografie und Kopie auch beim Taufdatum in der Zeile 20, wo die "8" in der Zahl "28" deutlich anders geschwungen ist und in Zeile 22, wo die "5" in der Zahl 1956 auf der Fotografie so ausgeschwungen gezeichnet ist, dass sie den Bogen der "9" berührt. Diese Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden, insbesondere auch für die handschriftlichen Eintragungen der enthaltenen Namen. Ergänzend darf hierzu auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 14.05.2013 verwiesen werden. Der Senat vermag angesichts dieser Widersprüchlichkeiten und der Einlassung des Klägers im Schriftsatz vom 05.06.2013, er habe sich mit dem Priester in Verbindung gesetzt und die Mitteilung erhalten, dass die Fotografie und die Kopie von der gleichen Seite stammten, nicht zu entscheiden, ob neben dem Original-Taufbuch auch noch eine Abschrift dieses Taufbuches geführt wird und die unterschiedlichen Abbildungen des Taufbuches von unterschiedlichen Büchern stammen oder ob die Kopien oder Fotografien nachträglich manipuliert wurden. Fest steht jedenfalls, dass die vorgelegten Kopien nicht die Echtheit einer bestehenden Urkunde im Sinne des § 33a SGB I belegen, auch wenn sich inhaltliche Differenzen auf den vorgelegten Seiten nicht festmachen lassen. Dass nun die Fotografien des Taufbuches die Existenz einer solchen Urkunde belegen könnten, ergibt sich ebenso wenig. Denn auch hierfür gelten die oben gemachten Ausführungen, wonach die Urkunde selbst nur Vornamen enthält. Die vorgelegten Bestätigungen der Pfarrer T. und T. und des Bürgermeisters beziehen sich auf die vorliegenden Kopien und nicht auf die im Berufungsverfahren angefertigten Fotografien. Nur ergänzend muss darauf hingewiesen werden, dass der Kläger entgegen der Aufforderung durch den Senat keine Fotos des Taufbuches vorgelegt hat, sondern wiederum nur Kopien einer Fotografie, was die Aussagekraft wegen der insgesamt undeutlichen Wiedergabe ebenfalls deutlich beeinträchtigt. Denn durch die zudem schlechte Qualität der Kopien lassen sich Änderungen und Manipulationen gerade nicht ausschließen und eine durchgehende Bindung der Buchseiten nicht abschließend feststellen. Soweit der Kläger unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (B 5 RJ 33/03, a.a.O.) geltend macht, es bestehe nach europarechtlichen Grundsätzen die Verpflichtung, von der Behörde eines anderen Mitgliedsstaates ausgestellte Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den Einzelfall bezogenen Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist, verkennt er ungeachtet der Tatsache, dass ernstliche Zweifel an der Echtheit der Urkunde wie ausgeführt tatsächlich bestehen, dass es sich um keine von einer Behörde ausgestellte Urkunde eines Mitgliedsstaates handelt.
Eine Geburt des Klägers vor dem 01.01.1960, die im Übrigen auch durch die vorgelegte Kopie des Nüfus Kayit Örnegi bestätigt wird, durch eine vor dem 04.10.1977 ausgestellte Urkunde lässt sich daher für den Senat nicht ohne Zweifel feststellen. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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