Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 VG 2898/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 495/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. November 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Einstellung der ihr gewährten Beschädigtengrundrente.
Die 1961 geborene Klägerin, die als selbständige Innenarchitektin und nebenberuflich als Volkshochschul-Kursleiterin berufstätig sowie alleinerziehende Mutter einer im Jahr 1998 geborenen Tochter ist, beantragte am 12.07.2005 die Gewährung von Beschädigtenversorgung und machte dabei geltend, wegen eines in den Jahren von 1971 bis 1979 erfolgten sexuellen Missbrauchs durch ihren Stiefvater an seelischen Erkrankungen zu leiden.
Nach den vom Beklagten beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten wurde das gegen ihren Stiefvater eingeleitete Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Hechingen vom 22.12.2005 wegen inzwischen eingetretener Verfolgungsverjährung eingestellt (14 Js 11230/05).
Der Beklagte zog das von der AOK - Die Gesundheitskasse Z. - über die Klägerin geführte Vorerkrankungsverzeichnis bei und holte die Befundberichte von Dr. Sch. vom 03.04.2006 (Depressionen, Angstzustände), der Psychotherapeutin K. vom 13.07.2006 (posttraumatische Belastungsstörung mit rezidivierenden mittelgradig depressiven Episoden sowie Angst- und Panikattacken; Kurzzeittherapie seit April 2005, Langzeittherapie seit Mai 2006, die eine Stabilisierung gebracht habe), des Psychotherapeuten Dr. T. vom 03.10.2006 (depressive und angstneurotische Symptomatik, schwere Traumatisierung; tiefenpsychologisch fundierte Behandlung von Januar 1991 bis September 1994), der Psychotherapeutin Dr. P. vom 04.10.2006 (Klagen über mangelndes Selbstbewusstsein, geringe Frustrationstoleranz, Beziehungsstress, schlechten Schlaf, Freudlosigkeit, massive Angstzustände und Suizidgedanken; psychotherapeutische Behandlung von April 1999 bis Dezember 2000, die zu einer deutlichen Besserung geführt habe) und des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 17.10.2006 (Anpassungsstörung mit Angst und Depression gemischt; psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung von Mai 1985 bis April 1999) ein.
Ferner holte der Beklagte das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 21.03.2007 ein. Der Sachverständige führte aus, die Klägerin habe verschiedene Hobbies (Wandern, Pferde, Photographie, Malen), verreise viel und gerne und sei aktive Bogenschützin im Verein. Die Störungen der Klägerin nach negativen Erlebnissen in der Kindheit und Jugend, insbesondere einem anhaltenden sexuellen Missbrauch durch ihren Stiefvater, zeigten sich in erhöhter Selbstunsicherheit mit Ängsten, sich in größeren Menschenmengen aufzuhalten und vor größeren Gruppen zu unterrichten, und in einem schlechten Durchsetzungsvermögen mit Aggressionshemmung, auch mit der Folge einer schlechteren Verwertung der beruflichen Fähigkeiten als freiberuflich tätige Innenarchitektin. Ferner bestehe eine Störung der partnerschaftlichen Beziehungen zu Männern, mit denen die Klägerin trotz ihres Wunsches nach einer dauerhaften Beziehung nur kurzfristige Verhältnisse eingehen könne. Die Klägerin sei unsicher, ihre neunjährige Tochter richtig zu erziehen. Die Störungen seien hauptsächlich auf den anhaltenden sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater, aber auch auf seinen Angst verbreitenden Erziehungsstil mit drakonischen, für die Klägerin unverständlichen Strafen und nicht zuletzt auch auf die fehlende Möglichkeit, sich mit den Problemen der Mutter oder anderen erwachsenen Personen anzuvertrauen, zurückzuführen. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor, da die Klägerin unter Alpträumen, intrinsischen Erinnerungen oder Flashbacks nicht leide und auch kein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufweise. Eine Anpassungsstörung könne wegen der langen Zeitdauer zwischen den belastenden Ereignissen und heute nicht mehr diagnostiziert werden. Eine dauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung liege ebenfalls nicht vor. Ein Teil der Störungen habe sich durch die bisherigen Psychotherapien beseitigen oder bessern lassen. Schädigungsunabhängig sei es durch eine schlechte wirtschaftliche Situation vor zwei Jahren zu Depressionen und Angstzuständen gekommen, die inzwischen nicht mehr bestünden. Der Gutachter beschrieb als Schädigungsfolgen Probleme bei sexuellem Missbrauch in der Kindheit und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 vom Hundert (v. H.) seit 01.07.2005 ein. Er führte ferner aus, es sei aufgrund der bereits erfolgreichen 3 Psychotherapien zu erwarten, dass durch die derzeit laufende Psychotherapie eine weitere Persönlichkeitsstabilisierung erfolge. Mit einem vollständigen Abklingen der Symptomatik sei aber nicht zu rechnen.
Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.03.2007 aus, als Schädigungsfolge seien psychoreaktive Störungen zu bezeichnen und die MdE sei mit 30 v. H. zu bewerten. Der Hypophysentumor sei schädigungsunabhängig. Mit einer weiteren Stabilisierung durch therapeutische Maßnahmen sei zu rechnen. Da die psychische Beeinträchtigung bereits chronifiziert sei, solle eine Nachuntersuchung erst nach fünf Jahren erfolgen.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 25.04.2007 stellte der Beklagte psychoreaktive Störungen als Folgen einer Gewalttat fest und bewilligte Beschädigtengrundrente nach einer MdE um 30 v. H. seit 01.07.2005. Den hiergegen eingelegten Widerspruch mit dem Begehren, die MdE wenigstens mit 40 v. H. zu bewerten, wies der Beklagte nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 13.07.2007, in der an der bisherigen MdE-Einschätzung festgehalten wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2007 zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dem Störungsbild, das auf den sexuellen Missbrauch zurückzuführen sei, werde durch die MdE von 30 ausreichend Rechnung getragen.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Das Sozialgericht hörte zunächst die Psychotherapeutin K. unter dem 17.01.2008 und den Internisten W. unter dem 08.02.2008 schriftlich als sachverständige Zeugen. Die Psychotherapeutin K. beschrieb eine posttraumatische Belastungsstörung mit rezidivierenden mittelgradigen depressiven Episoden sowie Angst- und Panikattacken bei selbstwertgestörter, dependenter Persönlichkeitsstruktur. Aufgrund der deutlichen Verbesserungen und der Stabilisierung könne die Therapie im Sommer 2008 beendet werden. Der Internist W. ging von einer schwerwiegenden posttraumatischen Belastungsstörung aus, die derzeit dauerhaft therapiert werden müsse.
Sodann holte das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. St. vom 05.06.2008 ein. Der Sachverständige führte aus, im Leben der Klägerin hätten neben ihren Erfahrungen in der Kindheit beziehungsweise Jugend mit einem alkoholabhängigen und auch zu Gewalt neigenden Stiefvater, einer alkoholabhängigen Mutter sowie sexuellen Übergriffen des Stiefvaters auch persönliche Krankheitserfahrungen eine Rolle gespielt. So habe in der Jugend ein behandlungsbedürftiges epileptisches Anfallsleiden mit einer sogenannten Aufwachepilepsie bestanden und die Klägerin später die Operation eines Tumors am Gehirn sowie zwei Schilddrüsenoperationen mit anschließendem und erst unter einer Behandlung ausgeglichenem Hormonmangel erlebt. Zum Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung sei eine rezidivierende depressive Störung mit einer gegenwärtig ausgeglichenen Stimmung zu diagnostizieren. Ferner habe ein früherer Alkoholmissbrauch bestanden. Beginnend mit der Schulzeit bis zur Schwangerschaft im Jahr 1997 habe die Klägerin problematisch getrunken. Die Persönlichkeit der Klägerin habe sich nach Analyse der Akten und der nun vorgenommenen Befunderhebung vor allem selbstunsichere ängstlich-vermeidende Persönlichkeitszüge in einer Ausprägung gezeigt, dass von einer akzentuierten Persönlichkeit gesprochen werden könne. In schwächerer Form seien auch dependente abhängige Persönlichkeitszüge erkennbar. Dabei sei jedoch zu betonen, dass es sich um eine akzentuierte Persönlichkeit und nicht das Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung handele. Bis in die Jahre 1998/99 hätten darüber hinaus sexuelle Funktionsstörungen und wenig Freude an Sexualität bestanden. Zum Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung sei keine sexuelle Funktionsstörung im Sinne einer psychiatrischen Diagnose mehr anzuführen. Weitere psychiatrische Erkrankungen, insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung, seien weder bei der jetzigen Begutachtung noch anhand der Unterlagen in der Krankengeschichte feststellbar. Auch eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung sei nicht zu diagnostizieren. Die früher bestandene neurologische Aufwachepilepsie, bei der es sich nicht um dissoziative Anfälle gehandelt habe, bereite seit Jahren keine Schwierigkeiten mehr. Die wegen der Operation der Hirnanhangdrüse mit nachfolgender medikamentöser Behandlung regelmäßig durchgeführten Kontrollen hätten einen ausgeglichenen hormonellen Zustand ergeben. Zu einem Nachwachsen des Tumors sei es nicht gekommen. Allgemein-körperlich seien bei der jetzigen Begutachtung keine Krankheitszeichen feststellbar. Zusammenfassend seien zum jetzigen Zeitpunkt eine Neigung zu rezidivierenden depressiven Episoden sowie leichtere Störungen von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl in gegenüber früher wohl deutlich abgeschwächter Form sowie Probleme der Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung von Beziehungen feststellbar. In Bezug auf die Kausalitätsbeurteilung führte Dr. St. aus, die einer Persönlichkeitsstörung entsprechenden selbstunsicheren Persönlichkeitseigenschaften der Klägerin seien nicht als Schädigungsfolge zu werten. Der frühere Alkoholmissbrauch könne bei der vorliegenden Familiengeschichte kaum als Schädigungsfolge angesehen werden. Ein Kausalzusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und früherem Alkoholmissbrauch, der die Problematik bei der Partnerwahl begünstigt habe, sei nicht wahrscheinlich. Die rezidivierende depressive Störung mit den abgegrenzten depressiven Phasen und einer ebenfalls als depressiv beschriebenen Mutter sei nicht als Schädigungsfolge zu werten. Depressionen mit abgegrenzten Phasen hätten eine hohe genetische Bedingtheit. Es sei bei solchen wiederkehrenden, abgegrenzten Krankheitsphasen psychiatrisch nicht zulässig, diese monokausal auf bestimmte Erlebnisse zurückzuführen. Neben genetisch-habituellen Faktoren spielten lebens- und lerngeschichtliche Faktoren, wie der strafende und auf Machtausübung abzielende Erziehungsstil des Stiefvaters, das Erleben der Alkoholsucht beider Eltern und der Gewalt zwischen ihnen, die Verarbeitung des eigenen Krankseins in der Kindheit und Jugend sowie der sexuelle Missbrauch durch den Stiefvater, eine Rolle. Es könnten einzelne, frühere, nicht dokumentierte, depressive Episoden in der Jugend, nicht aber die Krankheit an sich, durch den Missbrauch ausgelöst sein. Die von der Klägerin berichteten früheren, jetzt nicht mehr bestehenden sexuellen Funktionsstörungen, wie eine gewisse/inzwischen auch deutlich gebesserte Selbstunsicherheit und Schüchternheit, die aber auch nie das Ausmaß gehabt habe, dass beispielsweise Beziehungsaufnahmen oder Freundschaften schon in der Jugend gestört gewesen wären, sowie ihre Neigungen zu wiederkehrenden rezidivierenden depressiven Episoden könnten möglicherweise auch Einflüsse des sexuellen Missbrauchs aufweisen. Einen Zusammenhang als wahrscheinlich zu bezeichnen, sei psychiatrisch aber nicht möglich. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass auf die bei der Klägerin feststellbaren psychischen Störungen neben anderen Faktoren möglicherweise auch der sexuelle Missbrauch einen Einfluss habe, solche Einflüsse also nicht auszuschließen seien, es jedoch nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung nicht möglich sei, unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles, einen ursächlichen Zusammenhang als wahrscheinlich anzusehen. Auch wenn man den sexuellen Missbrauch wegdenke, wäre die psychische Konstellation bei der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nahezu gleich. In völliger Übereinstimmung hierzu habe auch Dr. G. keine psychiatrische Erkrankung als Schädigungsfolge diagnostiziert, sondern lediglich Probleme bei sexuellem Missbrauch in der Kindheit beschrieben. Zu widersprechen sei Dr. G. darin, als dieser eine Störung des Selbstwertgefühls mit der Folge erhöhter Selbstunsicherheit, geringer Durchsetzungsfähigkeit, Ängsten und Unsicherheiten sowie eine Störung der Bindungsfähigkeit in Partnerbeziehungen als Schädigungsfolge angenommen und dabei die Störungen auf den sexuellen Missbrauch sowie den zu Hause herrschenden Erziehungsstil zurückgeführt habe, ohne die dann zwangsläufige Frage der konkurrierenden Kausalität zu diskutieren. Die von ihm als Schädigungsfolge bezeichneten Probleme der Klägerin bezögen sich ausschließlich auf Persönlichkeitsmerkmale, die wiederum nicht als Schädigungsfolge zu werten seien. Da die von Dr. G. als Schädigungsfolge eingestuften Persönlichkeitsmerkmale keiner Krankheit entsprächen und psychiatrisch nicht als Diagnose klassifiziert werden könnten, stellten sie auch keinen Schaden dar. Ferner sei die von Dr. G. vorgenommene MdE-Einstufung mit 30 v. H., die normalerweise einer Einstufung beim Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung entspreche, bei der von ihm festgestellten leichteren Störung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit infolge der Persönlichkeitsmerkmale sicher zu hoch gegriffen.
Ferner holte das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Psychiaters Dr. B. vom 21.08.2008 ein. Er führte aus, die gegenwärtig remittierende rezidivierende depressive Störung sei bezüglich der Verschlimmerung auf die Schädigung durch den sexuellen Missbrauch zurückzuführen. Wenngleich keine floride posttraumatische Belastungsstörung vorliege, so bestehe jedoch eine Traumafolgestörung. Es scheine die reaktive Genese der Depression im Vordergrund zu stehen, die in Verbindung mit der Persönlichkeitsstruktur und der Traumafolgestörung zu einer rezidivierenden depressiven Störung geführt habe. Eine MdE könne er nicht erkennen. Dies vor allem auch deshalb, weil keine psychiatrische Diagnose zu stellen sei. Als Schädigungsfolge sehe er eine Traumafolgestörung mit selbstunsicherer Persönlichkeit, die jedoch nicht die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung erfülle. Diese selbstunsichere Persönlichkeit neige in Anforderungs-, Belastungs- und Konfliktsituationen sowie Versuchungs- und Versagenssituationen zu depressiven Dekompensationen. Aktuell sei die Traumafolgestörung kompensiert. Immerhin habe sich die Klägerin beruflich etabliert sowie viele Fortbildungen absolviert, gebe Kurse an der Volkshochschule und befinde sich aktuell in Weiterbildung für eine Gutachtertätigkeit. Insofern müsse von einer erheblichen Widerstandskraft trotz der ungünstigen Kindheit und Traumafolgestörung ausgegangen werden.
Daraufhin nahm die Klägerin am 20.10.2008 ihre Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung zurück (S 12 VG 3843/07).
Im Anschluss an das Klageverfahren nahm der Beklagte eine Überprüfung des Versorgungsanspruchs der Klägerin vor. Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2008 aus, es könne nicht festgestellt werden, dass die Anerkennung der Schädigungsfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unrichtig gewesen sei. Bei einer neu zu treffenden Bewertung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) zum Entscheidungszeitpunkt am 25.04.2007 unter Berücksichtigung der vorliegenden Gerichtsgutachten käme es nicht zum Abweichen des GdS um mehr als 10. Nach Auswertung der vorliegenden Gerichtsgutachten sei festzustellen, dass sich die anerkannten Gesundheitsstörungen inzwischen wesentlich gebessert hätten und aktuell mit einem GdS von unter 25 zu bewerten seien. Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Aufhebung des Erstanerkennungsbescheides an (Schreiben vom 02.03.2009).
Mit Neufeststellungsbescheid vom 04.05.2009 führte der Beklagte aus, als Schädigungsfolge bleibe eine psychoreaktive Störung wie bisher anerkannt. Der dadurch bedingte GdS betrage 10. Eine Beschädigtengrundrente stehe der Klägerin daher nicht mehr zu. Die Zahlung der laufenden Versorgungsbezüge werde zum 30.06.2009 eingestellt. Er führte zur Begründung aus, im Rahmen der während des Klageverfahrens durchgeführten Begutachtung sei festgestellt worden, dass gegenüber den Verhältnissen, die für die Erteilung des Erstanerkennungsbescheides vom 25.04.2007 maßgebend gewesen seien, insofern eine wesentliche Änderung eingetreten sei, als sich die anerkannten Schädigungsfolgen wesentlich gebessert hätten.
Hiergegen legte die Klägerin am 08.05.2009 Widerspruch ein. Sie legte dar, ihr Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, sondern weiter verschlechtert. Seit Februar 2009 sei die Dosis der eingenommenen Antidepressiva verdoppelt worden. Es träten auch immer wieder Suizidgedanken auf und es bestehe eine massive Depression. Sie sei in ihrer beruflichen Tätigkeit extrem eingeschränkt. Durchsetzungsvermögen sei nicht vorhanden. Erhebliche Schwierigkeiten bestünden auch im Partnerbereich, sie habe Ekel vor sexuellen Kontakten. Es träten massive Alpträume mit Panikattacken auf. Zwischenzeitlich sei die Langzeittherapie nochmals verlängert worden. Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.03.2009 aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die psychische Situation durch die beiden Gerichtsgutachter nicht korrekt bewertet worden sei. Die geltend gemachte Verschlimmerung im Sinne einer depressiven Symptomatik im Jahr 2009 sei nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er führte zur Begründung aus, es bestehe nach den Gerichtsgutachten kein wahrscheinlicher Kausalzusammenhang mehr zwischen den derzeitigen gesundheitlichen Beschwerden und der Schädigung sowie keine aktuelle Belastungsstörung mehr aus der Schädigung.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.09.2009 erneut Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben.
Der Versorgungsarzt D. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.05.2010 ausgeführt, die ängstlich-vermeidenden, selbstunsicheren und abhängigen Persönlichkeitszüge, für die die Schädigungsfolgen als wesentliche Mitursache angesehen worden seien, hätten sich unter verschiedenen psychotherapeutischen Behandlungen gebessert, wie Dr. St. ausgeführt habe. Er habe zusammenfassend darauf hingewiesen, dass eine Neigung zu rezidivierenden depressiven Episoden sowie leichtere Störungen von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl in gegenüber wohl früher deutlich abgeschwächter Form feststellbar seien, was sich auf die Probleme der Beziehungsgestaltung und der Aufrechterhaltung von Beziehungen bezogen habe. Unabhängig von der Frage der Kausalität hätten sich auch jene Gesundheitsstörungen gebessert, die unter der Bezeichnung "psychoreaktive Störungen" in der von Dr. G. näher beschriebenen Ausprägung im Erstanerkennungsbescheid berücksichtigt worden seien. Dr. St. habe die früheren, jetzt nicht mehr bestehenden sexuellen Funktionsstörungen diskutiert. Er habe auch eine inzwischen deutlich gebesserte Selbstunsicherheit und Schüchternheit beschrieben. Er habe einen ursächlichen Zusammenhang mit dem früheren sexuellen Missbrauch nicht vollständig ausgeschlossen, sondern einen solchen Miteinfluss für möglich gehalten. Damit könne die frühere Anerkennung der Schädigungsfolgen aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als unrichtig eingeschätzt werden. Letztlich habe Dr. St. in seinem Gutachten eine deutliche Besserung der Gesundheitsstörungen beschrieben. Im Übrigen habe auch Dr. B. die Ansicht vertreten, dass eine Traumafolgestörung bestehe. Nach seinen Ausführungen sei die Traumafolgestörung aktuell kompensiert. Damit sei eine wesentliche Besserung der als Schädigungsfolgen festgestellten Gesundheitsstörungen anzunehmen.
Daraufhin hat das Sozialgericht die ergänzende gutachtliche Stellungnahme des Dr. St. vom 31.05.2010 eingeholt. Er hat dargelegt, das Problem bestehe darin, dass Dr. G. etwas festgestellt habe, das gar keinen Krankheitswert habe, daraus dann aber, ohne dies weiter kritisch zu diskutieren, eine Kausalität, zumindest im Sinne einer wesentlichen Teilursache ableite, ohne dies jedoch klar als solche zu benennen, und dass er anschließend den von ihm beschriebenen Störungen völlig unangemessen eine MdE um 30 v. H. zugeordnet habe. Aufgrund des Gutachtens des Dr. G., das versorgungsärztlich kritiklos hingenommen worden sei, obgleich es viele Fragen aufwerfe bis hin eben zu der eindeutigen Grundfrage, dass ohne Krankheit kein Schaden bestehe, sei dann anschließend seitens der Verwaltung eine Beschädigtenversorgung gewährt worden, ohne dass aus gutachterlicher Sicht die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Beschädigtenversorgung gegeben gewesen seien. Es würde auch jeder psychiatrischen Erfahrung widersprechen, wenn Persönlichkeitseigenschaften, die keinen Krankheitswert hätten und keine Schädigungsfolge sein könnten, über Jahrzehnte des Lebens bestanden hätten und sich dann innerhalb von zwei Jahren verändert haben sollen. So etwas gebe es nicht. Persönlichkeitsstörungen ließen sich nur über viele Jahre hinweg in mühsamen Prozessen leicht modifizieren, aber selten ändern. Dass jetzt plötzlich bei einer Frau jenseits des 40. Lebensjahres innerhalb weniger Jahre eine wesentliche Änderung dieser Persönlichkeitszüge, die ja überhaupt keinen Krankheitswert hätten, eingetreten sein solle, sei kaum nachvollziehbar. Eine solche Besserung sei anhand der Aktenlage auch nicht belegt. Vielmehr habe es für die Beschädigtenversorgung zu keinem Zeitpunkt eine medizinisch nachvollziehbare Begründung gegeben.
Der Versorgungsarzt D. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.07.2010 die Ansicht vertreten, am Nachweis einer wesentlichen Besserung der festgestellten Gesundheitsstörungen bestehe aus versorgungsärztlicher Sicht kein Zweifel, zumal auch Dr. B. von einer aktuell kompensierten Traumafolgestörung ausgehe.
Mit Urteil vom 29.11.2010 hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 04.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2009 aufgehoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, nach der Bekanntgabe des Erstanerkennungsbescheides vom 25.04.2007 sei eine maßgebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin im Sinne des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht nachgewiesen. Bereits die behandelnde Dipl. Psychologin K. habe im Juli 2006 von einer Stabilisierung in der Behandlung berichtet, dies im Januar 2008 bekräftigt und seither nicht von einer nochmaligen wesentlichen Besserung berichtet. Die Gutachten des Dr. St. und des Dr. B. belegten gerade keine wesentliche Gesundheitsverbesserung, sondern beruhten auf einer anderweitigen Würdigung eines unveränderten Sachverhaltes, nämlich vielmehr darauf, dass Dr. St. und Dr. B. das Ausmaß der Schädigungsfolgen anders als Dr. G. beurteilten. Gegen eine wesentliche Änderung spreche eindeutig der jeweils in den Gutachten des Dr. G., des Dr. St. und des Dr. B. geschilderte psychische Befund. Dieser sei in allen Gutachten in den wesentlichen Punkten nahezu deckungsgleich und es falle auf, dass in keinem dieser Gutachten eine wesentliche psychische Beeinträchtigung dargelegt werde. Erstmals im Gutachten des Dr. B. werde zumindest von einer leicht gedämpften Stimmung berichtet, während Dr. St. und Dr. G. noch eine ausgeglichene beziehungsweise gute Stimmung beschrieben hätten. Da nach dem Gutachten des Dr. St. Probleme keine psychiatrischen Erkrankungen und daher grundsätzlich auch keinen Schaden darstellten, sei der Erstanerkennungsbescheid rechtswidrig gewesen. Dr. St. und Dr. B. hätten auch zutreffend dargelegt, dass die von Dr. G. vorgeschlagene MdE um 30 v. H. nicht zutreffend gewesen sei. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten könne auch nicht im Wege der Umdeutung auf § 45 SGB X gestützt werden. Denn es fehle an der hierfür erforderlichen Ermessensausübung.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 07.01.2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 03.02.2011 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 01.02.2011 vorgelegt. Darin ist ausgeführt worden, die Gutachten des Dr. G. und des Dr. St. lägen immerhin 14 Monate auseinander. Dr. G. sei zu den Kritikpunkten und Einschätzungen des Dr. St. nicht angehört worden. Dr. B. habe die Schädigungsfolgen bestätigt und im August 2008 keine MdE mehr festgestellt. Es könne weiterhin nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Unrichtigkeit des Bescheides vom 25.04.2007 ausgegangen werden. Eine wesentliche Besserung sei zu unterstellen. Der Beklagte hat zur Begründung seiner Berufung ergänzend ausgeführt, zum Untersuchungszeitpunkt durch Dr. G. habe die Klägerin gerade eine dritte Psychotherapie erhalten. Dr. G. habe deshalb für die nähere Zukunft mit einer weiteren Persönlichkeitsstabilisierung gerechnet. Dr. St. habe in seinem Gutachten eine deutliche Besserung der Gesundheitsstörungen, welche als Schädigungsfolgen anerkannt seien, beschrieben, wenngleich er deren Kausalität in Frage gestellt habe. Dr. B. habe die aktuelle Kompensierung der Traumafolgestörung auf die zwischenzeitlich durchgeführte Therapie und die Einnahme von Medikamenten zurückgeführt. Diese Besserung und Behandlung sei von Dr. G. so erwartet worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus, es liege keine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen vor.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, die beigezogene Akte des Sozialgerichts S 12 VG 3843/07 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Als Ermächtigungsgrundlage für die vom Beklagten mit Bescheid vom 04.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2009 vorgenommene Aufhebung des Bescheides vom 25.04.2007 kommt allein § 48 SGB X in Betracht.
Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Während die Vorschriften der §§ 44 und 45 SGB X die Rücknahme von Verwaltungsakten regelt, die von Anfang an rechtswidrig sind, also bereits bei ihrem Erlass nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen, will dagegen § 48 SGB X die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die zwar zunächst rechtmäßig sind, also der materiellen Rechtslage entsprechen, aber wegen einer nach ihrem Erlass eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage im Widerspruch zum geltenden Recht stehen. Deshalb müssen, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt, allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der angeblich eingetretenen Änderung verglichen werden. Nur wenn sich bei diesem Vergleich ein für den materiellen Anspruch des Einzelnen erheblicher Unterschied ergibt, haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89).
Eine Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse wäre vorliegend wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn sie zu einem Wegfall des Rentenanspruchs der Klägerin führen würde.
Die Voraussetzungen für die der Klägerin gewährte Rente ergeben sich aus § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit §§ 1, 30 und 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Beschädigte erhalten eine monatliche Grundrente bis zum 31.12.2008 bei einer MdE um 30 v. H. beziehungsweise ab 01.01.2009 bei einem GdS ab 30 (§ 31 Abs. 1 BVG). MdE und GdS sind nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG). MdE und GdS sind nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein/e bis zu 5 Grad geringere/r MdE oder GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).
Für die Beurteilung der bis zum 31.12.2008 maßgeblichen MdE und des ab 01.01.2009 maßgeblichen GdS gelten dieselben Grundsätze. Im Folgenden wird daher allein auf die Beurteilung des GdS Bezug genommen.
Der Senat orientiert sich bei der Prüfung, welche gesundheitlichen Schäden Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind, mit welchem GdS sie zu beurteilen sind und ob eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten ist, für die Zeit bis zum 31.12.2008 an den im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) 2008 und für die Zeit ab 01.01.2009 an die an die Stelle der AHP getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV). Danach liegt eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Schädigungsfolgen oder der Behinderung nur vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdS wenigstens 10 beträgt (AHP Teil A Nr. 24 Abs. 2 Satz 2, VG Teil A Nr. 7 a Satz 1). Nach Ablauf der Heilungsbewährung ist auch bei gleichbleibenden Symptomen eine Neubewertung des GdS zulässig, weil der Ablauf der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt (AHP Teil A Nr. 24 Abs. 3 Satz 2, VG Teil A Nr. 7 b). Auch bei gleichbleibendem Erscheinungsbild kann eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse vorliegen, wenn sich die schädigungsbedingte Störung, die dem Erscheinungsbild zunächst zugrunde lag, gebessert oder ganz zurückgebildet hat, das Leidensbild jedoch aufgrund neuer Ursachen bestehen geblieben ist (AHP Teil A Nr. 24 Abs. 6 Satz 2, VG Teil A Nr. 7 c Satz 2).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich für den Zeitpunkt der am 04.05.2009 erfolgten Aufhebungsentscheidung keine einen GdS von mindestens 10 bedingende Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse seit dem Zeitpunkt der am 25.04.2007 erfolgten Bewilligung der Beschädigtengrundrente feststellen.
Dies hat das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargelegt. Es hat sich mit zutreffender Argumentation auf das überzeugende Gutachten des Dr. St. und dessen gutachtlicher Stellungnahme gestützt und schlüssig dargelegt, warum der gegenteiligen Ansicht des Beklagten nicht gefolgt werden kann. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren und der vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Dem Bescheid vom 25.04.2007, mit dem der Beklagte als Schädigungsfolge eine psychoreaktive Störung festgestellt und eine Beschädigtengrundrente nach einer MdE um 30 v. H. bewilligt hat, haben die Verhältnisse zu Grunde gelegen, wie sie Dr. G. in seinem Gutachten vom 21.03.2007 beschrieben hat. Bereits damals hat der Gutachter die Klägerin aufgrund des von ihm erhobenen psychischen Befundes als in ihrem Denken formal und inhaltlich ungestört, stimmungsmäßig ausgeglichen, in der Psychomotorik nicht gehemmt, im Antriebsverhalten ungestört, in Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis ungestört sowie als überdurchschnittlich intelligent beschrieben und weder eine hirnorganische Erkrankung noch eine Psychose oder Persönlichkeitsstörung festgestellt. Mithin lässt sich nach Ansicht des Senats unter Zugrundelegung des Gutachtens des Dr. G. für den Zeitpunkt der Rentenbewilligung eine auf den sexuellen Missbrauch zurückführbare habhafte psychische Erkrankung nicht feststellen. Die von ihm angenommenen Störungen, wie erhöhte Selbstunsicherheit mit Ängsten, schlechtes Durchsetzungsvermögen mit Aggressionshemmung und schlechterer Verwertung der beruflichen Fähigkeiten, Störung der partnerschaftlichen Beziehungen zu Männern und Unsicherheit bei der Erziehung der Tochter, hat Dr. G. lediglich den Angaben der Klägerin und den aktenkundigen Befundberichten von Dr. Sch., der Psychotherapeutin K., des Dr. T., der Dr. P. sowie des Dr. M. entnommen und ohne für den Senat nachvollziehbare Begründung auf den sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater zurückgeführt. Von den vom Beklagten gehörten Ärzten hätte aktuelle Angaben zum Gesundheitszustand nur die die Klägerin seit April 2005 behandelnde Psychotherapeutin K. machen können. Doch eine zweifelsfreie Beschreibung des aktuellen Gesundheitszustandes der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ist ihrem Befundbericht vom 13.07.2006 gerade nicht zu entnehmen. Sie hat lediglich den Verlauf der Erkrankung im Längsschnitt dargelegt und eine zunehmende Stabilisierung im Arbeits- und Leistungsbereich bei immer wieder auftretenden Einbrüchen und Frustrationen in Partnerbeziehungen beschrieben. Ein für eine Kausalitäts- und GdS-Beurteilung ausreichender Befund ist ihrem Bericht somit nicht zu entnehmen.
Der Nachweis einer seit der Begutachtung durch Dr. G. eingetretenen Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin kann nicht geführt werden. Der Senat stützt sich dabei auf die schlüssigen Ausführungen des Dr. St. in seinem Gutachten. Der Sachverständige hat die Klägerin aufgrund des von ihm erhobenen psychischen Befundes als mit lebhafter und stets situationsadäquater Gestik und Mimik, mit kräftiger und unauffällig modulierter Stimme, offen und um differenzierte Schilderung bemüht, bewusstseinsklar und orientiert, energievoll, munter und lebhaft, gut gestimmt, mit adäquat erhaltenem affektivem Schwingungsvermögen, ohne Störungen des inhaltlichen und formalen Denkens, ohne Wahrnehmungs- oder Ichstörungen, mit dem Ausbildungs- und Sozialisationsniveau entsprechender Intelligenz sowie voll erhaltenem Konzentrations- und Aufmerksamkeitsvermögen beschrieben und weder soziale Störungen noch eine Persönlichkeitsstörung ausgemacht. Der von ihm erhobene Befund ist damit ebenso unauffällig wie der von Dr. G. beschriebene. Zwar hat Dr. St. unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin und der aktenkundigen Befundberichte ausgeführt, zum Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung sei keine sexuelle Funktionsstörung im Sinne einer psychiatrischen Diagnose mehr anzuführen, zum jetzigen Zeitpunkt seien eine Neigung zu rezidivierenden depressiven Episoden sowie leichtere Störungen von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl in gegenüber früher wohl deutlich abgeschwächter Form sowie Probleme der Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung von Beziehungen feststellbar. Daraus lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse gerade in dem Zeitfenster zwischen der Begutachtung durch Dr. G. und derjenigen durch Dr. St. eingetreten ist. Dasselbe gilt für die Angaben der Psychotherapeutin K. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 17.01.2008. Sie hat auch darin lediglich den allgemeinen Krankheitsverlauf dargestellt und deutliche Besserungen im Laufe der seit Mai 2006 durchgeführten Langzeitbehandlung sowie eine zunehmende Stabilisierung im Arbeits- und Leistungsbereich bei immer wieder auftretenden Einbrüchen in interpersonalen Beziehungen beschrieben. Ob diese Besserung der Gesundheitsverhältnisse nun aber vor oder nach der Begutachtung durch Dr. G. eingetreten ist, lässt sich diesen Angaben nicht entnehmen.
Überzeugend sind für den Senat auch die Ausführungen des Dr. St. in seiner gutachtlichen Stellungnahme. Er hat schlüssig dargelegt, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Beschädigtengrundrente von Anfang an nicht vorgelegen haben und zum anderen eine Gesundheitsverbesserung der Klägerin seit der Begutachtung des Dr. G. nicht eingetreten ist. Er hat dabei zutreffend ausgeführt, dass es jeder psychiatrischen Erfahrung widersprechen würde, dass sich über Jahrzehnte des Lebens bestandene Persönlichkeitseigenschaften innerhalb von zwei Jahren verändert haben sollen. Dr. St. hat auch völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse anhand der Aktenlage nicht belegt ist.
Der gegenteiligen versorgungsärztlichen Ansicht des Dr. G. ist mithin nicht zu folgen. Er hat zu Unrecht darauf abgestellt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Anerkennung der Schädigungsfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unrichtig gewesen sei. Dabei verkennt er, dass nicht die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 25.04.2007, sondern der Beklagte das Vorliegen einer seither eingetretenen Gesundheitsverbesserung beweisen muss. Dieser Beweis lässt sich aber nicht allein dadurch führen, dass nach Einholung aktueller Gutachten der GdS niedriger beurteilt wird. Sofern der Versorgungsarzt D. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme ausgeführt hat, die ängstlich-vermeidenden, selbstunsicheren und abhängigen Persönlichkeitszüge hätten sich unter verschiedenen psychotherapeutischen Behandlungen gebessert, verkennt er, dass der Zeitpunkt einer solchen Gesundheitsveränderung nicht nachgewiesen ist und mithin auch vor der durch Dr. G. vorgenommen Begutachtung liegen kann.
Eine seit der Rentenbewilligung eingetretene wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist mithin nicht nachweisbar, was vorliegend zu Lasten des Beklagten geht. Vielmehr dürfte die Rentenbewilligung von Anfang an rechtswidrig gewesen sein. Der Beklagte hat sich aber in seinem Rentenentziehungsbescheid auf eine Änderung der Verhältnisse gestützt und eine rechtsgebundene Entscheidung erlassen. Eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 45 SGB X kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte nach dieser Bestimmung eine Ermessensentscheidung hätte erlassen müssen (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89). Die verfügte Rentenentziehung war somit rechtswidrig.
Nach alledem hat das Sozialgericht zu Recht den Bescheid vom 04.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2009 aufgehoben. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Einstellung der ihr gewährten Beschädigtengrundrente.
Die 1961 geborene Klägerin, die als selbständige Innenarchitektin und nebenberuflich als Volkshochschul-Kursleiterin berufstätig sowie alleinerziehende Mutter einer im Jahr 1998 geborenen Tochter ist, beantragte am 12.07.2005 die Gewährung von Beschädigtenversorgung und machte dabei geltend, wegen eines in den Jahren von 1971 bis 1979 erfolgten sexuellen Missbrauchs durch ihren Stiefvater an seelischen Erkrankungen zu leiden.
Nach den vom Beklagten beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten wurde das gegen ihren Stiefvater eingeleitete Strafverfahren mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Hechingen vom 22.12.2005 wegen inzwischen eingetretener Verfolgungsverjährung eingestellt (14 Js 11230/05).
Der Beklagte zog das von der AOK - Die Gesundheitskasse Z. - über die Klägerin geführte Vorerkrankungsverzeichnis bei und holte die Befundberichte von Dr. Sch. vom 03.04.2006 (Depressionen, Angstzustände), der Psychotherapeutin K. vom 13.07.2006 (posttraumatische Belastungsstörung mit rezidivierenden mittelgradig depressiven Episoden sowie Angst- und Panikattacken; Kurzzeittherapie seit April 2005, Langzeittherapie seit Mai 2006, die eine Stabilisierung gebracht habe), des Psychotherapeuten Dr. T. vom 03.10.2006 (depressive und angstneurotische Symptomatik, schwere Traumatisierung; tiefenpsychologisch fundierte Behandlung von Januar 1991 bis September 1994), der Psychotherapeutin Dr. P. vom 04.10.2006 (Klagen über mangelndes Selbstbewusstsein, geringe Frustrationstoleranz, Beziehungsstress, schlechten Schlaf, Freudlosigkeit, massive Angstzustände und Suizidgedanken; psychotherapeutische Behandlung von April 1999 bis Dezember 2000, die zu einer deutlichen Besserung geführt habe) und des Neurologen und Psychiaters Dr. M. vom 17.10.2006 (Anpassungsstörung mit Angst und Depression gemischt; psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung von Mai 1985 bis April 1999) ein.
Ferner holte der Beklagte das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 21.03.2007 ein. Der Sachverständige führte aus, die Klägerin habe verschiedene Hobbies (Wandern, Pferde, Photographie, Malen), verreise viel und gerne und sei aktive Bogenschützin im Verein. Die Störungen der Klägerin nach negativen Erlebnissen in der Kindheit und Jugend, insbesondere einem anhaltenden sexuellen Missbrauch durch ihren Stiefvater, zeigten sich in erhöhter Selbstunsicherheit mit Ängsten, sich in größeren Menschenmengen aufzuhalten und vor größeren Gruppen zu unterrichten, und in einem schlechten Durchsetzungsvermögen mit Aggressionshemmung, auch mit der Folge einer schlechteren Verwertung der beruflichen Fähigkeiten als freiberuflich tätige Innenarchitektin. Ferner bestehe eine Störung der partnerschaftlichen Beziehungen zu Männern, mit denen die Klägerin trotz ihres Wunsches nach einer dauerhaften Beziehung nur kurzfristige Verhältnisse eingehen könne. Die Klägerin sei unsicher, ihre neunjährige Tochter richtig zu erziehen. Die Störungen seien hauptsächlich auf den anhaltenden sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater, aber auch auf seinen Angst verbreitenden Erziehungsstil mit drakonischen, für die Klägerin unverständlichen Strafen und nicht zuletzt auch auf die fehlende Möglichkeit, sich mit den Problemen der Mutter oder anderen erwachsenen Personen anzuvertrauen, zurückzuführen. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor, da die Klägerin unter Alpträumen, intrinsischen Erinnerungen oder Flashbacks nicht leide und auch kein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten aufweise. Eine Anpassungsstörung könne wegen der langen Zeitdauer zwischen den belastenden Ereignissen und heute nicht mehr diagnostiziert werden. Eine dauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung liege ebenfalls nicht vor. Ein Teil der Störungen habe sich durch die bisherigen Psychotherapien beseitigen oder bessern lassen. Schädigungsunabhängig sei es durch eine schlechte wirtschaftliche Situation vor zwei Jahren zu Depressionen und Angstzuständen gekommen, die inzwischen nicht mehr bestünden. Der Gutachter beschrieb als Schädigungsfolgen Probleme bei sexuellem Missbrauch in der Kindheit und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 30 vom Hundert (v. H.) seit 01.07.2005 ein. Er führte ferner aus, es sei aufgrund der bereits erfolgreichen 3 Psychotherapien zu erwarten, dass durch die derzeit laufende Psychotherapie eine weitere Persönlichkeitsstabilisierung erfolge. Mit einem vollständigen Abklingen der Symptomatik sei aber nicht zu rechnen.
Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.03.2007 aus, als Schädigungsfolge seien psychoreaktive Störungen zu bezeichnen und die MdE sei mit 30 v. H. zu bewerten. Der Hypophysentumor sei schädigungsunabhängig. Mit einer weiteren Stabilisierung durch therapeutische Maßnahmen sei zu rechnen. Da die psychische Beeinträchtigung bereits chronifiziert sei, solle eine Nachuntersuchung erst nach fünf Jahren erfolgen.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 25.04.2007 stellte der Beklagte psychoreaktive Störungen als Folgen einer Gewalttat fest und bewilligte Beschädigtengrundrente nach einer MdE um 30 v. H. seit 01.07.2005. Den hiergegen eingelegten Widerspruch mit dem Begehren, die MdE wenigstens mit 40 v. H. zu bewerten, wies der Beklagte nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. vom 13.07.2007, in der an der bisherigen MdE-Einschätzung festgehalten wurde, mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2007 zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dem Störungsbild, das auf den sexuellen Missbrauch zurückzuführen sei, werde durch die MdE von 30 ausreichend Rechnung getragen.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Das Sozialgericht hörte zunächst die Psychotherapeutin K. unter dem 17.01.2008 und den Internisten W. unter dem 08.02.2008 schriftlich als sachverständige Zeugen. Die Psychotherapeutin K. beschrieb eine posttraumatische Belastungsstörung mit rezidivierenden mittelgradigen depressiven Episoden sowie Angst- und Panikattacken bei selbstwertgestörter, dependenter Persönlichkeitsstruktur. Aufgrund der deutlichen Verbesserungen und der Stabilisierung könne die Therapie im Sommer 2008 beendet werden. Der Internist W. ging von einer schwerwiegenden posttraumatischen Belastungsstörung aus, die derzeit dauerhaft therapiert werden müsse.
Sodann holte das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. St. vom 05.06.2008 ein. Der Sachverständige führte aus, im Leben der Klägerin hätten neben ihren Erfahrungen in der Kindheit beziehungsweise Jugend mit einem alkoholabhängigen und auch zu Gewalt neigenden Stiefvater, einer alkoholabhängigen Mutter sowie sexuellen Übergriffen des Stiefvaters auch persönliche Krankheitserfahrungen eine Rolle gespielt. So habe in der Jugend ein behandlungsbedürftiges epileptisches Anfallsleiden mit einer sogenannten Aufwachepilepsie bestanden und die Klägerin später die Operation eines Tumors am Gehirn sowie zwei Schilddrüsenoperationen mit anschließendem und erst unter einer Behandlung ausgeglichenem Hormonmangel erlebt. Zum Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung sei eine rezidivierende depressive Störung mit einer gegenwärtig ausgeglichenen Stimmung zu diagnostizieren. Ferner habe ein früherer Alkoholmissbrauch bestanden. Beginnend mit der Schulzeit bis zur Schwangerschaft im Jahr 1997 habe die Klägerin problematisch getrunken. Die Persönlichkeit der Klägerin habe sich nach Analyse der Akten und der nun vorgenommenen Befunderhebung vor allem selbstunsichere ängstlich-vermeidende Persönlichkeitszüge in einer Ausprägung gezeigt, dass von einer akzentuierten Persönlichkeit gesprochen werden könne. In schwächerer Form seien auch dependente abhängige Persönlichkeitszüge erkennbar. Dabei sei jedoch zu betonen, dass es sich um eine akzentuierte Persönlichkeit und nicht das Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung handele. Bis in die Jahre 1998/99 hätten darüber hinaus sexuelle Funktionsstörungen und wenig Freude an Sexualität bestanden. Zum Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung sei keine sexuelle Funktionsstörung im Sinne einer psychiatrischen Diagnose mehr anzuführen. Weitere psychiatrische Erkrankungen, insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung, seien weder bei der jetzigen Begutachtung noch anhand der Unterlagen in der Krankengeschichte feststellbar. Auch eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung sei nicht zu diagnostizieren. Die früher bestandene neurologische Aufwachepilepsie, bei der es sich nicht um dissoziative Anfälle gehandelt habe, bereite seit Jahren keine Schwierigkeiten mehr. Die wegen der Operation der Hirnanhangdrüse mit nachfolgender medikamentöser Behandlung regelmäßig durchgeführten Kontrollen hätten einen ausgeglichenen hormonellen Zustand ergeben. Zu einem Nachwachsen des Tumors sei es nicht gekommen. Allgemein-körperlich seien bei der jetzigen Begutachtung keine Krankheitszeichen feststellbar. Zusammenfassend seien zum jetzigen Zeitpunkt eine Neigung zu rezidivierenden depressiven Episoden sowie leichtere Störungen von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl in gegenüber früher wohl deutlich abgeschwächter Form sowie Probleme der Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung von Beziehungen feststellbar. In Bezug auf die Kausalitätsbeurteilung führte Dr. St. aus, die einer Persönlichkeitsstörung entsprechenden selbstunsicheren Persönlichkeitseigenschaften der Klägerin seien nicht als Schädigungsfolge zu werten. Der frühere Alkoholmissbrauch könne bei der vorliegenden Familiengeschichte kaum als Schädigungsfolge angesehen werden. Ein Kausalzusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und früherem Alkoholmissbrauch, der die Problematik bei der Partnerwahl begünstigt habe, sei nicht wahrscheinlich. Die rezidivierende depressive Störung mit den abgegrenzten depressiven Phasen und einer ebenfalls als depressiv beschriebenen Mutter sei nicht als Schädigungsfolge zu werten. Depressionen mit abgegrenzten Phasen hätten eine hohe genetische Bedingtheit. Es sei bei solchen wiederkehrenden, abgegrenzten Krankheitsphasen psychiatrisch nicht zulässig, diese monokausal auf bestimmte Erlebnisse zurückzuführen. Neben genetisch-habituellen Faktoren spielten lebens- und lerngeschichtliche Faktoren, wie der strafende und auf Machtausübung abzielende Erziehungsstil des Stiefvaters, das Erleben der Alkoholsucht beider Eltern und der Gewalt zwischen ihnen, die Verarbeitung des eigenen Krankseins in der Kindheit und Jugend sowie der sexuelle Missbrauch durch den Stiefvater, eine Rolle. Es könnten einzelne, frühere, nicht dokumentierte, depressive Episoden in der Jugend, nicht aber die Krankheit an sich, durch den Missbrauch ausgelöst sein. Die von der Klägerin berichteten früheren, jetzt nicht mehr bestehenden sexuellen Funktionsstörungen, wie eine gewisse/inzwischen auch deutlich gebesserte Selbstunsicherheit und Schüchternheit, die aber auch nie das Ausmaß gehabt habe, dass beispielsweise Beziehungsaufnahmen oder Freundschaften schon in der Jugend gestört gewesen wären, sowie ihre Neigungen zu wiederkehrenden rezidivierenden depressiven Episoden könnten möglicherweise auch Einflüsse des sexuellen Missbrauchs aufweisen. Einen Zusammenhang als wahrscheinlich zu bezeichnen, sei psychiatrisch aber nicht möglich. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass auf die bei der Klägerin feststellbaren psychischen Störungen neben anderen Faktoren möglicherweise auch der sexuelle Missbrauch einen Einfluss habe, solche Einflüsse also nicht auszuschließen seien, es jedoch nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung nicht möglich sei, unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles, einen ursächlichen Zusammenhang als wahrscheinlich anzusehen. Auch wenn man den sexuellen Missbrauch wegdenke, wäre die psychische Konstellation bei der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit nahezu gleich. In völliger Übereinstimmung hierzu habe auch Dr. G. keine psychiatrische Erkrankung als Schädigungsfolge diagnostiziert, sondern lediglich Probleme bei sexuellem Missbrauch in der Kindheit beschrieben. Zu widersprechen sei Dr. G. darin, als dieser eine Störung des Selbstwertgefühls mit der Folge erhöhter Selbstunsicherheit, geringer Durchsetzungsfähigkeit, Ängsten und Unsicherheiten sowie eine Störung der Bindungsfähigkeit in Partnerbeziehungen als Schädigungsfolge angenommen und dabei die Störungen auf den sexuellen Missbrauch sowie den zu Hause herrschenden Erziehungsstil zurückgeführt habe, ohne die dann zwangsläufige Frage der konkurrierenden Kausalität zu diskutieren. Die von ihm als Schädigungsfolge bezeichneten Probleme der Klägerin bezögen sich ausschließlich auf Persönlichkeitsmerkmale, die wiederum nicht als Schädigungsfolge zu werten seien. Da die von Dr. G. als Schädigungsfolge eingestuften Persönlichkeitsmerkmale keiner Krankheit entsprächen und psychiatrisch nicht als Diagnose klassifiziert werden könnten, stellten sie auch keinen Schaden dar. Ferner sei die von Dr. G. vorgenommene MdE-Einstufung mit 30 v. H., die normalerweise einer Einstufung beim Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung entspreche, bei der von ihm festgestellten leichteren Störung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit infolge der Persönlichkeitsmerkmale sicher zu hoch gegriffen.
Ferner holte das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Psychiaters Dr. B. vom 21.08.2008 ein. Er führte aus, die gegenwärtig remittierende rezidivierende depressive Störung sei bezüglich der Verschlimmerung auf die Schädigung durch den sexuellen Missbrauch zurückzuführen. Wenngleich keine floride posttraumatische Belastungsstörung vorliege, so bestehe jedoch eine Traumafolgestörung. Es scheine die reaktive Genese der Depression im Vordergrund zu stehen, die in Verbindung mit der Persönlichkeitsstruktur und der Traumafolgestörung zu einer rezidivierenden depressiven Störung geführt habe. Eine MdE könne er nicht erkennen. Dies vor allem auch deshalb, weil keine psychiatrische Diagnose zu stellen sei. Als Schädigungsfolge sehe er eine Traumafolgestörung mit selbstunsicherer Persönlichkeit, die jedoch nicht die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung erfülle. Diese selbstunsichere Persönlichkeit neige in Anforderungs-, Belastungs- und Konfliktsituationen sowie Versuchungs- und Versagenssituationen zu depressiven Dekompensationen. Aktuell sei die Traumafolgestörung kompensiert. Immerhin habe sich die Klägerin beruflich etabliert sowie viele Fortbildungen absolviert, gebe Kurse an der Volkshochschule und befinde sich aktuell in Weiterbildung für eine Gutachtertätigkeit. Insofern müsse von einer erheblichen Widerstandskraft trotz der ungünstigen Kindheit und Traumafolgestörung ausgegangen werden.
Daraufhin nahm die Klägerin am 20.10.2008 ihre Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung zurück (S 12 VG 3843/07).
Im Anschluss an das Klageverfahren nahm der Beklagte eine Überprüfung des Versorgungsanspruchs der Klägerin vor. Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.11.2008 aus, es könne nicht festgestellt werden, dass die Anerkennung der Schädigungsfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unrichtig gewesen sei. Bei einer neu zu treffenden Bewertung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) zum Entscheidungszeitpunkt am 25.04.2007 unter Berücksichtigung der vorliegenden Gerichtsgutachten käme es nicht zum Abweichen des GdS um mehr als 10. Nach Auswertung der vorliegenden Gerichtsgutachten sei festzustellen, dass sich die anerkannten Gesundheitsstörungen inzwischen wesentlich gebessert hätten und aktuell mit einem GdS von unter 25 zu bewerten seien. Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Aufhebung des Erstanerkennungsbescheides an (Schreiben vom 02.03.2009).
Mit Neufeststellungsbescheid vom 04.05.2009 führte der Beklagte aus, als Schädigungsfolge bleibe eine psychoreaktive Störung wie bisher anerkannt. Der dadurch bedingte GdS betrage 10. Eine Beschädigtengrundrente stehe der Klägerin daher nicht mehr zu. Die Zahlung der laufenden Versorgungsbezüge werde zum 30.06.2009 eingestellt. Er führte zur Begründung aus, im Rahmen der während des Klageverfahrens durchgeführten Begutachtung sei festgestellt worden, dass gegenüber den Verhältnissen, die für die Erteilung des Erstanerkennungsbescheides vom 25.04.2007 maßgebend gewesen seien, insofern eine wesentliche Änderung eingetreten sei, als sich die anerkannten Schädigungsfolgen wesentlich gebessert hätten.
Hiergegen legte die Klägerin am 08.05.2009 Widerspruch ein. Sie legte dar, ihr Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, sondern weiter verschlechtert. Seit Februar 2009 sei die Dosis der eingenommenen Antidepressiva verdoppelt worden. Es träten auch immer wieder Suizidgedanken auf und es bestehe eine massive Depression. Sie sei in ihrer beruflichen Tätigkeit extrem eingeschränkt. Durchsetzungsvermögen sei nicht vorhanden. Erhebliche Schwierigkeiten bestünden auch im Partnerbereich, sie habe Ekel vor sexuellen Kontakten. Es träten massive Alpträume mit Panikattacken auf. Zwischenzeitlich sei die Langzeittherapie nochmals verlängert worden. Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.03.2009 aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die psychische Situation durch die beiden Gerichtsgutachter nicht korrekt bewertet worden sei. Die geltend gemachte Verschlimmerung im Sinne einer depressiven Symptomatik im Jahr 2009 sei nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er führte zur Begründung aus, es bestehe nach den Gerichtsgutachten kein wahrscheinlicher Kausalzusammenhang mehr zwischen den derzeitigen gesundheitlichen Beschwerden und der Schädigung sowie keine aktuelle Belastungsstörung mehr aus der Schädigung.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.09.2009 erneut Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben.
Der Versorgungsarzt D. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.05.2010 ausgeführt, die ängstlich-vermeidenden, selbstunsicheren und abhängigen Persönlichkeitszüge, für die die Schädigungsfolgen als wesentliche Mitursache angesehen worden seien, hätten sich unter verschiedenen psychotherapeutischen Behandlungen gebessert, wie Dr. St. ausgeführt habe. Er habe zusammenfassend darauf hingewiesen, dass eine Neigung zu rezidivierenden depressiven Episoden sowie leichtere Störungen von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl in gegenüber wohl früher deutlich abgeschwächter Form feststellbar seien, was sich auf die Probleme der Beziehungsgestaltung und der Aufrechterhaltung von Beziehungen bezogen habe. Unabhängig von der Frage der Kausalität hätten sich auch jene Gesundheitsstörungen gebessert, die unter der Bezeichnung "psychoreaktive Störungen" in der von Dr. G. näher beschriebenen Ausprägung im Erstanerkennungsbescheid berücksichtigt worden seien. Dr. St. habe die früheren, jetzt nicht mehr bestehenden sexuellen Funktionsstörungen diskutiert. Er habe auch eine inzwischen deutlich gebesserte Selbstunsicherheit und Schüchternheit beschrieben. Er habe einen ursächlichen Zusammenhang mit dem früheren sexuellen Missbrauch nicht vollständig ausgeschlossen, sondern einen solchen Miteinfluss für möglich gehalten. Damit könne die frühere Anerkennung der Schädigungsfolgen aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als unrichtig eingeschätzt werden. Letztlich habe Dr. St. in seinem Gutachten eine deutliche Besserung der Gesundheitsstörungen beschrieben. Im Übrigen habe auch Dr. B. die Ansicht vertreten, dass eine Traumafolgestörung bestehe. Nach seinen Ausführungen sei die Traumafolgestörung aktuell kompensiert. Damit sei eine wesentliche Besserung der als Schädigungsfolgen festgestellten Gesundheitsstörungen anzunehmen.
Daraufhin hat das Sozialgericht die ergänzende gutachtliche Stellungnahme des Dr. St. vom 31.05.2010 eingeholt. Er hat dargelegt, das Problem bestehe darin, dass Dr. G. etwas festgestellt habe, das gar keinen Krankheitswert habe, daraus dann aber, ohne dies weiter kritisch zu diskutieren, eine Kausalität, zumindest im Sinne einer wesentlichen Teilursache ableite, ohne dies jedoch klar als solche zu benennen, und dass er anschließend den von ihm beschriebenen Störungen völlig unangemessen eine MdE um 30 v. H. zugeordnet habe. Aufgrund des Gutachtens des Dr. G., das versorgungsärztlich kritiklos hingenommen worden sei, obgleich es viele Fragen aufwerfe bis hin eben zu der eindeutigen Grundfrage, dass ohne Krankheit kein Schaden bestehe, sei dann anschließend seitens der Verwaltung eine Beschädigtenversorgung gewährt worden, ohne dass aus gutachterlicher Sicht die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Beschädigtenversorgung gegeben gewesen seien. Es würde auch jeder psychiatrischen Erfahrung widersprechen, wenn Persönlichkeitseigenschaften, die keinen Krankheitswert hätten und keine Schädigungsfolge sein könnten, über Jahrzehnte des Lebens bestanden hätten und sich dann innerhalb von zwei Jahren verändert haben sollen. So etwas gebe es nicht. Persönlichkeitsstörungen ließen sich nur über viele Jahre hinweg in mühsamen Prozessen leicht modifizieren, aber selten ändern. Dass jetzt plötzlich bei einer Frau jenseits des 40. Lebensjahres innerhalb weniger Jahre eine wesentliche Änderung dieser Persönlichkeitszüge, die ja überhaupt keinen Krankheitswert hätten, eingetreten sein solle, sei kaum nachvollziehbar. Eine solche Besserung sei anhand der Aktenlage auch nicht belegt. Vielmehr habe es für die Beschädigtenversorgung zu keinem Zeitpunkt eine medizinisch nachvollziehbare Begründung gegeben.
Der Versorgungsarzt D. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.07.2010 die Ansicht vertreten, am Nachweis einer wesentlichen Besserung der festgestellten Gesundheitsstörungen bestehe aus versorgungsärztlicher Sicht kein Zweifel, zumal auch Dr. B. von einer aktuell kompensierten Traumafolgestörung ausgehe.
Mit Urteil vom 29.11.2010 hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 04.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2009 aufgehoben. Es hat zur Begründung ausgeführt, nach der Bekanntgabe des Erstanerkennungsbescheides vom 25.04.2007 sei eine maßgebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin im Sinne des § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht nachgewiesen. Bereits die behandelnde Dipl. Psychologin K. habe im Juli 2006 von einer Stabilisierung in der Behandlung berichtet, dies im Januar 2008 bekräftigt und seither nicht von einer nochmaligen wesentlichen Besserung berichtet. Die Gutachten des Dr. St. und des Dr. B. belegten gerade keine wesentliche Gesundheitsverbesserung, sondern beruhten auf einer anderweitigen Würdigung eines unveränderten Sachverhaltes, nämlich vielmehr darauf, dass Dr. St. und Dr. B. das Ausmaß der Schädigungsfolgen anders als Dr. G. beurteilten. Gegen eine wesentliche Änderung spreche eindeutig der jeweils in den Gutachten des Dr. G., des Dr. St. und des Dr. B. geschilderte psychische Befund. Dieser sei in allen Gutachten in den wesentlichen Punkten nahezu deckungsgleich und es falle auf, dass in keinem dieser Gutachten eine wesentliche psychische Beeinträchtigung dargelegt werde. Erstmals im Gutachten des Dr. B. werde zumindest von einer leicht gedämpften Stimmung berichtet, während Dr. St. und Dr. G. noch eine ausgeglichene beziehungsweise gute Stimmung beschrieben hätten. Da nach dem Gutachten des Dr. St. Probleme keine psychiatrischen Erkrankungen und daher grundsätzlich auch keinen Schaden darstellten, sei der Erstanerkennungsbescheid rechtswidrig gewesen. Dr. St. und Dr. B. hätten auch zutreffend dargelegt, dass die von Dr. G. vorgeschlagene MdE um 30 v. H. nicht zutreffend gewesen sei. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten könne auch nicht im Wege der Umdeutung auf § 45 SGB X gestützt werden. Denn es fehle an der hierfür erforderlichen Ermessensausübung.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 07.01.2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 03.02.2011 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 01.02.2011 vorgelegt. Darin ist ausgeführt worden, die Gutachten des Dr. G. und des Dr. St. lägen immerhin 14 Monate auseinander. Dr. G. sei zu den Kritikpunkten und Einschätzungen des Dr. St. nicht angehört worden. Dr. B. habe die Schädigungsfolgen bestätigt und im August 2008 keine MdE mehr festgestellt. Es könne weiterhin nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Unrichtigkeit des Bescheides vom 25.04.2007 ausgegangen werden. Eine wesentliche Besserung sei zu unterstellen. Der Beklagte hat zur Begründung seiner Berufung ergänzend ausgeführt, zum Untersuchungszeitpunkt durch Dr. G. habe die Klägerin gerade eine dritte Psychotherapie erhalten. Dr. G. habe deshalb für die nähere Zukunft mit einer weiteren Persönlichkeitsstabilisierung gerechnet. Dr. St. habe in seinem Gutachten eine deutliche Besserung der Gesundheitsstörungen, welche als Schädigungsfolgen anerkannt seien, beschrieben, wenngleich er deren Kausalität in Frage gestellt habe. Dr. B. habe die aktuelle Kompensierung der Traumafolgestörung auf die zwischenzeitlich durchgeführte Therapie und die Einnahme von Medikamenten zurückgeführt. Diese Besserung und Behandlung sei von Dr. G. so erwartet worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. November 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus, es liege keine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen vor.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, die beigezogene Akte des Sozialgerichts S 12 VG 3843/07 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Als Ermächtigungsgrundlage für die vom Beklagten mit Bescheid vom 04.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2009 vorgenommene Aufhebung des Bescheides vom 25.04.2007 kommt allein § 48 SGB X in Betracht.
Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Während die Vorschriften der §§ 44 und 45 SGB X die Rücknahme von Verwaltungsakten regelt, die von Anfang an rechtswidrig sind, also bereits bei ihrem Erlass nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen, will dagegen § 48 SGB X die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die zwar zunächst rechtmäßig sind, also der materiellen Rechtslage entsprechen, aber wegen einer nach ihrem Erlass eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage im Widerspruch zum geltenden Recht stehen. Deshalb müssen, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt, allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der angeblich eingetretenen Änderung verglichen werden. Nur wenn sich bei diesem Vergleich ein für den materiellen Anspruch des Einzelnen erheblicher Unterschied ergibt, haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89).
Eine Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse wäre vorliegend wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn sie zu einem Wegfall des Rentenanspruchs der Klägerin führen würde.
Die Voraussetzungen für die der Klägerin gewährte Rente ergeben sich aus § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit §§ 1, 30 und 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG). Beschädigte erhalten eine monatliche Grundrente bis zum 31.12.2008 bei einer MdE um 30 v. H. beziehungsweise ab 01.01.2009 bei einem GdS ab 30 (§ 31 Abs. 1 BVG). MdE und GdS sind nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 BVG). MdE und GdS sind nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein/e bis zu 5 Grad geringere/r MdE oder GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten (§ 30 Abs. 1 Satz 3 BVG).
Für die Beurteilung der bis zum 31.12.2008 maßgeblichen MdE und des ab 01.01.2009 maßgeblichen GdS gelten dieselben Grundsätze. Im Folgenden wird daher allein auf die Beurteilung des GdS Bezug genommen.
Der Senat orientiert sich bei der Prüfung, welche gesundheitlichen Schäden Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind, mit welchem GdS sie zu beurteilen sind und ob eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten ist, für die Zeit bis zum 31.12.2008 an den im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) 2008 und für die Zeit ab 01.01.2009 an die an die Stelle der AHP getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV). Danach liegt eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Schädigungsfolgen oder der Behinderung nur vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdS wenigstens 10 beträgt (AHP Teil A Nr. 24 Abs. 2 Satz 2, VG Teil A Nr. 7 a Satz 1). Nach Ablauf der Heilungsbewährung ist auch bei gleichbleibenden Symptomen eine Neubewertung des GdS zulässig, weil der Ablauf der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt (AHP Teil A Nr. 24 Abs. 3 Satz 2, VG Teil A Nr. 7 b). Auch bei gleichbleibendem Erscheinungsbild kann eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse vorliegen, wenn sich die schädigungsbedingte Störung, die dem Erscheinungsbild zunächst zugrunde lag, gebessert oder ganz zurückgebildet hat, das Leidensbild jedoch aufgrund neuer Ursachen bestehen geblieben ist (AHP Teil A Nr. 24 Abs. 6 Satz 2, VG Teil A Nr. 7 c Satz 2).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich für den Zeitpunkt der am 04.05.2009 erfolgten Aufhebungsentscheidung keine einen GdS von mindestens 10 bedingende Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse seit dem Zeitpunkt der am 25.04.2007 erfolgten Bewilligung der Beschädigtengrundrente feststellen.
Dies hat das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargelegt. Es hat sich mit zutreffender Argumentation auf das überzeugende Gutachten des Dr. St. und dessen gutachtlicher Stellungnahme gestützt und schlüssig dargelegt, warum der gegenteiligen Ansicht des Beklagten nicht gefolgt werden kann. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren und der vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Dem Bescheid vom 25.04.2007, mit dem der Beklagte als Schädigungsfolge eine psychoreaktive Störung festgestellt und eine Beschädigtengrundrente nach einer MdE um 30 v. H. bewilligt hat, haben die Verhältnisse zu Grunde gelegen, wie sie Dr. G. in seinem Gutachten vom 21.03.2007 beschrieben hat. Bereits damals hat der Gutachter die Klägerin aufgrund des von ihm erhobenen psychischen Befundes als in ihrem Denken formal und inhaltlich ungestört, stimmungsmäßig ausgeglichen, in der Psychomotorik nicht gehemmt, im Antriebsverhalten ungestört, in Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis ungestört sowie als überdurchschnittlich intelligent beschrieben und weder eine hirnorganische Erkrankung noch eine Psychose oder Persönlichkeitsstörung festgestellt. Mithin lässt sich nach Ansicht des Senats unter Zugrundelegung des Gutachtens des Dr. G. für den Zeitpunkt der Rentenbewilligung eine auf den sexuellen Missbrauch zurückführbare habhafte psychische Erkrankung nicht feststellen. Die von ihm angenommenen Störungen, wie erhöhte Selbstunsicherheit mit Ängsten, schlechtes Durchsetzungsvermögen mit Aggressionshemmung und schlechterer Verwertung der beruflichen Fähigkeiten, Störung der partnerschaftlichen Beziehungen zu Männern und Unsicherheit bei der Erziehung der Tochter, hat Dr. G. lediglich den Angaben der Klägerin und den aktenkundigen Befundberichten von Dr. Sch., der Psychotherapeutin K., des Dr. T., der Dr. P. sowie des Dr. M. entnommen und ohne für den Senat nachvollziehbare Begründung auf den sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater zurückgeführt. Von den vom Beklagten gehörten Ärzten hätte aktuelle Angaben zum Gesundheitszustand nur die die Klägerin seit April 2005 behandelnde Psychotherapeutin K. machen können. Doch eine zweifelsfreie Beschreibung des aktuellen Gesundheitszustandes der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt ist ihrem Befundbericht vom 13.07.2006 gerade nicht zu entnehmen. Sie hat lediglich den Verlauf der Erkrankung im Längsschnitt dargelegt und eine zunehmende Stabilisierung im Arbeits- und Leistungsbereich bei immer wieder auftretenden Einbrüchen und Frustrationen in Partnerbeziehungen beschrieben. Ein für eine Kausalitäts- und GdS-Beurteilung ausreichender Befund ist ihrem Bericht somit nicht zu entnehmen.
Der Nachweis einer seit der Begutachtung durch Dr. G. eingetretenen Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin kann nicht geführt werden. Der Senat stützt sich dabei auf die schlüssigen Ausführungen des Dr. St. in seinem Gutachten. Der Sachverständige hat die Klägerin aufgrund des von ihm erhobenen psychischen Befundes als mit lebhafter und stets situationsadäquater Gestik und Mimik, mit kräftiger und unauffällig modulierter Stimme, offen und um differenzierte Schilderung bemüht, bewusstseinsklar und orientiert, energievoll, munter und lebhaft, gut gestimmt, mit adäquat erhaltenem affektivem Schwingungsvermögen, ohne Störungen des inhaltlichen und formalen Denkens, ohne Wahrnehmungs- oder Ichstörungen, mit dem Ausbildungs- und Sozialisationsniveau entsprechender Intelligenz sowie voll erhaltenem Konzentrations- und Aufmerksamkeitsvermögen beschrieben und weder soziale Störungen noch eine Persönlichkeitsstörung ausgemacht. Der von ihm erhobene Befund ist damit ebenso unauffällig wie der von Dr. G. beschriebene. Zwar hat Dr. St. unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin und der aktenkundigen Befundberichte ausgeführt, zum Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung sei keine sexuelle Funktionsstörung im Sinne einer psychiatrischen Diagnose mehr anzuführen, zum jetzigen Zeitpunkt seien eine Neigung zu rezidivierenden depressiven Episoden sowie leichtere Störungen von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl in gegenüber früher wohl deutlich abgeschwächter Form sowie Probleme der Beziehungsgestaltung und Aufrechterhaltung von Beziehungen feststellbar. Daraus lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse gerade in dem Zeitfenster zwischen der Begutachtung durch Dr. G. und derjenigen durch Dr. St. eingetreten ist. Dasselbe gilt für die Angaben der Psychotherapeutin K. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 17.01.2008. Sie hat auch darin lediglich den allgemeinen Krankheitsverlauf dargestellt und deutliche Besserungen im Laufe der seit Mai 2006 durchgeführten Langzeitbehandlung sowie eine zunehmende Stabilisierung im Arbeits- und Leistungsbereich bei immer wieder auftretenden Einbrüchen in interpersonalen Beziehungen beschrieben. Ob diese Besserung der Gesundheitsverhältnisse nun aber vor oder nach der Begutachtung durch Dr. G. eingetreten ist, lässt sich diesen Angaben nicht entnehmen.
Überzeugend sind für den Senat auch die Ausführungen des Dr. St. in seiner gutachtlichen Stellungnahme. Er hat schlüssig dargelegt, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Beschädigtengrundrente von Anfang an nicht vorgelegen haben und zum anderen eine Gesundheitsverbesserung der Klägerin seit der Begutachtung des Dr. G. nicht eingetreten ist. Er hat dabei zutreffend ausgeführt, dass es jeder psychiatrischen Erfahrung widersprechen würde, dass sich über Jahrzehnte des Lebens bestandene Persönlichkeitseigenschaften innerhalb von zwei Jahren verändert haben sollen. Dr. St. hat auch völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse anhand der Aktenlage nicht belegt ist.
Der gegenteiligen versorgungsärztlichen Ansicht des Dr. G. ist mithin nicht zu folgen. Er hat zu Unrecht darauf abgestellt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Anerkennung der Schädigungsfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unrichtig gewesen sei. Dabei verkennt er, dass nicht die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 25.04.2007, sondern der Beklagte das Vorliegen einer seither eingetretenen Gesundheitsverbesserung beweisen muss. Dieser Beweis lässt sich aber nicht allein dadurch führen, dass nach Einholung aktueller Gutachten der GdS niedriger beurteilt wird. Sofern der Versorgungsarzt D. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme ausgeführt hat, die ängstlich-vermeidenden, selbstunsicheren und abhängigen Persönlichkeitszüge hätten sich unter verschiedenen psychotherapeutischen Behandlungen gebessert, verkennt er, dass der Zeitpunkt einer solchen Gesundheitsveränderung nicht nachgewiesen ist und mithin auch vor der durch Dr. G. vorgenommen Begutachtung liegen kann.
Eine seit der Rentenbewilligung eingetretene wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist mithin nicht nachweisbar, was vorliegend zu Lasten des Beklagten geht. Vielmehr dürfte die Rentenbewilligung von Anfang an rechtswidrig gewesen sein. Der Beklagte hat sich aber in seinem Rentenentziehungsbescheid auf eine Änderung der Verhältnisse gestützt und eine rechtsgebundene Entscheidung erlassen. Eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 45 SGB X kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte nach dieser Bestimmung eine Ermessensentscheidung hätte erlassen müssen (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89). Die verfügte Rentenentziehung war somit rechtswidrig.
Nach alledem hat das Sozialgericht zu Recht den Bescheid vom 04.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2009 aufgehoben. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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