L 10 U 4610/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 42/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4610/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13.08.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung des Ereignisses vom 02.10.2010 als Arbeitsunfall.

Der am 1952 geborene Kläger ist als selbständiger Unternehmensberater und als Berater in Arbeits-, Sozial-, und Steuerrecht tätig und bei der Beklagten freiwillig unfallversichert. Er teilte in einer Unfallanzeige vom 04.10.2010 der Beklagten mit, er habe am 02.10.2010 in den Räumen der L.-B.-Str. in U. einen Arbeitsunfall erlitten. Er habe im Zuge der Sichtung von Unterlagen beim Aufstehen nicht gemerkt, dass der rechte Fuß "eingeschlafen" gewesen sei; ein Sturz und infolge dessen eine Hüftgelenksprellung sei die Folge gewesen. Mit Schreiben vom 13.10.2010 gab er an, im Vorfeld des Geschehens sei eine Mineralwasserflasche vor dem PC umgefallen und habe den Laminatboden genässt, was den Sturz forciert habe. Ausweislich des Berichts des am 05.10.2010 aufgesuchten H-Arztes Dr. P. lag bei dem Kläger eine LWS-Stauchung sowie eine Hüftprellung rechts vor. Ihm gegenüber gab der Kläger an, beim Sitzen sei das rechte Bein eingeschlafen und beim Aufstehen sei er gestützt.

Mit Bescheid vom 13.10.2010 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Leistungen aufgrund des Ereignisses vom 02.10.2010 ab. Bei einem sogenannten eingeschlafenen Bein handle es sich um eine innere Ursache. Bei einer inneren Ursache sei ein Arbeitsunfall nicht gegeben. Leistungen würden nicht erbracht, da kein Versicherungsfall vorliege. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und ergänzte den Sachverhaltsvortrag dahin gehend, dass im Vorfeld des Geschehens eine Mineralwasserflasche umgefallen sei und den Laminatboden eingenässt habe, was den Sturz "forciert bzw. veranlasst" habe (Bl. 21 VA). In einer weiteren Darstellung vom selben Tag teilte der Kläger mit, das Geschehen um die Wasserflasche habe "sicherlich den Sturz forciert" (Bl. 47 SG-Akte). Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Man habe zu Recht mit Bescheid vom 13.10.2010 das Vorliegen eines Versicherungsfalls abgelehnt. Der Sturz sei auf eine innere Ursache zurückzuführen. Bei den ersten Angaben in der Unfallmeldung und gegenüber dem behandelnden Arzt Dr. P. habe der Kläger übereinstimmend als Unfallursache das eingeschlafene Bein angegeben. Erst im weiteren Verlauf habe er als weitere Ursache den nassen Laminatboden nachgeschoben. Den zeitnah zum Unfalltag gemachten Angaben zum Unfallhergang komme aber ein höherer Beweiswert zu.

Im Dezember 2010 unterzog sich der Kläger einer stationären Rehamaßnahme in der Rehaklinik Bad K. zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Bund. Im Entlassungsbericht wurde ausgeführt, der Kläger sei durchgehend seit März 2010 wegen hypertensiver Krise sowie Schwindel arbeitsunfähig. Seit diesem Zeitpunkt habe der Kläger auch ständig Schmerzen im Steißbein, HWS- und LWS-Bereich, seine rechte Fußsohle werde zeitweise taub und er laufe dann "wie auf Eis" (vgl. Bl. 55, 59 VA).

Gegen die Bescheide der Beklagten hat der Kläger am 07.01.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 21.04.2011 (L 6 U 1527/11 B) die Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Sozialgerichts Ulm zurückgewiesen, da es wegen der überragenden Bedeutung einer inneren Ursache für den Sturz des Klägers an der Unfallkausalität fehle. Der Senat halte es nicht für bewiesen, dass ein nasser Fußboden wesentlich ursächlich für den Sturz des Klägers geworden sei. Mit Urteil vom 13.08.2012 hat das Sozialgericht Ulm dann die Klage u.a. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21.04.2011 abgewiesen.

Gegen das dem Kläger am 19.09.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 19.10.2012 Berufung eingelegt und beantragt, festzustellen, dass er am 02.10.2010 einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten habe. Er halte das Urteil aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen für falsch.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 13.08.2012 und den Bescheid vom 13.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2010 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 02.10.2010 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt ihren Antrag auf den Akteninhalt, ihre Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung sowie auf das erstinstanzliche Urteil vom 13.08.2012. Man sei auch weiterhin der Ansicht, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Ereignis um einen Sturz aufgrund innerer Ursache und somit nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 13.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2010 das Vorliegen eines Versicherungsfalles verneint und, darauf gestützt, Ansprüche auf Leistungen pauschal abgelehnt. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidung, weil diese andernfalls bei zu treffender Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünde und im Grunde das Nichtvorliegen eines Arbeitsunfalles regelt. Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren ist § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, hier zwischen dem Kläger und der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger auf Grund eines grundsätzlich entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Dies ermöglicht es dem Kläger, das Vorliegen eines Arbeitsunfalles als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab klären zu lassen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R). Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Arbeitsunfall eingetreten sei, liegt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung vor.

Die Klage ist indessen unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles verneinte. Denn bezogen auf das Ereignis vom 02.10.2010 liegt kein Arbeitsunfall vor.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.

Inwieweit der Kläger bei seinem Sturz am 02.10.2010, einem Samstag, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand, erscheint fraglich. So wurde im Reha-Entlassungs¬bericht vom 23.12.2010 ausgeführt, der Kläger sei seit seinem ersten "Unfall" vom 27.03.2010 durchgehend arbeitsunfähig. Im Schreiben vom 12.03.2011, mit welchem er Beschwerde gegen die Prozesskostenhilfe ablehnende Beschlüsse des Sozialgerichts Ulm vom 04.03.2011 eingelegt und Befangenheitsantrag gestellt hat (Bl. 273 VA), hat der Kläger dies bestätigt; er sei seit 27.03.2010 bis derzeit 31.03.2011 arbeitsunfähig. Auch ist unklar, zu welchen Zweck sich der Kläger am 02.10.2010 in den Räumen aufhielt, in denen sich der Sturz ereignete, und warum er sich schließlich konkret vom Schreibtisch erhob. Letztlich kann die Klärung dieser Frage aber dahingestellt bleiben, da es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität fehlt.

Der Sturz des Klägers auf den Laminatboden an diesem Tag stellt zwar einen Unfall dar. Für das den Unfallbegriff prägende, von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Es dient vielmehr der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden auf Grund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Alltägliche Vorgänge wie ein Stolpern, auch über die eigenen Füße, oder das Aufschlagen auf dem Boden genügen für das von außen wirkende Ereignis, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (BSG, Urteil vom 17.02.2009, B 2 U 18/07 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 m.w.N.). Dies bedeutet, dass ein von außen wirkendes Ereignis im Falle eines Aufschlagens auf den Boden immer zu bejahen ist, unabhängig von der Frage nach der Ursache des Sturzes, also auch bei einer allein hierfür verantwortlichen inneren Ursache. Die erwähnte Abgrenzung zu Gesundheitsschäden auf Grund "innerer Ursache" wird somit regelmäßig nur dann relevant, wenn keine äußere Einwirkung als Grund für den geltend gemachten Gesundheitsschaden festgestellt werden kann (z.B. im Falle eines tot am Arbeitsplatz aufgefundenen Versicherten, bei dem nachfolgend ein Herzinfarkt diagnostiziert wird). Mit dem Aufschlagen auf dem Boden und der LWS-Stauchung sowie der Hüftprellung rechts erlitt der Kläger somit einen Unfall.

Indessen war der Unfall kein Arbeitsunfall. Der Senat verneint die für eine solche Bewertung erforderliche Unfallkausalität.

Der Begriff der Unfallkausalität kennzeichnet die Kausalität zwischen der mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis (BSG, a.a.O.); hier also - unterstellt es diente einer versicherten Tätigkeit - zwischen dem Sicherheben und dem Sturz. Insoweit gilt ebenso wie für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, a.a.O.). Diese setzt (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15) zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Denn erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009, a.a.O.). Es ist (BSG, Urteil vom 12.04.2005, a.a.O., auch zum Nachfolgenden) daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen oder Vorschäden, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Die erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis (Unfallkausalität) liegt vor, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten (BSG, Urteil vom 17.02.2009, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Denn wenn eine mögliche Konkurrenzursache schon nicht festgestellt werden kann, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus. Liegt hingegen eine Konkurrenzursache vor, ist die Unfallkausalität zu klären, was typischerweise auch in Fällen einer inneren Ursache - hier hinsichtlich dem eingeschlafenen Fuß - notwendig ist. Nur wenn eine solche konkurrierende Ursache, insbesondere eine innere Ursache, neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis wirksam geworden ist, ist zu entscheiden, welche der Ursachen rechtserheblich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist.

Für den Ausschluss der versicherten Tätigkeit als wesentliche Ursache reicht es dann allerdings nicht aus festzustellen, dass der Versicherte eine als Konkurrenzursache grundsätzlich in Frage kommende Grunderkrankung als innere Ursache in sich trägt; vielmehr muss feststehen, dass diese innere Ursache tatsächlich kausal geworden ist, d.h. einen Ursachenbeitrag gesetzt und das konkrete Unfallereignis (zumindest mit-)verursacht hat (BSG, a.a.O.). Erst wenn feststeht, dass die vorhandene innere Ursache tatsächlich eine Bedingung ist, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg - hier das Unfallereignis - entfiele, ist in einem zweiten Schritt zu entscheiden, ob die versicherte Tätigkeit oder die nicht versicherte innere Ursache wesentlich für den Eintritt des Unfallereignisses war. Die bloße Möglichkeit der Mitverursachung durch eine innere Ursache vermag die festgestellte (naturwissenschaftliche) Ursächlichkeit der versicherten Tätigkeit nicht zu verdrängen. Insoweit ist zu beachten, dass die nicht auszuräumende - bloße - Möglichkeit einer inneren Ursache die Bejahung eines Arbeitsunfalls nicht ausschließt, die innere Ursache muss sicher feststehen, um in den Abwägungsprozess mit einbezogen zu werden (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 02.02.1978, 8 RU 66/77 in SozR 2200 § 548 Nr. 38 - Verkehrsunfall und alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit -; Urteil vom 31.07.1985, 2 RU 74/84 in SozR 2200 § 548 Nr. 75 - Sturz und Kreislaufhypotonie als innere Ursache -; Urteil vom 20.01.1987, 2 RU 27/86 in SozR 2200 § 548 Nr. 84 - innere Ursache bei ungeklärtem Unfallverlauf -; Urteil vom 24.02.1988, 2 RU 30/87 - Sturz und Epilepsie als innere Ursache -; Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R - innere Ursache bei Berufskrankheiten -.; Urteil vom 12.04.2005, a.a.O. - Subarachnoidalblutung -; Urteil vom 17.02.2009, a.a.O. - Sturz und epileptischer Anfall als innere Ursache -).

Hier lag nach Überzeugung des Senats eine solche innere Ursache vor, die zu dem Gesundheitserstschaden in Form der LWS-Stauchung sowie der Hüftprellung führte. Der Kläger kam infolge eines Taubheitsgefühls im rechten Fuß zu Fall. Dies entnimmt der Senat der Unfallmeldung des Klägers vom 04.10.2010, in welcher er explizit auf den eingeschlafenen rechten Fuß als Unfallursache verweist; auch in seinem Widerspruch vom 15.10.2010 berichtete der Kläger von einem eingeschlafenen Fuß. Der Senat hat keinen Grund, insoweit an den Angaben des Klägers zu zweifeln. Soweit die Beklagte in der Folgezeit im Hinblick auf die Beurteilung im H-Arzt-Bericht des Dr. P. von einem eingeschlafenen Bein schreibt und der Kläger dies teilweise in der Klagebegründung übernommen hat, handelt es sich danach um eine sprachliche Ungenauigkeit. Dem späteren ergänzenden Vortrag des Klägers, in welchem er von einer "im Vorfeld des Geschehens" umgefallenen Mineralwasserflasche berichtete, die sich über den Laminatboden ergossen habe, kann der Senat dagegen nicht folgen. Sowohl im H-Arzt-Bericht vom 05.10.2010 wie auch der bereits genannten Unfallmeldung wurden neben dem eingeschlafenen Fuß keine weiteren Unfallursachen genannt; insbesondere wurde kein nasser Fußboden erwähnt. Dies überrascht umso mehr, als nach den Ausführungen im Widerspruch das Geschehen mit der Mineralwasserflasche den Sturz sogar veranlasst haben soll. Vor diesem Hintergrund ist unerfindlich, weshalb das aus Sicht des Klägers so bedeutsame Ereignis weder im genannten Arztbericht noch in der ursprünglichen Unfallmeldung Eingang fand. Soweit der Kläger darauf verweist, er habe in der Unfallmeldung darauf hingewiesen, dass "weitere Tatsachen und Beweismittel folgen", erklärt dies nicht, aus welchen Gründen dort nur der eingeschlafene Fuß, nicht aber ein nasser Fußboden Erwähnung fand. Ein zusätzlicher Aufwand wäre damit nicht verbunden gewesen, wie der Vergleich des Schreiben vom 04.10.2010 (Bl. 3 VA) und vom 13.10.2010 (Bl. 14 VA) zeigt. Obgleich die fehlende Nachvollziehbarkeit des nachgeschobenen Unfallhergangs zentraler Argumentationspunkt im Widerspruchsbescheid sowie in den Entscheidungen des Sozialgerichts bzw. den Beschwerdeentscheidungen des Landessozialgerichts gewesen ist, hat der Kläger weder während des Verwaltungsverfahrens noch im Rahmen der anschließenden gerichtlichen Verfahren eine nachvollziehbare Erklärung für dieses "Nachschieben" angeboten. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass beim Unfallereignis zu dem Taubheitsgefühl im Fuß das Geschehen im Zusammenhang mit der Mineralwasserflasche hinzutrat. Im Übrigen wählte der Kläger sowohl im Schreiben vom 13.10.2010 (Bl. 14 VA) wie im Schreiben vom 15.10.2010 (Bl. 47 SG-Akte) die Formulierung, das Geschehen um die Wasserflasche habe "den Sturz forciert". Im Widerspruchsschreiben - ebenfalls vom 15.10.2010 - führte der Kläger aus, die ausgelaufene Wasserflasche habe den Sturz "forciert bzw. veranlasst". Diese Inkonsistenz im Vortrag des Klägers zieht die Glaubhaftigkeit seiner ergänzenden Unfallschilderung insgesamt in Zweifel. Darüber hinaus ist auch völlig unklar, in welcher Weise die ausgelaufene Wasserflasche den Sturz "forciert bzw. veranlasst" haben soll. Dies geht aus keiner der verschiedenen Darstellungen des Klägers zum Unfallgeschehen hervor.

Bei dem somit als allein ursächlich anzunehmenden Taubheitsgefühl im rechten Fuß handelte es sich um eine innere Ursache. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den bereits zitierten Bekundungen des Klägers im Reha-Entlassungsbericht vom Dezember 2010. Darin berichtete der Kläger von wiederkehrenden Taubheitsempfindungen im Bereich des rechten Fußes und daraus resultierenden Unsicherheiten beim Gehen ("wie auf Eis"). Unabhängig davon, ob dieses wiederkehrende Taubheitsgefühl auf die im Reha-Entlassungsbericht diagnostizierte degenerative lumbale Wirbelsäulenerkrankung oder die vom Neurologen Dr. L. diagnostizierte Polyneuropathie (vgl. Arztbericht vom 25.10.2010, Bl. 32 VA) zurückzuführen ist, handelte sich hierbei um eine körpereigene Ursache infolge krankhafter Erscheinungen, also um eine innere Ursache. Soweit ein Unfallereignis auch dann zu bejahen sein kann, wenn die für die innere Ursache verantwortlichen körperinneren Vorgänge durch mit der versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehende äußere Einwirkungen beeinflusst werden (BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 und Urteil vom 31.07.1985, 2 RU 74/84 in SozR 2200 § 548 Nr. 75: Sturz durch Kreislaufhypertonie als innere Ursache, die ihrerseits durch Überanstrengung oder Hitze bei der Arbeit beeinflusst wird), sieht der Senat keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass das Taubheitsgefühl im Fuß durch die - möglicherweise - versicherte Bürotätigkeit am Unfalltag beeinflusst oder gar hervorgerufen wurde. Die vom Kläger in der Klageschrift sinngemäß aufgestellte Behauptung, das "Einschlafen" sei "durch Pressdruck von außen" entstanden, vermag der Senat nicht zu Grunde zu legen. Denn der Kläger hat zugleich angegeben, dies noch nie zuvor erlebt zu haben. Tatsächlich aber bestanden die Taubheitsgefühle schon seit März 2010.

Zwar kann ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall dessen ungeachtet vorliegen, wenn der Versicherte der Gefahr, der er erlegen ist, infolge seiner durch die Tätigkeit bedingten Anwesenheit auf der Unfallstätte ausgesetzt war und der Unfall in seiner Art oder Schwere wahrscheinlich durch die versicherte Tätigkeit bedingt war und sonach ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beschaffenheit der Unfallstelle und den Verletzungen oder ihrer Schwere bestanden hat. Die mitwirkenden betrieblichen Umstände müssen dabei Gefährdungen im privaten Bereich nicht zwingend übersteigen (BSG, Urteil vom 31.07.1985, a.a.O.). Das BSG hat dies in der zitierten Entscheidung für den Fall eines Sturzes auf einer mehrstufigen Treppe erwogen. Eine derartige betriebliche Risikoerhöhung lag hier nicht vor. Der Kläger kam auf einem Laminatboden zu Fall. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Boden aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit auf die Art oder Schwere des Unfalls Einfluss genommen hätte, liegen nicht vor. Solches wird vom Kläger - jenseits der behaupteten Einnässung des Bodens, von deren Existenz der Senat sich aber aus den vorliegend dargestellten Gründen nicht überzeugen kann - auch nicht vorgetragen. Im Übrigen hat das BSG bereits entschieden, dass bei einem Sturz auf ein Toilettenbecken oder auf Steinfliesen im Toilettenraum zwischen der Beschaffenheit der Unfallstelle und der Verletzung oder ihrer Schwere grundsätzlich kein rechtlicher Zusammenhang besteht (BSG, Urteil vom 30.07.1971, 2 RU 200/69 in SozR Nr. 28 zu § 548 RVO). Umso ferner liegt ein rechtlicher Zusammenhang im Falle des hier in Rede stehenden Sturzes auf den im Vergleich hierzu deutlich weniger gefahrenträchtigen Laminatboden.

In der Gesamtschau gelangt der Senat daher zu der Überzeugung, dass der inneren Ursache (Taubheitsgefühl im rechten Fuß) hier im Vergleich zur (möglicherweise) versicherten Tätigkeit die überragende Bedeutung für den Sturz zukommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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