Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 5229/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 774/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von EUR 4.300,00 für eine von der Klägerin in der Türkei selbst beschaffte operative Fettschürzenresektion mit Bauchdeckenstraffung.
Die am 1992 geborene bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin litt wegen einer Stoffwechselerkrankung an Adipositas und hatte im Jahr 2008 bei einer Körpergröße von ca. 170 cm ein Körpergewicht von ca. 115 kg. Im Rahmen einer unter ärztlicher Aufsicht durchgeführten Gewichtsreduktion bei Anwendung der therapeutischen Stoffwechselregulationsmethode "Metabolic-Balance" verlor die Klägerin innerhalb von etwa sechs Monaten etwa 45 kg ihres Körpergewichts, so dass sie Anfang 2009 noch etwa 70 kg wog. Dabei entwickelte sich eine Bauchdeckenverschlaffung mit sogenannter Fettschürze.
Im März 2009 beantragte die Klägerin unter Einreichung von ärztlichen Berichten und einer Fotodokumentation eine Fettschürzenresektion mit Bauchdeckenstraffung. Arzt für plastische Chirurgie Prof. Dr. H. berichtete unter dem 18. Dezember 2008, die Klägerin leide an einer Bauchdeckenverschlaffung und Fettschürzenbildung, einer Rektusdiastase, einer Umbilicalhernie sowie einer Dermatochalasis der Oberarme und Oberschenkel nach Gewichtsreduktion. Die Hautüberschüsse ließen sich durch ein spezielles Sport- und Fitnessprogramm nicht beeinflussen. Im psycho-sozialen Kontakt und in der Körperhygiene sei sie erheblich eingeschränkt. Aus plastisch-chirurgischer Sicht sei eine operative Entfernung der Fettschürze mit Fasciendoppelung und Herniotomie zu empfehlen. Der Eingriff könne im Rahmen der vertragsärztlichen Leistungen erfolgen, sobald eine schriftliche Kostenzusage der Krankenkasse vorliege. Zur kosmetischen Verbesserung könne zusätzlich eine (nach der Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ] abzurechnende) Straffung der gesamten Bauchdecke erfolgen. Empfehlenswert sei auch eine Straffung der Oberarme und Oberschenkel in zwei weiteren Operationssitzungen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. führte unter dem 4. Februar 2009 aus, die Klägerin sei bei der Therapie mit der Stoffwechselregulationsmethode "Metabolic-Balance" so motiviert gewesen, dass sie ambulant ohne Mehrkosten für die gesetzliche Krankenkasse ihr Gewicht von 115 kg auf 69 kg habe reduzieren können. Sie sei sehr diszipliniert und zielorientiert. Trotz durchgeführter Gymnastik habe sich eine Bauchdeckenschlaffung, eine Schlaffung der Oberarme und Oberschenkel, eine Rektusdiastase und eine Umbilicalhernie gebildet. Eine operative Entfernung der Fettschürze mit Straffung der Bauchdecke sowie Fasciendoppelung und Herniotomie seien zwingend medizinisch notwendig. Dies gelte auch für die Straffung der Oberarme und der Oberschenkel. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. führte in einer ärztlichen Bescheinigung vom 13. Februar 2009 aus, die nach der Gewichtsreduktion entstandenen erheblichen Hautfalten an den Extremitäten bzw. Abdomen führten zu einer erheblichen körperlichen Entstellung. Das Selbstwertgefühl der Klägerin sei erheblich eingeschränkt. Sie zeige eine deutliche depressive Verstimmung, eine hohe emotionale Belastung, ein Vermeidungsverhalten und einen sozialen Rückzug. Wegen des ansonsten zu erwartenden Eintritts einer seelischen Behinderung mit dauerhafter Beeinträchtigung der sozialen Kompetenz sei eine kosmetische Korrekturoperation angezeigt.
Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Beratung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 27. April 2009, in der Dr. M. ausführte, eine Fettschürze oder eine erschlaffte Bauchdecke seien Veränderungen der Körperform, welche isoliert betrachtet in der Regel keine wesentliche Gesundheitsstörung bedeuteten, meist keine Funktionsstörung bedingten und damit nicht als behandlungsbedürftige Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn anzusehen seien. Es handele sich um Schönheitsfehler, die durch kosmetische Eingriffe angegangen werden könnten. In Einzelfällen könnten in Hautfalten entzündliche Veränderungen (intertriginöse Ekzeme) entstehen, die bei erfolgloser konservativer Behandlung zum medizinischen Erfordernis einer chirurgischen Korrektur führen könnten. Bei der Klägerin bestehe nach der vorgelegten Fotodokumentation eine mäßig adipöse Bauchdecke, welche im Stehen eine allenfalls geringfügige Schürzenbildung aufweise. Die Schürzenbildung werde erst durch vorüber gebeugter Haltung und Zusammenpressen der Bauchdecken provoziert. An Armen und Beinen zeige sich kein krankhafter Befund. Wesentliche Hautveränderungen würden nicht bestehen. Auch werde der Schamhaarbereich nicht überlappt. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 5. Mai 2009 ab.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Durch die herunterhängenden Hautüberschüsse sei sie schwer belastet. Sie schäme sich, traue sich nicht mehr unter die Leute, weine viel, sei nicht mehr ansprechbar und ziehe sich immer mehr zurück. Ihr Ziel als gute Schülerin, nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung zu machen, sei gefährdet. Sie legte weitere Berichte ihrer behandelnden Ärzte vor. Hieraus gehe eindeutig hervor, dass die beantragte Operation notwendig sei. Hautärztin Dr. Gü. führte unter dem 14. Mai 2009 aus, aufgrund der entstandenen Hautlappen komme es zu Hautirritationen. Als Folge könne eine Ekzembildung entstehen. Eine operative Korrektur sei dringend erforderlich und aus dermatologischer Sicht absolut notwendig. Dabei sei zu bedenken, dass das fantastische Ergebnis der Gewichtsreduktion im Sinne der Prävention sehr zu begrüßen sei, da hierdurch Folgeerkrankungen wie Diabetes, Gefäßerkrankungen und Erkrankungen der Gelenke verhindert würden. Dr. F. führte in einer ärztlichen Bescheinigung vom 26. Mai 2009 aus, bei der Klägerin bestünden aufgrund der erheblichen Adipositas eine hochgradige Einschränkung des Selbstwertgefühls, verbunden mit Leidensdruck, depressiver Verstimmung und Schlafstörungen. Sie ziehe sich aus sozialen Kontakten zurück, vermeide wegen der körperlichen Entstellung Kontakte zu Mitmenschen, lebe weitgehend isoliert und beschränke sich im Wesentlichen auf Kontakte zu Familienmitgliedern. Daher sei ihre weitere Schulbildung bzw. berufliche Ausbildung erheblich gefährdet. Durch die geplante Operation mit Entfernung der Fettschürze, Straffung der Bauchdecke und Fasciendoppelung könne eine Rückbildung der mittelgradigen Depression und der gefährdeten weiteren beruflichen Entwicklung vorgebeugt werden. Auf lange Sicht würden sich die Behandlungskosten amortisieren. Eine kosmetische Korrekturoperation sei daher zur Vermeidung einer weiteren seelischen Behinderung mit Chronifizierung und Beeinträchtigung der sozialen Kompetenz erforderlich. In einem Arztbrief vom 1. Juli 2009 diagnostizierte Dr. F. eine mittelgradige depressive Episode, eine soziale Anpassungsstörung mit emotionaler Beeinträchtigung und ein Überforderungssyndrom. In weiteren ärztlichen Bescheinigungen vom 3. Juli und 30. November 2009 führte Dr. F. aus, die schulischen Leistungen der Klägerin hätten sich inzwischen verschlechtert und sie habe zwischenzeitlich einen ersten Suizidversuch unternommen. Zur Vermeidung einer zunehmenden depressiven Entwicklung, einer sozialen Anpassungsstörung, einer Überforderungssymptomatik und eines möglichen Scheiterns ihrer beruflichen Entwicklung sei eine Kostenübernahme dringend erforderlich. Dr. Z. berichtete unter dem 12. Oktober 2009, vor allem hinsichtlich der psychogenen Ebene würden ständig kostenträchtige Folgeerkrankungen hinzukommen. Außerdem würden die Hauterkrankungen der Klägerin rezidivierend zunehmen. Prof. Dr. H. führte unter dem 28. Dezember 2009 ergänzend aus, eine medizinische Indikation zur Fettschürzenresektion ergebe sich durch die Einschränkung der täglichen Körperhygiene sowie ständiger Rhagaden- und Mykosenbildungen. Der Befund im jungen Alter der Klägerin habe entstellenden Charakter.
Die Beklagte veranlasste zwei weitere MDK-Gutachten vom 5. August und 22. Oktober 2009 und eine sozialmedizinische Fallberatung vom 12. August 2009, in denen Dr. H. ausführte, eine Kostenübernahme durch die Beklagte könne weiterhin nicht empfohlen werden, da das bei der Klägerin vorliegende komplexe psychiatrische Störungsbild nicht mittels einer operativen Intervention behoben werden könne. Es seien ggf. weitere, z.B. psychotherapeutische Maßnahmen angezeigt. Der von Dr. Gü. beschriebene Hautbefund begründe ebenfalls keine überwiegend medizinische Indikation der geplanten operativen Interventionen. Rezidivierende Hautinfektionen ließen sich den von der Klägerin vorgelegten Fotos nicht entnehmen. Durch den Suizidversuch werde unterstrichen, dass bei der Klägerin ein behandlungsbedürftiges psychiatrisches Krankheitsbild vorliege und eine Therapieintensivierung, z.B. eine akut psychiatrische Krankenhausbehandlung angezeigt sei. Ein psychiatrisches Krankheitsbild könne nicht mittels einer operativen Intervention behandelt werden; eine solche sei sogar als Behandlungsfehler einzuordnen. Die von Dr. Z. angeregte persönliche Untersuchung der Klägerin sei nicht erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Eine medizinische Notwendigkeit für die beantragte Fettschürzenoperation und Bauchdeckenstraffung liege nach den Feststellungen des MDK nicht vor. Bei der Klägerin lägen keine funktionellen Einschränkungen vor, so dass es sich um eine Operation mit kosmetischer Zielsetzung handele. Für die bei der Klägerin vorliegende psychiatrische Erkrankung komme nur eine Leistung der Psychotherapie in Betracht. Von einer Entstellung sei bei der Klägerin ebenfalls nicht auszugehen.
Am 24. August 2010 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Die Beklagte habe ihren Antrag zu Unrecht abgelehnt, da es sich bei der beantragten Operation nicht lediglich um eine kosmetische, sondern um eine medizinisch notwendige handele. Mit den von ihr eingereichten medizinischen Unterlagen sei eindeutig belegt, dass bei ihr funktionelle Einschränkungen (Hautirritationen und Ekzembildungen) vorliegen würden und eine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung der beantragten Operation bestehe. Die Stärke ihrer dermatologischen Beeinträchtigungen habe Dr. Gü. beschrieben. Wie Prof. Dr. H. ausgeführt habe, bestehe wegen eingeschränkter täglicher Körperhygiene die ständige Gefahr von Rhagaden- und Mykosenbildungen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche konservativen Behandlungsmöglichkeiten insoweit bestünden. Die regelmäßigen Behandlungen mit Hautcremes hätten keine Besserung gebracht. Sie würden lediglich den Juckreiz nehmen. Hautreizungen habe sie vor allem im Sommer, wenn sie schwitze. Im Winter seien entsprechende Beschwerden ebenfalls vorhanden, aber weniger ausgeprägt. Zu ihrer Hautärztin Dr. Gü. gehe sie etwa alle drei Monate. Außerdem sei es aufgrund der Fettschürzenbildung zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf nervenärztlichem Gebiet gekommen, wie Dr. F. mehrmals beschrieben habe. Im Hinblick auf ihre psychiatrischen Erkrankungen dürfe sie nicht auf Leistungen der Psychotherapie verwiesen werden, da hierbei verkannt werde, dass diese Erkrankungen auf ihre Fettschürzenproblematik und die hieraus resultierende körperliche Entstellung zurückzuführen sei, so dass die beabsichtigte Fettschürzenoperation unmittelbar geeignet sei, auf ihre Genesung Einfluss zu nehmen. Durch eine Psychotherapie könne die Ursache ihrer psychischen Erkrankung nicht behandelt werden. Daher habe ihr Dr. F. auch keine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Bei ihm sei sie schon länger nicht mehr in Behandlung gewesen, jedoch könne sie jederzeit zu ihm gehen, wenn sie ihn brauche. In einem von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attest von Prof. Sc., Zentrum für Plastische Chirurgie im M.-hospital S., vom 9. Oktober 2012 berichtete dieser über eine ambulante Vorstellung der Klägerin vom 26. September 2012. Bei der Klägerin bestehe eine deutliche Erschlaffung des Hautmantels im Bereich des Bauches, der Oberschenkel, der Arme und der Brust mit entstellendem Körperbild. Er sehe eine medizinische Indikation im Bereich des Bauches, der Oberschenkel und der Oberarme.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen und führte ergänzend aus, eine die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auslösende Krankheit liege nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der Versicherte in seiner Körperfunktion beeinträchtigt werde oder eine anatomische Abweichung entstellend wirke. Beides sei bei der Klägerin nach den Feststellungen des MDK nicht der Fall. Befunde zu Hautirritationen oder dermatologischen Behandlungen habe die Klägerin nicht vorgelegt. Bei Hautirritationen seien zunächst konservative Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eine äußere Entstellung sei nicht nachvollziehbar, da eine körperliche Auffälligkeit nicht "im Vorbeigehen" bemerkbar sei. Die psychische Erkrankung der Klägerin führe nicht zu einem Behandlungsanspruch für die Fettschürzenoperation, da nach der Rechtsprechung die Krankenbehandlung unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen müsse.
Das SG hörte Dr. Gü. und Dr. Z. als sachverständige Zeugen. Dr. Gü. führte unter dem 5. und 20. Oktober 2010 aus, die Klägerin habe sich erstmalig am 13. Mai 2009 und zuletzt am 17. August 2009 bei ihr vorgestellt. Durch die Hautfalten am Bauch, an den Oberschenkelinnenseiten und an den Oberarmen werde die darunter liegende Haut gerötet, teilweise habe am 13. Mai 2009 eine beginnende Mazzeration bestanden. Diese Störung bzw. Krankheitsgefahr sei bei fortbestehenden überhängenden Bauchdecken dauerhaft. Es sei ein ständiges Einlegen von gepuderten Stoffläppchen erforderlich. Seit 13. Mai 2009 habe sie ihr Tannosynt Lotion und Tannosynt Creme (Eichenrindepräperate) verschrieben. Dr. Z. führte unter dem 6. und 22. Oktober 2010 aus, die Fettschürze der Klägerin habe zu einem rezidivierenden Befall mit Hauptpilzen und einer psychischen Belastung mit mehrmaligen Suizidversuchen geführt. Die Klägerin erhalte von ihm seit Monaten zur Behandlung der Hauptpilze Antimyokatika (z.B. Clotrimazol Creme).
Mit Urteil vom 16. Oktober 2012 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine operative Fettschürzenresektion und Bauchdeckenstraffung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihre erschlaffte Bauchdecke sei für sich genommen kein Befund von Krankheitswert. Es lägen keine Funktionsdefizite vor. Wie die Klägerin selbst vorgetragen habe, treibe sie regelmäßig Sport, ohne dabei durch ihre anatomischen Gegebenheiten beeinträchtigt zu sein. Ein behandlungsbedürftiger Krankheitszustand bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Entstellung. Dabei komme es nicht auf das eigene Empfinden des Betroffenen an, sondern es sei ein objektiver Maßstab entscheidend. Eine Entstellung von Krankheitswert komme nur bei erheblichen Auffälligkeiten in Betracht, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auszulösen vermögen und damit erwarten lassen, dass der Betroffene ständig Blicke auf sich zieht. Dies sei nur bei Auffälligkeiten zu erwarten, die sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar machten. Eine solche schwere, sichtbare Entstellung bewirkten die Hautschürze und Bauchfalte der Klägerin nicht, da diese sich im Alltag durch Kleidung kaschieren lasse. Darüber hinaus sei eine Operation auch nicht zur Heilung, Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung einer Hauterkrankung erforderlich. Denn die bei der Klägerin vorliegenden Hauterkrankungen (Hautrötungen im Bereich der Bauchfalte mit teilweise beginnender Mazzeration, Hautekzeme und Mykosen) seien dermatologisch behandelbar. Wie die Klägerin selbst vorgetragen habe, sei die inzwischen regelmäßige Behandlung mit Cremes jedenfalls zufriedenstellend. Damit liege bei ihr keine chronische, therapieresistente Hauterkrankung vor, die nur durch eine Operation behandelt werden könne. Schließlich lasse sich ein Anspruch auf eine operative Behandlung nicht mit den psychischen Belastungen der Klägerin begründen, da psychische Beschwerden nicht mit chirurgischen Eingriffen in eine an sich gesunde Körpersubstanz, sondern nur mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu begegnen sei, was selbst bei einer hochgradigen akuten Suizidgefahr gelte. Im Übrigen seien die psychischen Belastungen der Klägerin offenbar erfolgreich behandelt worden, da die Klägerin zuletzt angegeben habe, ihre psychischen Belastungen würden inzwischen nicht mehr im Vordergrund stehen.
Gegen das ihrer Proessbevollmächtigten am 24. Januar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Februar 2013 Berufung eingelegt. Im Dezember 2013 hat die Klägerin in der Türkei eine operative Fettschürzenresektion durchführen lassen und hierfür nach den eingereichten Rechnungen vom 20. und 30. Dezember 2013 einschließlich Nachsorge TRY 12.500,00 (ca. EUR 4.300,00) aufgewandt. Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, das SG habe zu Unrecht festgestellt, dass ihre erschlaffte Bauchdecke mit Fettschürze für sich genommen keinen Befund von Krankheitswert dargestellt habe. Der bei ihr bestandenen körperlichen Unregelmäßigkeit sei Krankheitswert zugekommen, da sie hierdurch in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt gewesen sei und die Fettschürzenbildung darüber hinaus entstellend gewirkt habe. Soweit das SG ausgeführt habe, die Entstellung durch die Hautschürze und Bauchfalte lasse sich im Alltag durch Kleidung kaschieren, verkenne es, dass es nicht nur auf den äußerlich kaschierbaren Eindruck ankomme, sondern insbesondere auf die tatsächliche Bewertung der anatomischen Abweichung und deren Entstellungswirkung auf sie selbst. Sie habe erheblich unter den Folgen der bei ihr bestehenden Entstellungswirkung in Form einer diagnostizierten mittelgradigen depressiven Erkrankung und einer sozialen Anpassungsstörung mit emotionaler Beeinträchtigung sowie einem Überforderungssyndrom gelitten, wie ihre behandelnden Ärzte bestätigt hätten. Entgegen der Ansicht des SG habe bei ihr auch eine Hauterkrankung mit Krankheitswert vorgelegen, wie sich ebenfalls aus den eingeholten medizinischen Unterlagen ergebe. Die beantragte Operation sei insoweit notwendig gewesen, um die Hauterkrankung dauerhaft zu behandeln. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen, dauerhaft Präparate gegen den bestehenden Juckreiz einzunehmen. Damit habe es sich gerade nicht um einen rein kosmetischen Eingriff gehandelt. Wegen ihrer Entzündungen am Unterbauch, die sie vor allem im Sommer gehabt habe, habe sie sich regelmäßig Cremes verschreiben lassen, die jedoch nur ihren Juckreiz genommen hätten. Es seien Narben geblieben und die Haut sei immer dünner geworden. Dermatologe Dr. W. habe in seiner vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft vom 25. Juli 2013 (hierzu nachstehend) bestätigt, dass bei ihr von einem chronisch lichenifiziertem Ekzembild auszugehen gewesen sei, das nur durch eine operative Entfernung behoben werden konnte. Damit habe keine weitere erfolgreiche konservative Behandlungsmöglichkeit mehr bestanden. Es sei an der dünner gewordenen Haut regelmäßig zu ekzembedingten Entzündungen gekommen, bei denen durch eine Creme zwar der Juckreiz gemildert werden konnte, dieser aber nicht zu einer erfolgreichen und dauerhaften Beseitigung geführt habe.
Neben einer weiteren Bilddokumentation hat die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 1. Juli 2013 vorgelegt, in der dieser berichtet hat, die herunterhängende Bauchfalte der Klägerin habe nicht nur ästhetische Konsequenzen, weil es unterhalb der Bauchfalte sehr schnell feucht werde, sich eine Dermatitis mit Infektionen entwickle und der psychische Leidensdruck der Klägerin immer größer werde. Die ästhetischen Folgen belasteten das eigene Körpergefühl und die Partnerschaft der Klägerin. Die psychologische Behandlung und die dermatologisch-medikamentöse Behandlung hätten keine nennenswerten Erfolge.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Oktober 2012 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 zu verurteilen, ihr die entstandenen Kosten in Höhe von EUR 4.300,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie im angefochtenen Urteil und führt ergänzend aus, hinsichtlich der Hautirritationen habe bei der Klägerin keine funktionelle Einschränkung bestanden, da sie die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe. Dies werde durch die Ausführungen der vom Senat gehörten sachverständigen Zeugen (dazu nachstehend) bestätigt. Nach ihren Angaben seien insoweit ihre Beschwerden im Winter nicht so schlimm gewesen und sie habe ihre Hautärztin lediglich besucht, wenn ihr eine neue Creme verschrieben werden musste. Eine Entstellung sei nicht nachvollziehbar, da die körperliche Auffälligkeit nicht "im Vorbeigehen" bemerkbar gewesen sei. Im Übrigen verbleibe es dabei, dass aus einer psychiatrischen Krankheit kein Anspruch auf eine Fettschürzenoperation abgeleitet werden könne.
Der Senat hat Dr. Gü. und Dr. W. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Gü. hat unter dem 24. Juli und dem 15. Oktober 2013 angegeben, sie habe die Klägerin am 13. Mai 2009 wegen geröteter Hautinnenfalten am Unterbauch, an den Oberarmen und den Oberschenkeln sowie am 17. August 2009 und in der Zeit vom 15. bis 22. September 2011 wegen Warzen an den Händen behandelt. Wegen der Hautrötungen habe sie am 13. Mai 2009 das Einlegen von Stoff- oder Mullkompressen, Körperpuder oder Zink-Schüttelmixtur und Hautpflege mit Tannosynt Lotion empfohlen. Bei der letzten Vorstellung am 22. September 2011 habe die Klägerin über keine Entzündungen in den Bauchfalten berichtet. Eine Therapie sei daher nicht erforderlich gewesen. Dr. W. hat unter dem 25. Juli 2013 ausgeführt, die Klägerin wegen ihrer Fettschürzenproblematik am 12. November 2012 und 9. Juli 2013 behandelt zu haben, wobei er leichte Dermatitiden und Dehnungsstreifen festgestellt habe. Zur Behandlung der Fettschürzen sei nur eine operative Entfernung zielführend gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft, denn der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten, denn für die von der Klägerin ursprünglich als Sachleistung begehrte Fettschürzenresektion sind insgesamt Kosten von EUR 4.300,00 angefallen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat seinerzeit rechtmäßig die Gewährung der Fettschürzenresektion als Sachleistung abgelehnt; der Klägerin steht nach der in der Türkei im Dezember 2013 durchgeführten operativen Maßnahme kein Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten zu.
Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt ausschließlich § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht (zur Anwendbarkeit auch bei Behandlungen im Ausland: BSG, Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R - m.w.N.; in juris). Danach sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die Leistung notwendig und die Ablehnung für die Entstehung der Kosten ursächlich war. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine operative Fettschürzenresektion zu gewähren. Deshalb kann die Klägerin auch nicht beanspruchen, dass ihr die Kosten, die durch die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind, von der Beklagten erstattet werden.
Da der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiter reicht als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch, setzt der Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 16/07 R - und 7. Mai 2013 - B 1 KR 44/12 R -; beide in juris). Daran fehlt es hier.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R -, 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - und 11. September 2012 - B 1 KR 9/12 R -; alle in juris). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - und 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R -; in juris; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 -; nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 -; in juris).
Die Klägerin war durch ihre Bauchdeckenerschlaffung mit Fettschürze nicht in einer Körperfunktion beeinträchtigt. Einschränkungen ihrer Rumpfbeweglichkeit machte sie selbst nicht geltend und hierfür liegen auch keinerlei Anhaltspunkte vor. Hautreizungen traten bei ihr nicht ständig und unbehandelbar auf. Dies entnimmt der Senat den von ihm eingeholten sacherständigen Zeugenauskünften der Dr. Gü. vom 24. Juli und 15. Oktober 2013 und denjenigen des Dr. W. vom 25. Juli 2013. Hieraus lässt sich entnehmen, dass die Klägerin wegen Hautrötungen am Unterbauch in der Zeit von Mai 2009 bis Juli 2013 lediglich einmal Dr. Gü. (am 13. Mai 2009) und zweimal Dr. W. (am 12. November 2012 und 9. Juli 2013) konsultiert hatte. Dr. Gü. empfahl der Klägerin am 13. Mai 2009 das Einlegen von Stoff- oder Mullkompressen, Körperpuder oder Zink-Schüttelmixtur und Hautpflege mit Tannosynt Lotion. Bei der letzten Vorstellung der Klägerin bei Dr. Gü. am 22. September 2011 berichtete die Klägerin über keine Entzündungen in den Bauchfalten, so dass keine Therapie erforderlich war. Auch Dr. W. sah sich aufgrund der von ihm festgestellten leichten Dermatitiden nicht zu einer konservativen Behandlung veranlasst. Die Klägerin bedurfte daher keiner regelmäßigen fachdermatologischen Behandlung, sondern lediglich einer mehr oder weniger regelmäßigen Verordnung von Cremes durch ihren Hausarzt. Bestätigt wird dies durch den eigenen Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, wonach sie Hautrötungen mit Juckreiz vorwiegend im Sommer hatte und Cremes den Juckreiz wirksam beseitigten.
Die Hautfalte bewirkte bei der Klägerin auch keine Entstellung. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - und 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R - a.a.O.; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 - nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 - a.a.O.). Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anomalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R -; in juris). Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, scheidet eine solche Entstellung hier schon deshalb aus, weil sich die Hautfalte durch Kleidung im Alltag verdecken ließ. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass die Klägerin subjektiv die Fettschütze und die Bauchfalten als entstellend empfunden hat. Dies begründet aber nicht einen Anspruch auf Behandlung mit dem begehrten operativen Eingriff zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -, 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - und 11. September 2012 - B 1 KR 9/12 R - alle in juris).
Auch die durch die Bauchfalten ausgelöste psychische Belastung der Klägerin führt, abgesehen davon, dass die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG offensichtlich keiner regelmäßigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung mehr bedurfte, nicht zu einem Anspruch auf die operative Behandlung, wie das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat. Denn die Krankenkassen sind weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Bei einer depressiven Episode können zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich Behandlungen mit Mitteln der Psychiatrie beansprucht werden. Operationen am - krankenversicherungsrechtlich gesehen - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung des Versicherten zugewiesen, ohne dass es darauf ankommt, dass die Klägerin erst knapp 22 Jahre alt ist. Dies beruht in der Sache vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkung von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörenden gesundheitlichen Defizits erreicht werden. Das gilt jedenfalls so lange, wie medizinische Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit begründen (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - a.a.O.; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 - nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 - a.a.O.).
Die Klägerin kann den Leistungsanspruch auch nicht darauf stützen, dass sie der Beklagten durch die eigenverantwortlich durchgeführte Gewichtsverminderung künftige Behandlungskosten wegen aus einem erheblichen Übergewicht entstehenden Folgeerkrankungen erspart haben könnte. Denn die Grenzen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung würden dadurch aufgehoben.
Im Übrigen scheitert ein Leistungsanspruch der Klägerin und damit auch ein Anspruch auf Kostenerstattung auch daran, dass sie die Fettschürzenresektion in der Türkei hat durchführen lassen, ohne zuvor eine Zustimmung der Beklagten einzuholen. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit im SGB V nichts abweichendes bestimmt ist. § 13 Abs. 4 bis 6 SGB V finden im vorliegenden Fall keine Anwendung, da die Klägerin die Fettschürzenresektion in der Türkei und damit nicht in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Mitgliedstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz hat durchführen lassen. Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben indes nach § 6 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) unberührt. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei vom 30. April 1964 (BGBl. 1965 II, S. 1170) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 28. Mai 1969 (BGBl. 1972 II, S. 2), des Zwischenabkommens vom 25. Oktober 1974 (BGBl. 1975 II, S. 374) und des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 (BGBl. II 1986, S. 1040) setzt ein Leistungsanspruch bei einer Person, die, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt hat, voraus, dass der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthalts vorher zugestimmt hat. Eine solche Zustimmung der Beklagten hat sich die Klägerin nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht eingeholt. Vielmehr ist sie zur Durchführung der Operation in die Türkei gereist, ohne zuvor mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von EUR 4.300,00 für eine von der Klägerin in der Türkei selbst beschaffte operative Fettschürzenresektion mit Bauchdeckenstraffung.
Die am 1992 geborene bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin litt wegen einer Stoffwechselerkrankung an Adipositas und hatte im Jahr 2008 bei einer Körpergröße von ca. 170 cm ein Körpergewicht von ca. 115 kg. Im Rahmen einer unter ärztlicher Aufsicht durchgeführten Gewichtsreduktion bei Anwendung der therapeutischen Stoffwechselregulationsmethode "Metabolic-Balance" verlor die Klägerin innerhalb von etwa sechs Monaten etwa 45 kg ihres Körpergewichts, so dass sie Anfang 2009 noch etwa 70 kg wog. Dabei entwickelte sich eine Bauchdeckenverschlaffung mit sogenannter Fettschürze.
Im März 2009 beantragte die Klägerin unter Einreichung von ärztlichen Berichten und einer Fotodokumentation eine Fettschürzenresektion mit Bauchdeckenstraffung. Arzt für plastische Chirurgie Prof. Dr. H. berichtete unter dem 18. Dezember 2008, die Klägerin leide an einer Bauchdeckenverschlaffung und Fettschürzenbildung, einer Rektusdiastase, einer Umbilicalhernie sowie einer Dermatochalasis der Oberarme und Oberschenkel nach Gewichtsreduktion. Die Hautüberschüsse ließen sich durch ein spezielles Sport- und Fitnessprogramm nicht beeinflussen. Im psycho-sozialen Kontakt und in der Körperhygiene sei sie erheblich eingeschränkt. Aus plastisch-chirurgischer Sicht sei eine operative Entfernung der Fettschürze mit Fasciendoppelung und Herniotomie zu empfehlen. Der Eingriff könne im Rahmen der vertragsärztlichen Leistungen erfolgen, sobald eine schriftliche Kostenzusage der Krankenkasse vorliege. Zur kosmetischen Verbesserung könne zusätzlich eine (nach der Gebührenordnung für Ärzte [GOÄ] abzurechnende) Straffung der gesamten Bauchdecke erfolgen. Empfehlenswert sei auch eine Straffung der Oberarme und Oberschenkel in zwei weiteren Operationssitzungen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Z. führte unter dem 4. Februar 2009 aus, die Klägerin sei bei der Therapie mit der Stoffwechselregulationsmethode "Metabolic-Balance" so motiviert gewesen, dass sie ambulant ohne Mehrkosten für die gesetzliche Krankenkasse ihr Gewicht von 115 kg auf 69 kg habe reduzieren können. Sie sei sehr diszipliniert und zielorientiert. Trotz durchgeführter Gymnastik habe sich eine Bauchdeckenschlaffung, eine Schlaffung der Oberarme und Oberschenkel, eine Rektusdiastase und eine Umbilicalhernie gebildet. Eine operative Entfernung der Fettschürze mit Straffung der Bauchdecke sowie Fasciendoppelung und Herniotomie seien zwingend medizinisch notwendig. Dies gelte auch für die Straffung der Oberarme und der Oberschenkel. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. führte in einer ärztlichen Bescheinigung vom 13. Februar 2009 aus, die nach der Gewichtsreduktion entstandenen erheblichen Hautfalten an den Extremitäten bzw. Abdomen führten zu einer erheblichen körperlichen Entstellung. Das Selbstwertgefühl der Klägerin sei erheblich eingeschränkt. Sie zeige eine deutliche depressive Verstimmung, eine hohe emotionale Belastung, ein Vermeidungsverhalten und einen sozialen Rückzug. Wegen des ansonsten zu erwartenden Eintritts einer seelischen Behinderung mit dauerhafter Beeinträchtigung der sozialen Kompetenz sei eine kosmetische Korrekturoperation angezeigt.
Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Beratung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 27. April 2009, in der Dr. M. ausführte, eine Fettschürze oder eine erschlaffte Bauchdecke seien Veränderungen der Körperform, welche isoliert betrachtet in der Regel keine wesentliche Gesundheitsstörung bedeuteten, meist keine Funktionsstörung bedingten und damit nicht als behandlungsbedürftige Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn anzusehen seien. Es handele sich um Schönheitsfehler, die durch kosmetische Eingriffe angegangen werden könnten. In Einzelfällen könnten in Hautfalten entzündliche Veränderungen (intertriginöse Ekzeme) entstehen, die bei erfolgloser konservativer Behandlung zum medizinischen Erfordernis einer chirurgischen Korrektur führen könnten. Bei der Klägerin bestehe nach der vorgelegten Fotodokumentation eine mäßig adipöse Bauchdecke, welche im Stehen eine allenfalls geringfügige Schürzenbildung aufweise. Die Schürzenbildung werde erst durch vorüber gebeugter Haltung und Zusammenpressen der Bauchdecken provoziert. An Armen und Beinen zeige sich kein krankhafter Befund. Wesentliche Hautveränderungen würden nicht bestehen. Auch werde der Schamhaarbereich nicht überlappt. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 5. Mai 2009 ab.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Durch die herunterhängenden Hautüberschüsse sei sie schwer belastet. Sie schäme sich, traue sich nicht mehr unter die Leute, weine viel, sei nicht mehr ansprechbar und ziehe sich immer mehr zurück. Ihr Ziel als gute Schülerin, nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung zu machen, sei gefährdet. Sie legte weitere Berichte ihrer behandelnden Ärzte vor. Hieraus gehe eindeutig hervor, dass die beantragte Operation notwendig sei. Hautärztin Dr. Gü. führte unter dem 14. Mai 2009 aus, aufgrund der entstandenen Hautlappen komme es zu Hautirritationen. Als Folge könne eine Ekzembildung entstehen. Eine operative Korrektur sei dringend erforderlich und aus dermatologischer Sicht absolut notwendig. Dabei sei zu bedenken, dass das fantastische Ergebnis der Gewichtsreduktion im Sinne der Prävention sehr zu begrüßen sei, da hierdurch Folgeerkrankungen wie Diabetes, Gefäßerkrankungen und Erkrankungen der Gelenke verhindert würden. Dr. F. führte in einer ärztlichen Bescheinigung vom 26. Mai 2009 aus, bei der Klägerin bestünden aufgrund der erheblichen Adipositas eine hochgradige Einschränkung des Selbstwertgefühls, verbunden mit Leidensdruck, depressiver Verstimmung und Schlafstörungen. Sie ziehe sich aus sozialen Kontakten zurück, vermeide wegen der körperlichen Entstellung Kontakte zu Mitmenschen, lebe weitgehend isoliert und beschränke sich im Wesentlichen auf Kontakte zu Familienmitgliedern. Daher sei ihre weitere Schulbildung bzw. berufliche Ausbildung erheblich gefährdet. Durch die geplante Operation mit Entfernung der Fettschürze, Straffung der Bauchdecke und Fasciendoppelung könne eine Rückbildung der mittelgradigen Depression und der gefährdeten weiteren beruflichen Entwicklung vorgebeugt werden. Auf lange Sicht würden sich die Behandlungskosten amortisieren. Eine kosmetische Korrekturoperation sei daher zur Vermeidung einer weiteren seelischen Behinderung mit Chronifizierung und Beeinträchtigung der sozialen Kompetenz erforderlich. In einem Arztbrief vom 1. Juli 2009 diagnostizierte Dr. F. eine mittelgradige depressive Episode, eine soziale Anpassungsstörung mit emotionaler Beeinträchtigung und ein Überforderungssyndrom. In weiteren ärztlichen Bescheinigungen vom 3. Juli und 30. November 2009 führte Dr. F. aus, die schulischen Leistungen der Klägerin hätten sich inzwischen verschlechtert und sie habe zwischenzeitlich einen ersten Suizidversuch unternommen. Zur Vermeidung einer zunehmenden depressiven Entwicklung, einer sozialen Anpassungsstörung, einer Überforderungssymptomatik und eines möglichen Scheiterns ihrer beruflichen Entwicklung sei eine Kostenübernahme dringend erforderlich. Dr. Z. berichtete unter dem 12. Oktober 2009, vor allem hinsichtlich der psychogenen Ebene würden ständig kostenträchtige Folgeerkrankungen hinzukommen. Außerdem würden die Hauterkrankungen der Klägerin rezidivierend zunehmen. Prof. Dr. H. führte unter dem 28. Dezember 2009 ergänzend aus, eine medizinische Indikation zur Fettschürzenresektion ergebe sich durch die Einschränkung der täglichen Körperhygiene sowie ständiger Rhagaden- und Mykosenbildungen. Der Befund im jungen Alter der Klägerin habe entstellenden Charakter.
Die Beklagte veranlasste zwei weitere MDK-Gutachten vom 5. August und 22. Oktober 2009 und eine sozialmedizinische Fallberatung vom 12. August 2009, in denen Dr. H. ausführte, eine Kostenübernahme durch die Beklagte könne weiterhin nicht empfohlen werden, da das bei der Klägerin vorliegende komplexe psychiatrische Störungsbild nicht mittels einer operativen Intervention behoben werden könne. Es seien ggf. weitere, z.B. psychotherapeutische Maßnahmen angezeigt. Der von Dr. Gü. beschriebene Hautbefund begründe ebenfalls keine überwiegend medizinische Indikation der geplanten operativen Interventionen. Rezidivierende Hautinfektionen ließen sich den von der Klägerin vorgelegten Fotos nicht entnehmen. Durch den Suizidversuch werde unterstrichen, dass bei der Klägerin ein behandlungsbedürftiges psychiatrisches Krankheitsbild vorliege und eine Therapieintensivierung, z.B. eine akut psychiatrische Krankenhausbehandlung angezeigt sei. Ein psychiatrisches Krankheitsbild könne nicht mittels einer operativen Intervention behandelt werden; eine solche sei sogar als Behandlungsfehler einzuordnen. Die von Dr. Z. angeregte persönliche Untersuchung der Klägerin sei nicht erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Eine medizinische Notwendigkeit für die beantragte Fettschürzenoperation und Bauchdeckenstraffung liege nach den Feststellungen des MDK nicht vor. Bei der Klägerin lägen keine funktionellen Einschränkungen vor, so dass es sich um eine Operation mit kosmetischer Zielsetzung handele. Für die bei der Klägerin vorliegende psychiatrische Erkrankung komme nur eine Leistung der Psychotherapie in Betracht. Von einer Entstellung sei bei der Klägerin ebenfalls nicht auszugehen.
Am 24. August 2010 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Die Beklagte habe ihren Antrag zu Unrecht abgelehnt, da es sich bei der beantragten Operation nicht lediglich um eine kosmetische, sondern um eine medizinisch notwendige handele. Mit den von ihr eingereichten medizinischen Unterlagen sei eindeutig belegt, dass bei ihr funktionelle Einschränkungen (Hautirritationen und Ekzembildungen) vorliegen würden und eine medizinische Notwendigkeit für die Durchführung der beantragten Operation bestehe. Die Stärke ihrer dermatologischen Beeinträchtigungen habe Dr. Gü. beschrieben. Wie Prof. Dr. H. ausgeführt habe, bestehe wegen eingeschränkter täglicher Körperhygiene die ständige Gefahr von Rhagaden- und Mykosenbildungen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche konservativen Behandlungsmöglichkeiten insoweit bestünden. Die regelmäßigen Behandlungen mit Hautcremes hätten keine Besserung gebracht. Sie würden lediglich den Juckreiz nehmen. Hautreizungen habe sie vor allem im Sommer, wenn sie schwitze. Im Winter seien entsprechende Beschwerden ebenfalls vorhanden, aber weniger ausgeprägt. Zu ihrer Hautärztin Dr. Gü. gehe sie etwa alle drei Monate. Außerdem sei es aufgrund der Fettschürzenbildung zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf nervenärztlichem Gebiet gekommen, wie Dr. F. mehrmals beschrieben habe. Im Hinblick auf ihre psychiatrischen Erkrankungen dürfe sie nicht auf Leistungen der Psychotherapie verwiesen werden, da hierbei verkannt werde, dass diese Erkrankungen auf ihre Fettschürzenproblematik und die hieraus resultierende körperliche Entstellung zurückzuführen sei, so dass die beabsichtigte Fettschürzenoperation unmittelbar geeignet sei, auf ihre Genesung Einfluss zu nehmen. Durch eine Psychotherapie könne die Ursache ihrer psychischen Erkrankung nicht behandelt werden. Daher habe ihr Dr. F. auch keine psychotherapeutische Behandlung empfohlen. Bei ihm sei sie schon länger nicht mehr in Behandlung gewesen, jedoch könne sie jederzeit zu ihm gehen, wenn sie ihn brauche. In einem von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attest von Prof. Sc., Zentrum für Plastische Chirurgie im M.-hospital S., vom 9. Oktober 2012 berichtete dieser über eine ambulante Vorstellung der Klägerin vom 26. September 2012. Bei der Klägerin bestehe eine deutliche Erschlaffung des Hautmantels im Bereich des Bauches, der Oberschenkel, der Arme und der Brust mit entstellendem Körperbild. Er sehe eine medizinische Indikation im Bereich des Bauches, der Oberschenkel und der Oberarme.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid entgegen und führte ergänzend aus, eine die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auslösende Krankheit liege nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der Versicherte in seiner Körperfunktion beeinträchtigt werde oder eine anatomische Abweichung entstellend wirke. Beides sei bei der Klägerin nach den Feststellungen des MDK nicht der Fall. Befunde zu Hautirritationen oder dermatologischen Behandlungen habe die Klägerin nicht vorgelegt. Bei Hautirritationen seien zunächst konservative Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eine äußere Entstellung sei nicht nachvollziehbar, da eine körperliche Auffälligkeit nicht "im Vorbeigehen" bemerkbar sei. Die psychische Erkrankung der Klägerin führe nicht zu einem Behandlungsanspruch für die Fettschürzenoperation, da nach der Rechtsprechung die Krankenbehandlung unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen müsse.
Das SG hörte Dr. Gü. und Dr. Z. als sachverständige Zeugen. Dr. Gü. führte unter dem 5. und 20. Oktober 2010 aus, die Klägerin habe sich erstmalig am 13. Mai 2009 und zuletzt am 17. August 2009 bei ihr vorgestellt. Durch die Hautfalten am Bauch, an den Oberschenkelinnenseiten und an den Oberarmen werde die darunter liegende Haut gerötet, teilweise habe am 13. Mai 2009 eine beginnende Mazzeration bestanden. Diese Störung bzw. Krankheitsgefahr sei bei fortbestehenden überhängenden Bauchdecken dauerhaft. Es sei ein ständiges Einlegen von gepuderten Stoffläppchen erforderlich. Seit 13. Mai 2009 habe sie ihr Tannosynt Lotion und Tannosynt Creme (Eichenrindepräperate) verschrieben. Dr. Z. führte unter dem 6. und 22. Oktober 2010 aus, die Fettschürze der Klägerin habe zu einem rezidivierenden Befall mit Hauptpilzen und einer psychischen Belastung mit mehrmaligen Suizidversuchen geführt. Die Klägerin erhalte von ihm seit Monaten zur Behandlung der Hauptpilze Antimyokatika (z.B. Clotrimazol Creme).
Mit Urteil vom 16. Oktober 2012 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine operative Fettschürzenresektion und Bauchdeckenstraffung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihre erschlaffte Bauchdecke sei für sich genommen kein Befund von Krankheitswert. Es lägen keine Funktionsdefizite vor. Wie die Klägerin selbst vorgetragen habe, treibe sie regelmäßig Sport, ohne dabei durch ihre anatomischen Gegebenheiten beeinträchtigt zu sein. Ein behandlungsbedürftiger Krankheitszustand bestehe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Entstellung. Dabei komme es nicht auf das eigene Empfinden des Betroffenen an, sondern es sei ein objektiver Maßstab entscheidend. Eine Entstellung von Krankheitswert komme nur bei erheblichen Auffälligkeiten in Betracht, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auszulösen vermögen und damit erwarten lassen, dass der Betroffene ständig Blicke auf sich zieht. Dies sei nur bei Auffälligkeiten zu erwarten, die sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar machten. Eine solche schwere, sichtbare Entstellung bewirkten die Hautschürze und Bauchfalte der Klägerin nicht, da diese sich im Alltag durch Kleidung kaschieren lasse. Darüber hinaus sei eine Operation auch nicht zur Heilung, Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung einer Hauterkrankung erforderlich. Denn die bei der Klägerin vorliegenden Hauterkrankungen (Hautrötungen im Bereich der Bauchfalte mit teilweise beginnender Mazzeration, Hautekzeme und Mykosen) seien dermatologisch behandelbar. Wie die Klägerin selbst vorgetragen habe, sei die inzwischen regelmäßige Behandlung mit Cremes jedenfalls zufriedenstellend. Damit liege bei ihr keine chronische, therapieresistente Hauterkrankung vor, die nur durch eine Operation behandelt werden könne. Schließlich lasse sich ein Anspruch auf eine operative Behandlung nicht mit den psychischen Belastungen der Klägerin begründen, da psychische Beschwerden nicht mit chirurgischen Eingriffen in eine an sich gesunde Körpersubstanz, sondern nur mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu begegnen sei, was selbst bei einer hochgradigen akuten Suizidgefahr gelte. Im Übrigen seien die psychischen Belastungen der Klägerin offenbar erfolgreich behandelt worden, da die Klägerin zuletzt angegeben habe, ihre psychischen Belastungen würden inzwischen nicht mehr im Vordergrund stehen.
Gegen das ihrer Proessbevollmächtigten am 24. Januar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22. Februar 2013 Berufung eingelegt. Im Dezember 2013 hat die Klägerin in der Türkei eine operative Fettschürzenresektion durchführen lassen und hierfür nach den eingereichten Rechnungen vom 20. und 30. Dezember 2013 einschließlich Nachsorge TRY 12.500,00 (ca. EUR 4.300,00) aufgewandt. Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin aus, das SG habe zu Unrecht festgestellt, dass ihre erschlaffte Bauchdecke mit Fettschürze für sich genommen keinen Befund von Krankheitswert dargestellt habe. Der bei ihr bestandenen körperlichen Unregelmäßigkeit sei Krankheitswert zugekommen, da sie hierdurch in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt gewesen sei und die Fettschürzenbildung darüber hinaus entstellend gewirkt habe. Soweit das SG ausgeführt habe, die Entstellung durch die Hautschürze und Bauchfalte lasse sich im Alltag durch Kleidung kaschieren, verkenne es, dass es nicht nur auf den äußerlich kaschierbaren Eindruck ankomme, sondern insbesondere auf die tatsächliche Bewertung der anatomischen Abweichung und deren Entstellungswirkung auf sie selbst. Sie habe erheblich unter den Folgen der bei ihr bestehenden Entstellungswirkung in Form einer diagnostizierten mittelgradigen depressiven Erkrankung und einer sozialen Anpassungsstörung mit emotionaler Beeinträchtigung sowie einem Überforderungssyndrom gelitten, wie ihre behandelnden Ärzte bestätigt hätten. Entgegen der Ansicht des SG habe bei ihr auch eine Hauterkrankung mit Krankheitswert vorgelegen, wie sich ebenfalls aus den eingeholten medizinischen Unterlagen ergebe. Die beantragte Operation sei insoweit notwendig gewesen, um die Hauterkrankung dauerhaft zu behandeln. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen, dauerhaft Präparate gegen den bestehenden Juckreiz einzunehmen. Damit habe es sich gerade nicht um einen rein kosmetischen Eingriff gehandelt. Wegen ihrer Entzündungen am Unterbauch, die sie vor allem im Sommer gehabt habe, habe sie sich regelmäßig Cremes verschreiben lassen, die jedoch nur ihren Juckreiz genommen hätten. Es seien Narben geblieben und die Haut sei immer dünner geworden. Dermatologe Dr. W. habe in seiner vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft vom 25. Juli 2013 (hierzu nachstehend) bestätigt, dass bei ihr von einem chronisch lichenifiziertem Ekzembild auszugehen gewesen sei, das nur durch eine operative Entfernung behoben werden konnte. Damit habe keine weitere erfolgreiche konservative Behandlungsmöglichkeit mehr bestanden. Es sei an der dünner gewordenen Haut regelmäßig zu ekzembedingten Entzündungen gekommen, bei denen durch eine Creme zwar der Juckreiz gemildert werden konnte, dieser aber nicht zu einer erfolgreichen und dauerhaften Beseitigung geführt habe.
Neben einer weiteren Bilddokumentation hat die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 1. Juli 2013 vorgelegt, in der dieser berichtet hat, die herunterhängende Bauchfalte der Klägerin habe nicht nur ästhetische Konsequenzen, weil es unterhalb der Bauchfalte sehr schnell feucht werde, sich eine Dermatitis mit Infektionen entwickle und der psychische Leidensdruck der Klägerin immer größer werde. Die ästhetischen Folgen belasteten das eigene Körpergefühl und die Partnerschaft der Klägerin. Die psychologische Behandlung und die dermatologisch-medikamentöse Behandlung hätten keine nennenswerten Erfolge.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Oktober 2012 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2010 zu verurteilen, ihr die entstandenen Kosten in Höhe von EUR 4.300,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie im angefochtenen Urteil und führt ergänzend aus, hinsichtlich der Hautirritationen habe bei der Klägerin keine funktionelle Einschränkung bestanden, da sie die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft habe. Dies werde durch die Ausführungen der vom Senat gehörten sachverständigen Zeugen (dazu nachstehend) bestätigt. Nach ihren Angaben seien insoweit ihre Beschwerden im Winter nicht so schlimm gewesen und sie habe ihre Hautärztin lediglich besucht, wenn ihr eine neue Creme verschrieben werden musste. Eine Entstellung sei nicht nachvollziehbar, da die körperliche Auffälligkeit nicht "im Vorbeigehen" bemerkbar gewesen sei. Im Übrigen verbleibe es dabei, dass aus einer psychiatrischen Krankheit kein Anspruch auf eine Fettschürzenoperation abgeleitet werden könne.
Der Senat hat Dr. Gü. und Dr. W. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. Gü. hat unter dem 24. Juli und dem 15. Oktober 2013 angegeben, sie habe die Klägerin am 13. Mai 2009 wegen geröteter Hautinnenfalten am Unterbauch, an den Oberarmen und den Oberschenkeln sowie am 17. August 2009 und in der Zeit vom 15. bis 22. September 2011 wegen Warzen an den Händen behandelt. Wegen der Hautrötungen habe sie am 13. Mai 2009 das Einlegen von Stoff- oder Mullkompressen, Körperpuder oder Zink-Schüttelmixtur und Hautpflege mit Tannosynt Lotion empfohlen. Bei der letzten Vorstellung am 22. September 2011 habe die Klägerin über keine Entzündungen in den Bauchfalten berichtet. Eine Therapie sei daher nicht erforderlich gewesen. Dr. W. hat unter dem 25. Juli 2013 ausgeführt, die Klägerin wegen ihrer Fettschürzenproblematik am 12. November 2012 und 9. Juli 2013 behandelt zu haben, wobei er leichte Dermatitiden und Dehnungsstreifen festgestellt habe. Zur Behandlung der Fettschürzen sei nur eine operative Entfernung zielführend gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft, denn der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten, denn für die von der Klägerin ursprünglich als Sachleistung begehrte Fettschürzenresektion sind insgesamt Kosten von EUR 4.300,00 angefallen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat seinerzeit rechtmäßig die Gewährung der Fettschürzenresektion als Sachleistung abgelehnt; der Klägerin steht nach der in der Türkei im Dezember 2013 durchgeführten operativen Maßnahme kein Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten zu.
Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt ausschließlich § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht (zur Anwendbarkeit auch bei Behandlungen im Ausland: BSG, Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R - m.w.N.; in juris). Danach sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die Leistung notwendig und die Ablehnung für die Entstehung der Kosten ursächlich war. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine operative Fettschürzenresektion zu gewähren. Deshalb kann die Klägerin auch nicht beanspruchen, dass ihr die Kosten, die durch die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind, von der Beklagten erstattet werden.
Da der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiter reicht als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch, setzt der Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 16/07 R - und 7. Mai 2013 - B 1 KR 44/12 R -; beide in juris). Daran fehlt es hier.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R -, 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - und 11. September 2012 - B 1 KR 9/12 R -; alle in juris). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - und 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R -; in juris; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 -; nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 -; in juris).
Die Klägerin war durch ihre Bauchdeckenerschlaffung mit Fettschürze nicht in einer Körperfunktion beeinträchtigt. Einschränkungen ihrer Rumpfbeweglichkeit machte sie selbst nicht geltend und hierfür liegen auch keinerlei Anhaltspunkte vor. Hautreizungen traten bei ihr nicht ständig und unbehandelbar auf. Dies entnimmt der Senat den von ihm eingeholten sacherständigen Zeugenauskünften der Dr. Gü. vom 24. Juli und 15. Oktober 2013 und denjenigen des Dr. W. vom 25. Juli 2013. Hieraus lässt sich entnehmen, dass die Klägerin wegen Hautrötungen am Unterbauch in der Zeit von Mai 2009 bis Juli 2013 lediglich einmal Dr. Gü. (am 13. Mai 2009) und zweimal Dr. W. (am 12. November 2012 und 9. Juli 2013) konsultiert hatte. Dr. Gü. empfahl der Klägerin am 13. Mai 2009 das Einlegen von Stoff- oder Mullkompressen, Körperpuder oder Zink-Schüttelmixtur und Hautpflege mit Tannosynt Lotion. Bei der letzten Vorstellung der Klägerin bei Dr. Gü. am 22. September 2011 berichtete die Klägerin über keine Entzündungen in den Bauchfalten, so dass keine Therapie erforderlich war. Auch Dr. W. sah sich aufgrund der von ihm festgestellten leichten Dermatitiden nicht zu einer konservativen Behandlung veranlasst. Die Klägerin bedurfte daher keiner regelmäßigen fachdermatologischen Behandlung, sondern lediglich einer mehr oder weniger regelmäßigen Verordnung von Cremes durch ihren Hausarzt. Bestätigt wird dies durch den eigenen Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, wonach sie Hautrötungen mit Juckreiz vorwiegend im Sommer hatte und Cremes den Juckreiz wirksam beseitigten.
Die Hautfalte bewirkte bei der Klägerin auch keine Entstellung. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - und 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R - a.a.O.; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 - nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 - a.a.O.). Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anomalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R -; in juris). Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, scheidet eine solche Entstellung hier schon deshalb aus, weil sich die Hautfalte durch Kleidung im Alltag verdecken ließ. Es ist für den Senat nachvollziehbar, dass die Klägerin subjektiv die Fettschütze und die Bauchfalten als entstellend empfunden hat. Dies begründet aber nicht einen Anspruch auf Behandlung mit dem begehrten operativen Eingriff zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -, 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - und 11. September 2012 - B 1 KR 9/12 R - alle in juris).
Auch die durch die Bauchfalten ausgelöste psychische Belastung der Klägerin führt, abgesehen davon, dass die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG offensichtlich keiner regelmäßigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung mehr bedurfte, nicht zu einem Anspruch auf die operative Behandlung, wie das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat. Denn die Krankenkassen sind weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Bei einer depressiven Episode können zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich Behandlungen mit Mitteln der Psychiatrie beansprucht werden. Operationen am - krankenversicherungsrechtlich gesehen - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung des Versicherten zugewiesen, ohne dass es darauf ankommt, dass die Klägerin erst knapp 22 Jahre alt ist. Dies beruht in der Sache vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkung von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörenden gesundheitlichen Defizits erreicht werden. Das gilt jedenfalls so lange, wie medizinische Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit begründen (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - a.a.O.; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 - nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 - a.a.O.).
Die Klägerin kann den Leistungsanspruch auch nicht darauf stützen, dass sie der Beklagten durch die eigenverantwortlich durchgeführte Gewichtsverminderung künftige Behandlungskosten wegen aus einem erheblichen Übergewicht entstehenden Folgeerkrankungen erspart haben könnte. Denn die Grenzen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung würden dadurch aufgehoben.
Im Übrigen scheitert ein Leistungsanspruch der Klägerin und damit auch ein Anspruch auf Kostenerstattung auch daran, dass sie die Fettschürzenresektion in der Türkei hat durchführen lassen, ohne zuvor eine Zustimmung der Beklagten einzuholen. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit im SGB V nichts abweichendes bestimmt ist. § 13 Abs. 4 bis 6 SGB V finden im vorliegenden Fall keine Anwendung, da die Klägerin die Fettschürzenresektion in der Türkei und damit nicht in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Mitgliedstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz hat durchführen lassen. Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben indes nach § 6 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) unberührt. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei vom 30. April 1964 (BGBl. 1965 II, S. 1170) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 28. Mai 1969 (BGBl. 1972 II, S. 2), des Zwischenabkommens vom 25. Oktober 1974 (BGBl. 1975 II, S. 374) und des Zusatzabkommens vom 2. November 1984 (BGBl. II 1986, S. 1040) setzt ein Leistungsanspruch bei einer Person, die, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt hat, voraus, dass der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthalts vorher zugestimmt hat. Eine solche Zustimmung der Beklagten hat sich die Klägerin nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht eingeholt. Vielmehr ist sie zur Durchführung der Operation in die Türkei gereist, ohne zuvor mit der Beklagten Kontakt aufzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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