L 11 KR 4039/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 5809/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4039/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.04.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum 07.01. bis 12.05.2010 sowie die Erstattung der für diesen Zeitraum geleisteten Krankenversicherungsbeiträge.

Der 1951 geborene Kläger ist hauptberuflich selbständig erwerbstätig und bei der Beklagten seit Juli 2007 freiwillig krankenversichert. Zum 01.01.2009 wählte er den von der Beklagten angebotenen Wahltarif "DAK pro Krankengeld" (T71) mit einem Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 30.12.2008 bestätigte die Beklagte die Aufnahme in den Wahltarif T71 ab 01.01.2009 mit einem kalendertäglichen Anspruch auf Krankengeld iHv 47 EUR und einer monatlichen Prämie iHv 42,30 EUR. Der Wahltarif wurde für einen Zeitraum von drei Jahren vereinbart.

Mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl I 1990) wurde die Krankengeldabsicherung hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger zum 01.08.2009 neu geregelt. Der Wahltarif des Klägers endete kraft Gesetzes mit Ablauf des 31.07.2009 gemäß § 319 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes vom 17.07.2009. Weiter regelte die Vorschrift ua, binnen welcher Fristen eine Wahlerklärung zu neu einzurichtenden geschlechtsneutralen Wahltarifen abgegeben werden konnte. Über die Gesetzesänderung informierte die Beklagte die Mitglieder, die vom Wegfall ihres bisherigen Wahltarifs betroffen waren, mit einer Mailingaktion vom 29.07.2009 und zugleich sämtliche Mitglieder in ihrer Mitgliederzeitschrift "Fit!" Ausgabe 4/09. Eine Wahlerklärung des Klägers erfolgte innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht. Ab August 2009 wurde die Prämie des früheren Wahltarifs iHv 42,30 EUR monatlich von der Beklagten auch nicht mehr vom Konto des Klägers abgebucht.

Am 26.11.2009 erlitt der Kläger einen Schlaganfall, aufgrund dessen er stationär behandelt wurde. Am 03.12.2009 wurde er in eine stationäre Anschluss-Rehabilitation verlegt, aus der er am 12.01.2010 arbeitsunfähig entlassen wurde. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis 12.05.2010 an.

Nach Telefonaten zwischen Kläger und Beklagter wandte sich der Kläger per Fax am 21.01.2010 an die Beklagte und forderte die Zahlung von Krankengeld ab dem 07.01.2010 als 43. Tag seiner Arbeitsunfähigkeit. Soweit telefonisch mitgeteilt worden sei, dass er keine Krankengeldversicherung mehr habe, werde dem widersprochen. Eine neuerliche Änderung der ab Januar 2009 geltenden Bedingungen sei ihm nicht bekannt und von ihm nicht gewünscht. Einer Herausnahme eines Krankengeldanspruches hätte er nie zugestimmt.

Mit Bescheiden vom 26.01.2010 und 02.03.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab. Den Widerspruch des Klägers vom 22.02.2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2010 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 46 Satz 2 SGB V in der seit 01.08.2009 geltenden Fassung entstehe der Anspruch auf Krankengeld für Selbständige ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit. Dies setze jedoch voraus, dass der Versicherte einen entsprechenden Tarif nach § 56 Abs 3 SGB V gewählt habe. Aus dem bis 31.07.2009 geltenden Wahltarif T71 habe der Kläger keine Rechte mehr herleiten können, denn dieser habe zum 01.08.2009 seine Wirkung verloren. Der Kläger hätte bis spätestens 30.09.2009 einen anderen Tarif wählen müssen, er habe von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, obwohl er hierüber sowohl im Rahmen einer Mailingaktion (Schreiben vom 29.07.2009) als auch in den Magazinen "Fit!" (Ausgabe 4/2009) und "Praxis plus Recht" (Ausgabe 4/2009) unterrichtet worden sei. Aufgrund der gesetzlichen Änderung sei eine Weitergeltung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nicht möglich, denn die Beendigung des Wahltarifs T71 sei durch Akt des Bundesgesetzgebers in Form des Erlasses von § 319 SGB V bewirkt worden. Soweit behauptet werde, der Kläger habe das Aufklärungsschreiben vom 29.07.2009 nicht erhalten und auch in sonstiger Weise keine Kenntnis von der Gesetzesänderung erlangt, rechtfertige dies keine andere Entscheidung. Als Selbständigen treffe den Kläger eine besondere Pflicht zur Überwachung der eigenen finanziellen Verhältnisse und insbesondere die Kontrolle der Bewegungen auf seinen Konten. Es habe ihm folglich nicht entgangen sein können, dass der für den Wahltarif T71 fällige Beitrag von 42,30 EUR monatlich seit August 2009 nicht mehr abgebucht worden sei.

Hiergegen richtet sich die am 16.09.2010 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, mit der Beklagten den Vertrag über den Wahltarif T71 fest über drei Jahre abgeschlossen zu haben, er habe auf diese Vertragslaufzeit vertraut. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn auf die erforderliche Anpassung zum 01.08.2009 hinzuweisen. Das Magazin "Fit!" werde bei ihm ungelesen gleich entsorgt. Das Magazin "Praxis plus Recht" kenne er nicht. Im Übrigen habe der Artikel im Magazin "Fit!" auch nicht als wichtiger Hinweis auf eine Gesetzesänderung verstanden werden können, es sei vielmehr der Eindruck erweckt worden, die Beklagte werbe für neue Wahltarife. Aus den ihm im Juli 2009 zugegangenen vier Beitragsbescheiden habe der Kläger auch nicht entnehmen können, dass sich bezüglich der Krankentagegeldversicherung etwas geändert habe. Während der Zeit der Krankheit schulde er der Beklagten nach dem streitgegenständlichen Vertrag keine Versicherungsbeiträge, weshalb sich ein Rückerstattungsanspruch iHv 1.324,82 EUR ergebe.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, bei der Mailingaktion vom 29.07.2009 habe es sich um die Versendung von Informationen mittels herkömmlichen Briefs gehandelt. Es sei ihr auch nicht zuzurechnen, wenn der Kläger die Mitgliederzeitschrift ungelesen vernichte. Der Versand des Magazins "Fit!" sei in der Zeit vom 15. bis 23.09.2009 erfolgt, sodass der Kläger noch rechtzeitig eine Wahlerklärung hätte abgeben können.

Mit Urteil vom 23.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne für die Zeit vom 07.01.2010 bis 12.05.2010 Krankengeld nicht beanspruchen, denn er sei nicht mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Nach der Übergangsvorschrift des § 319 Abs 1 SGB V hätten Wahltarife, die Versicherte auf der Grundlage der bis zum 31.07.2009 geltenden Gesetzesfassung abgeschlossen hätten, mit Inkrafttreten der Neuregelung geendet. Damit seien zum 01.08.2009 alle Rechte und Pflichten aus dem Tarif und damit zugleich auch die Bindung an den Wahltarif kraft Gesetzes entfallen. Der Kläger wäre als hauptberuflich selbständiger Erwerbstätiger ab 01.08.2009 nur noch dann mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen, wenn er eine Wahlerklärung abgegeben hätte. Dies habe er nicht getan. Er habe sich erstmals im Januar 2010 wegen einer Krankengeldzahlung telefonisch an die Beklagte gewandt, dabei aber sein Optionsrecht, die Mitgliedschaft um einen Krankengeldanspruch zu erweitern, nicht ausgeübt. Auch dem Schreiben vom 18.01.2010 sei keine Wahlerklärung zu entnehmen. Selbst wenn der Kläger hiermit eine entsprechende Wahlerklärung abgegeben hätte, würde die Wahlerklärung erst zu dem Tag wirken, der auf das Ende der Arbeitsunfähigkeit folgt, wenn der Versicherte zum Zeitpunkt des Zugangs der Wahlerklärung bereits arbeitsunfähig war. Im Januar 2010 hätte der Kläger daher die Wahlerklärung nicht mehr mit Wirkung für den eingetretenen Versicherungsfall abgeben können. Die Übergangsfrist des § 319 Abs 3 SGB V sei zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichen gewesen. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist komme nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob dies bei Versäumung der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 319 Abs 3 SGB V überhaupt möglich wäre, scheide diese aus, weil der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten. Die Unkenntnis einer gesetzlichen Regelung sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen des Grundsatzes der formellen Publizität kein Wiedereinsetzungsgrund. Der Kläger könne auch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe er die Wahlerklärung fristgerecht vor Eintritt des streitigen Versicherungsfalls erklärt. Soweit der Kläger geltend mache, er sei auf die Änderung der Rechtslage zum 01.08.2009 nicht individuell hingewiesen worden, fehle es bereits an einer entsprechenden Beratungs- oder Auskunftspflicht der Beklagten. Ein konkreter Anlass zur Beratung habe nicht bestanden, denn der Kläger habe im Zeitraum zwischen Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 01.08.2009 und dem Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 26.11.2009 weder Kontakt zur Beklagten gehabt, noch sei in diesem Zeitraum ein konkretes Verwaltungsverfahren durchgeführt worden. Zwar habe die Beklagte mit Bescheid vom 21.07.2009 die Beiträge für die Zeit ab 01.08.2009 neu festgesetzt und der Beitragsbemessung dabei den ermäßigten Beitragssatz für Versicherte ohne Krankengeldanspruch zugrundegelegt. Grund für die Anpassung der Beiträge, die in einem weitgehend automatisierten Verwaltungsverfahren erfolgt sei, sei jedoch nicht eine Reduzierung des Beitragssatzes, sondern der Nachweis geänderter Einkommensverhältnisse gewesen. Die Beklagte sei lediglich allgemein zur Aufklärung ihrer Versicherten über die Rechtsänderung verpflichtet gewesen. Diese Verpflichtung habe die Beklagte durch die Versendung von Informationsschreiben an betroffene Versicherte und die Information in der Mitgliederzeitschrift erfüllt. Darüber hinaus vermöge die Verletzung gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufklärungspflicht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch schon grundsätzlich nicht auszulösen. Das geltend gemachte Krankengeld und dementsprechend auch die Beitragsrückerstattung stünden dem Kläger daher nicht zu.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 16.08.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.09.2013 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG gehe zu Unrecht davon aus, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben. Aus § 15 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ergebe sich, dass die Beklagte zur Auskunftserteilung verpflichtet gewesen sei. Mit Schreiben vom 12.12.2011 habe das SG noch darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 21.07.2009 eine Beitragsanpassung vorgenommen habe und dies Anlass gewesen wäre, den Kläger über die anstehende Änderung der Gesetzlage aufzuklären. Im angegriffenen Urteil berufe sich das SG nun darauf, die Beitragsanpassungen seien wegen Angaben der Beklagten im Verhandlungstermin nur deswegen erfolgt, weil geänderte Einkommensverhältnisse die Ursache gewesen seien. Dies sei wenig überzeugend. Die Beitragsbescheide hätten nicht zu erkennen gegeben, welcher Betrag für die Krankengeldversicherung zu bezahlen sei, sondern sich darauf beschränkt, die Beiträge für Krankenversicherung und Pflegeversicherung zu benennen.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.04.2013 sowie die Bescheide der Beklagten vom 26.01.2010 und 02.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 07.01. bis 12.05.2010 iHv 5.922 EUR zu zahlen und Beiträge iHv 1.324,28 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihr Vorbringen im Klageverfahren und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 26.01.2010 und 02.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld im Zeitraum 07.01. bis 12.05.2010, da er ab 01.08.2009 nicht mehr in einem Wahltarif mit Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert war. Soweit der Kläger die Erstattung der während der Arbeitsunfähigkeit entrichteten Krankenversicherungsbeiträge begehrt, ist die Klage bereits unzulässig, denn hierüber wurde zwischen den Beteiligten kein Verwaltungsverfahren durchgeführt, welches Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage wäre. Abgesehen davon kann noch immer - stellte sich nachträglich ein Anspruch auf Krankengeld heraus - eine Erstattung der geleisteten Beiträge verlangt werden. Allerdings wäre insoweit zu berücksichtigen, dass sich eine vollständige Beitragsfreiheit für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld aus § 224 Abs 1 SGB V bei freiwillig Versicherten wie dem Kläger nicht unbedingt ergäbe, sondern auch bei Fehlen sonstiger Einnahmen Beiträge aus dem Mindesteinkommen nach § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V zu entrichten wären (Bundessozialgericht (BSG) B 12 P 6/03 R, SozR 4-2500 § 224 Nr 1).

Versicherte haben nach § 44 Abs 1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Nach § 44 Abs 2 SGB V in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung des Gesetzes konnte die Satzung der Krankenkasse für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen. Nach § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V in der vom 01.01. bis 31.07.2009 geltenden Fassung hatten hauptberuflich selbständig Erwerbstätige grundsätzlich keinen Anspruch auf Krankengeld. Nach § 44 Abs 2 Satz 2 SGB V blieb für diese Gruppe der Versicherten allerdings § 53 Abs 6 SGB V unberührt. Nach dieser durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.03.2007 (GKV-WSG, BGBl I S 378) ebenfalls mit Wirkung vom 01.01.2009 eingeführten Vorschrift hatte die Krankenkasse ua ihren hauptberuflich selbständig erwerbstätigen Versicherten Tarife anzubieten, die einen Anspruch auf Krankengeld entstehen lassen. Hiervon machte der Kläger im Dezember 2008 Gebrauch, als er sich für den Wahltarif T71 mit einem Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit entschied. Insoweit ist kein Wahltarifvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossen worden, sondern die Teilnahme an dem gewählten Wahltarif ergibt sich aus den zugrundeliegenden gesetzlichen und Satzungsbestimmungen. Die Teilnahme an einem Wahltarif im Sinne von § 53 Abs 6 SGB V erfolgt durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung in Ausübung eines Gestaltungsrechts (Krauskopf in Krauskopf, SGB V, § 53 RdNr 4; Dreher in juris-PK SGB V, 2. Aufl 2012, § 53 RdNr 25). Es handelt sich nicht um ein Vertragsangebot, das die Kasse annimmt, sondern das Mitglied macht von einer durch die Satzung gebotenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch, wobei dessen einseitige Willenserklärung ausschließlich durch feststellenden Verwaltungsakt der Kasse, wie auch im vorliegenden Fall durch Bescheid vom 30.12.2008 geschehen, bestätigt werden kann.

Ab 01.08.2009 wurde für hauptberuflich Selbständige die Vorschrift des § 44 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009 (BGBl I S 1990) erneut geändert. Hauptberuflich selbständige Erwerbstätige haben nunmehr keinen Anspruch auf Krankengeld, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung). In § 53 Abs 6 SGB V wurde mit Wirkung zum 01.08.2009 ein Satz 4 angefügt, der nun besagt, dass die Höhe der Prämienzahlungen unabhängig von Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds festzulegen seien. In einer besonderen Übergangsregelung bestimmte der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang, dass diejenigen Wahltarife, die Versicherte auf der Grundlage der bis 31.07.2009 geltenden Fassung des § 53 Abs 6 SGB V abgeschlossen hatten, zu diesem Zeitpunkt endeten (§ 319 Abs 1 SGB V). Weiter regelt diese Vorschrift in Abs 3 Satz 2, dass Wahltarife nach § 53 Abs 6 SGB V bis zum 30.09.2009 oder zu einem in der Satzung der Krankenkasse festgelegten späteren Zeitpunkt mit Wirkung vom 01.08.2009 neu abgeschlossen werden konnten. Eine entsprechende Wahlerklärung hat der Kläger bis 30.09.2009 nicht abgegeben, abweichende Regelungen durch Satzung der Beklagten sind hierzu nicht vorhanden.

Der Wahltarif T71, den der Kläger im Dezember 2008 gewählt hatte, galt auch nicht deshalb weiter, weil der Kläger mit einer Beendigung nicht einverstanden war. Die Beendigung des Krankengeldwahltarifs nach § 319 SGB V tritt kraft Gesetzes ein, eines Aufhebungsvertrags oder einer Kündigung bedurfte es nicht (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg 15.04.2011, L 4 KR 5180/10; Senatsbeschluss vom 24.02.2014, L 11 KR 3866/13). Durch die dargestellten Rechtsänderungen war der Kläger ab 01.08.2009 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert, ohne dass dies seiner Zustimmung bedurft hätte. Wie bereits ausgeführt, ist Grundlage seines Versicherungsverhältnisses bei der Beklagten keine vertragliche Vereinbarung, sondern die gesetzlichen Bestimmungen des SGB V iVm der Satzung der Beklagten. Der Gesetzgeber wollte wegen des neu aufgenommenen Verbots, bei den Wahltarifen zum Krankengeld Alter, Geschlecht oder Krankheitsrisiko des Mitglieds zu berücksichtigen, sicherstellen, dass die Krankenkassen die vorher eingerichteten Wahltarife beenden und den Versicherten im nahtlosen Anschluss daran einen den neuen Vorgaben entsprechenden Tarif anbieten würden (BT-Drs 16/12256 S 67). Es hätte im Anschluss an die Beendigung einer neuerlichen Ausübung des Gestaltungsrechts des Klägers bedurft, sich vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im November 2009 wiederum für einen Wahltarif mit Krankengeldanspruch zu entscheiden. Dies ist jedoch nicht geschehen, weshalb das Versicherungsverhältnis einen Anspruch auf Krankengeld nicht umfasst.

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Für eine Anwendung des Herstellungsanspruchs ist vorliegend aufgrund der eindeutigen Regelung in § 319 Abs 1 SGB V, die nach dem Willen des Gesetzgebers alle bestehenden Wahltarife erfassen soll, kein Raum. § 319 Abs 1 SGB V geht als lex specialis dem allgemeinen Herstellungsanspruch vor. Aufgrund der ausdifferenzierten Regelung in § 319 Abs 2 und 3 SBG V zur Frage der Fortführung bzw dem Neuabschluss eines Wahltarifs ist auch insoweit davon auszugehen, dass die gesetzliche Norm als lex specialis den Herstellungsanspruch verdrängt (Senatsbeschluss vom 24.02.2014, L 11 KR 3866/13). Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Kläger in der Zeit vom 01.08.2009 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 26.11.2009 weder Kontakt zu ihr hatte, noch in diesem Zeitraum ein konkretes Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde, so dass kein Anlass zu einer Beratung bestanden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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