L 6 U 4322/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1361/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4322/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 3. September 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung streitig.

Der am 29.08.1954 geborene Kläger war nach eigenen Angaben mit Unterbrechungen als Elektriker von August 1972 bis Februar 1990 in Rumänien und von November 1991 bis November 1998 im Bundesgebiet sowie nach den Angaben der S. A. GmbH dort vom 18.09.2000 bis Februar 2001 als Kernmacher und von März 2001 bis zum 25.07.2003 als Kontrolleur berufstätig.

Der Kläger machte am 20.06.2012 die Feststellung seines Hörschadens als Berufskrankheit geltend. Er führte zur Begründung aus, er sei bis Juli 2003 bei der Firma S. A. GmbH berufstätig gewesen und habe in den Folgejahren einen sich sukzessiv verstärkenden Hörschaden entwickelt. Ferner leide er unter Depressionen. Auf Nachfrage der Beklagten führte er aus, der Hörschaden habe sich erstmals im Januar 2003 bemerkbar gemacht.

In dem von der Beklagten eingeholten Befundbericht vom 14.08.2012 führte der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. S. aus, der Kläger sei vom 18.08.2001 bis zum 10.09.2001 wegen einer akuten ausgeprägten Otitis externa rechts sowie am 15.06.2004 wegen einer Hörstörung behandelt worden. Anlässlich der Untersuchung am 15.06.2004 seien vom Kläger keine direkten Angaben zur Entstehungsgeschichte gemacht worden. Am 29.07.2004 habe der Kläger berichtet, er habe möglicherweise im Jahr 2002 ein Ohrtrauma rechts erlitten. Die Untersuchungen hätten eine rechtsseitige fortgeschrittene über alle Frequenzen zunehmende mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit bei geringer Hochtonhörstörung links erbracht. Sprachaudiometrisch sei ein Hörverlust für die Sprache von 80 dB rechts mit Diskriminationsverlust von über 60 % und von 20 dB links ohne Diskriminationsverlust festgestellt worden. Diagnostiziert wurde eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts bei annähernder Normalhörigkeit links. Die seitens des Klägers angegebene mögliche Traumatisierung im Jahr 2002 könne eventuell eine Ursache für die einseitig bestehende Hörstörung darstellen, lasse sich aber aufgrund der doch weit zurückliegenden Zeitspanne vor der ersten diesbezüglich durchgeführten audiometrischen Untersuchung nicht eindeutig verifizieren. Die audiometrischen Untersuchungsbefunde wurden beigefügt. Ferner holte die Beklagte das Leistungsverzeichnis der AOK B. ein. Des Weiteren zog die Beklagte über Dr. B., TÜV S. B. und B. GmbH, die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen vom 07.05.2001 (der Kläger habe gesagt, er habe keine Probleme mit dem rechten Ohr; Gehörschutzstöpsel würden immer getragen) und vom 11.06.2001 (keine gesundheitlichen Bedenken; Gehörschutzstöpsel würden immer getragen) bei.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die S. A. GmbH in dem unter dem 12.09.2012 ausgefüllten Fragebogen mit, der Kläger sei dort vom 18.09.2000 bis zum 25.07.2003 berufstätig gewesen. Von September 2000 bis Februar 2001 habe er die Tätigkeit als Kernmacher und von März 2001 bis Juli 2003 die Tätigkeit als Kontrolleur ausgeübt. Die Lärmmessungen hätten einen personenbezogenen äquivalenten Dauerschallpegel für die Tätigkeit als Kernmacher von 91 bis 94 dB(A) am 17.04.2000 und für die Tätigkeit als Kontrolleur von 81,2 dB(A) am 27.11.2003 ergeben. Der Präventionsdienst der Beklagten führte nach Zuleitung der relevanten Unterlagen in der Stellungnahme vom 24.09.2012 aus, der Kläger sei während seiner Tätigkeit bei der S. A. GmbH vom 18.09.2000 bis zum 28.02.2001 einem Lärmexpositionspegel von 94 dB(A) und vom 01.03.2001 bis zum 25.07.2003 einem Lärmexpositionspegel von 81 dB(A) ausgesetzt gewesen.

Sodann holte die Beklagte ein weiteres Leistungsverzeichnis der AOK B. ein.

Im weiteren Verlauf führte der Kläger aus, er habe während seiner Tätigkeit als Kernmacher einen doppelten Gehörschutz in Form von Ohrstöpseln und eines Gehörschutzes über die gesamte Ohrmuschel tragen müssen. Da sich in der Werkshalle 10 bis 12 Maschinen nebeneinander befunden hätten, habe dies zu einem Echo und zu Lärm und damit einhergehend zu Stress geführt. Auch die Tätigkeit als Kontrolleur sei mit starkem Lärm und purem Stress verbunden gewesen. Er habe insbesondere auf dem rechten Ohr Lärm und Druck wahrgenommen. Außerdem habe eine latente Verletzungsgefahr während des Beladens der Gitterboxen bestanden. So sei es bisweilen zu Kopfverletzungen im Bereich der Gitterboxen gekommen.

Schließlich holte die Beklagte den Befundbericht des Dr. G. vom 14.12.2012 ein. Dieser führte darin aus, er habe den Kläger erstmals am 31.05.2005 behandelt. Der Kläger habe über einen Tinnitus und eine Depressivität geklagt. Dr. S. schlug in der gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 09.01.2003 eine Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht vor, da die haftungsbegründende Kausalität habe nicht wahrscheinlich gemacht werden können.

Aufgrund eingeholter Stellungnahmen der Arbeitgeber des Klägers in Bezug auf seine früheren Berufstätigkeiten als Elektriker gingen - jeweils hierfür zuständig - die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution unter dem 05.10.2012 von einem Dauerschallpegel von unter 80 dB(A) und die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse unter dem 20.11.2012 von einem Dauerschallpegel von 65 bis 70 dB(A) aus.

Mit Bescheid vom 07.02.2013 lehnte die Beklagte die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV ab. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit keinen Einwirkungen ausgesetzt gewesen, die geeignet seien, eine Berufskrankheit zu verursachen. Auch fehle es an einem für eine Lärmeinwirkung typischen Gesundheitsschaden. Liege der Beurteilungspegel zwischen 85 dB(A) und unter 90 dB(A), komme nur bei langjähriger Exposition eine Lärmschädigung in Betracht. Der Kläger sei aber lediglich während seiner vom 18.09.2000 bis zum 28.02.2001 ausgeübten Tätigkeit als Kernmacher bei der S. A. GmbH einer Lärmexposition von mehr als 85 dB(A) ausgesetzt gewesen. Daher lägen keine Einwirkungen vor, die zur Verursachung einer Berufskrankheit geeignet seien. Darüber hinaus bestehe auch kein für eine Lärmeinwirkung typischer Gesundheitsschaden. Eine beginnende Gehörschädigung durch Lärm könne mittels einer tonaudiometrischen Untersuchung festgestellt werden. Diese betreffe zunächst den Frequenzbereich um 4 kHz, also den sogenannten Hochtonbereich. Auch später sei für eine lange Zeit eine überwiegende Hochtonstörung feststellbar. Der Frequenzbereich, welcher für das Sprachverständnis benötigt werde, werde erst relativ spät beeinträchtigt. Auch zeige sich ein symmetrisches Bild der Hörstörung. Zudem entstehe eine Lärmschwerhörigkeit nur im zeitlichen Zusammenhang mit der stattgehabten Lärmexposition in Form einer Haarzellschädigung des Innenohres. Vorliegend spreche der zeitliche Verlauf gegen eine Berufskrankheit. Nach den Angaben des Klägers habe er die Schwerhörigkeit erstmals im Jahr 2003, also während einer Zeit ohne Lärmgefährdung, bemerkt. Weiterhin zeige sich ein untypischer Hörkurvenverlauf im Tonaudiogramm beider Ohren mit Hörverlusten in den tiefen Frequenzbereichen, einer erheblichen Asymmetrie - das rechte Ohr sei deutlich stärker betroffen als das linke Ohr - sowie einer erheblichen Schallleitungsstörung. Insoweit fehle es neben den arbeitstechnischen auch an den medizinischen Voraussetzungen einer Lärmschwerhörigkeit.

Den hiergegen am 08.03.2013 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2013 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 29.05.2013 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben. Der Kläger hat seine Klage nicht begründet.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 05.09.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 07.10.2013 Berufung eingelegt. Er hat seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 3. September 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen sowie ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach erfolgtem gerichtlichen Hinweis hat der Kläger ausgeführt, vor Aufnahme der Tätigkeit als Kernmacher sei er nicht erkrankt gewesen. In der Kernmacherei habe eine Lärmemission von mindestens 150 dB(A) geherrscht. Während seiner Tätigkeit in der Dreherei habe er mit seinen Arbeitskollegen von Mund zu Mund sprechen müssen, um sich überhaupt artikulieren zu können. Bei der Kontrolle durch die Beklagte seien viele Motoren seitens des Arbeitgebers einfach abgestellt worden, um die Lärmausbreitung zu vermindern und die Werte bei der Lärmmessung zu beeinflussen. Auch hier habe eine Lärmemission von 150 dB(A) vorgeherrscht. Nach drei Jahren beruflicher Tätigkeit habe er an einem Tinnitus und einem Hörverlust gelitten. Ferner habe er an den Gitterboxen mehrmals Kopfstöße erlitten. Im Rahmen der Nachtschicht habe er zahlreiche Überstunden abgeleistet, so dass die Zeit der Lärmexposition länger gewesen sei, als von der Beklagten angenommen. Ferner sei es so gewesen, dass sich an seiner Arbeitsstelle an der aus seiner Sicht rechten Seite eine Wand befunden habe. Der Lärm aus der Betriebshalle habe sich an dieser Wand gebrochen. Dies habe dazu geführt, dass er einen hohen Schaden an seinem rechten Ohr davongetragen habe.

Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 13.02.2014 erörtert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch das Gericht ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerecht erhobene sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist nicht begründet.

Während die gegen den ablehnenden Bescheid gerichtete Anfechtungsklage unzweifelhaft zulässig ist, ist die auf die Gewährung von Leistungen gerichtete Klage bereits unzulässig. Denn geht es zunächst nur um die Frage, ob die versicherte Tätigkeit ursächlich für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen gewesen ist, also um die Feststellung einer Berufskrankheit und mithin der Entschädigungspflicht dem Grunde nach, steht im Entscheidungszeitpunkt nicht fest, welche der in Frage kommenden Leistungen im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können und für welchen Zeitraum sie gegebenenfalls zu erbringen sind. Nachdem die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid schon deshalb die Gewährung von Leistungen abgelehnt hatte, weil sie eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nicht anerkannte, fehlt es an einer gerichtlich überprüfungsfähigen verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Leistungen. Erst nach Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit kann der Kläger darauf aufbauend später Leistungen beanspruchen. Mithin kann der Kläger in der jetzigen Situation in zulässiger Weise nur die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer Feststellungsklage oder einer auf Verurteilung der Beklagten zur Feststellung gerichteten Verpflichtungsklage klären lassen (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R). Der Senat hat daher den Berufungsantrag des Klägers dahingehend sachdienlich ausgelegt, dass auch die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung begehrt wird.

Die auf die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung einer Berufskrankheit gerichtete Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der Kläger einen hierauf gerichteten Anspruch nicht hat.

Anzuwenden sind die Vorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der Versicherungsfall als Folge der in den Jahren 2000 bis 2003 ausgeübten Berufstätigkeit und damit unter Geltung des SGB VII geltend gemacht wird (§ 212 Abs. 1 SGB VII).

Rechtsgrundlage sind die §§ 7 und 9 SGB VII in Verbindung mit der BKV.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris; zuletzt BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:

Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtungen des Versicherten einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtungen zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.

Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - juris; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.

Die Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV setzt das Vorliegen einer Lärmschwerhörigkeit voraus.

Vorliegend ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bei den Verrichtungen des Klägers als Kernmacher und Kontrolleur bei der S. A. GmBH erfolgten Einwirkungen dessen Hörschaden verursacht haben. Mithin fehlt es schon deshalb an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung.

Es fehlt schon an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Als gehörschädigend wird eine Lärmeinwirkung von mehr als 85 dB(A) als äquivalenter Dauerschallpegel bei einem 8-Stunden-Tag über viele Arbeitsjahre angesehen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Anm. 7.3.3.2.2, S. 328; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2012 - L 6 U 1626/12; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.03.2012 - L 2 U 4996/10). Eine solche berufskrankheitenrelevante Lärmexposition hat sich vorliegend nicht ermitteln lassen. Vielmehr war der Kläger einem Dauerschallpegel von mindestens 85 dB(A) lediglich während seiner beruflichen Tätigkeit bei der S. A. GmbH als Kernmacher vom 18.09.2000 bis zum 28.02.2001, nicht aber als Kontrolleur vom 01.03.2001 bis zum 25.07.2003, ausgesetzt. Dies ergibt sich aus den Darlegungen des Arbeitgebers in dem unter dem 12.09.2012 ausgefüllten Fragebogen, wonach die Lärmmessungen einen personenbezogenen äquivalenten Dauerschallpegel für die Tätigkeit als Kernmacher von 91 bis 94 dB(A) am 17.04.2000 und für die Tätigkeit als Kontrolleur von 81,2 dB(A) am 27.11.2003 ergeben haben. Zu Recht hat sich der Präventionsdienst der Beklagten in der Stellungnahme vom 24.09.2012 diese Angaben zu eigen gemacht. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Werte. Die vom Kläger dargelegte Beschreibung dieser Berufstätigkeit führt zu keinem anderen Ergebnis. Damit hat der Kläger die für eine berufskrankheitenrelevante Lärmexposition erforderliche Vieljährigkeit bei weitem nicht erreicht. In diesem Zusammenhang führt der Hinweis des Klägers, im Rahmen der Nachtschicht habe er zahlreiche Überstunden abgeleistet, nicht zu einer maßgeblichen Heraufsetzung der Lärmexposition. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, in der Kernmacherei und im Rahmen der Kontrolltätigkeit habe eine Lärmemission von mindestens 150 dB(A) vorgeherrscht. Dass bei der Kontrolle durch die Beklagte viele Motoren seitens des Arbeitgebers zum Zwecke der Beeinflussung der Lärmmessung einfach abgestellt worden sein sollen, ist durch nichts belegt.

Beim Kläger liegen aber auch die medizinischen Voraussetzungen für das Vorliegen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht vor. Denn es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die beruflichen Einwirkungen den beim Kläger vorliegenden Hörschaden wesentlich verursacht haben. Es fehlt mithin auch deshalb an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung.

Hinsichtlich des Krankheitsbildes einer Lärmschwerhörigkeit stützt sich der Senat auf die Ausführungen in dem "Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung: Lärmschwerhörigkeit" vom 01.07.2008 (Merkblatt zu Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV). Danach ist die Lärmschwerhörigkeit eine Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, das heißt eine Innenohrschwerhörigkeit, und keine Schallleitungsstörung. Zunächst ist die Wahrnehmung der höheren, später erst die der mittleren und eventuell der tieferen Töne beeinträchtigt. Die chronische Schwerhörigkeit durch Lärm tritt immer doppelseitig auf, sie muss aber nicht streng symmetrisch ausgebildet sein. Schon die beginnende Gehörschädigung durch Lärm kann mittels Tonaudiogramm durch typischen pathognomonischen Hörverlust im Frequenzbereich um 4 kHz festgestellt werden. Dabei handelt es sich um die sogenannte c5-Senke. Auch später ist noch für längere Zeit ein Überwiegen der Hochtonstörung feststellbar. Aus der Hochtonsenke kann ein Hochtonabfall werden. Der Hauptsprachbereich zwischen 0,5 und 2 kHz wird erst spät beeinträchtigt. Ein Lautheitsausgleich (Recruitment), möglichst durch mehrere überschwellige Prüfmethoden bestätigt, spricht für eine Schädigung der Sinneszellen des Corti-Organs durch Lärm. Neben dem Recruitment ist vor allem die Form des Tonaudiogramms von Bedeutung. Nur der basocochleäre Typ spricht für Schwerhörigkeit durch Lärm, während mediocochleäre Typen für eine andere Lokalisation im Schneckenwindungssystem entweder im Sinne einer erblichen oder einer Hörnervenschwerhörigkeit sprechen. Pancochleäre Formen deuten eher auf eine lärmfremde Ursache hin (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301, S. 1 ff.). In der "Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit (BK-Nr. 2301) - Königsteiner Empfehlung" (Königsteiner Empfehlung) wird ausgeführt, dass es für die Annahme einer Lärmschädigung spricht, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit (Hörstörung der Sinneszellen des Innenohres) mit Betonung des Hörverlustes in den hohen Frequenzen (c5-Senke) handelt und wenn das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung im adäquaten Verhältnis zur Lärmeinwirkung stehen. Leichte Hörverluste im tiefen und mittleren Frequenzbereich sind erst nach jahre- beziehungsweise jahrzehntelanger und erheblicher Lärmbelastung als lärmbedingt denkbar. Bei einem nachgewiesenen negativen Recruitment ist die Verursachung durch Lärm unwahrscheinlich. Andererseits ist ein positives Recruitment kein Beweis dafür, dass Lärm die Ursache des Haarzellschadens ist (siehe Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverord-nung, M 2301, S. 8ff., 28f.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Senat stützt sich auf die Angaben des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. S. in seinem Befundbericht vom 14.08.2012. Danach ist die erste Behandlung wegen einer Hörstörung für den 15.06.2004, mithin über 3 Jahre nach Beendigung der Berufstätigkeit als Kernmacher und somit nicht während der Lärmexposition dokumentiert. Da sich die Schwerhörigkeit nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit der stattgehabten Lärmexposition als Kernmacher entwickelt hat, spricht schon der zeitliche Verlauf gegen die Annahme einer Lärmschwerhörigkeit. Etwas anderes würde sich auch nicht ergeben, wenn sich der Hörschaden beim Kläger entsprechend seinen Angaben bereits im Januar 2003 bemerkbar gemacht hätte. Denn auch in diesem Fälle lägen - ungeachtet dessen, dass Art und Maß dieser Hörstörung nicht ärztlich dokumentiert sind - zwischen Beendigung der Lärmexposition von über 85 dB(A) und dem Beginn der Hörstörung rund 2 Jahre. Außerdem haben die Untersuchungen eine rechtsseitige fortgeschrittene über alle Frequenzen zunehmende mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit bei geringer Hochtonhörstörung links erbracht. Mithin ist im Falle des Klägers nicht nur der Hochtonbereich betroffen. Da ferner sprachaudiometrisch ein Hörverlust für die Sprache von 80 dB rechts mit Diskriminationsverlust von über 60 % und von 20 dB links ohne Diskriminationsverlust festgestellt und damit zu Recht eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts bei annähernder Normalhörigkeit links diagnostiziert worden ist, liegt beim Kläger ein für eine Lärmschwerhörigkeit atypischer erheblicher asymmetrischer Hörschaden vor. Der Vortrag des Klägers, der höhere Schaden an seinem rechten Ohr lasse sich darauf zurückführen, dass sich an seiner Arbeitsstelle an der aus seiner Sicht rechten Seite eine Wand befunden habe, an der sich der Lärm aus der Betriebshalle gebrochen habe, lässt sich weder nachweisen noch medizinisch begründen. Dass das rechte Ohr des Klägers deshalb einer wesentlich höheren Lärmexposition als das linke Ohr ausgesetzt gewesen sein soll, hält der Senat nicht für erwiesen. Mithin ist bereits eine naturwissenschaftliche Kausalität zwischen beruflicher Tätigkeit und Schwerhörigkeit nicht gegeben.

Nach alledem liegen die arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen der Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht vor.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass der Vortrag des Klägers, er habe an den Gitterboxen mehrmals Kopfstöße erlitten, vorliegend unbeachtlich ist, da es nicht um die Feststellung von Arbeitsunfällen und deren Folgen, sondern einer Berufskrankheit geht.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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