Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1010/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3294/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.07.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte wegen eines Arbeitsunfalles ein Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 09.09.2010 bis 10.12.2010 zusteht.
Der 1966 geborene Kläger ist als selbständiger Fliesenleger tätig und bei der Beklagten freiwillig gegen Arbeitsunfall und Berufskrankheit versichert; in der gesetzlichen Krankenversicherung ist er ohne Anspruch auf Krankengeld freiwillig versichert.
Am 09.09.2010 war der Kläger im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit bei einem Kunden und zusammen mit seinem Auszubildenden mit dem Befliesen von rollbaren Präsentationstischen mit Mosaiken beschäftigt. Beim Wegfahren eines dieser fertiggestellten Tische hob der Kläger eine leere Europalette an, von der er erst beim ersten Versuch des Wegziehens feststellte, dass diese verklemmt war. Dabei spürte er einen Schmerz im rechten Oberarm und hörte ein Reißgeräusch. Deswegen suchte er gegen 11:30 Uhr den Durchgangsarzt Dr. B. auf, der in seinem Durchgangsarztbericht vom 09.09.2010 (Blatt 1 der Beklagtenakte; zum korrigierten Bericht siehe Blatt 19 der Beklagtenakte) eine Bizepssehnenruptur distal diagnostizierte (rechter Oberarm Bizeps nach proximal disloziert, Druckschmerz am Ellenbogen volar, periphere DMS der Hand intakt, Flexion schmerzhaft eingeschränkt).
In seiner Unfallanzeige vom 15.09.2010 (Blatt 12 der Beklagtenakte) gab der Kläger an, die gefliesten Verkaufstische sollten in einer Nische im Lager abgestellt werden. "Alles war ein bisschen eng und so lag auch eine leere Europalette im Weg. Als ich die Palette an einem Eck anhob, (dazu musste ich teilweise über andere abgestellte Sachen steigen) klemmte diese. Ich zog ein Bisschen mehr, da ich sie ja nur um 15 cm verschieben wollte. Ich stand wohl ein wenig schief und deswegen konnte ich die Palette nicht richtig anfassen, zog aber trotzdem, halt unkontrolliert, und da gab es ein Geräusch und dann einen Schmerz im Arm ". Das Gewicht der Palette habe ein geschätztes Gewicht von 20 kg gehabt.
Der Radiologe Dr. C. führt in seinem Bericht vom 15.09.2010 zur MRT-Untersuchung vom 13.09.2010 (Blatt 26 der Beklagtenakte) aus, es habe sich eine ausgeprägte Ödembildung mit Verdacht auf Einblutung im Verlauf der distalen Bizepssehne und der Verdacht auf eine Ruptur der Bizepssehne ergeben. Weiter distal liege eine Hämatombildung im Verlauf der Bizepssehne vor.
Am 20.09.2010 erfolgte in der BG-Unfallklinik T. die operative Sehnennaht (zum Zwischenbericht von Prof. Dr. W. vom 22.09.2010 (vgl. Blatt 25 der Beklagtenakte).
Mit Schreiben vom 23.09.2014 (Blatt 23 der Beklagtenalkte) teilte Dr. B. mit, ein distaler Bizepssehnenabriss sei ja meist Traumafolge, beim Kläger fehle allerdings ein Unfallgeschehen im eigentlichen Sinn.
Dr. B. teilte in seinem Zwischenbericht vom 04.10.2010 (Blatt 30 der Beklagtenakte) mit, die histologische Untersuchung der intraoperativ entnommenen Probe habe Zeichen einer deutlichen Vorschädigung im Bereich der distalen Bizepssehne ergeben. In einer Auskunft an die Beklagte vom 08.10.2010 (Blatt 31 der Beklagtenakte) führte PD Dr. B. aus, unter Berücksichtigung des histopathologischen Untersuchungsbefundes vom 23.09.2010 mit Nachweis deutlich regressiv und reparativ abgewandten Sehnenanteil mit Blutungsresiduen, passend zu einer älteren deutlich degenerativ ausgeprägten Vorschädigung ohne Hinweis auf Malignität sowie dem Fehlen eines eigentlichen Unfallereignisses sei ein Unfallzusammenhang unwahrscheinlich.
Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte vom 09.09.2010 bis 10.12.2010.
Mit Bescheid vom 03.11.2010 (Blatt 33 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles am 09.09.2010 ab; Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherungen seien nicht zu erbringen.
Dagegen machte der Kläger mit seinem Widerspruch vom 12.11.2010 (Blatt 35/36, 41/42 der Beklagtenakte) u.a. geltend, aufgrund des Umstandes, dass er die Palette zunächst nicht gesehen habe und der Tisch an der Palette anzustoßen drohte, sei es zu einer unkontrollierten Reflexhandlung gekommen. Er habe Sorge gehabt, dass das noch im feuchten Bett liegende Mosaik bei einem Anstoß des Tisches an die Palette beschädigt würde, was er reflexartig habe verhindern wollen. Es liege auch nach der Rechtsprechung des BSG ein Arbeitsunfall vor. Soweit die histologische Untersuchung Zeichen einer Vorschädigung im Bereich der distalen Bizepssehne ergeben habe, stehe dies der haftungsausfüllenden Kausalität nicht entgegen. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Vorschaden rechtlich allein wesentlich für die Entstehung des Bizepssehnenrisses gewesen sei, zumal er bisher keinerlei Beschwerden gehabt und auf keine Sportverletzung erlitten habe, sodass eine eventuelle Vorschädigung ihre alleinige Ursache in der verrichteten Arbeit habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2011 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zwar könne für das Ereignis am 09.09.2010 eine Krafteinwirkung auf die körperferne Bizepssehne rechts angenommen werden, doch sei entscheidungserheblich, dass das angegebene Geschehen in Anbetracht der nachgewiesenen ausgeprägten degenerativen Vorschäden nicht die rechtlich wesentliche Ursache des aufgetretenen Körperschadens sei. Dieser hätte zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit eintreten können.
Der Kläger hat am 05.04.2011 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, er habe beim Anheben der Palette aufgrund anderer im Weg befindlicher Gegenstände einen äußerst schiefen Stand gehabt, sodass er eine vollständige Kontrolle über seine Haltung nicht gehabt habe. Beim Nachobenreißen der leeren Palette sei es zum Bizepssehnenabriss gekommen. Das Reißen der Sehne sei auch für die Außenstehenden deutlich hörbar gewesen. Der eingetretene Gesundheitsschaden sei nicht lediglich gelegentlich der betrieblichen Tätigkeit sondern vielmehr in Folge dieser Tätigkeit aufgetreten. Er habe zuvor keinerlei Beschwerden gehabt und sich auch keine frühere Verletzung zugezogen. Mit Schreiben vom 04.07.2011 (Blatt 32/33 der SG-Akte) hat der Kläger ausgeführt, sollte tatsächlich eine deutliche Vorschädigung vorgelegen haben, so handele es sich bei dieser Schädigung um einen längeren Prozess, welcher sich regelmäßig über mehrere Jahre hinweg ziehe. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass er bereits mit der Vorschädigung versichert sei und auch der Abriss der Bizepssehne ein versichertes Ereignis darstelle.
Das SG hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Stellungnahme vom 26.05.2011 (Blatt 28/30 der SG-Akte) hat dieser angegeben, den Ausführungen der Beklagten zuzustimmen. Es liege kein geeigneter Unfallmechanismus vor, zudem hätten sich bei der intraoperativ entnommenen Gewebeprobe erhebliche degenerative Veränderungen ergeben.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten bei Prof. Dr. Dr. H. - nach § 109 SGG - sowie bei Prof. Dr. L ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 38/74 sowie 93/110 und 120/122 der der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Orthopädie, Rheumatologie usw. Prof. Dr. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 17.10.2011 u.a. angegeben, das Unfalltrauma sei auf gar keinen Fall als irgendein Bagatelltrauma oder Gelegenheitstrauma anzusehen. Es habe sich um eine plötzliche übersteigerte Krafteinwirkung auf ein gebeugtes Ellenbogengelenk mit nur kurzem distalen Hebelarm gehandelt. Gewichte er die Argumente, so glaube er, dass auch im Hinblick auf die wissenschaftliche Literatur eher von einer traumatischen Schädigung ausgegangen werden könne als von einer degenerativen Schädigung. Der Schulter- und Ellenbogenchirurg Prof. Dr. L. hat auf Grundlage einer Untersuchung des Klägers vom 19.03.2012 in seinem Gutachten vom 08.02.2011 angegeben, es handele sich bei dem Ereignis nicht um eine außergewöhnliche aktive Kraftanwendung. Es sei auch kein von außen einwirkendes Gewaltereignis zu verzeichnen. Abrissverletzungen des körperfernen Bizepssehnenendes seien seltene Ereignisse im Vergleich zu den Verletzungen der körpernahen Bizepssehne an der Schulter. Meistens entstehe der Riss der Sehne auf dem Boden alterungs- und verschleißbedingter Veränderungen und lokaler Durchblutungsstörungen. Der für eine gewaltsame Zerreißung in der aktuellen Literatur geforderte Verletzungsmechanismus bestehe in einer indirekten Gewalteinwirkung auf das 90° gebeugte Ellbogengelenk, während der Unterarm maximal nach außen gedreht sei. Ein spontaner Riss der körperfernen Bizepssehne ohne eine Kraftanstrengung oder eine äußere Gewalteinwirkung sei nach allgemeinen Erfahrungen sehr ungewöhnlich. Es liege keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, da die Ruptur der distalen Bizepssehne nicht unfallbedingt sei. Auch aufgrund des Ergebnisses der histologischen Untersuchung und der Kernspintomografie vom 13.09.2010 widerspreche er der Bewertung von Prof. Dr. Dr. H ...
Das SG hat von der AOK ein Vorerkrankungsverzeichnis beigezogen (Blatt 116/118 der SG-Akte). Prof. Dr. L. hat unter Berücksichtigung dieses Vorerkrankungsverzeichnisses und des Einwandes des Klägers, dass die Palette geklemmt habe und nicht nur deren Leergewicht anzunehmen sei (Blatt 114/115 der SG-Akte), in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27.06.2012 u.a. ausgeführt ((Blatt 120/122 der SG-Akte), es könne allenfalls darüber diskutiert werden, ob es sich um eine außerordentliche ungewöhnliche Kraftanstrengung gehandelt habe, die eventuell dazu geeignet gewesen sein könne, eine gesunde Sehne zu zerreißen. In diesem Fall wäre dann allerdings eine deutliche Einblutung im Rahmen der Erstuntersuchung, der Kernspintomografie und des Operationsbefundes zu fordern. Entsprechende verletzungstypische Veränderungen seien in den Befundberichten sowie nach Inaugenscheinnahme der Originalaufnahmen der Kernspintomografie nicht erhoben worden.
Das SG hat mit Urteil vom 01.07.2013 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe mangels Vorliegens eines Arbeitsunfalls keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig gewesen sei. Bei mehreren Ursachen sei sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich gewesen sei. Ausgangspunkt sei die Schilderung des Klägers über den Ablauf des Ereignisses, bei der er eine gesteuerte willentliche Hebehandlung vorgetragen habe. Dabei sei aber diese Handlung trotz der Plötzlichkeit der Veränderung der Kraftanforderung noch willentlich gesteuert. Ein solcher Vorgang erfülle nicht das Erfordernis einer Einwirkung von außen auf den Körper. Es falle auf, dass außer dem auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Dr. H. sämtliche befragten Mediziner das Vorliegen eines geeigneten Unfallgeschehens abgelehnt hätten. Das Gericht könne Prof. Dr. Dr. H. bereits deswegen nicht folgen, weil dieser offenkundig seine Kausalitätsbeurteilung nicht auf den neuesten Stand des medizinischen Erfahrungswissens stütze. Im Gutachten zitiere er aus dem veralteten Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Auflage, 1993. Damit verkenne der Sachverständige den bis zur 8. Auflage eingetretenen Wandel der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur distalen Bizepssehnenruptur. Dagegen habe Prof. Dr. L. den neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse berücksichtigt. Ernstliche Zweifel am Kausalzusammenhang ergäben sich zudem daraus, dass verletzungstypische Veränderungen weder in der Kernspintomografie noch im Histologiebefund erhoben worden seien. Das Fehlen einer anderen bekannten Verursachung des Bizepssehnenabrisses erlaube nicht den Schluss, dass die Tätigkeit des Hebevorgangs die rechtlich wesentliche Bedingung für die Schädigung im oben genannten Sinne gewesen sei.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 11.07.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.08.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das SG habe das von ihm beantragte weitere Gutachten nicht eingeholt. Die Feststellung des Sachverständigen L. stehe im Widerspruch zu der Feststellung des Sachverständigen H ... Der wesentliche vom Sozialgericht erwähnte Unterschied zwischen den Auflagen von Schönberger/Mertens/Valentin sei rein statistischer Natur.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.07.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 03.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2011 zu verurteilen, das Ereignis vom 09.09.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Verletztengeld für den Zeitraum vom 09.09.2010 bis 10.12.2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffen.
Der Senat hat Prof. Dr. L. ergänzend befragt. In seiner Stellungnahme vom 20.11.2013 (Blatt 19/22 der Senatsakte) hat er u.a. angegeben, ohne Zweifel sei es im zeitlichen Zusammenhang mit dem Anheben der Palette zu dem Abriss der körperfernen Bizepssehne gekommen. Nach seiner Einschätzung stelle dieses Anheben jedoch lediglich ein Anlassgeschehen für die Kontinuitätsunterbrechung dar. Er sei der Auffassung, dass der Schaden auch ohne die Tätigkeit eingetreten wäre, nämlich bei einer alltäglichen Verrichtung und dass somit eine Kausalität nicht anerkannt werden könne. Im schriftlichen Befundbericht sei eine "Einblutung im Verlauf der Sehne" beschrieben. Ein Bluterguss in der Umgebung der Sehne, wie dies bei einem traumatischen Abriss einer gut durchbluteten Sehne anzunehmen wäre, sei weder im schriftlichen Befundbericht noch nach Inaugenscheinnahme der Originalaufnahmen festgestellt worden. Bei der "Einblutung im Verlauf der Sehne" könne es sich auch um eine unspezifische Entzündungsreaktion im Bereich der Sehne handeln. Eine strukturelle Veränderung im MRT sei dadurch zu erklären, dass die Sehne zum Zeitpunkt der Kontinuitätsunterbrechung nicht mehr ausreichend durchblutet worden sei. Dadurch sei die Reißfestigkeit stark vermindert, so dass bereits ein Bagatellanlass zur Kontinuitätsunterbrechung geführt habe. Nach seiner Einschätzung sei das Ereignis lediglich als Anlassgeschehen zu betrachten. Es hätte nach den überlassenen Informationen auch das Anheben einer Tasche oder das geplante, kraftvolle Beugen im Ellenbogengelenk gegen Widerstand den gleichen Körperschaden zum gleichen Zeitpunkt und im gleichen Ausmaß hervorrufen können.
Der Kläger hat hiergegen mit Schreiben vom 16.01.2014 (Blatt 31/32 der Senatsakte) ausgeführt, dass mehrfach darauf hingewiesen worden sei, dass er die eingeklemmte Europalette ruckartig mit einer Hand nach oben gerissen habe. Die aufgewandte außerordentliche Kraftanstrengung sei durchaus geeignet, die gesunde Sehne des Klägers zu zerreißen. Aufgrund der anderen im Weg befindlichen Gegenstände habe er einen äußerst schiefen Stand gehabt, sodass auch eine vollständige Kontrolle über seine Haltung nicht gegeben gewesen sei. Das ruckartige, reflexhafte Nachfassen beim Anheben der Europalette mit maximaler Steigerung der Spannung von Muskel und Sehne sei Ursache für den Bizepssehnenabriss. Eine etwaige Vorschädigung werde bestritten und sei ausschließlich durch seine berufliche Tätigkeit entstanden, Sport betreibe er nicht. Ausweislich der Gefahrenklasse müsse ein Fliesenleger (Gefahrenklasse 7,37) gelegentlich auch schwere Lasten heben. Der Bizepssehnenabriss sei somit in jedem Falle auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen.
Die Beklagte hat ausgeführt (Blatt 33 der Senatsakte), es sei bereits ein "reflexartiges" Anheben nur schwer vorstellbar. Vielmehr müsse man von einem willentlichen, wenn auch in Eile erfolgten Hebevorgang ausgehen. Darüber hinaus habe der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar erläutert, dass beim Kläger derart ausgeprägte Vorschädigungen vorgelegen hätten, dass selbst das Anheben einer einfachen Tasche den gleichen Körperschaden zum gleichen Zeitpunkt und in gleichem Ausmaß hervorgerufen hätte. Soweit der Kläger aber darauf abhebe, die Vorschädigungen seien durch die berufliche Belastung entstanden, sei dies im Rahmen eines Berufskrankheitenverfahrens abzuklären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztengeld.
Zwar enthält der Bescheid der Beklagten vom 03.11.2010 eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung (zum Inhalt vgl. § 36 SGB X, zur Frist vgl. § 84 Abs. 1 SGG), doch führt diese Gesetzeswidrigkeit weder dazu, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, noch dazu, dass er einen Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII hätte.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen sowie deren Auslegung und Anwendung durch die Rechtsprechung zutreffend dargestellt; der Senat nimmt hierauf Bezug. Der Senat konnte jedoch unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers und der medizinischen Befunde, einschließlich der Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. und Prof. Dr. L. nicht feststellen, dass das Ereignis vom 09.09.2010 im Sinne der vom SG zutreffend zitierten Rechtsprechung des BSG ursächlich gewesen war für den vom Kläger geltend gemachten Abriss der körperfernen (distalen) Bizepssehne rechts.
Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass auch ein gewöhnliches Ereignis die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erfüllen kann. Insofern wäre sowohl das Anheben/Hochreißen der Palette, bewusst oder reflexartig dem Grunde nach geeignet, die Voraussetzungen eines plötzlichen von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses zu erfüllen. Die vom Kläger geschilderten Ereignisse am 09.09.2010 widerfuhren ihm auch im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit, was auch die Beklagte nicht bestreitet.
Weiterhin lag beim Kläger ein Gesundheitsschaden vor (Riss der körperfernen langen Bizepssehne rechts), der - was auch Prof. Dr. L. und Prof. Dr. H. bestätigen - im Zeitpunkt des beruflich bedingten einhändigen Anhebens/Hochreißens einer leeren Europalette aufgetreten ist. Zwischen dem vom Kläger geschilderten Ereignis (einhändiges Anheben/Hochreißen der leeren, verkanteten Palette bei unsicherem Stand) und dem Riss der körperfernen langen Bizepssehne rechts besteht aber kein nach dem SGB VII versicherter ursächlicher Zusammenhang.
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. dazu zuletzt Senatsurteil vom 25.04.2014 - L 8 U 3254/12 - n.v.). Damit kommt es nicht darauf an, dass der Gesundheitsschaden bei einer versicherten Tätigkeit ausgelöst wurde, sondern darauf, ob der Gesundheitsschaden auch bei jeder anderen, fiktiv an die Stelle der beruflich bedingten Tätigkeit gedachten Verrichtung ebenfalls entstanden wäre. Bei der Abwägung kann auch der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 17; B 2 U 40/05 R, UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R, UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in juris).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, ist er in der gesetzlichen Unfallversicherung in dem Zustand versichert, in dem er sich vor dem Unfall befand, so dass im Grundsatz auch eine traumatische Schädigung einer degenerativ vorgeschädigten Bizepssehne ein Gesundheitsschaden sein kann, der durch einen Arbeitsunfall verursacht werden kann. Jedoch lag beim Kläger nach Überzeugung des Senats zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 09.09.2010 eine degenerativ erheblich vorgeschädigte Bizepssehne vor. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen aus der Verwaltungsakte und der beiden vom SG eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. und des Prof. Dr. L ... Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass beim Kläger – trotz des in Bezug auf Erkrankungen des rechten Armes leeren Vorerkrankungsverzeichnisses seiner Krankenkasse und seiner Angaben über fehlende Beschwerden und fehlende frühere Ursachen einer Schädigung – erhebliche degenerative Vorschäden der langen Bizepssehne vorlagen. Aus der pathologischen Untersuchung der bei der Operation am 20.09.2010 entnommenen Proben der Bizepssehne ergab sich - wie PD Dr. B. in seinem Bericht vom 08.10.2010 ausgeführt hat - der Nachweis eines deutlich regressiv und reparativ abgewandten Sehnenanteils mit Blutresiduen passend zu einer älteren degenerativen deutlich ausgeprägten Vorschädigung. Wie Prof. Dr. L. für den Senat überzeugend ausgeführt hat, waren aus den MRT-Bildern vom 13.09.2010 eine distale Bizepssehnenruptur mit ödematösen Veränderungen der Weichteile um die Sehne gelegen, keine wesentliche Einblutung und eine Retraktion des Sehnenstumpfes ersichtlich. Gerade die bloß geringe Einblutung zeigt, dass die Sehne schon zu einem wesentlichen Teil degenerativ vorgeschädigt sein musste. Dazu passt auch, dass weder der erstbehandelnde Arzt und auch kein später behandelnder Arzt einen Bluterguss beschreiben konnte. Zwar hat der Kläger einen solchen angegeben, doch wurde dieser von keinem der behandelnden Ärzte beschrieben.
Damit zeigt aber das Ausmaß der degenerativen Veränderungen an der langen Bizepssehne des Klägers, dass jeder alltägliche Vorgang zu denselben Folgen, nämlich dem Riss der Bizepssehne, geführt hätte, wie die vom Kläger geschilderten Ereignisse vom 09.09.2010. Dies hat Prof. Dr. L. auch gegenüber dem Senat bestätigen können. Der Senat geht insoweit aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Prof. Dr. L. in wertender Betrachtung davon aus, dass die Vorschädigung der Bizepssehne des Klägers allein wesentliche Ursache für die Bizepssehnenruptur war. Die Vorschädigung hatte - im Anschluss an die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. L. - ein solches Ausmaß erreicht, dass die Ruptur auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätte auftreten können.
Insoweit ist für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (LSG 18.07.2013 – L 6 U 283/11 – juris RdNR. 36). Damit wird der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet (LSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15). Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 23.03.2012 - L 8 U 884/11 - juris RdNr. 36 ff, im Übrigen z.B. Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11.; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 - juris). Eine Alltagsbelastung ist damit nicht nach der individuellen Lebensführung des Versicherten zu beurteilen, sondern abstrakt danach, welche Verhaltensweisen in der Lebensführung in der Bevölkerung verbreitet vorzufinden sind und nach allgemeiner Anschauung als alltägliche, nur mäßiggradig belastende Verrichtungen gelten. Zwar ging vorliegend die Belastung des Klägers durch ein einhändiges Anheben/Hochreißen einer verkanteten leeren Europalette bei dem Ereignis vom 09.09.2010 wohl tatsächlich über eine bloße zufällige mäßiggradige Alltagsbelastung hinaus, doch kann eine für den Gesundheitsschaden wesentlich ursächliche Gelegenheitsursache nicht nur dann angenommen werden, wenn die tatsächliche Belastung einer anderen gelegentlichen Belastung entspricht, sondern auch dann, wenn eine Alltagsbelastung - wie vorliegend - bereits - fiktiv - zum Eintritt des Gesundheitsschadens führen würde bzw. geführt hätte. Insoweit ist bei der Beurteilung der Gelegenheitsursache darauf abzustellen, ob auch bei einem Austausch des tatsächlichen Ereignisses durch ein alltägliches Ereignis (zur Austauschbarkeit vgl. BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellv. Urteil vom 25.04.2014 - L 8 U 3254/12 -, unveröffentlicht) der Gesundheitsschaden eingetreten wäre. Das ist vorliegend der Fall. Denn Prof. Dr. L. konnte zur Überzeugung des Senats darlegen, dass auch eine gewöhnliche Alltagsbelastung wie das Heben einer Tasche oder das geplante kraftvolle Beugen im Ellenbogen gegen Widerstand ausgereicht hätte um die Bizepssehne des Klägers zum Zerreißen zu bringen. Hätten aber auch Alltagsereignisse die Bizepssehne zum Reißen gebracht, sind die Ereignisse vom 09.09.2010 deshalb nicht die rechtlich wesentliche Ursache für den Riss der langen Bizepssehne des Klägers.
Daher kann vorliegend offen bleiben, ob beim plötzlichen kraftvollen Anheben/Hochreißen Kräfte auf die körperferne Bizepssehne einwirken, die geeignet sind, auch eine gesunde Sehne zum Zerreißen zu bringen (was der Kläger annehmen möchte) oder ob es sich um einen ungeeigneten Unfallablauf handelt (Schönberger/Mertins/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 408; Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Auflage, Seite 712). Gegen das Abreißen einer gesunden, nicht erheblichst vorgeschädigten Sehne spricht, worauf Prof. Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem SG hingewiesen hatte (Blatt 122 der SG-Akte), dass eine deutliche Einblutung, die bei einem solchen zu erwarten wäre, tatsächlich nicht vorhanden war.
Auch Prof. Dr. Dr. H. hatte in seinem Gutachten zutreffend darauf hingewiesen (Blatt 47 der SG-Akte = Seite 10 seines Gutachtens), dass wenn eine Sehne bei einer willkürlichen Kraftanstrengung reiße, der Riss eine Störung des Funktionssystems Muskel/Sehne voraussetze. Insoweit entspricht seine Einschätzung derjenigen von Prof. Dr. L ... Jedoch kann der Senat seinen Ausführungen zur Seltenheit von Verschleißprozessen von ellenbogengelenksnahen Rupturen der unteren Bizepssehne (Blatt 48 der SG-Akte = Seite 11 seines Gutachtens) nicht folgen. Alleine, dass degenerative Vorschäden weder aktenkundig sind noch vom Kläger angegeben wurden, bedeutet nicht, dass solche Schäden in erheblichem Ausmaß nicht vorgelegen hätten. Dies ergibt sich aus dem histologischen Befund wie auch aus den MRT- und Sonografieaufnahmen, bei denen deutliche Einblutungen, wie sie beim Riss einer nicht stark vorgeschädigten Sehne zu erwarten sind, gerade nicht zu erkennen sind. Daher konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die degenerativen Vorschäden, die Prof. Dr. Dr. H. zum Schluss seines Gutachtens (Blatt 70 der SG-Akte = Seite 33 seines Gutachtens) doch annimmt, nur von untergeordneter Bedeutung waren. Vielmehr muss angesichts des veröffentlichten Standes der medizinischen Wissenschaft und Kenntnisse (dazu vgl. Schönberger et al. a.a.O. Seite 407; Schiltenwolf et al. Seite 712; im Internet vgl. z.B. http://unfallchirurgie-atos.de/bizepssehnenriss/) von einem erheblichen Anteil degenerativer Ursachen für den Riss der distalen Bizepssehne - es wird ein Anteil 50 bis 70 % angenommen - und angesichts des vorliegenden histologischen und bildgebend gesicherten Befundes davon ausgegangen werden, dass nicht nur allgemein sondern auch im vorliegenden Einzelfall die degenerative Vorschädigung wesentliche Ursache des Bizepssehnenrisses war.
Soweit der Kläger vortragen lässt, der Unterschied zwischen der von Prof. Dr. Dr. H. zitierten 5. Auflage des Werks von Schönberger et al. und der vom SG zitierten 8. Auflage desselben Werkes sei lediglich statistischer Natur, übersieht er, dass es im Rahmen des Kausalzusammenhangs auf eine rechtliche Beurteilung der Wesentlichkeit von Verursachungsbeiträgen ankommt. In diesem Zusammenhang ist von entscheidender Bedeutung, ob die bzw. welcher der verschiedenen Ursachenfaktoren wesentlich sind/ist. Sofern die medizinische Wissenschaft im Jahr 1993 (5. Auflage) noch von einer untergeordneten Verursachung von distalen Bizepssehnenrissen durch degenerative Veränderungen ausging, kann heute (8. Auflage, 2010) die mittlerweile festgestellte hohe Wahrscheinlichkeit degenerativer Ursachen auch für distale Bizepssehnenrisse (Schönberger et al. sprechen von 50 %; Schiltenwolf et al. Seite 712 spricht von bis zu 70 % der Fälle in denen degenerative Veränderungen vorhanden waren, bestehend aus 50 %, in denen degenerative Zeichen neben einer frischen Ruptur vorlagen sowie 20 % die rein degenerative Veränderungen aufwiesen) nicht mehr als unbedeutend angesehen werden.
Darüber hinaus verkennt Prof. Dr. Dr. H. auch den Begriff der Gelegenheitsursache, als er - wie seine Ausführungen auf Seite 27 seines Gutachtens (Blatt 64 der SG-Akte) zeigen - vom konkreten Geschehen ausgeht und nicht ein fiktive Alternativprüfung durchführt.
Soweit der Kläger darauf abstellt, dass die Vorschädigungen nicht von sportlichen oder außerberuflichen Aktivitäten herrühren könnten, sondern vielmehr der beruflichen Tätigkeit geschuldet seien, so führt auch das vorliegend nicht zum Erfolg der Berufung. Denn die Ursache des Vorschadens spielt zunächst keine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung eines Arbeitsunfalles; dafür, dass es sich um die mittelbare Folge eines früheren Arbeitsunfalles handelt, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Vielmehr zielt der klägerische Vortrag wegen der über eine Arbeitsschicht hinausgehenden Einwirkungen auf den Körper des Klägers auf die Anerkennung einer Berufskrankheit. Diese ist vorliegend aber nicht streitgegenständlich.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines Obergutachtens, nicht mehr für erforderlich. Ein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein sogenanntes Obergutachten ist durch das SGG und auch in der Rechtsprechung des BSG (BSG 2305.2006, B 13 RJ 272/05 B, juris) nicht vorgesehen. Insbesondere handelt es sich bei der vorliegend streitigen Frage der Wesentlichkeit von Verursachungsbeiträgen vorwiegend um eine rechtliche Bewertung, die auf der Basis der medizinischen Feststellungen vom Gericht zu treffen ist. Der Senat konnte aber auf der Basis der Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. und Prof. Dr. L. sowie der sonstigen ärztlichen Unterlagen und Bewertungen seine Entscheidung treffen, da diese dem Senat reine ausreichende tatsächliche Grundlage für dessen rechtliche Bewertungen dargelegt haben.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte wegen eines Arbeitsunfalles ein Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 09.09.2010 bis 10.12.2010 zusteht.
Der 1966 geborene Kläger ist als selbständiger Fliesenleger tätig und bei der Beklagten freiwillig gegen Arbeitsunfall und Berufskrankheit versichert; in der gesetzlichen Krankenversicherung ist er ohne Anspruch auf Krankengeld freiwillig versichert.
Am 09.09.2010 war der Kläger im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit bei einem Kunden und zusammen mit seinem Auszubildenden mit dem Befliesen von rollbaren Präsentationstischen mit Mosaiken beschäftigt. Beim Wegfahren eines dieser fertiggestellten Tische hob der Kläger eine leere Europalette an, von der er erst beim ersten Versuch des Wegziehens feststellte, dass diese verklemmt war. Dabei spürte er einen Schmerz im rechten Oberarm und hörte ein Reißgeräusch. Deswegen suchte er gegen 11:30 Uhr den Durchgangsarzt Dr. B. auf, der in seinem Durchgangsarztbericht vom 09.09.2010 (Blatt 1 der Beklagtenakte; zum korrigierten Bericht siehe Blatt 19 der Beklagtenakte) eine Bizepssehnenruptur distal diagnostizierte (rechter Oberarm Bizeps nach proximal disloziert, Druckschmerz am Ellenbogen volar, periphere DMS der Hand intakt, Flexion schmerzhaft eingeschränkt).
In seiner Unfallanzeige vom 15.09.2010 (Blatt 12 der Beklagtenakte) gab der Kläger an, die gefliesten Verkaufstische sollten in einer Nische im Lager abgestellt werden. "Alles war ein bisschen eng und so lag auch eine leere Europalette im Weg. Als ich die Palette an einem Eck anhob, (dazu musste ich teilweise über andere abgestellte Sachen steigen) klemmte diese. Ich zog ein Bisschen mehr, da ich sie ja nur um 15 cm verschieben wollte. Ich stand wohl ein wenig schief und deswegen konnte ich die Palette nicht richtig anfassen, zog aber trotzdem, halt unkontrolliert, und da gab es ein Geräusch und dann einen Schmerz im Arm ". Das Gewicht der Palette habe ein geschätztes Gewicht von 20 kg gehabt.
Der Radiologe Dr. C. führt in seinem Bericht vom 15.09.2010 zur MRT-Untersuchung vom 13.09.2010 (Blatt 26 der Beklagtenakte) aus, es habe sich eine ausgeprägte Ödembildung mit Verdacht auf Einblutung im Verlauf der distalen Bizepssehne und der Verdacht auf eine Ruptur der Bizepssehne ergeben. Weiter distal liege eine Hämatombildung im Verlauf der Bizepssehne vor.
Am 20.09.2010 erfolgte in der BG-Unfallklinik T. die operative Sehnennaht (zum Zwischenbericht von Prof. Dr. W. vom 22.09.2010 (vgl. Blatt 25 der Beklagtenakte).
Mit Schreiben vom 23.09.2014 (Blatt 23 der Beklagtenalkte) teilte Dr. B. mit, ein distaler Bizepssehnenabriss sei ja meist Traumafolge, beim Kläger fehle allerdings ein Unfallgeschehen im eigentlichen Sinn.
Dr. B. teilte in seinem Zwischenbericht vom 04.10.2010 (Blatt 30 der Beklagtenakte) mit, die histologische Untersuchung der intraoperativ entnommenen Probe habe Zeichen einer deutlichen Vorschädigung im Bereich der distalen Bizepssehne ergeben. In einer Auskunft an die Beklagte vom 08.10.2010 (Blatt 31 der Beklagtenakte) führte PD Dr. B. aus, unter Berücksichtigung des histopathologischen Untersuchungsbefundes vom 23.09.2010 mit Nachweis deutlich regressiv und reparativ abgewandten Sehnenanteil mit Blutungsresiduen, passend zu einer älteren deutlich degenerativ ausgeprägten Vorschädigung ohne Hinweis auf Malignität sowie dem Fehlen eines eigentlichen Unfallereignisses sei ein Unfallzusammenhang unwahrscheinlich.
Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers dauerte vom 09.09.2010 bis 10.12.2010.
Mit Bescheid vom 03.11.2010 (Blatt 33 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles am 09.09.2010 ab; Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherungen seien nicht zu erbringen.
Dagegen machte der Kläger mit seinem Widerspruch vom 12.11.2010 (Blatt 35/36, 41/42 der Beklagtenakte) u.a. geltend, aufgrund des Umstandes, dass er die Palette zunächst nicht gesehen habe und der Tisch an der Palette anzustoßen drohte, sei es zu einer unkontrollierten Reflexhandlung gekommen. Er habe Sorge gehabt, dass das noch im feuchten Bett liegende Mosaik bei einem Anstoß des Tisches an die Palette beschädigt würde, was er reflexartig habe verhindern wollen. Es liege auch nach der Rechtsprechung des BSG ein Arbeitsunfall vor. Soweit die histologische Untersuchung Zeichen einer Vorschädigung im Bereich der distalen Bizepssehne ergeben habe, stehe dies der haftungsausfüllenden Kausalität nicht entgegen. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Vorschaden rechtlich allein wesentlich für die Entstehung des Bizepssehnenrisses gewesen sei, zumal er bisher keinerlei Beschwerden gehabt und auf keine Sportverletzung erlitten habe, sodass eine eventuelle Vorschädigung ihre alleinige Ursache in der verrichteten Arbeit habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2011 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zwar könne für das Ereignis am 09.09.2010 eine Krafteinwirkung auf die körperferne Bizepssehne rechts angenommen werden, doch sei entscheidungserheblich, dass das angegebene Geschehen in Anbetracht der nachgewiesenen ausgeprägten degenerativen Vorschäden nicht die rechtlich wesentliche Ursache des aufgetretenen Körperschadens sei. Dieser hätte zu jeder Zeit und bei jeder Gelegenheit eintreten können.
Der Kläger hat am 05.04.2011 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, er habe beim Anheben der Palette aufgrund anderer im Weg befindlicher Gegenstände einen äußerst schiefen Stand gehabt, sodass er eine vollständige Kontrolle über seine Haltung nicht gehabt habe. Beim Nachobenreißen der leeren Palette sei es zum Bizepssehnenabriss gekommen. Das Reißen der Sehne sei auch für die Außenstehenden deutlich hörbar gewesen. Der eingetretene Gesundheitsschaden sei nicht lediglich gelegentlich der betrieblichen Tätigkeit sondern vielmehr in Folge dieser Tätigkeit aufgetreten. Er habe zuvor keinerlei Beschwerden gehabt und sich auch keine frühere Verletzung zugezogen. Mit Schreiben vom 04.07.2011 (Blatt 32/33 der SG-Akte) hat der Kläger ausgeführt, sollte tatsächlich eine deutliche Vorschädigung vorgelegen haben, so handele es sich bei dieser Schädigung um einen längeren Prozess, welcher sich regelmäßig über mehrere Jahre hinweg ziehe. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass er bereits mit der Vorschädigung versichert sei und auch der Abriss der Bizepssehne ein versichertes Ereignis darstelle.
Das SG hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. In seiner Stellungnahme vom 26.05.2011 (Blatt 28/30 der SG-Akte) hat dieser angegeben, den Ausführungen der Beklagten zuzustimmen. Es liege kein geeigneter Unfallmechanismus vor, zudem hätten sich bei der intraoperativ entnommenen Gewebeprobe erhebliche degenerative Veränderungen ergeben.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten bei Prof. Dr. Dr. H. - nach § 109 SGG - sowie bei Prof. Dr. L ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 38/74 sowie 93/110 und 120/122 der der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Orthopädie, Rheumatologie usw. Prof. Dr. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 17.10.2011 u.a. angegeben, das Unfalltrauma sei auf gar keinen Fall als irgendein Bagatelltrauma oder Gelegenheitstrauma anzusehen. Es habe sich um eine plötzliche übersteigerte Krafteinwirkung auf ein gebeugtes Ellenbogengelenk mit nur kurzem distalen Hebelarm gehandelt. Gewichte er die Argumente, so glaube er, dass auch im Hinblick auf die wissenschaftliche Literatur eher von einer traumatischen Schädigung ausgegangen werden könne als von einer degenerativen Schädigung. Der Schulter- und Ellenbogenchirurg Prof. Dr. L. hat auf Grundlage einer Untersuchung des Klägers vom 19.03.2012 in seinem Gutachten vom 08.02.2011 angegeben, es handele sich bei dem Ereignis nicht um eine außergewöhnliche aktive Kraftanwendung. Es sei auch kein von außen einwirkendes Gewaltereignis zu verzeichnen. Abrissverletzungen des körperfernen Bizepssehnenendes seien seltene Ereignisse im Vergleich zu den Verletzungen der körpernahen Bizepssehne an der Schulter. Meistens entstehe der Riss der Sehne auf dem Boden alterungs- und verschleißbedingter Veränderungen und lokaler Durchblutungsstörungen. Der für eine gewaltsame Zerreißung in der aktuellen Literatur geforderte Verletzungsmechanismus bestehe in einer indirekten Gewalteinwirkung auf das 90° gebeugte Ellbogengelenk, während der Unterarm maximal nach außen gedreht sei. Ein spontaner Riss der körperfernen Bizepssehne ohne eine Kraftanstrengung oder eine äußere Gewalteinwirkung sei nach allgemeinen Erfahrungen sehr ungewöhnlich. Es liege keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, da die Ruptur der distalen Bizepssehne nicht unfallbedingt sei. Auch aufgrund des Ergebnisses der histologischen Untersuchung und der Kernspintomografie vom 13.09.2010 widerspreche er der Bewertung von Prof. Dr. Dr. H ...
Das SG hat von der AOK ein Vorerkrankungsverzeichnis beigezogen (Blatt 116/118 der SG-Akte). Prof. Dr. L. hat unter Berücksichtigung dieses Vorerkrankungsverzeichnisses und des Einwandes des Klägers, dass die Palette geklemmt habe und nicht nur deren Leergewicht anzunehmen sei (Blatt 114/115 der SG-Akte), in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27.06.2012 u.a. ausgeführt ((Blatt 120/122 der SG-Akte), es könne allenfalls darüber diskutiert werden, ob es sich um eine außerordentliche ungewöhnliche Kraftanstrengung gehandelt habe, die eventuell dazu geeignet gewesen sein könne, eine gesunde Sehne zu zerreißen. In diesem Fall wäre dann allerdings eine deutliche Einblutung im Rahmen der Erstuntersuchung, der Kernspintomografie und des Operationsbefundes zu fordern. Entsprechende verletzungstypische Veränderungen seien in den Befundberichten sowie nach Inaugenscheinnahme der Originalaufnahmen der Kernspintomografie nicht erhoben worden.
Das SG hat mit Urteil vom 01.07.2013 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe mangels Vorliegens eines Arbeitsunfalls keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig gewesen sei. Bei mehreren Ursachen sei sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich gewesen sei. Ausgangspunkt sei die Schilderung des Klägers über den Ablauf des Ereignisses, bei der er eine gesteuerte willentliche Hebehandlung vorgetragen habe. Dabei sei aber diese Handlung trotz der Plötzlichkeit der Veränderung der Kraftanforderung noch willentlich gesteuert. Ein solcher Vorgang erfülle nicht das Erfordernis einer Einwirkung von außen auf den Körper. Es falle auf, dass außer dem auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Dr. H. sämtliche befragten Mediziner das Vorliegen eines geeigneten Unfallgeschehens abgelehnt hätten. Das Gericht könne Prof. Dr. Dr. H. bereits deswegen nicht folgen, weil dieser offenkundig seine Kausalitätsbeurteilung nicht auf den neuesten Stand des medizinischen Erfahrungswissens stütze. Im Gutachten zitiere er aus dem veralteten Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 5. Auflage, 1993. Damit verkenne der Sachverständige den bis zur 8. Auflage eingetretenen Wandel der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur distalen Bizepssehnenruptur. Dagegen habe Prof. Dr. L. den neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse berücksichtigt. Ernstliche Zweifel am Kausalzusammenhang ergäben sich zudem daraus, dass verletzungstypische Veränderungen weder in der Kernspintomografie noch im Histologiebefund erhoben worden seien. Das Fehlen einer anderen bekannten Verursachung des Bizepssehnenabrisses erlaube nicht den Schluss, dass die Tätigkeit des Hebevorgangs die rechtlich wesentliche Bedingung für die Schädigung im oben genannten Sinne gewesen sei.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 11.07.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.08.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das SG habe das von ihm beantragte weitere Gutachten nicht eingeholt. Die Feststellung des Sachverständigen L. stehe im Widerspruch zu der Feststellung des Sachverständigen H ... Der wesentliche vom Sozialgericht erwähnte Unterschied zwischen den Auflagen von Schönberger/Mertens/Valentin sei rein statistischer Natur.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 01.07.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 03.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2011 zu verurteilen, das Ereignis vom 09.09.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Verletztengeld für den Zeitraum vom 09.09.2010 bis 10.12.2010 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffen.
Der Senat hat Prof. Dr. L. ergänzend befragt. In seiner Stellungnahme vom 20.11.2013 (Blatt 19/22 der Senatsakte) hat er u.a. angegeben, ohne Zweifel sei es im zeitlichen Zusammenhang mit dem Anheben der Palette zu dem Abriss der körperfernen Bizepssehne gekommen. Nach seiner Einschätzung stelle dieses Anheben jedoch lediglich ein Anlassgeschehen für die Kontinuitätsunterbrechung dar. Er sei der Auffassung, dass der Schaden auch ohne die Tätigkeit eingetreten wäre, nämlich bei einer alltäglichen Verrichtung und dass somit eine Kausalität nicht anerkannt werden könne. Im schriftlichen Befundbericht sei eine "Einblutung im Verlauf der Sehne" beschrieben. Ein Bluterguss in der Umgebung der Sehne, wie dies bei einem traumatischen Abriss einer gut durchbluteten Sehne anzunehmen wäre, sei weder im schriftlichen Befundbericht noch nach Inaugenscheinnahme der Originalaufnahmen festgestellt worden. Bei der "Einblutung im Verlauf der Sehne" könne es sich auch um eine unspezifische Entzündungsreaktion im Bereich der Sehne handeln. Eine strukturelle Veränderung im MRT sei dadurch zu erklären, dass die Sehne zum Zeitpunkt der Kontinuitätsunterbrechung nicht mehr ausreichend durchblutet worden sei. Dadurch sei die Reißfestigkeit stark vermindert, so dass bereits ein Bagatellanlass zur Kontinuitätsunterbrechung geführt habe. Nach seiner Einschätzung sei das Ereignis lediglich als Anlassgeschehen zu betrachten. Es hätte nach den überlassenen Informationen auch das Anheben einer Tasche oder das geplante, kraftvolle Beugen im Ellenbogengelenk gegen Widerstand den gleichen Körperschaden zum gleichen Zeitpunkt und im gleichen Ausmaß hervorrufen können.
Der Kläger hat hiergegen mit Schreiben vom 16.01.2014 (Blatt 31/32 der Senatsakte) ausgeführt, dass mehrfach darauf hingewiesen worden sei, dass er die eingeklemmte Europalette ruckartig mit einer Hand nach oben gerissen habe. Die aufgewandte außerordentliche Kraftanstrengung sei durchaus geeignet, die gesunde Sehne des Klägers zu zerreißen. Aufgrund der anderen im Weg befindlichen Gegenstände habe er einen äußerst schiefen Stand gehabt, sodass auch eine vollständige Kontrolle über seine Haltung nicht gegeben gewesen sei. Das ruckartige, reflexhafte Nachfassen beim Anheben der Europalette mit maximaler Steigerung der Spannung von Muskel und Sehne sei Ursache für den Bizepssehnenabriss. Eine etwaige Vorschädigung werde bestritten und sei ausschließlich durch seine berufliche Tätigkeit entstanden, Sport betreibe er nicht. Ausweislich der Gefahrenklasse müsse ein Fliesenleger (Gefahrenklasse 7,37) gelegentlich auch schwere Lasten heben. Der Bizepssehnenabriss sei somit in jedem Falle auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen.
Die Beklagte hat ausgeführt (Blatt 33 der Senatsakte), es sei bereits ein "reflexartiges" Anheben nur schwer vorstellbar. Vielmehr müsse man von einem willentlichen, wenn auch in Eile erfolgten Hebevorgang ausgehen. Darüber hinaus habe der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar erläutert, dass beim Kläger derart ausgeprägte Vorschädigungen vorgelegen hätten, dass selbst das Anheben einer einfachen Tasche den gleichen Körperschaden zum gleichen Zeitpunkt und in gleichem Ausmaß hervorgerufen hätte. Soweit der Kläger aber darauf abhebe, die Vorschädigungen seien durch die berufliche Belastung entstanden, sei dies im Rahmen eines Berufskrankheitenverfahrens abzuklären.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG sowie der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztengeld.
Zwar enthält der Bescheid der Beklagten vom 03.11.2010 eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung (zum Inhalt vgl. § 36 SGB X, zur Frist vgl. § 84 Abs. 1 SGG), doch führt diese Gesetzeswidrigkeit weder dazu, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, noch dazu, dass er einen Anspruch auf Verletztengeld nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII hätte.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen sowie deren Auslegung und Anwendung durch die Rechtsprechung zutreffend dargestellt; der Senat nimmt hierauf Bezug. Der Senat konnte jedoch unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers und der medizinischen Befunde, einschließlich der Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. und Prof. Dr. L. nicht feststellen, dass das Ereignis vom 09.09.2010 im Sinne der vom SG zutreffend zitierten Rechtsprechung des BSG ursächlich gewesen war für den vom Kläger geltend gemachten Abriss der körperfernen (distalen) Bizepssehne rechts.
Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass auch ein gewöhnliches Ereignis die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erfüllen kann. Insofern wäre sowohl das Anheben/Hochreißen der Palette, bewusst oder reflexartig dem Grunde nach geeignet, die Voraussetzungen eines plötzlichen von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses zu erfüllen. Die vom Kläger geschilderten Ereignisse am 09.09.2010 widerfuhren ihm auch im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit, was auch die Beklagte nicht bestreitet.
Weiterhin lag beim Kläger ein Gesundheitsschaden vor (Riss der körperfernen langen Bizepssehne rechts), der - was auch Prof. Dr. L. und Prof. Dr. H. bestätigen - im Zeitpunkt des beruflich bedingten einhändigen Anhebens/Hochreißens einer leeren Europalette aufgetreten ist. Zwischen dem vom Kläger geschilderten Ereignis (einhändiges Anheben/Hochreißen der leeren, verkanteten Palette bei unsicherem Stand) und dem Riss der körperfernen langen Bizepssehne rechts besteht aber kein nach dem SGB VII versicherter ursächlicher Zusammenhang.
Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.
Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. dazu zuletzt Senatsurteil vom 25.04.2014 - L 8 U 3254/12 - n.v.). Damit kommt es nicht darauf an, dass der Gesundheitsschaden bei einer versicherten Tätigkeit ausgelöst wurde, sondern darauf, ob der Gesundheitsschaden auch bei jeder anderen, fiktiv an die Stelle der beruflich bedingten Tätigkeit gedachten Verrichtung ebenfalls entstanden wäre. Bei der Abwägung kann auch der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 17; B 2 U 40/05 R, UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R, UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in juris).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).
Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, ist er in der gesetzlichen Unfallversicherung in dem Zustand versichert, in dem er sich vor dem Unfall befand, so dass im Grundsatz auch eine traumatische Schädigung einer degenerativ vorgeschädigten Bizepssehne ein Gesundheitsschaden sein kann, der durch einen Arbeitsunfall verursacht werden kann. Jedoch lag beim Kläger nach Überzeugung des Senats zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 09.09.2010 eine degenerativ erheblich vorgeschädigte Bizepssehne vor. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen aus der Verwaltungsakte und der beiden vom SG eingeholten Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. und des Prof. Dr. L ... Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass beim Kläger – trotz des in Bezug auf Erkrankungen des rechten Armes leeren Vorerkrankungsverzeichnisses seiner Krankenkasse und seiner Angaben über fehlende Beschwerden und fehlende frühere Ursachen einer Schädigung – erhebliche degenerative Vorschäden der langen Bizepssehne vorlagen. Aus der pathologischen Untersuchung der bei der Operation am 20.09.2010 entnommenen Proben der Bizepssehne ergab sich - wie PD Dr. B. in seinem Bericht vom 08.10.2010 ausgeführt hat - der Nachweis eines deutlich regressiv und reparativ abgewandten Sehnenanteils mit Blutresiduen passend zu einer älteren degenerativen deutlich ausgeprägten Vorschädigung. Wie Prof. Dr. L. für den Senat überzeugend ausgeführt hat, waren aus den MRT-Bildern vom 13.09.2010 eine distale Bizepssehnenruptur mit ödematösen Veränderungen der Weichteile um die Sehne gelegen, keine wesentliche Einblutung und eine Retraktion des Sehnenstumpfes ersichtlich. Gerade die bloß geringe Einblutung zeigt, dass die Sehne schon zu einem wesentlichen Teil degenerativ vorgeschädigt sein musste. Dazu passt auch, dass weder der erstbehandelnde Arzt und auch kein später behandelnder Arzt einen Bluterguss beschreiben konnte. Zwar hat der Kläger einen solchen angegeben, doch wurde dieser von keinem der behandelnden Ärzte beschrieben.
Damit zeigt aber das Ausmaß der degenerativen Veränderungen an der langen Bizepssehne des Klägers, dass jeder alltägliche Vorgang zu denselben Folgen, nämlich dem Riss der Bizepssehne, geführt hätte, wie die vom Kläger geschilderten Ereignisse vom 09.09.2010. Dies hat Prof. Dr. L. auch gegenüber dem Senat bestätigen können. Der Senat geht insoweit aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Prof. Dr. L. in wertender Betrachtung davon aus, dass die Vorschädigung der Bizepssehne des Klägers allein wesentliche Ursache für die Bizepssehnenruptur war. Die Vorschädigung hatte - im Anschluss an die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. L. - ein solches Ausmaß erreicht, dass die Ruptur auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätte auftreten können.
Insoweit ist für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (LSG 18.07.2013 – L 6 U 283/11 – juris RdNR. 36). Damit wird der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet (LSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15). Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 23.03.2012 - L 8 U 884/11 - juris RdNr. 36 ff, im Übrigen z.B. Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11.; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 - juris). Eine Alltagsbelastung ist damit nicht nach der individuellen Lebensführung des Versicherten zu beurteilen, sondern abstrakt danach, welche Verhaltensweisen in der Lebensführung in der Bevölkerung verbreitet vorzufinden sind und nach allgemeiner Anschauung als alltägliche, nur mäßiggradig belastende Verrichtungen gelten. Zwar ging vorliegend die Belastung des Klägers durch ein einhändiges Anheben/Hochreißen einer verkanteten leeren Europalette bei dem Ereignis vom 09.09.2010 wohl tatsächlich über eine bloße zufällige mäßiggradige Alltagsbelastung hinaus, doch kann eine für den Gesundheitsschaden wesentlich ursächliche Gelegenheitsursache nicht nur dann angenommen werden, wenn die tatsächliche Belastung einer anderen gelegentlichen Belastung entspricht, sondern auch dann, wenn eine Alltagsbelastung - wie vorliegend - bereits - fiktiv - zum Eintritt des Gesundheitsschadens führen würde bzw. geführt hätte. Insoweit ist bei der Beurteilung der Gelegenheitsursache darauf abzustellen, ob auch bei einem Austausch des tatsächlichen Ereignisses durch ein alltägliches Ereignis (zur Austauschbarkeit vgl. BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. stellv. Urteil vom 25.04.2014 - L 8 U 3254/12 -, unveröffentlicht) der Gesundheitsschaden eingetreten wäre. Das ist vorliegend der Fall. Denn Prof. Dr. L. konnte zur Überzeugung des Senats darlegen, dass auch eine gewöhnliche Alltagsbelastung wie das Heben einer Tasche oder das geplante kraftvolle Beugen im Ellenbogen gegen Widerstand ausgereicht hätte um die Bizepssehne des Klägers zum Zerreißen zu bringen. Hätten aber auch Alltagsereignisse die Bizepssehne zum Reißen gebracht, sind die Ereignisse vom 09.09.2010 deshalb nicht die rechtlich wesentliche Ursache für den Riss der langen Bizepssehne des Klägers.
Daher kann vorliegend offen bleiben, ob beim plötzlichen kraftvollen Anheben/Hochreißen Kräfte auf die körperferne Bizepssehne einwirken, die geeignet sind, auch eine gesunde Sehne zum Zerreißen zu bringen (was der Kläger annehmen möchte) oder ob es sich um einen ungeeigneten Unfallablauf handelt (Schönberger/Mertins/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 408; Schiltenwolf/Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 6. Auflage, Seite 712). Gegen das Abreißen einer gesunden, nicht erheblichst vorgeschädigten Sehne spricht, worauf Prof. Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem SG hingewiesen hatte (Blatt 122 der SG-Akte), dass eine deutliche Einblutung, die bei einem solchen zu erwarten wäre, tatsächlich nicht vorhanden war.
Auch Prof. Dr. Dr. H. hatte in seinem Gutachten zutreffend darauf hingewiesen (Blatt 47 der SG-Akte = Seite 10 seines Gutachtens), dass wenn eine Sehne bei einer willkürlichen Kraftanstrengung reiße, der Riss eine Störung des Funktionssystems Muskel/Sehne voraussetze. Insoweit entspricht seine Einschätzung derjenigen von Prof. Dr. L ... Jedoch kann der Senat seinen Ausführungen zur Seltenheit von Verschleißprozessen von ellenbogengelenksnahen Rupturen der unteren Bizepssehne (Blatt 48 der SG-Akte = Seite 11 seines Gutachtens) nicht folgen. Alleine, dass degenerative Vorschäden weder aktenkundig sind noch vom Kläger angegeben wurden, bedeutet nicht, dass solche Schäden in erheblichem Ausmaß nicht vorgelegen hätten. Dies ergibt sich aus dem histologischen Befund wie auch aus den MRT- und Sonografieaufnahmen, bei denen deutliche Einblutungen, wie sie beim Riss einer nicht stark vorgeschädigten Sehne zu erwarten sind, gerade nicht zu erkennen sind. Daher konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die degenerativen Vorschäden, die Prof. Dr. Dr. H. zum Schluss seines Gutachtens (Blatt 70 der SG-Akte = Seite 33 seines Gutachtens) doch annimmt, nur von untergeordneter Bedeutung waren. Vielmehr muss angesichts des veröffentlichten Standes der medizinischen Wissenschaft und Kenntnisse (dazu vgl. Schönberger et al. a.a.O. Seite 407; Schiltenwolf et al. Seite 712; im Internet vgl. z.B. http://unfallchirurgie-atos.de/bizepssehnenriss/) von einem erheblichen Anteil degenerativer Ursachen für den Riss der distalen Bizepssehne - es wird ein Anteil 50 bis 70 % angenommen - und angesichts des vorliegenden histologischen und bildgebend gesicherten Befundes davon ausgegangen werden, dass nicht nur allgemein sondern auch im vorliegenden Einzelfall die degenerative Vorschädigung wesentliche Ursache des Bizepssehnenrisses war.
Soweit der Kläger vortragen lässt, der Unterschied zwischen der von Prof. Dr. Dr. H. zitierten 5. Auflage des Werks von Schönberger et al. und der vom SG zitierten 8. Auflage desselben Werkes sei lediglich statistischer Natur, übersieht er, dass es im Rahmen des Kausalzusammenhangs auf eine rechtliche Beurteilung der Wesentlichkeit von Verursachungsbeiträgen ankommt. In diesem Zusammenhang ist von entscheidender Bedeutung, ob die bzw. welcher der verschiedenen Ursachenfaktoren wesentlich sind/ist. Sofern die medizinische Wissenschaft im Jahr 1993 (5. Auflage) noch von einer untergeordneten Verursachung von distalen Bizepssehnenrissen durch degenerative Veränderungen ausging, kann heute (8. Auflage, 2010) die mittlerweile festgestellte hohe Wahrscheinlichkeit degenerativer Ursachen auch für distale Bizepssehnenrisse (Schönberger et al. sprechen von 50 %; Schiltenwolf et al. Seite 712 spricht von bis zu 70 % der Fälle in denen degenerative Veränderungen vorhanden waren, bestehend aus 50 %, in denen degenerative Zeichen neben einer frischen Ruptur vorlagen sowie 20 % die rein degenerative Veränderungen aufwiesen) nicht mehr als unbedeutend angesehen werden.
Darüber hinaus verkennt Prof. Dr. Dr. H. auch den Begriff der Gelegenheitsursache, als er - wie seine Ausführungen auf Seite 27 seines Gutachtens (Blatt 64 der SG-Akte) zeigen - vom konkreten Geschehen ausgeht und nicht ein fiktive Alternativprüfung durchführt.
Soweit der Kläger darauf abstellt, dass die Vorschädigungen nicht von sportlichen oder außerberuflichen Aktivitäten herrühren könnten, sondern vielmehr der beruflichen Tätigkeit geschuldet seien, so führt auch das vorliegend nicht zum Erfolg der Berufung. Denn die Ursache des Vorschadens spielt zunächst keine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung eines Arbeitsunfalles; dafür, dass es sich um die mittelbare Folge eines früheren Arbeitsunfalles handelt, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Vielmehr zielt der klägerische Vortrag wegen der über eine Arbeitsschicht hinausgehenden Einwirkungen auf den Körper des Klägers auf die Anerkennung einer Berufskrankheit. Diese ist vorliegend aber nicht streitgegenständlich.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines Obergutachtens, nicht mehr für erforderlich. Ein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein sogenanntes Obergutachten ist durch das SGG und auch in der Rechtsprechung des BSG (BSG 2305.2006, B 13 RJ 272/05 B, juris) nicht vorgesehen. Insbesondere handelt es sich bei der vorliegend streitigen Frage der Wesentlichkeit von Verursachungsbeiträgen vorwiegend um eine rechtliche Bewertung, die auf der Basis der medizinischen Feststellungen vom Gericht zu treffen ist. Der Senat konnte aber auf der Basis der Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. und Prof. Dr. L. sowie der sonstigen ärztlichen Unterlagen und Bewertungen seine Entscheidung treffen, da diese dem Senat reine ausreichende tatsächliche Grundlage für dessen rechtliche Bewertungen dargelegt haben.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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