Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2869/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1297/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.03.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger bereits für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 Anspruch auf Altersrente auf für langjährig Versicherte hat.
Der 1948 geborene Kläger war lange Jahre beim S. beschäftigt. Mit Rentenauskunft vom 31.03.2003 teilte ihm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit, aus den gesetzlichen Regelungen ergebe sich, dass der Kläger mit einem Rentenabschlag von 9 % frühestens Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011 beziehen könne.
Der S. hatte am 20.07.1998 mit mehreren Gewerkschaften einen "Tarifvertrag über eine Vorruhestandsregelung" (TV Vorruhestand) geschlossen, der durch Tarifvertrag vom 31.10.2004 mit Wirkung vom 01.01.2005 modifiziert wurde. Nach § 3 Ziff. 1 2. Absatz der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des TV Vorruhestand wird der Vorruhestand mit Zahlungsbeginn ab 02.01.2007 frühestens 30 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt gewährt, zu dem erstmals Anspruch auf vorzeitige gesetzliche Rente unter Berücksichtigung der im SGB VI vorgesehenen Rentenabschläge besteht. Der Vorruhestand ist vom Arbeitnehmer schriftlich - spätestens drei Monate vor Beginn - zu beantragen. (§ 3 Ziff. 2 TV Vorruhestand). Das Arbeitsverhältnis endet nach § 3 Ziff. 3 TV Vorruhestand mit Beginn des Monats, für den die Vorruhestandsbezüge erstmals gezahlt werden. Die Höhe der Vorruhestandsbezüge beträgt 70 v.H. des zum Zeitpunkt des Beginns vorruhestandsruhegeldfähigen Einkommens (§ 4 Ziff. 1 TV Vorruhestand).
Unter dem 04.08.2005 beantragte der Kläger bei seinem Arbeitgeber den Eintritt in den Vorruhestand zum 01.01.2009. Mit Schreiben vom 22.08.2005 stimmte der S. dem Vorruhestand für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2011 zu, im Anschluss daran beziehe der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen.
Am 29.11.2006 brachte die Bunderegierung den Entwurf eines "Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung" (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) im Deutschen Bundestag ein, das am 20.04.2007 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 554) verkündet wurde und zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist. In Artikel 1 Nr. 57 wurde § 236 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) dahingehend geändert, dass Altersrente für langjährig Versicherte von 1948 geborenen erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden kann (vorher 62 Jahre und 6 Monate). Als Übergangsvorschrift bestimmt ein neu gefasster Abs. 3, dass die Altersgrenze von 62 Jahren und 6 Monaten für die Versicherten erhalten bleibt, die im November und Dezember 1948 geboren sind und vor dem 1. Januar 2007 Altersteilzeit im Sinne der §§ 2 und 3 des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbart haben.
Der Kläger schied wie vereinbart zum 01.01.2009 aus dem Arbeitsverhältnis aus und erhielt in der Folge Vorruhestandsgeld bis 30.06.2011 von seinem Arbeitgeber, der hierfür auch Beiträge zur Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung abführte, nicht jedoch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
Unter dem 08.12.2010 stellte der Kläger Antrag auf Versichertenrente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011, den die Beklagte mit Bescheid vom 25.03.2011 mit der Begründung ablehnte, er habe das für diese Rente erforderliche Mindestalter noch nicht erreicht. Altersrente für langjährig Versicherte könne erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Dieses Lebensalter vollende er erst am 25.12.2011. Vertrauensschutz nach § 236 Abs. 3 SGB VI bestehe nicht, da er vor dem 01.01.2007 keine Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 AltTZG vereinbart habe. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe bereits im August 2005 auf Grundlage der vorliegenden Rentenauskunft eine Vorruhestandsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen, mit der Maßgabe, dass die Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Anspruch genommen werden müsse. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei für ihn der frühestmögliche Rentenbeginn nach den gesetzlichen Bestimmungen der 01.07.2011 (unter Inkaufnahme von 9 % Rentenabschlägen) gewesen. Auf dieser Basis sei die Vorruhestandsvereinbarung abgeschlossen worden. Die derzeitige gesetzliche Vertrauensschutzregelung sehe lediglich Vertrauensschutz für Altersteilzeit vor. Da sich jedoch beide Vertragspartner beim Abschluss der Vorruhestandsregelung an die zum Abschlusszeitpunkt geltende frühestmögliche Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente (01.07.2011) gehalten hätten, müsse in diesem Fall der Vertrauensschutz eingeräumt werden, zumal beide Vertragsparteien keine Möglichkeiten hätten, den Vertrag einseitig abzuändern. Würde in diesen Fällen kein Vertrauensschutz gelten, wäre plötzlich durch eine nachträgliche Anhebung der frühestmöglichen Altersrentengrenzen kein nahtloser Übergang in die Altersrente möglich, da der S. die Zahlungen am 30.06.2011 einstelle und der Kläger nach derzeitiger Rechtslage erst ab 01.01.2012 eine Altersrente an langjährig Versicherte erhalten könnte. Um dies auszuschließen, sei für abgeschlossene Altersteilzeitvereinbarungen eine Vertrauensschutzregelung eingeführt worden. Gleiches müsse für ihn gelten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid vom 25.03.2011 entspreche der Rechtslage.
Mit der am 05.07.2011 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger das Ziel, bereits ab 01.07.2011 die beantragte Altersrente für langjährig Versicherte zu erhalten. Er habe im Vertrauen auf die im August 2005 geltende Rechtslage mit seinem Arbeitgeber eine Vorruhestandsvereinbarung getroffen. Diese Vereinbarung sei für beide Vertragsparteien bindend. Bei wortgetreuer Anwendung der Übergangsregelung in § 236 Abs. 3 SGB VI trete bei ihm zwischen dem 01.07.2011 und dem 31.12.2011 eine Lücke von sechs Monaten auf. Der Gesetzgeber habe mit der Schaffung von § 236 Abs. 3 SGB VI den Versicherten Vertrauensschutz einräumen wollen, die bereits vor dem Bekanntwerden des Gesetzes mit ihren Arbeitgebern arbeitsrechtlich das Ende des Arbeitsvertrages vereinbart gehabt hätten. Es sei als verfassungswidrig anzusehen, denjenigen, der einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen habe, besser zu stellen, als denjenigen, der eine Vorruhestandsvereinbarung abgeschlossen habe. Würde in diesen Fällen kein Vertrauensschutz gelten, wäre ein nahtloser Übergang in die Altersrente nicht mehr möglich. Die nachträgliche Anhebung der frühestmöglichen Altersgrenze für langjährig Versicherte führe zu einem erheblichen Eingriff in seine Rechte aus Art. 14 Grundgesetz (GG), da in bereits bestehende Eigentumspositionen eingegriffen werde. Zudem dürften Versicherte mit einer Vorruhestandsregelung nicht schlechter gestellt werden als Versicherte, die Altersteilzeit vereinbart hätten. Insoweit liege eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG vor, da für eine Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund ersichtlich sei. Die Vertrauensschutzregelung des § 236 SGB VI sei mit der Verfassung unvereinbar. Der Gesetzgeber habe eine gleichheitsgemäße Neuregelung zu schaffen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nur den Versicherten Vertrauensschutz habe einräumen wollen, die bereits vor dem Bekanntwerden des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes mit ihrem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Sinne des AltTZG geschlossen hätten. Hätte der Gesetzgeber allen Versicherten Vertrauensschutz einräumen wollen, die bereits vor Bekanntwerden dieses Gesetzes mit ihren Arbeitgebern arbeitsrechtlich das Ende des Arbeitsvertrages vereinbart hätten, so wären neben den von dem Kläger angeführten Vorruhestandsvereinbarungen auch Tatbestände wie z.B. Auflösungsvereinbarungen oder Befristungen zu erfassen gewesen. Der Gesetzgeber habe entsprechend der Begründung zum Entwurf des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes das Ziel verfolgt, der Entwicklung, dass zu wenig ältere Menschen am Erwerbsleben beteiligt seien, gegenzusteuern (Hinweis auf BT-Drucks. 16/3794, S. 1). Der besondere Vertrauensschutz für Versicherte, die bereits vor dem Stichtag verbindlich Altersteilzeitarbeit vereinbart hätten, sei eingeführt worden, weil der Staat mit der Schaffung des Altersteilzeitgesetzes ein deutliches Signal gesetzt habe, einen nahtlos in die Rente einmündenden Vorruhestand nur noch über die Teilzeitarbeit zu fördern. Die staatliche Förderung eines Vorruhestandes über die "Beschäftigung ohne Arbeitsleistung" sei grundsätzlich nur bis zum 31.12.1988 befristet worden (Hinweis auf BT-Drucks. 17/3948 vom 26.11.2010).
Mit Bescheid vom 06.02.2012 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 13.12.2010 Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.01.2012 in Höhe von monatlich laufend 1799,40 EUR.
Mit Urteil vom 12.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger am 26.12.2011 sein 63. Lebensjahr vollendet habe, komme für ihn nach § 236 Abs. 1 SGB eine vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte erst ab dem 01.01.2012 in Betracht. Die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs. 3 SGB VI finde bereits ihrem Wortlaut nach keine Anwendung. Der Vorruhestand des Klägers lasse sich nicht als Altersteilzeitarbeit im Sinne des AltTZG werten. Altersteilzeitarbeit sei insbesondere durch eine Reduzierung der Arbeitszeit und eine Aufstockung des Regelarbeitsentgelts bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis gekennzeichnet. Mit dem Eintritt in den Vorruhestand am 01.01.2009 habe indessen das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem S. gemäß § 3 Nr. 3 TV-Vorruhestand geendet. Zwar würden auch rentenrechtliche Positionen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 28.04.1999, 1 BvR 2105/95) Eigentumsschutz genießen, jedoch werde Vertrauensschutz unter Berücksichtigung der im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen gewährleistet (BVerfG Beschl. v. 13.06.2006 - 1 BvL 9/00). Eine solche zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 236 Abs. 3 SGB VI und der damit verbundenen Anhebung der Altersgrenze für die Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte vorgenommen. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schütze grundsätzlich nicht vor Gesetzesänderungen, da solche möglich bleiben müssten, um notwendige Anpassungen an etwaige Änderungen der vom jeweiligen Gesetz betroffenen Regelungsmaterie vornehmen zu können. Hierbei müsse gerade bei der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente dem Gesetzgeber ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt werden als bei der Regelaltersrente (Hinweis auf LSG BW, Urt. vom 16.07.2003 - L 2 RJ 3114/02). Ziel der Änderung des § 236 Abs. 3 SGB VI sei es gewesen, die Rentenbezugsdauer zu verkürzen und somit die Beteiligung älterer Personen im Erwerbsleben zu stärken, um bei weiter steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenzahl die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern. Die hiermit für den Kläger eingetretenen Nachteile seien angesichts des Schutzes dieses hochrangigen Gemeinschaftsguts auch angemessen und zumutbar. Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liege nicht vor. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebiete keine Gleichbehandlung von Personen, die eine Vorruhestandsvereinbarung geschlossen hätten mit denen, die Altersteilzeitarbeit vereinbart hätten. Diese Personengruppen seien nicht vergleichbar. Während Altersteilzeitarbeitnehmer nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis stünden und eine Arbeitsleistung erbringen würden, seien die Arbeitsverhältnisse der Vorruheständler beendet. Im Rahmen der ihm zukommenden Gestaltungsfreiheit sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, nur noch denjenigen Personen einen besonderen Vertrauensschutz zukommen zu lassen, die sich für eine Gestaltungsmöglichkeit wie die Altersteilzeitarbeit entschieden hätten. Hingegen würden abgeschlossene Vorruhestandsvereinbarungen seit 1988 nicht mehr gefördert. Der Gesetzgeber habe ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht davon absehen dürfen, eine Beschäftigung ohne Arbeitsleistung zu fördern.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 26.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.03.2012 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und weist ergänzend darauf hin, der seitens des Gesetzgebers gewählte Weg stelle eine erhebliche Benachteiligung der Arbeitnehmer dar, die ihr Arbeitsverhältnis nicht durch Altersteilzeitarbeit, sondern durch Vorruhestandsvereinbarung beendet hätten. Altersteilzeitarbeitnehmer und Vorruheständler seien vergleichbare Normadressaten. Es handle sich um Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung, die auf Grund ihres Alters Vereinbarungen mit ihrem Arbeitgeber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen hätten. Sowohl die Altersteilzeitarbeit als auch der Vorruhestand sollten älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglichen. Die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses der Altersteilzeitarbeitnehmer und die Beendigung der Arbeitsverhältnisse bei Vorruheständlern seien keine Umstände von solcher Art und solchem Gewicht, die geeignet seien, die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen hinsichtlich der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte gemäß § 236 SGB VI zu rechtfertigen. Beide Vereinbarungen müssten nach den gesetzlichen Regelungen ausdrücklich bis zum Rentenalter abgeschlossen werden. Personen, die sich vor dem 01.01.2007 für eine Vorruhestandsvereinbarung nach Vorruhestandsgesetz entschieden hätten, könnten keine Altersteilzeitvereinbarungen mehr treffen, da sie an ihre Vorruhestandsvereinbarungen gebunden seien. Sie hätten sich bewusst und im Vertrauen auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage für eine Vorruhestandsvereinbarung und gegen eine Altersteilzeitbeschäftigung entschieden. Dies könne auch nicht mehr dadurch geändert werden, dass durch die neue Rechtslage nur Altersteilzeitbeschäftigten Vertrauensschutz zukommen solle. Hinzukomme, dass die Förderung der Altersteilzeit letztmals für einen Antritt der Altersteilzeit im Dezember 2009 erfolgt sei. Weder die Altersteilzeit noch der Vorruhestand würden seither finanziell durch die Agentur für Arbeit gefördert. Ein legitimer Zweck, dass Altersteilzeitbeschäftigte im Gegensatz zu Vorruheständlern Vertrauensschutz geniessen sollten, bestehe daher schon gar nicht mehr. Für den Zeitraum 01.07.2011 bis 31.12.2011 habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er bereits zum 01.01.2009 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden sei und deswegen die Anwartschaftszeit nicht erfülle. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass einem Arbeitsuchenden im Alter von 62,5 Jahren noch ein Arbeitsplatz angeboten werde. Der Gesetzgeber greife mit der Vorschrift des § 236 Abs. 1, 3 SGB VI in einen noch nicht abgeschlossen Sachverhalt für die Zukunft ein und entwerte nachträglich eine bestimmte Rechtsposition im Sinne der unechten Rückwirkung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. März 2012 sowie den Bescheid vom 25.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2011 aufzuheben und ihm unter Abänderung des Bescheids vom 06.02.2012 Altersrente für langjährig Versicherte bereits ab 01.07.2011 zu gewähren,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und weist darauf hin, dass sie nach Art. 20 Abs. 3 GG an das geltende Recht gebunden sei. Die verfassungsrechtliche Argumentation des Klägers sei zudem nicht nachvollziehbar. Sie lasse die Besonderheit der Gruppe der Altersteilzeitarbeitnehmer und der Vorruheständler außer Acht. Alterszeitarbeitnehmer stünden weiter im Arbeitsverhältnis und erbrächten Arbeitsleistungen, wohingegen die Arbeitsverhältnisse der Vorruheständler beendet seien. Eine Vergleichbarkeit der beiden Personengruppen sei daher gerade nicht gegeben. Eine Beschäftigung ohne Arbeitsleistung sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht vom Vertrauensschutz umfasst sein. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der beiden Gruppierungen sei folglich gegeben. Da das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz am 20.04.2007 bekanntgegeben worden sei, hätte der Arbeitgeber des Klägers dafür Sorge tragen müssen, dass die Vorruhestandsvereinbarung an die neue Altersgrenze angepasst werde. Die Vorlaufzeit hierfür - 30 Kalendermonate vor Rentenbeginn - sei mehr als ausreichend gewesen. § 3 Ziff. 1 TV-Vorruhestand sehe vor, dass der Vorruhestand 30 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt gewährt werde, zu dem erstmals Anspruch auf eine vorzeitige gesetzliche Rente bestehe. Der Kläger habe nach Tarifrecht einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages an die geänderten gesetzlichen Verhältnisse gehabt. Dies habe der Arbeitgeber versäumt, weswegen es zu dem vorliegenden Rechtsstreit gekommen sei.
Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, der S. habe als Arbeitgeber entschieden, die Vorruhestandsbezüge auch für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 unter dem Vorbehalt der Rückforderung und Verrechnung mit Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung bis zum frühestmöglichen Altersrenteneintritt als Vorschuss weiter zu gewähren.
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft. Der Rechtsstreit geht um Altersrente für langjährig Versicherte für den Zeitraum 01.07.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von monatlich ca. 1800,- EUR, so dass der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGG erreicht ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 25.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2011 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch der Bescheid vom 06.02.2012 setzt zu Recht den Beginn der Altersrente für langjährig Versicherte auf den 01.01.2012 fest. Der Kläger hat für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 keinen Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte.
Maßgebend für einen Anspruch auf Altersrente sind die Vorschriften, die bei Beginn der Rente gültig sind. Dies folgt aus dem für das SGB VI maßgebenden "Rentenbeginnprinzip", das in § 99 Abs. 1 SGB VI verankert worden ist. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Änderungen sind nach § 100 Abs. 1 SGB VI ab dem Monat zu berücksichtigen, zu dessen Beginn die Änderung wirksam wird. Sollen andere, etwa für Zeiträume in der Vergangenheit geltende Vorschriften für Beginn oder Höhe der Rente maßgebend sein, bedarf dies einer - hier fehlenden - ausdrücklichen Regelung, wie sie das Gesetz etwa in den (hier nicht einschlägigen) §§ 88, Abs. 3, 300 Abs. 3 oder 307b SGB VI vorsieht.
Bei Rentenantragstellung am 08.12.2010 und einem beantragten Rentenbeginn zum 01.07.2011 richtet sich der Anspruch des Klägers auf Altersrente für langjährig Versicherte nach § 236 SGB VI in der seit 01.01.2008 gültigen Fassung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes. Nach dessen Abs. 1 haben Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte, wenn sie (1.) das 65. Lebensjahr vollendet und (2.) die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift bestimmt sich die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme für Versicherte, die (1.) nach dem 31.12.1947 geboren sind und (2.) entweder (a)) vor dem 1. Januar 1955 geboren sind und vor dem 1. Januar 2007 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG vereinbart haben oder (b)) Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, nach der diesem Absatz angefügten Tabelle, aus der zu ersehen ist, dass Versicherte des Geburtsjahres 1948 mit den Geburtsmonaten November und Dezember vorzeitig Rente mit 62 Jahren und sechs Monaten in Anspruch nehmen können. § 236 Abs. 3 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung übernimmt damit für den genannten Personenkreis der Arbeitnehmer in Altersteilzeit die bis zum 31.12.2007 gültige Fassung des § 236 SGB VI, wonach - wie sich aus der im früheren Gesetzestext in Bezug genommenen Anlage 21 ergibt - die vorzeitige Inanspruchnahme von Rente für im November und Dezember 1948 geborene Versicherte bereits ab einem Lebensalter von 62 Jahren und sechs Monaten möglich ist.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden die seit 01.01.2008 gültige Fassung des § 236 Abs. 1 SGB VI zutreffend angewendet. Dem am 26.12.1948 geborenen Kläger steht damit erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres die Möglichkeit offen, vorzeitig Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch zu nehmen. Der frühestmögliche Termin ist - wie im Bescheid vom 06.02.2012 richtig festgesetzt - der 01.01.2012. Der Kläger unterfällt auch nicht der Übergangsregelung in Abs. 3. Zwar ist er nach dem 31. Dezember 1947 geboren, er hat jedoch nicht vor dem 01.01.2007 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG vereinbart. Eine Auslegung dieser Vorschrift in dem Sinne, dass auch Vereinbarungen über einen Vorruhestand von § 236 Abs. 3 Ziff. 2 Buchst. a SGB VI erfasst werden, ist angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes, das ausschließlich auf das Altersteilzeitgesetz abstellt, nicht möglich.
Die vom Kläger hiergegen vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken überzeugen nicht. Für den Senat besteht kein Anlass, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Soweit in Art. 1 Nr. 57 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte vom 62. Lebensjahr und sechs Monaten auf den Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres, mithin um ein halbes Jahr hinausgeschoben wurde, begegnet dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
Die Anwartschaft auf eine Rente aus eigener Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist zwar grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 117, 272, 292 - stRspr), aber auch für rentenrechtliche Anwartschaften ergibt sich die Reichweite der Eigentumsgarantie erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Wenn in bestehende rentenrechtliche Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht (BVerfGE 116, 96, 125). Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (stRspr. vgl. BVerfG Beschl. v. 05.02.2009 - 1 BvR 1631/04 Juris Rn 14).
Das Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Zielsetzung des öffentlichen Interesses anerkannt. Dieser Zielsetzung entspricht auch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz. Ausgehend von der tatsächlichen Erkenntnis, dass die Erwerbstätigenquote von Menschen zwischen 55 und 64 Jahren mit rund 45 % deutlich unter der Erwerbstätigenquote für alle im erwerbsfähigen Alter (rund 65%) liegt, hat sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt (vgl. BT-Drucks.16/3794 Abschnitt A), dieser Entwicklung entgegenzusteuern, zumal aus dem Rückgang der Geburtenzahl und der Verlängerung der Lebenserwartung eine Veränderung des zahlenmäßigen Verhältnisses von aktiver Erwerbsphase zu durchschnittlicher Rentenbezugsphase folgt. Im Zusammenhang mit dem bereits im RV-Nachhaltigkeitsgesetz von 2004 verfolgten Ziel, sowohl die gesetzlichen Beitragssatzobergrenzen als auch das Versorgungsniveau zu stabilisieren, wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der Beitragssatz bis zum Jahr 2020 20% und bis zum Jahr 2030 22% nicht überschreitet, andererseits aber das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) 46% bis zum Jahr 2020 und 43% bis zum Jahr 2030 nicht unterschreitet. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten, eine stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenzen auf 67 Jahre beginnend von 2012 an mit den Jahrgängen 1947 bis zum Jahr 2030 durchzuführen. Dementsprechend erfolgte eine Anhebung der Altersgrenze von 65 Jahren stufenweise auch für die Altersrente für langjährig Versicherte (vgl. BT-Drucks. 16/3794 Abschnitt B). Diese vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, insbesondere den weiteren Zuwachs an Frühverrentungen zu verzögern, sind zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich und sind eine legitime Zielsetzung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung und Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Dies wird vom Kläger im Grundsatz auch nicht angegriffen. Er hält allerdings die konkrete Ausgestaltung der Übergangsregelung in einem Verfassungswidrigkeit begründenden Ausmaß für unzureichend. Er beanstandet, dass für Personen, für die Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen worden sind, im Gesetz auch entsprechende Regelungen hätten getroffen werden müssen. Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Die Nichteinbeziehung von Personen mit Vorruhestandsvereinbarungen, die bereits vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungs-gesetzes eine Vorruhestandsregelung vereinbart haben, in die Übergangsregelung des § 236 Abs. 3 SGB VI verstößt nicht gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine sog. "unechte Rückwirkung" vor (vgl. BVerfGE 72, 200, 242). Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind. Die "unechte Rückwirkung" ist jedoch nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werden zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG Beschl. v. 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 juris Rdnr. 73 m.w.N.). Eine unechte Rückwirkung ist allerdings mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 127, 1, 18 sowie Beschl. v. 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 juris Rdnr. 74).
Hiervon ausgehend erweist sich die Verschiebung des frühesten Zeitpunkts der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte vom 62. Lebensjahr und sechs Monaten auf das 63. Lebensjahr als grundsätzlich zumutbar. Die Zumutbarkeit ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber es dem Versicherten zumutet, bis zum 65. Lebensjahr und zukünftig bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten. Mit dem Hinausschieben der Altersgrenze um ein weiteres halbes Jahr wird Versicherten auch nicht ein unzumutbares langes Verbleiben im Beruf zugemutet, zumal sie bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen Rente wegen Erwerbsminderung beantragen können. Es wird lediglich die Privilegierung für langjährig Versicherte mit 35 Versicherungsjahren eingeschränkt, bereits mit 62 Jahren und sechs Monaten in Rente gehen zu können.
Vertrauensschutz kann der Kläger aber darüber hinaus auch wegen der konkreten Gestaltung der Vorruhestandsvereinbarung nicht in Anspruch nehmen. Dem Kläger und insbesondere seinem Arbeitgeber wäre es unschwer möglich gewesen, eine Vorruhestandsvereinbarung zu treffen, die der neuen Rechtslage angepasst wäre. So ist schon nicht nachvollziehbar, warum bereits (3 ½ Jahre zuvor) im August 2005 ein Ruhestand ab 01.01.2009 vereinbart wird. Spätestens nach Verkündung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes im Bundesgesetzblatt vom 20.04.2007 wäre es möglich gewesen, eine modifizierende Vereinbarung dahingehend zu treffen, die Vorruhestandszeit auf den Zeitraum vom 01.07.2009 bis 31.12.2011 zu verschieben. Hierzu war der Arbeitgeber des Klägers auch nach § 3 Ziff. 1 Abs. 3 TV Vorruhestand verpflichtet. Dort ist nämlich vorgesehen, dass die Vorruhestandszeit frühestens 30 Monate vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze genommen werden kann. Bereits das Tarifvertragsrecht gebietet somit die Anpassung der Vereinbarung des Klägers mit seinem Arbeitgeber vom August 2005. Wenn der Arbeitgeber gleichwohl der Auffassung ist, Vorruhestandsvereinbarungen seien Altersteilzeitvereinbarungen gleichzustellen, dann nimmt er in Kauf, seine Arbeitnehmer in eine Einkommenslücke laufen zu lassen. Irgendwelche Gründe für den Kläger oder für seinen Arbeitgeber, eine Änderung des Vorruhestandsvertrags mit einem um ein halbes Jahr hinausgeschobenen Beginn und einem ein halbes Jahr späteren Ende zu vereinbaren, sind nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Insoweit kann weder abstrakt noch konkret von einer Unzumutbarkeit der Neuregelung durch das RV-Altersrentenanpassungsgesetz gesprochen werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht darin, dass der Gesetzgeber die Übergangsregelung in § 236 Abs. 3 SGB VI in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung auf Arbeitnehmer beschränkt, die Altersteilzeitarbeitsverträge abgeschlossen haben. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Begünstigung der Arbeitnehmer, die Altersteilzeitverträge abgeschlossen haben, im Vergleich zu den Arbeitnehmern, die Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen haben, beruht auf einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung. Wie oben dargelegt, bestand das Ziel des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes darin, die Zahl älterer Menschen im Erwerbsleben im Interesse der Beitragssatzstabilität und der Stabilisierung des Versorgungsniveaus der Renten zu erhöhen. Während aber Arbeitnehmer, die Altersteilzeitarbeitsverträge abschließen, weiterhin im Erwerbsleben verbleiben und bei reduzierter Arbeitszeit einen gleitenden Übergang in den Ruhestand vornehmen, scheiden Arbeitnehmer, die Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen haben, mit Beginn des Vorruhestands aus dem Arbeitsleben aus. Der Gesetzgeber hat bereits 1989 erkannt, dass das Gesetz zur Förderung von Vorruhestandsleistungen (Vorruhestandsgesetz - VRG) vom 13.04.1984 im Ergebnis zu einer unverhältnismäßig hohen Zahl von Frühverrentungen geführt hat, und hat deshalb die Förderung von Vorruhestandsvereinbarungen letztmals für das Jahr 1988 für Arbeitnehmer, die vor dem Jahr 1931 geboren sind, gewährt. Danach sind keine Leistungen der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit für Vorruhestandsvereinbarungen mehr gewährt worden. Das Gesetz ist somit zum Ende des Jahres 1988 in seiner praktischen Wirkung ausgelaufen. Seitdem setzt der Gesetzgeber hinsichtlich des gleitenden Übergangs in den Ruhestand ausschließlich auf das Instrument der im Altersteilzeitgesetz geregelten Altersteilzeit. Es ist dementsprechend nur konsequent, wenn er auch im RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz bei dieser Linie verbleibt. Wenn der Arbeitgeber des Klägers (trotz langjährig entgegengesetzter Auffassung des Gesetzgebers) Vorruhestandsvereinbarungen vorzieht, die ein vollständiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zur Folge haben, so ist ihm dies tarif- und arbeitsvertraglich unbenommen. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, solche Verträge zu berücksichtigen, besteht allerdings nicht. Die vom Gesetzgeber insoweit vorgenommene Differenzierung ist sachgerecht und entspricht der vom Gesetzgeber gewünschten ausschließlichen Anwendung des Altersteilzeitgesetzes.
Schließlich kann auch aus der Rentenauskunft vom 31.03.2003 im Wege des Herstellungsanspruchs kein Anspruch auf Rente im hier streitigen Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 abgeleitet werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies nur durch eine an sich zulässige Amtshandlung geschehen darf (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R). Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Zum Einen war die Rentenauskunft vom 31.03.2003 zum Zeitpunkt ihrer Erteilung sachlich richtig. Dies wird auch vom Kläger nicht weiter bestritten. Aus der Rentenauskunft ging auch mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass sie auf der Grundlage des damals geltenden Rechtes erstellt wurde. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger darauf hinzuweisen, dass inzwischen durch eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften sich der Zeitpunkt für eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente für langjährig Versicherte geändert hat, bestand nicht, da der Kläger ein entsprechendes Auskunftsersuchen bei der Beklagten nicht gestellt hat. Schließlich müsste ein Herstellungsanspruch auch daran scheitern, dass angesichts der gültigen Rechtslage in § 236 Abs. 1 und 3 SGB VI in der seit 01.01.2008 maßgebenden Fassung eine Vorverlegung der Rente des Klägers auf den Zeitpunkt 01.07.2011 gesetzlich ausgeschlossen ist und somit nicht durch eine entsprechende Amtshandlung erfolgen darf.
Nach alledem erweisen sich die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG als rechtmäßig. Die Berufung konnte keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger bereits für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 Anspruch auf Altersrente auf für langjährig Versicherte hat.
Der 1948 geborene Kläger war lange Jahre beim S. beschäftigt. Mit Rentenauskunft vom 31.03.2003 teilte ihm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit, aus den gesetzlichen Regelungen ergebe sich, dass der Kläger mit einem Rentenabschlag von 9 % frühestens Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011 beziehen könne.
Der S. hatte am 20.07.1998 mit mehreren Gewerkschaften einen "Tarifvertrag über eine Vorruhestandsregelung" (TV Vorruhestand) geschlossen, der durch Tarifvertrag vom 31.10.2004 mit Wirkung vom 01.01.2005 modifiziert wurde. Nach § 3 Ziff. 1 2. Absatz der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des TV Vorruhestand wird der Vorruhestand mit Zahlungsbeginn ab 02.01.2007 frühestens 30 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt gewährt, zu dem erstmals Anspruch auf vorzeitige gesetzliche Rente unter Berücksichtigung der im SGB VI vorgesehenen Rentenabschläge besteht. Der Vorruhestand ist vom Arbeitnehmer schriftlich - spätestens drei Monate vor Beginn - zu beantragen. (§ 3 Ziff. 2 TV Vorruhestand). Das Arbeitsverhältnis endet nach § 3 Ziff. 3 TV Vorruhestand mit Beginn des Monats, für den die Vorruhestandsbezüge erstmals gezahlt werden. Die Höhe der Vorruhestandsbezüge beträgt 70 v.H. des zum Zeitpunkt des Beginns vorruhestandsruhegeldfähigen Einkommens (§ 4 Ziff. 1 TV Vorruhestand).
Unter dem 04.08.2005 beantragte der Kläger bei seinem Arbeitgeber den Eintritt in den Vorruhestand zum 01.01.2009. Mit Schreiben vom 22.08.2005 stimmte der S. dem Vorruhestand für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2011 zu, im Anschluss daran beziehe der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte mit Abschlägen.
Am 29.11.2006 brachte die Bunderegierung den Entwurf eines "Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung" (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) im Deutschen Bundestag ein, das am 20.04.2007 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 554) verkündet wurde und zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist. In Artikel 1 Nr. 57 wurde § 236 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) dahingehend geändert, dass Altersrente für langjährig Versicherte von 1948 geborenen erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden kann (vorher 62 Jahre und 6 Monate). Als Übergangsvorschrift bestimmt ein neu gefasster Abs. 3, dass die Altersgrenze von 62 Jahren und 6 Monaten für die Versicherten erhalten bleibt, die im November und Dezember 1948 geboren sind und vor dem 1. Januar 2007 Altersteilzeit im Sinne der §§ 2 und 3 des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbart haben.
Der Kläger schied wie vereinbart zum 01.01.2009 aus dem Arbeitsverhältnis aus und erhielt in der Folge Vorruhestandsgeld bis 30.06.2011 von seinem Arbeitgeber, der hierfür auch Beiträge zur Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung abführte, nicht jedoch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
Unter dem 08.12.2010 stellte der Kläger Antrag auf Versichertenrente für langjährig Versicherte ab 01.07.2011, den die Beklagte mit Bescheid vom 25.03.2011 mit der Begründung ablehnte, er habe das für diese Rente erforderliche Mindestalter noch nicht erreicht. Altersrente für langjährig Versicherte könne erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden. Dieses Lebensalter vollende er erst am 25.12.2011. Vertrauensschutz nach § 236 Abs. 3 SGB VI bestehe nicht, da er vor dem 01.01.2007 keine Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 AltTZG vereinbart habe. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe bereits im August 2005 auf Grundlage der vorliegenden Rentenauskunft eine Vorruhestandsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen, mit der Maßgabe, dass die Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Anspruch genommen werden müsse. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei für ihn der frühestmögliche Rentenbeginn nach den gesetzlichen Bestimmungen der 01.07.2011 (unter Inkaufnahme von 9 % Rentenabschlägen) gewesen. Auf dieser Basis sei die Vorruhestandsvereinbarung abgeschlossen worden. Die derzeitige gesetzliche Vertrauensschutzregelung sehe lediglich Vertrauensschutz für Altersteilzeit vor. Da sich jedoch beide Vertragspartner beim Abschluss der Vorruhestandsregelung an die zum Abschlusszeitpunkt geltende frühestmögliche Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente (01.07.2011) gehalten hätten, müsse in diesem Fall der Vertrauensschutz eingeräumt werden, zumal beide Vertragsparteien keine Möglichkeiten hätten, den Vertrag einseitig abzuändern. Würde in diesen Fällen kein Vertrauensschutz gelten, wäre plötzlich durch eine nachträgliche Anhebung der frühestmöglichen Altersrentengrenzen kein nahtloser Übergang in die Altersrente möglich, da der S. die Zahlungen am 30.06.2011 einstelle und der Kläger nach derzeitiger Rechtslage erst ab 01.01.2012 eine Altersrente an langjährig Versicherte erhalten könnte. Um dies auszuschließen, sei für abgeschlossene Altersteilzeitvereinbarungen eine Vertrauensschutzregelung eingeführt worden. Gleiches müsse für ihn gelten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid vom 25.03.2011 entspreche der Rechtslage.
Mit der am 05.07.2011 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger das Ziel, bereits ab 01.07.2011 die beantragte Altersrente für langjährig Versicherte zu erhalten. Er habe im Vertrauen auf die im August 2005 geltende Rechtslage mit seinem Arbeitgeber eine Vorruhestandsvereinbarung getroffen. Diese Vereinbarung sei für beide Vertragsparteien bindend. Bei wortgetreuer Anwendung der Übergangsregelung in § 236 Abs. 3 SGB VI trete bei ihm zwischen dem 01.07.2011 und dem 31.12.2011 eine Lücke von sechs Monaten auf. Der Gesetzgeber habe mit der Schaffung von § 236 Abs. 3 SGB VI den Versicherten Vertrauensschutz einräumen wollen, die bereits vor dem Bekanntwerden des Gesetzes mit ihren Arbeitgebern arbeitsrechtlich das Ende des Arbeitsvertrages vereinbart gehabt hätten. Es sei als verfassungswidrig anzusehen, denjenigen, der einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen habe, besser zu stellen, als denjenigen, der eine Vorruhestandsvereinbarung abgeschlossen habe. Würde in diesen Fällen kein Vertrauensschutz gelten, wäre ein nahtloser Übergang in die Altersrente nicht mehr möglich. Die nachträgliche Anhebung der frühestmöglichen Altersgrenze für langjährig Versicherte führe zu einem erheblichen Eingriff in seine Rechte aus Art. 14 Grundgesetz (GG), da in bereits bestehende Eigentumspositionen eingegriffen werde. Zudem dürften Versicherte mit einer Vorruhestandsregelung nicht schlechter gestellt werden als Versicherte, die Altersteilzeit vereinbart hätten. Insoweit liege eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG vor, da für eine Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund ersichtlich sei. Die Vertrauensschutzregelung des § 236 SGB VI sei mit der Verfassung unvereinbar. Der Gesetzgeber habe eine gleichheitsgemäße Neuregelung zu schaffen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nur den Versicherten Vertrauensschutz habe einräumen wollen, die bereits vor dem Bekanntwerden des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes mit ihrem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Sinne des AltTZG geschlossen hätten. Hätte der Gesetzgeber allen Versicherten Vertrauensschutz einräumen wollen, die bereits vor Bekanntwerden dieses Gesetzes mit ihren Arbeitgebern arbeitsrechtlich das Ende des Arbeitsvertrages vereinbart hätten, so wären neben den von dem Kläger angeführten Vorruhestandsvereinbarungen auch Tatbestände wie z.B. Auflösungsvereinbarungen oder Befristungen zu erfassen gewesen. Der Gesetzgeber habe entsprechend der Begründung zum Entwurf des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes das Ziel verfolgt, der Entwicklung, dass zu wenig ältere Menschen am Erwerbsleben beteiligt seien, gegenzusteuern (Hinweis auf BT-Drucks. 16/3794, S. 1). Der besondere Vertrauensschutz für Versicherte, die bereits vor dem Stichtag verbindlich Altersteilzeitarbeit vereinbart hätten, sei eingeführt worden, weil der Staat mit der Schaffung des Altersteilzeitgesetzes ein deutliches Signal gesetzt habe, einen nahtlos in die Rente einmündenden Vorruhestand nur noch über die Teilzeitarbeit zu fördern. Die staatliche Förderung eines Vorruhestandes über die "Beschäftigung ohne Arbeitsleistung" sei grundsätzlich nur bis zum 31.12.1988 befristet worden (Hinweis auf BT-Drucks. 17/3948 vom 26.11.2010).
Mit Bescheid vom 06.02.2012 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 13.12.2010 Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.01.2012 in Höhe von monatlich laufend 1799,40 EUR.
Mit Urteil vom 12.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger am 26.12.2011 sein 63. Lebensjahr vollendet habe, komme für ihn nach § 236 Abs. 1 SGB eine vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte erst ab dem 01.01.2012 in Betracht. Die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs. 3 SGB VI finde bereits ihrem Wortlaut nach keine Anwendung. Der Vorruhestand des Klägers lasse sich nicht als Altersteilzeitarbeit im Sinne des AltTZG werten. Altersteilzeitarbeit sei insbesondere durch eine Reduzierung der Arbeitszeit und eine Aufstockung des Regelarbeitsentgelts bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis gekennzeichnet. Mit dem Eintritt in den Vorruhestand am 01.01.2009 habe indessen das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem S. gemäß § 3 Nr. 3 TV-Vorruhestand geendet. Zwar würden auch rentenrechtliche Positionen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 28.04.1999, 1 BvR 2105/95) Eigentumsschutz genießen, jedoch werde Vertrauensschutz unter Berücksichtigung der im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen gewährleistet (BVerfG Beschl. v. 13.06.2006 - 1 BvL 9/00). Eine solche zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 236 Abs. 3 SGB VI und der damit verbundenen Anhebung der Altersgrenze für die Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte vorgenommen. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schütze grundsätzlich nicht vor Gesetzesänderungen, da solche möglich bleiben müssten, um notwendige Anpassungen an etwaige Änderungen der vom jeweiligen Gesetz betroffenen Regelungsmaterie vornehmen zu können. Hierbei müsse gerade bei der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente dem Gesetzgeber ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt werden als bei der Regelaltersrente (Hinweis auf LSG BW, Urt. vom 16.07.2003 - L 2 RJ 3114/02). Ziel der Änderung des § 236 Abs. 3 SGB VI sei es gewesen, die Rentenbezugsdauer zu verkürzen und somit die Beteiligung älterer Personen im Erwerbsleben zu stärken, um bei weiter steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenzahl die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern. Die hiermit für den Kläger eingetretenen Nachteile seien angesichts des Schutzes dieses hochrangigen Gemeinschaftsguts auch angemessen und zumutbar. Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liege nicht vor. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebiete keine Gleichbehandlung von Personen, die eine Vorruhestandsvereinbarung geschlossen hätten mit denen, die Altersteilzeitarbeit vereinbart hätten. Diese Personengruppen seien nicht vergleichbar. Während Altersteilzeitarbeitnehmer nach wie vor in einem Arbeitsverhältnis stünden und eine Arbeitsleistung erbringen würden, seien die Arbeitsverhältnisse der Vorruheständler beendet. Im Rahmen der ihm zukommenden Gestaltungsfreiheit sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, nur noch denjenigen Personen einen besonderen Vertrauensschutz zukommen zu lassen, die sich für eine Gestaltungsmöglichkeit wie die Altersteilzeitarbeit entschieden hätten. Hingegen würden abgeschlossene Vorruhestandsvereinbarungen seit 1988 nicht mehr gefördert. Der Gesetzgeber habe ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht davon absehen dürfen, eine Beschäftigung ohne Arbeitsleistung zu fördern.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 26.03.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.03.2012 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und weist ergänzend darauf hin, der seitens des Gesetzgebers gewählte Weg stelle eine erhebliche Benachteiligung der Arbeitnehmer dar, die ihr Arbeitsverhältnis nicht durch Altersteilzeitarbeit, sondern durch Vorruhestandsvereinbarung beendet hätten. Altersteilzeitarbeitnehmer und Vorruheständler seien vergleichbare Normadressaten. Es handle sich um Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung, die auf Grund ihres Alters Vereinbarungen mit ihrem Arbeitgeber zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen hätten. Sowohl die Altersteilzeitarbeit als auch der Vorruhestand sollten älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglichen. Die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses der Altersteilzeitarbeitnehmer und die Beendigung der Arbeitsverhältnisse bei Vorruheständlern seien keine Umstände von solcher Art und solchem Gewicht, die geeignet seien, die unterschiedliche Behandlung der beiden Arbeitnehmergruppen hinsichtlich der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte gemäß § 236 SGB VI zu rechtfertigen. Beide Vereinbarungen müssten nach den gesetzlichen Regelungen ausdrücklich bis zum Rentenalter abgeschlossen werden. Personen, die sich vor dem 01.01.2007 für eine Vorruhestandsvereinbarung nach Vorruhestandsgesetz entschieden hätten, könnten keine Altersteilzeitvereinbarungen mehr treffen, da sie an ihre Vorruhestandsvereinbarungen gebunden seien. Sie hätten sich bewusst und im Vertrauen auf die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage für eine Vorruhestandsvereinbarung und gegen eine Altersteilzeitbeschäftigung entschieden. Dies könne auch nicht mehr dadurch geändert werden, dass durch die neue Rechtslage nur Altersteilzeitbeschäftigten Vertrauensschutz zukommen solle. Hinzukomme, dass die Förderung der Altersteilzeit letztmals für einen Antritt der Altersteilzeit im Dezember 2009 erfolgt sei. Weder die Altersteilzeit noch der Vorruhestand würden seither finanziell durch die Agentur für Arbeit gefördert. Ein legitimer Zweck, dass Altersteilzeitbeschäftigte im Gegensatz zu Vorruheständlern Vertrauensschutz geniessen sollten, bestehe daher schon gar nicht mehr. Für den Zeitraum 01.07.2011 bis 31.12.2011 habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er bereits zum 01.01.2009 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden sei und deswegen die Anwartschaftszeit nicht erfülle. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass einem Arbeitsuchenden im Alter von 62,5 Jahren noch ein Arbeitsplatz angeboten werde. Der Gesetzgeber greife mit der Vorschrift des § 236 Abs. 1, 3 SGB VI in einen noch nicht abgeschlossen Sachverhalt für die Zukunft ein und entwerte nachträglich eine bestimmte Rechtsposition im Sinne der unechten Rückwirkung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. März 2012 sowie den Bescheid vom 25.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2011 aufzuheben und ihm unter Abänderung des Bescheids vom 06.02.2012 Altersrente für langjährig Versicherte bereits ab 01.07.2011 zu gewähren,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und weist darauf hin, dass sie nach Art. 20 Abs. 3 GG an das geltende Recht gebunden sei. Die verfassungsrechtliche Argumentation des Klägers sei zudem nicht nachvollziehbar. Sie lasse die Besonderheit der Gruppe der Altersteilzeitarbeitnehmer und der Vorruheständler außer Acht. Alterszeitarbeitnehmer stünden weiter im Arbeitsverhältnis und erbrächten Arbeitsleistungen, wohingegen die Arbeitsverhältnisse der Vorruheständler beendet seien. Eine Vergleichbarkeit der beiden Personengruppen sei daher gerade nicht gegeben. Eine Beschäftigung ohne Arbeitsleistung sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht vom Vertrauensschutz umfasst sein. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der beiden Gruppierungen sei folglich gegeben. Da das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz am 20.04.2007 bekanntgegeben worden sei, hätte der Arbeitgeber des Klägers dafür Sorge tragen müssen, dass die Vorruhestandsvereinbarung an die neue Altersgrenze angepasst werde. Die Vorlaufzeit hierfür - 30 Kalendermonate vor Rentenbeginn - sei mehr als ausreichend gewesen. § 3 Ziff. 1 TV-Vorruhestand sehe vor, dass der Vorruhestand 30 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt gewährt werde, zu dem erstmals Anspruch auf eine vorzeitige gesetzliche Rente bestehe. Der Kläger habe nach Tarifrecht einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages an die geänderten gesetzlichen Verhältnisse gehabt. Dies habe der Arbeitgeber versäumt, weswegen es zu dem vorliegenden Rechtsstreit gekommen sei.
Der Kläger hat daraufhin vorgetragen, der S. habe als Arbeitgeber entschieden, die Vorruhestandsbezüge auch für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 unter dem Vorbehalt der Rückforderung und Verrechnung mit Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung bis zum frühestmöglichen Altersrenteneintritt als Vorschuss weiter zu gewähren.
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft. Der Rechtsstreit geht um Altersrente für langjährig Versicherte für den Zeitraum 01.07.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von monatlich ca. 1800,- EUR, so dass der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGG erreicht ist.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 25.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2011 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch der Bescheid vom 06.02.2012 setzt zu Recht den Beginn der Altersrente für langjährig Versicherte auf den 01.01.2012 fest. Der Kläger hat für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 keinen Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte.
Maßgebend für einen Anspruch auf Altersrente sind die Vorschriften, die bei Beginn der Rente gültig sind. Dies folgt aus dem für das SGB VI maßgebenden "Rentenbeginnprinzip", das in § 99 Abs. 1 SGB VI verankert worden ist. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Änderungen sind nach § 100 Abs. 1 SGB VI ab dem Monat zu berücksichtigen, zu dessen Beginn die Änderung wirksam wird. Sollen andere, etwa für Zeiträume in der Vergangenheit geltende Vorschriften für Beginn oder Höhe der Rente maßgebend sein, bedarf dies einer - hier fehlenden - ausdrücklichen Regelung, wie sie das Gesetz etwa in den (hier nicht einschlägigen) §§ 88, Abs. 3, 300 Abs. 3 oder 307b SGB VI vorsieht.
Bei Rentenantragstellung am 08.12.2010 und einem beantragten Rentenbeginn zum 01.07.2011 richtet sich der Anspruch des Klägers auf Altersrente für langjährig Versicherte nach § 236 SGB VI in der seit 01.01.2008 gültigen Fassung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes. Nach dessen Abs. 1 haben Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte, wenn sie (1.) das 65. Lebensjahr vollendet und (2.) die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Die vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente ist nach Vollendung des 63. Lebensjahres möglich. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift bestimmt sich die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme für Versicherte, die (1.) nach dem 31.12.1947 geboren sind und (2.) entweder (a)) vor dem 1. Januar 1955 geboren sind und vor dem 1. Januar 2007 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG vereinbart haben oder (b)) Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, nach der diesem Absatz angefügten Tabelle, aus der zu ersehen ist, dass Versicherte des Geburtsjahres 1948 mit den Geburtsmonaten November und Dezember vorzeitig Rente mit 62 Jahren und sechs Monaten in Anspruch nehmen können. § 236 Abs. 3 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung übernimmt damit für den genannten Personenkreis der Arbeitnehmer in Altersteilzeit die bis zum 31.12.2007 gültige Fassung des § 236 SGB VI, wonach - wie sich aus der im früheren Gesetzestext in Bezug genommenen Anlage 21 ergibt - die vorzeitige Inanspruchnahme von Rente für im November und Dezember 1948 geborene Versicherte bereits ab einem Lebensalter von 62 Jahren und sechs Monaten möglich ist.
Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden die seit 01.01.2008 gültige Fassung des § 236 Abs. 1 SGB VI zutreffend angewendet. Dem am 26.12.1948 geborenen Kläger steht damit erst ab Vollendung des 63. Lebensjahres die Möglichkeit offen, vorzeitig Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch zu nehmen. Der frühestmögliche Termin ist - wie im Bescheid vom 06.02.2012 richtig festgesetzt - der 01.01.2012. Der Kläger unterfällt auch nicht der Übergangsregelung in Abs. 3. Zwar ist er nach dem 31. Dezember 1947 geboren, er hat jedoch nicht vor dem 01.01.2007 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG vereinbart. Eine Auslegung dieser Vorschrift in dem Sinne, dass auch Vereinbarungen über einen Vorruhestand von § 236 Abs. 3 Ziff. 2 Buchst. a SGB VI erfasst werden, ist angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes, das ausschließlich auf das Altersteilzeitgesetz abstellt, nicht möglich.
Die vom Kläger hiergegen vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken überzeugen nicht. Für den Senat besteht kein Anlass, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Soweit in Art. 1 Nr. 57 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte vom 62. Lebensjahr und sechs Monaten auf den Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres, mithin um ein halbes Jahr hinausgeschoben wurde, begegnet dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
Die Anwartschaft auf eine Rente aus eigener Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist zwar grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 117, 272, 292 - stRspr), aber auch für rentenrechtliche Anwartschaften ergibt sich die Reichweite der Eigentumsgarantie erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Wenn in bestehende rentenrechtliche Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht (BVerfGE 116, 96, 125). Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (stRspr. vgl. BVerfG Beschl. v. 05.02.2009 - 1 BvR 1631/04 Juris Rn 14).
Das Ziel, die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung zu sichern und die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Zielsetzung des öffentlichen Interesses anerkannt. Dieser Zielsetzung entspricht auch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz. Ausgehend von der tatsächlichen Erkenntnis, dass die Erwerbstätigenquote von Menschen zwischen 55 und 64 Jahren mit rund 45 % deutlich unter der Erwerbstätigenquote für alle im erwerbsfähigen Alter (rund 65%) liegt, hat sich der Gesetzgeber zum Ziel gesetzt (vgl. BT-Drucks.16/3794 Abschnitt A), dieser Entwicklung entgegenzusteuern, zumal aus dem Rückgang der Geburtenzahl und der Verlängerung der Lebenserwartung eine Veränderung des zahlenmäßigen Verhältnisses von aktiver Erwerbsphase zu durchschnittlicher Rentenbezugsphase folgt. Im Zusammenhang mit dem bereits im RV-Nachhaltigkeitsgesetz von 2004 verfolgten Ziel, sowohl die gesetzlichen Beitragssatzobergrenzen als auch das Versorgungsniveau zu stabilisieren, wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der Beitragssatz bis zum Jahr 2020 20% und bis zum Jahr 2030 22% nicht überschreitet, andererseits aber das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) 46% bis zum Jahr 2020 und 43% bis zum Jahr 2030 nicht unterschreitet. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten, eine stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenzen auf 67 Jahre beginnend von 2012 an mit den Jahrgängen 1947 bis zum Jahr 2030 durchzuführen. Dementsprechend erfolgte eine Anhebung der Altersgrenze von 65 Jahren stufenweise auch für die Altersrente für langjährig Versicherte (vgl. BT-Drucks. 16/3794 Abschnitt B). Diese vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, insbesondere den weiteren Zuwachs an Frühverrentungen zu verzögern, sind zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich und sind eine legitime Zielsetzung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung und Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Dies wird vom Kläger im Grundsatz auch nicht angegriffen. Er hält allerdings die konkrete Ausgestaltung der Übergangsregelung in einem Verfassungswidrigkeit begründenden Ausmaß für unzureichend. Er beanstandet, dass für Personen, für die Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen worden sind, im Gesetz auch entsprechende Regelungen hätten getroffen werden müssen. Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Die Nichteinbeziehung von Personen mit Vorruhestandsvereinbarungen, die bereits vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungs-gesetzes eine Vorruhestandsregelung vereinbart haben, in die Übergangsregelung des § 236 Abs. 3 SGB VI verstößt nicht gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine sog. "unechte Rückwirkung" vor (vgl. BVerfGE 72, 200, 242). Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind. Die "unechte Rückwirkung" ist jedoch nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloße allgemeine Erwartung, das geltende Recht werden zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG Beschl. v. 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 juris Rdnr. 73 m.w.N.). Eine unechte Rückwirkung ist allerdings mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 127, 1, 18 sowie Beschl. v. 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 juris Rdnr. 74).
Hiervon ausgehend erweist sich die Verschiebung des frühesten Zeitpunkts der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte vom 62. Lebensjahr und sechs Monaten auf das 63. Lebensjahr als grundsätzlich zumutbar. Die Zumutbarkeit ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber es dem Versicherten zumutet, bis zum 65. Lebensjahr und zukünftig bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten. Mit dem Hinausschieben der Altersgrenze um ein weiteres halbes Jahr wird Versicherten auch nicht ein unzumutbares langes Verbleiben im Beruf zugemutet, zumal sie bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen Rente wegen Erwerbsminderung beantragen können. Es wird lediglich die Privilegierung für langjährig Versicherte mit 35 Versicherungsjahren eingeschränkt, bereits mit 62 Jahren und sechs Monaten in Rente gehen zu können.
Vertrauensschutz kann der Kläger aber darüber hinaus auch wegen der konkreten Gestaltung der Vorruhestandsvereinbarung nicht in Anspruch nehmen. Dem Kläger und insbesondere seinem Arbeitgeber wäre es unschwer möglich gewesen, eine Vorruhestandsvereinbarung zu treffen, die der neuen Rechtslage angepasst wäre. So ist schon nicht nachvollziehbar, warum bereits (3 ½ Jahre zuvor) im August 2005 ein Ruhestand ab 01.01.2009 vereinbart wird. Spätestens nach Verkündung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes im Bundesgesetzblatt vom 20.04.2007 wäre es möglich gewesen, eine modifizierende Vereinbarung dahingehend zu treffen, die Vorruhestandszeit auf den Zeitraum vom 01.07.2009 bis 31.12.2011 zu verschieben. Hierzu war der Arbeitgeber des Klägers auch nach § 3 Ziff. 1 Abs. 3 TV Vorruhestand verpflichtet. Dort ist nämlich vorgesehen, dass die Vorruhestandszeit frühestens 30 Monate vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze genommen werden kann. Bereits das Tarifvertragsrecht gebietet somit die Anpassung der Vereinbarung des Klägers mit seinem Arbeitgeber vom August 2005. Wenn der Arbeitgeber gleichwohl der Auffassung ist, Vorruhestandsvereinbarungen seien Altersteilzeitvereinbarungen gleichzustellen, dann nimmt er in Kauf, seine Arbeitnehmer in eine Einkommenslücke laufen zu lassen. Irgendwelche Gründe für den Kläger oder für seinen Arbeitgeber, eine Änderung des Vorruhestandsvertrags mit einem um ein halbes Jahr hinausgeschobenen Beginn und einem ein halbes Jahr späteren Ende zu vereinbaren, sind nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Insoweit kann weder abstrakt noch konkret von einer Unzumutbarkeit der Neuregelung durch das RV-Altersrentenanpassungsgesetz gesprochen werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht darin, dass der Gesetzgeber die Übergangsregelung in § 236 Abs. 3 SGB VI in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung auf Arbeitnehmer beschränkt, die Altersteilzeitarbeitsverträge abgeschlossen haben. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Begünstigung der Arbeitnehmer, die Altersteilzeitverträge abgeschlossen haben, im Vergleich zu den Arbeitnehmern, die Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen haben, beruht auf einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung. Wie oben dargelegt, bestand das Ziel des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes darin, die Zahl älterer Menschen im Erwerbsleben im Interesse der Beitragssatzstabilität und der Stabilisierung des Versorgungsniveaus der Renten zu erhöhen. Während aber Arbeitnehmer, die Altersteilzeitarbeitsverträge abschließen, weiterhin im Erwerbsleben verbleiben und bei reduzierter Arbeitszeit einen gleitenden Übergang in den Ruhestand vornehmen, scheiden Arbeitnehmer, die Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen haben, mit Beginn des Vorruhestands aus dem Arbeitsleben aus. Der Gesetzgeber hat bereits 1989 erkannt, dass das Gesetz zur Förderung von Vorruhestandsleistungen (Vorruhestandsgesetz - VRG) vom 13.04.1984 im Ergebnis zu einer unverhältnismäßig hohen Zahl von Frühverrentungen geführt hat, und hat deshalb die Förderung von Vorruhestandsvereinbarungen letztmals für das Jahr 1988 für Arbeitnehmer, die vor dem Jahr 1931 geboren sind, gewährt. Danach sind keine Leistungen der (damaligen) Bundesanstalt für Arbeit für Vorruhestandsvereinbarungen mehr gewährt worden. Das Gesetz ist somit zum Ende des Jahres 1988 in seiner praktischen Wirkung ausgelaufen. Seitdem setzt der Gesetzgeber hinsichtlich des gleitenden Übergangs in den Ruhestand ausschließlich auf das Instrument der im Altersteilzeitgesetz geregelten Altersteilzeit. Es ist dementsprechend nur konsequent, wenn er auch im RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz bei dieser Linie verbleibt. Wenn der Arbeitgeber des Klägers (trotz langjährig entgegengesetzter Auffassung des Gesetzgebers) Vorruhestandsvereinbarungen vorzieht, die ein vollständiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zur Folge haben, so ist ihm dies tarif- und arbeitsvertraglich unbenommen. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, solche Verträge zu berücksichtigen, besteht allerdings nicht. Die vom Gesetzgeber insoweit vorgenommene Differenzierung ist sachgerecht und entspricht der vom Gesetzgeber gewünschten ausschließlichen Anwendung des Altersteilzeitgesetzes.
Schließlich kann auch aus der Rentenauskunft vom 31.03.2003 im Wege des Herstellungsanspruchs kein Anspruch auf Rente im hier streitigen Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 abgeleitet werden. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies nur durch eine an sich zulässige Amtshandlung geschehen darf (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R). Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Zum Einen war die Rentenauskunft vom 31.03.2003 zum Zeitpunkt ihrer Erteilung sachlich richtig. Dies wird auch vom Kläger nicht weiter bestritten. Aus der Rentenauskunft ging auch mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass sie auf der Grundlage des damals geltenden Rechtes erstellt wurde. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger darauf hinzuweisen, dass inzwischen durch eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften sich der Zeitpunkt für eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente für langjährig Versicherte geändert hat, bestand nicht, da der Kläger ein entsprechendes Auskunftsersuchen bei der Beklagten nicht gestellt hat. Schließlich müsste ein Herstellungsanspruch auch daran scheitern, dass angesichts der gültigen Rechtslage in § 236 Abs. 1 und 3 SGB VI in der seit 01.01.2008 maßgebenden Fassung eine Vorverlegung der Rente des Klägers auf den Zeitpunkt 01.07.2011 gesetzlich ausgeschlossen ist und somit nicht durch eine entsprechende Amtshandlung erfolgen darf.
Nach alledem erweisen sich die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG als rechtmäßig. Die Berufung konnte keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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