L 8 U 5071/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 832/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 5071/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15. November 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen und zu entschädigen ist.

Der Bevollmächtigte des Klägers zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 04.08.2009 das Vorliegen einer Berufskrankheit Nr. 2108 bei dem 1961 geborenen Kläger an. Er gab hierzu an, der Kläger sei seit 23 Jahren als Zimmermannsgeselle tätig, zuletzt bei der Firma D ... Aufgrund des schweren Hebens und Tragens habe sich eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Lendenwirbelsäulenbereich herausgebildet. Ergänzend gab der Kläger im Fragebogen vom 26.08.2009 an, er habe zur Zeit Wirbelsäulenbeschwerden und zum ersten Mal hätten sich die Wirbelsäulenbeschwerden ca. 1995 gezeigt. Es handele sich um einen stechenden Schmerz mit Ausstrahlung in beide Beine. Er führe die Wirbelsäulenbeschwerden auf schweres Heben und Tragen zurück. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden stehe er in ärztlicher Behandlung und habe Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt. Zu den Beschäftigungsverhältnissen gab der Kläger an, von 1977 bis 1982 habe er als Metzger in der Metzgerei H., S. gearbeitet; während dieses Zeitraumes sei die Wirbelsäule durch Heben und Tragen nicht belastet worden. Im anschließenden Zeitraum bis 1986 sei die Wirbelsäule ebenso nicht durch Heben und Tragen belastet worden. Dies habe sich geändert ab 1986, denn von 1986 bis 1996 habe er als Zimmermann bei der Firma A. B. und von 1996 bis derzeit noch bei der Firma D. als Maurer und Zimmermann gearbeitet.

Seit 20.08.2008 ist er fortlaufend arbeitsunfähig krank (Arbeitgeberauskunft vom 28.08.2009). Mit Bescheid vom 03.09.2009 gewährte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.06.2009 bis 31.08.2010.

Die Beklagte zog verschiedene Arztberichte, u.a. die Röntgenberichte des Dr. H. vom 15.10.2002, des Dr. S. vom 13.12.2007, den Rehaentlassungsbericht der Rehaklinik Ü. I. vom 23.04.2003, den Arztbericht der Klinik S. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 27.08. bis 03.09.2008 (Diagnosen: Therapieresistente Lumboischialgie bei breitbasigem Bandscheibenprolaps LWK5/S1 mit Foramenstenose beidseits, ausgeprägter Spondylarthrose und Retrospondylisthesis L5/S1) vom 08.09.2008, den Arztbericht des Bundeswehrkrankenhauses U. vom 13.11.2008, die Röntgenberichte des Röntgeninstituts H. R., Ü., vom 15.01.2008 und vom 15.10.2009 sowie die beigefügten Röntgenaufnahmen, CT, und sonstige bildgebende Aufnahmen (2 CDs) bei und ließ diese durch ihren Beratungsarzt Dr. K. auswerten. Dieser gelangte in seiner Stellungnahme vom 04.11.2009 zu dem Ergebnis, aus medizinischer Sicht bestehe nicht der begründete Verdacht auf eine BK 2108. Im Segment L5/S1 bestehe eine ausgeprägte Spondylolisthese mit fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen bei sonst unauffälliger LWS. Es liege auch kein belastungskonformes Schadensbild vor.

Mit Bescheid vom 11.12.2009 lehnte daraufhin die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 ab und verneinte Ansprüche auf Leistungen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus den medizinischen Unterlagen und den Röntgenaufnahmen ergebe sich, dass beim Kläger im Segment L5/S1 der Lendenwirbelsäule eine ausgeprägte Spondylolisthesis mit fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen bestehe. Bei den darüberliegenden Segmenten der Lendenwirbelsäule bestehe ein altersentsprechender Befund. Es liege damit kein belastungskonformes Schadensbild vor, bei dem normalerweise von oben nach unten zunehmende Veränderungen der Lendenwirbelsäule bestünden. Es fehle an einer dem Alter vorauseilenden bzw. verstärkten Bandscheibendegeneration im Lendenwirbelsäulenbereich über mehrere Segmente. Bei der Spondylolisthesis handele es sich um ein anlagebedingtes Krankheitsbild. Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Wirbelsäulenerkrankung bestehe daher nicht.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und fügte ihm den Entlassungsbericht der W.-Z.-K. vom 06.10.2009 bei. Mit Schriftsatz vom 02.02.2010 trug sein Bevollmächtigter ergänzend vor, wenn beim Kläger seit Jahren ein Wirbelgleiten vorliege, müsse davon ausgegangen werden, dass die spezielle und besondere berufliche Belastung diese von der Beklagten als anlagebedingt bezeichnete Erkrankung wesentlich und richtunggebend verschlimmert habe. Der Kläger weise nicht ganz zu Unrecht darauf hin, dass er insoweit auch von keiner Seite darauf hingewiesen worden sei, dass er etwa den Beruf hätte aufgeben müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2010 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens seien entsprechende medizinische Unterlagen, Vorerkrankungsverzeichnisse und auch Röntgenaufnahmen beigezogen worden. Die Auswertung dieser Unterlagen, insbesondere auch des bildgebenden Materials durch den beratenden Facharzt der BG Dr. K. habe in seiner Stellungnahme nach Lage der Akten vom 04.11.2009 ergeben, dass beim Kläger im Segment L5/S1 eine ausgeprägte Spondylolisthese mit fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen bei sonst unauffälliger Lendenwirbelsäule vorliege. Dr. K. weise des Weiteren daraufhin, dass ein entsprechendes belastungskonformes Schadensbild beim Kläger nicht vorliegen würde. In diesem Zusammenhang sei zu bedenken, dass bei einer überdurchschnittlichen Belastung der Wirbelsäule dem Lebensalter vorauseilende degenerative Veränderungen - bevorzugt im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule - auftreten würden. Ein derartiges Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen habe jedoch beim Kläger nicht festgestellt werden können. Eine berufsbedingte Ursache der vom Kläger geltend gemachten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule sei nicht anzunehmen.

Dagegen erhob der Kläger am 08.04.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 2108 anzuerkennen und die sich hieraus ergebenden Leistungen zu gewähren.

Das SG zog Röntgen-/MRT-Aufnahmen bei und holte vom Orthopäden Dr. H. vom Orthopädischen Forschungsinstitut S. das gerichtliche Sachverständigengutachten vom 13.09.2010 ein. Darin gelangte dieser nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass beim Kläger keine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Berufskrankheitenverordnung vorliege. Die vorgelegten Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vor dem operativen Eingriff (Versteifungsoperation im Segment L5/S1) zeigten ein Wirbelgleiten L5/S1 Grad I nach Meyerding mit mäßiger Degeneration im Segment L5/S1, erkennbar an einer Höhenminderung der Bandscheibe und einer beginnenden spondylophytären Ausziehung in den benachbarten Wirbelkörpern. Die übrigen lumbalen Abschnitte zeigten keinen pathologischen Befund, weder eine Spondylose noch eine Osteochondrose. Beim Kläger liege mit Sicherheit ein Wirbelgleiten auf dem Boden einer Spondylolyse vor. Die Spondylolyse lasse sich nativ-radiologisch im seitlichen Bild erkennen. Damit liege keine bandscheibenbedingte Erkrankung vor. Der Bandscheibenschaden L5/S1 sei sekundär auf dem Boden des Wirbelgleitens entstanden. Das radiologische Bild wäre im Übrigen auch nicht vereinbar mit dem in den Konsensempfehlungen von 2005 aufgeführten Kriterien. So fehle z.B. eine "Begleitspondylose" in den Nachbarsegmenten, die keine Bandscheibenerkrankung aufwiesen. Beim Kläger lägen somit chronische schmerzhafte Funktionsstörungen der unteren Lendenregion nach Versteifungsoperation des Segmentes L5/S1 bei Wirbelgleiten aufgrund einer Spondylolyse im Wirbelbogen L5 vor. Hierbei handele es sich nicht um eine primäre bandscheibenbedingte Erkrankung. Es handele sich um eine vermutlich entwicklungsbedingte Anlagestörung des knöchernen Wirbelbogens L5. Das Krankheitsbild des Klägers erfülle auch radiologisch nicht die geforderten Kriterien für eine Berufskrankheit nach Ziff. 2108 BKV.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG das orthopädische Gutachten des Dr. B. vom Bundeswehrkrankenhaus U. vom 02.03.2011 ein. Darin führte Dr. B. aus, für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 müsse es sich um eine bandscheibenbedingte Erkrankung handeln. Da es sich beim Kläger nur um ein erstgradiges Wirbelgleiten nach Meyerding handele, müsse man nach den Konsensempfehlungen davon ausgehen, dass es sich bei der Bandscheibenschädigung in LWK5/SWK1 tatsächlich um eine primäre Bandscheibenerkrankung handele. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Kläger vor dem 25. Lebensjahr symptomfrei gewesen sei, sodass die Spondylolisthesis nach den Konsensempfehlungen der Anerkennung einer BK nicht entgegenstehe. Da beim Kläger allein das Segment L5/S1 betroffen sei und keine Begleitspondylose vorliege, sei für eine BK nach Nr. 2108 nach den Konsensempfehlungen die Konstellation B2 gegeben. Es müsse in einem solchen Fall für die Anerkennung einer BK 2108 mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllt sein:

a) Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler Chondrose/Vorfall LWK5/SWK1 oder LWK4/5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens zwei angrenzenden Segmenten; b) besonders intensive Belastung; Anhaltspunkte: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren; c) besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen; Anhaltspunkte: Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwerts durch hohe Belastungsspitzen. Im Falle des Klägers liege die Voraussetzung a nicht vor. Ob die Voraussetzungen b oder c vorlägen, müsse vom Technischen Aufsichtsdienst überprüft werden. Somit komme die Anerkennung einer BK 2108 im vorliegenden Fall generell nur in Frage, wenn eine besonders intensive Belastung oder wenn besonders hohe Belastungsspitzen vorgelegen hätten. Beides sei aber nur durch den TAD zu verifizieren.

Auf Nachfrage des SG nahm der gerichtliche Sachverständige Dr. H. Stellung am 08.08.2011 und am 29.09.2011. Er bleibe dabei, dass nach seiner Überzeugung beim Kläger keine "bandscheibenbedingte Erkrankung" der Lendenwirbelsäule vorliege. Die Konsensempfehlungen würden daher - mit Ausnahme der Konstellation A1 nicht greifen, da sie eine "bandscheibenbedingte Erkrankung" der Lendenwirbelsäule voraussetzen würden. Er habe in seinem Gutachten nur ergänzend darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn von einer "bandscheibenbedingten Erkrankung" der Lendenwirbelsäule im Segment L5/S1 ausgegangen würde, auch dann das radiologische Bild nicht für eine Berufsbedingtheit dieser "bandscheibenbedingten Erkrankung" sprechen würde. Die Argumentation des Dr. B., der davon ausgehe, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung vorliege, überzeuge ihn nicht. Im Rahmen seiner Begutachtung habe der Kläger bei ihm angegeben, dass er etwa ab dem Jahr 2000 gelegentlich vorübergehende Schmerzen in der Region verspürt habe. Diese Beschwerden hätten dann im Laufe der Zeit langsam zugenommen. Erst etwa ab 2006 habe er einen anhaltenden Dauerschmerz verspürt. Die ab dem Jahr 2000 einsetzenden, sich ständig verstärkenden Schmerzen in der Lendenwirbelsäule würden sich seines Erachtens plausibel auf dem Boden eines zunehmend symptomatisch werdenden Wirbelgleitens erklären, ohne dass dafür eine zusätzliche Bandscheibenerkrankung erforderlich wäre. Die fortschreitende Bandscheibendegeneration L5/S1 mit leichter Bandscheibenprotrusion (Bandscheibenvorwölbung bei intaktem Faserring) ohne Bandscheibenvorfall könne ebenfalls problemlos auf das Wirbelgleiten mit leichter Instabilität in diesem Segment zurückgeführt werden. Er sehe daher keine Veranlassung, sein Gutachten inhaltlich abzuändern. Im Übrigen weise er darauf hin, dass auch Dr. B. eine berufsbedingte Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule nicht für erwiesen erachtet habe. Er halte eine solche Erkrankung nur für möglich (in Abhängigkeit von den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes).

Zu den Stellungnahmen des Dr. H. äußerte sich Dr. B. mit Stellungnahme vom 28.11.2011. Soweit Dr. H. ausgeführt habe, beim Kläger handele es sich um ein wahres Wirbelgleiten, womit eigentlich keine bandscheibenbedingte Erkrankung vorliege, was eine BK 2108 schon von vornherein ausschließe, stimme er dem zu. Allerdings würden nach den Konsensempfehlungen erstgradige "wahre Spondylolisthesen" nach Meyerding, sofern bis zum 25. Lebensjahr keine Symptome bestanden hätten, behandelt wie wenn eine solche Anlagestörung nicht vorliegen würde, insofern komme eine BK 2108 in Betracht. Des Weiteren weise er darauf hin, dass er für eine Anerkennung einer BK nach 2108 als Voraussetzung gemacht habe, dass der TAD zunächst zu überprüfen habe, ob die Voraussetzungen einer besonders intensiven Belastung bzw. ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen erfüllt seien.

Die Beklagte hat ihren TAD eingeschaltet und den Bericht vom 13.02.2012 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 im Falle des Klägers erfüllt sind. Eine besonders intensive Belastung gemäß Definition "zweites Zusatzkriterium" Erreichen des MDD-Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren liege nicht vor. Ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen gemäß Definition" erreichende Hälfte des MDD-Tages-Dosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen sei während aller genannten Beschäftigungsverhältnisse des Klägers gegeben.

Dr. B. hat daraufhin mit Stellungnahme vom 20.07.2012 sein Gutachten ergänzt und die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 befürwortet. Es sei auch davon auszugehen, dass der Kläger überwiegend wegen seines Wirbelsäulenleidens seine Tätigkeit auf dem Bau habe aufgeben müssen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für das Wirbelsäulenleiden inklusive der sensiblen Beeinträchtigungen in den unteren Extremitäten betrage seit Tätigkeitsaufgabe 20%.

Dr. H. führte in seiner Stellungnahme vom 12.09.2012 aus, aufgrund der strukturellen Veränderungen im lumbosakralen Übergang (Übergang zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein) halte er eine Fortsetzung der früher ausgeübten Tätigkeit des Klägers als Bauhelfer bzw. angelernter Zimmerer für unzumutbar. Aus medizinischer Sicht bestehe also ein Zwang zur Tätigkeitsaufgabe. Die MdE würde er mit 25% einstufen.

Mit Urteil vom 15.11.2012 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, beim Kläger liege eine BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV nicht vor. Das Gericht habe sich nicht vom Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung überzeugen können. Festgestellt worden sei nur ein Wirbelgleiten. Das Wirbelgleiten (Olisthese, Olisthesis) nach Meyerding stelle für sich gesehen keine bandscheibenbedingte Erkrankung dar. Dies habe auch Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.11.2011 ausdrücklich eingeräumt.- Dr. H. habe in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.09.2011 angemerkt, dass die Bildgebung vor der Versteifungsoperation nur eine minimale mittige Bandscheibenvorwölbung gezeigt habe, also einen Befund, der die damaligen Beschwerden des Klägers nicht hätten erklären können. Diese Degenerationen ließen sich aber problemlos durch das Wirbelgleiten mit leichter Instabilität in diesem Segment erklären. Zwar sei Dr. B. zuzustimmen, dass im Falle des Klägers bei fehlender Begleitspondylose und fehlender Höhenminderung das Zusatzkriterium eines besonderen Gefährdungspotentials durch hohe Belastungsspitzen in der Konstellation "B2" erfüllt sei, verlangt werde dort aber auch, dass wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren ausscheiden würden, das könne vorliegend nicht angenommen werden. Konkurrierende Ursache sei hier vor allem das Wirbelgleiten selbst.

Gegen das - dem Bevollmächtigten des Klägers am 26.11.2012 zugestellte - Urteil hat der Kläger am 06.12.2012 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, das SG hätte weiter medizinisch abklären müssen, ob ein Bandscheibenvorfall vorgelegen habe oder nicht. Ausweislich der Auflistung der Arbeitsunfähigkeitszeiten der BKK 24 (Bl. 21 der Beklagtenakten) sei aufgeführt unter dem 20.08.2008 "lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie". An Krankenhausdaten sei gespeichert 01.09.2009 (Aktenseite 22), dass eine Kompression von Nervenwurzel und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden diagnostiziert worden seien. Festgestellt worden seien lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie. Dr. B. habe in seiner Beurteilung darauf hingewiesen, dass zur Anerkennung der Berufskrankheit bestimmte Arbeitsbelastungen und medizinische Gegebenheiten erforderlich seien und dass vorliegend die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch bezüglich der Spitzenbelastung erfüllt seien. Nach Dr. B. habe es sich bei der Bandscheibenschädigung um eine primäre Bandscheibenerkrankung gehandelt. Bezüglich der Frage des Bandscheibenschadens hätte das SG sich gedrängt fühlen müssen, diese Fragen durch konkrete Nachfrage bei den behandelnden Krankenhäusern bzw. dem Operateur in dem Bundeswehrkrankenhaus in U. weiter abzuklären.

Der Kläger beantragt,

das Urteil der Sozialgerichts Konstanz vom 15. November 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV festzustellen und dem Kläger Unfallrente nach einer MdE um mindestens 20% zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers könnten aus medizinischen Gründen nicht als Berufskrankheit anerkannt werden. Insoweit verweise sie auf das Gutachten des Dr. H. sowie seiner Stellungnahmen, in denen dieser überzeugend erläutert habe, dass zum einen bandscheibenbedingte Veränderungen der Lendenwirbelsäule nicht nachgewiesen seien und dass zum anderen die vorliegenden Beschwerden sekundär auf dem Boden des Wirbelgleitens entstanden seien. Des Weiteren weise Dr. H. zu Recht darauf hin, dass im vorliegenden Fall auch keine belastungsadaptive Veränderung im Sinne einer Begleitspondylose vorliege. Im Übrigen werde zu bedenken gegeben, dass bereits der CT-Befund von Dr. H. vom 15.10.2002, auf den sich der Bevollmächtigte des Klägers berufe, von einer aus dem Wirbelgleiten resultierenden BS-Protrusion spreche. Selbst wenn man also von einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ausgehen wollte, könnte man nicht ausräumen, dass diese dann auf das belastungsunabhängige Wirbelgleiten zurückzuführen wäre. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass bei Zustand nach Versteifungs-Operation der Vorzustand schlicht nicht mehr zweifelsfrei aufgeklärt werden könne, was indes zu Lasten des Klägers gehe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Konstanz und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Konstanz mit dem angefochtenen Urteil vom 15.11.2012 die Klage abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Beim Kläger liegt auch nach Überzeugung des Senats keine BK nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV vor. Deswegen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Unfallrente und Heilbehandlung.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Es hat weiter zu Recht ausgeführt, dass zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK-Nr. 2108 gegeben sind, dass beim Kläger aber bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nicht vorliegen und dass beim Kläger vielmehr ein Wirbelgleiten nach Meyerding nachgewiesen ist, das für die vom Kläger geklagten Beschwerden verantwortlich ist. Zu Recht hat das SG auch des Weiteren ausgeführt, dass aus den Konsensempfehlungen nicht abgeleitet werden kann, dass allein aufgrund des Wirbelgleitens eine bandscheibenbedingte Erkrankung anzunehmen wäre. Hierbei hat sich das SG auf die Ausführungen von Dr. H. berufen. Der Senat schließt sich nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils voll an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen bleibt auszuführen:

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile des Senats vom 28.01.2011 - L 8 U 4946/08 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de und vom 26.10.2012 - L 8 U 4948/10 -, unveröffentlicht) sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule chronische oder chronisch wiederkehrende Beschwerden mit Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule zu verstehen, die ursächlich auf eine Bandscheibenschädigung zurückzuführen sind oder mit einer solchen in einer kausalen Wechselbeziehung stehen (vgl. BSG Urteil vom 31.05.2005, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2; Brandenburg, BG 1993, 791/794). Den Tatbestand der BK nach Nr. 2108 der BKV erfüllen nur solche Schäden der Wirbelsäule, die sich als das Resultat einer langjährigen schädigenden Einwirkung auf die Lendenwirbelsäule darstellen. Ein morphologisch objektivierbares Schadenssubstrat ist daher zwingend erforderlich. Die ausgelösten degenerativen Prozesse - zu denen anlagebedingte Wirbelsäulenstörungen und Fehlhaltungen nicht gehören - finden sich in durch bildgebende Verfahren objektivierbaren Formen wieder, die auch gemeinsam auftreten können. Nach den Konsensempfehlungen ist zwischen Erkrankung und Bandscheibenschaden zu unterscheiden (der bildgebend dargestellte Bandscheibenschaden muss auch zu klinischen Beschwerden geführt haben, die eine Erkrankung verursachen, Konsensempfehlung Nr. 1.3). Eine Erkrankung erfordert daher nicht nur den Nachweis eines Bandscheibenschadens, sondern die Schädigung muss auch klinisch manifest geworden sein, d.h. Beschwerden hervorgerufen haben (vgl. BSG, Urteil vom 31.05.2005a.aO.). Dieses Erfordernis einer Bandscheibenerkrankungen ist nach den auch für den Senat überzeugenden Ausführungen von Dr. H. beim Kläger bis zum Zeitpunkt des Unterlassens seiner wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 20.08.2008 nicht hinreichend sicher nachgewiesen.

Soweit der Kläger geltend macht, das SG habe darauf hingewiesen, dass in dem Bericht über den Aufenthalt des Klägers im Bundeswehrkrankenhaus U. vom 13.11.2008 in der Auflistung der Diagnosen zu Anfang ein Bandscheibenvorfall in Höhe L5/S1 aufgeführt worden sei, was sich jedoch in der weiteren Diagnostik (Röntgen, CT) nicht wiederfinde und daher davon auszugehen sei, dass es sich um eine bloße Verdachtsdiagnose bei Einweisung gehandelt habe, die sich später nicht bestätigt habe, was nicht ausreiche, da das SG vielmehr medizinisch hätte abklären müssen, ob ein Bandscheibenvorfall vorgelegen habe oder nicht, führt dies auch nach Auffassung des Senats nicht zur Notwendigkeit weiterer Ermittlungen. Denn im Arztbericht des Bundeswehrkrankenhauses U. vom 13.11.2008 ist auf Seite 2 aufgeführt, dass bei der Aufnahme am 30.09.2008 eine neue Kernspintomographie und ein CT der LWS durchgeführt worden sind und dass sich hierbei eine Spondylolisthese bei Spondylolyse in Höhe LWK 5/SWK1 (Meyerding Grad I) mit Osteochondrose gezeigt habe. Dies stimmt auch mit der Auswertung von Dr. H. der ihm zur Begutachtung vorgelegten MRT vom 30.09.2008 überein. Auch er findet auf Höhe L5/S1 nur eine minimale Protrusion mittig nach hinten bei hinreichend weitem knöchernen Wirbelkanal. Die Aufnahme ergibt nach Dr. H. keine relevante Bandscheibenvorwölbung, insbesondere kein eigentlicher Bandscheibenvorfall (Gutachten von Dr. H. vom 13.09.2010, Seite 16). Damit ergibt sich nach Überzeugung des Senats, dass die im Bundeswehrkrankenhaus U. durchgeführte Kernspintomographie zu Tage gebracht hat, dass eine Spondylolisthese bei Spondylolyse in Höhe LWK5/SWK 1 nach Meyerding Grad I Ursache für die vom Kläger geklagten Beschwerden gewesen sind, nicht aber die Anfangsdiagnose "Spondylolisthese LWK5/SWK1 und BSV in Höhe LWK5/SBK1". Diese Einschätzung berücksichtigt auch, dass allein Dr. W. aufgrund des MRT vom 28.08.2008 einen breitbasigen Prolaps bei L5/S 1 beschreibt, dagegen im zeitlichen Verlauf der unterschiedlichen Diagnosemaßnahmen bislang nur Protrusionen bei diesem Segment ohne deutliche neurale Beteiligung gesichert worden sind. Die vom Kläger angeführte CT- Aufnahme vom 15.10.2002 ergab eine L5/S1-Protrusion, die nach Dr. H. eine beidseitige Wurzelirritation "erklärbar" machte. Ein Bandscheibenvorfall wird nicht beschrieben. Dr. S. schloss aufgrund der CT-Aufnahme vom 13.12.2007 einen Bandscheibenvorfall aus, bejahte eine breitflächige Protrusion, bei der jedoch noch neuronale Strukturen abgrenzbar waren und keine Wurzelkompression vorlag. Noch im Januar 2008 beschrieb der Radiologe R. nur eine minimale Bandscheibenprotrusion praesacral (MRT vom 15.01.2008), was nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. H. schwerlich die vom Kläger seither geklagten Wirbelsäulenbeschwerden hat verursachen können.

Soweit in der Auflistung der Arbeitsunfähigkeitszeiten für die Gewährung von Krankengeld eine Krankheitsbezeichnung angegeben worden ist, geht der Senat davon aus, dass es sich hierbei nicht um gesicherte Diagnosen handelt, sondern grobe Einordnungsstichworte zum jeweiligen Krankheitsfall. Die genauen Diagnosen können sich nach Auffassung des Senats zutreffend eher aus Gutachten und Arztberichten entnehmen lassen als aus einer Liste für Krankengeldzahlungen.

Soweit in den Arztbriefen unterschiedliche Bewertungen erfolgt sind (Dr. S. vom 13.12.2007: kein Hinweis für einen Bandscheibenvorfall; Dr. W. vom 01.09.2008: breitbasiger Bandscheibenprolaps LWK5/S1), ist dies nach Überzeugung des Senats durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. gutachtlich geklärt worden. Danach ist davon auszugehen, dass Beschwerden des Klägers irrtümlicherweise teilweise auf einen Bandscheibenvorfall zurückgeführt worden sind, während die genauere Diagnostik ergeben hat, dass die Ursache hierfür vielmehr in einem Wirbelgleiten LWK5/SWK1 nach Meyerding I zu sehen ist. Soweit Dr. B. eine bandscheibenbedingte Wurzelreizsymptomatik entgegen den Ausführungen von Dr. H., der eine solche als Folge der am 13.10.2008 durchgeführten Operation ansieht, auch für die Zeit vor der Operation annimmt, ist dies nicht überzeugend. Dr. H. verweist darauf (ergänzende Stellungnahme vom 29.09.2011), dass bei einer bandscheibenbedingten Symptomatik jedenfalls der anhaltende Dauerschmerz bei der dem Kläger verabreichten Injektionsbehandlung einschließlich Wurzelblockaden zumindest vorübergehend zu einer Schmerzlinderung hätte führen müssen, was ausweislich des Befundberichts des Bundeswehrkrankenhauses U. vom 13.11.2008 bei der CT-gesteuerten PRT am 02.10.2008 gerade nicht der Fall war, denn dies führte zu keinerlei Beschwerdebesserung.

Zwar hat der Senat bereits entschieden, das es der Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 nicht entgegen steht, wenn das Vollbild einer belastungskonformen Bandscheibenschädigung erst nach Aufgabe der wirbelsäulenschädigenden Tätigkeit entstanden ist (vorliegend nach dem 20.08.2008), sofern das Fortschreiten der Bandscheibendegeneration nach Expositionsende noch der belastungsinduzierten Bandscheibenschädigung zuzuschreiben ist (Urteil des Senats vom 28.01.2011, a.a.O.). Jedoch ist im vorliegenden Fall die Sachlage eine andere. Zum einen ist nach der vom Senat dargestellten Beweislage bereits die Grundvoraussetzung für die mit dem Buchstaben "B" umschriebenen Konstellationen der Bandscheibenerkrankungen nach dem Konsensempfehlungen nicht erfüllt. Danach muss das Wirbelkörpersegment L5/S1 und/oder L4/5 betroffen sein und die Ausprägung des Bandscheibenschadens muss mindestens eine Chondrose Grad II oder ein Bandscheibenvorfall sein. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Ein Bandscheibenvorfall ist nicht nachgewiesen, eine Protrusion reicht dagegen nicht aus. Eine Chondrose Grad II oder höher ist an den betreffenden Wirbelkörpersegmenten ebenso wenig diagnostiziert, so dass die B-Konstellationen nach den Konsensempfehlungen bereits nicht in Betracht kommen. Zum anderen wäre selbst dann, wenn die Bandscheibenschädigung bei L5/S1 für den Zeitraum nach dem 20.08.2008 in der zu fordernden Ausprägung unterstellt würde, kein hinreichender Zusammenhang mit berufsbedingter Belastung gegeben, denn die fortschreitende Entwicklung zum beschwerdeverursachenden Bandscheibenschaden beruhte nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. H. gerade nicht auf einer Fortwirkung berufsbedingter Belastungen. Die fortschreitende Bandscheibenveränderung des Klägers bis zur Operation, was in der dargestellte Ausprägung einer leichten Bandscheibenprotrusion bei intaktem Faserring mündete, ist nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. H. problemlos auf die innere Ursache in Form des Wirbelgleiten bei leichter Instabilität des Segments zurückzuführen, eine belastungsbedingte Veränderung aufgrund äußerer Ursache ist nach Dr. H. darin nicht zu erkennen. Die Stabilisierungs-Operation des Klägers am 13.10.2008 erfolgte demnach zur Beseitigung berufsunabhängig verursachter Gesundheitsstörungen.

Anlass für weitere Ermittlungen sieht der Senat nicht.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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