L 8 SB 5005/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 3330/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5005/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.10.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB; mindestens 50 statt 30) zusteht.

Der am 07.09.1953 geborenen Klägerin, italienische Staatsangehörige und seit 1961 in der Bundesrepublik Deutschland lebend, wurde auf ihren Antrag vom 30.07.2003 (Blatt 1/2 der Beklagtenakte) wegen einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Knorpelschäden am linken Kniegelenk (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung der rechten Hüfte (Teil-GdB 10), Adipositas per magna (Teil-GdB 10) und Bluthochdruck (Teil-GdB 10; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin N. vom 21.10.2003 vgl. Blatt 13/14 der Beklagtenakte) vom Versorgungsamt Rottweil ab dem 30.07.2003 ein GdB von 30 zuerkannt (Bescheid vom 23.10.2003, Blatt 15/17 der Beklagtenakte).

Am 09.02.2011 beantragte die Klägerin beim Landratsamt T. (LRA; Blatt 22/23 der Beklagtenakte) die höhere (Neu-)Feststellung des GdB und gab an, Kniebeschwerden beidseits, Wirbelsäulenleiden, Hüftbeschwerden beidseits und Fußbeschwerden rechts seien neu aufgetreten oder hätten sich verschlimmert.

Unter Auswertung von Auskünften der behandelnden Ärzte Dr. F. vom 14.03.2011 (Blatt 25 der Beklagtenakte) und Dr. S. vom 28.04.2011 (Blatt 27 der Beklagtenakte) sowie unter Zugrundelegung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. D.-W. vom 23.05.2011 (Blatt 28 der Beklagtenakte) lehnte das LRA die höhere (Neu-)Feststellung des GdB mit Bescheid vom 17.06.2011 (Blatt 29 der Beklagtenakte) ab.

Mit ihrem per Email eingelegten Widerspruch vom 13.07.2011 (Blatt 30 der Beklagtenakte) bat die Klägerin darum, die Akte nochmals zu prüfen und mit Dr. F. zu sprechen.

Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 12.09.2011 (Blatt 32/33 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 24.10.2011, Blatt 36/37 der Beklagtenakte). In den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 23.10.2003 zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertige, nicht eingetreten.

Am 22.11.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben. Sie leide vorwiegend unter Funktionsbehinderungen des rechten Hüftgelenks, für die aktuelle Befunde nicht erhoben worden seien und die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten seien. Die Bewegungseinschränkungen an beiden Kniegelenken verursachten unter Berücksichtigung der arthrotischen Veränderungen und der schmerzverstärkenden Adipositas einen Teil-GdB von 40. Die seit Jahren bestehende Lumbago sei mit einem Teil-GdB von mindestens 20 zu bemessen, die Funktionsbeeinträchtigungen der Fußgelenke mit mindestens 10. Nicht berücksichtigt sei auch der Fersensporn. Es bestünde auch Adipositas per magna, die zu Folge- und Begleitschäden am kardiopulmonalen System bzw. am Stütz- und Bewegungsapparat führe. Des Weiteren bestehe ein Bluthochruck, der zu Schwindelerscheinungen und Hitzewallungen führe. Insgesamt bestehe ein GdB von mindestens 50.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 31/43 und 45/46 der SG-Akte) Bezug genommen. Der Internist Dr. S. hat in seiner Auskunft vom 30.04.2012 ausgeführt, es liege ein langjähriges LWS-Syndrom mit Hyperlordose der LWS vor, die degenerative Veränderungen seien nur wenig ausgeprägt. Der Chirurg Dr. F. hat dem SG am 02.06.2012 geschrieben, es bestünden bei der Klägerin rezidivierende starke Schmerzen im Bereich der LWS, die immer wieder die lokale Infiltrationsbehandlung, Einnahme von Schmerzmitteln und Wärmeanwendungen erforderten. Es bestehe auch eine ausgeprägte laterale Gonarthrose beidseits, bei der der Außenmeniskus arthroskopisch geglättet worden sei. Außerdem bestehe ein ausgeprägte Senk-Spreizfuß mit Fersensporn; Einlagen seien verordnet, Anfang 2012 sei eine Röntgenstrahlenbehandlung durchgeführt worden. Er schließe sich der überlassenen Einschätzung des Versorgungsarztes an, es fehle lediglich die LWS, deren Beschwerden mit einem GdB von 20 zu bewerten seien.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L. Dieser hat in seinem Gutachten vom 06.08.2012 (Blatt 53/61 der SG-Akte) eine fortgeschrittene Kniegelenksarthrose beidseits i.S. von Valgusgonarthrosen mit leichten Bandinstabilitäten und Einschränkungen der Beweglichkeit mit einer Flexion von 90o links bzw. 120o rechts bei schwerem Knorpelverschleiß, ein degeneratives LWS-Syndrom mit subjektiv rezidivierenden Schmerzzuständen im Kreuzbereich sowie leichte Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Oberschenkels (ohne echte Nervenwurzelreizerscheinungen und ohne Einschränkungen der Beweglichkeit der LWS), eine initiale Coxarthrose rechts, eine Plantarfasciitis rechts, eine arterielle Hypertonie, eine Schilddrüsenunterfunktion, ein Pes planovalgus bds. und eine Adipositas permagna beschrieben. Für die Bewegungseinschränkungen aufgrund der Arthrose in den Kniegelenken hat er einen GdB von 30 für angemessen gehalten. Die Funktionsbehinderungen der LWS hat er mit einem Teil-GdB von 20, die Coxarthrose rechts, die Plantarfasciitis rechts sowie den Bluthochdruck und Schilddrüsenunterfunktion und den Pes planovalgus mit einem GdB von 10 bewertet. Insgesamt hat er einen GdB von 40 für angemessen gehalten.

Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 15.11.2012 angeboten, im Wege des Vergleichs einen GdB von 40 seit 09.02.2011 festzustellen (Blatt 68/70 der SG-Akte). Die Klägerin hat sich gegen das Gutachten von Dr. L. gewandt (Blatt 63/64 = 65/66 der SG-Akte) und den Vergleich abgelehnt (Blatt 72/73 der SG-Akte).

Das SG hat mit Urteil vom 16.10.2013 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2011 verurteilt, bei der Klägerin den GdB ab 09.02.2011 mit 50 festzustellen. Das Gericht stütze sich auf das Gutachten von Dr. L., weiche jedoch hinsichtlich der Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke zu Gunsten der Klägerin davon ab. Der Einzel-GdB für die Funktionsbeeinträchtigung an den Kniegelenken sei unter Anwendung von VG Teil B Nr. 18.14 mit 40 in Ansatz zu bringen. Bei der Klägerin lägen fortgeschrittene Kniegelenksarthrosen beidseits mit leichten Bandinstabilitäten und Einschränkung der Beweglichkeit mit einer Flexion von 90° auf der linken Seite bzw. 120° auf der rechten Seite vor. Insgesamt sei das rechte Kniegelenk in einen GdB-Korridor von 10 bis 30 und das linke Kniegelenk in einen Korridor von 20 bis 40 einzuordnen. Angesichts der von Dr. L. im Stadium 3 beschriebenen Knorpelschäden sei jeweils ein Ansatz des mittleren Wertes von 20 bzw. 30 als sachgerecht anzusehen. Zusammenfassend sei ein Einzel-GdB von 40 für die Funktionsbeeinträchtigungen beider Kniegelenke sachgerecht. In der Gesamtschau sei ein Gesamt-GdB von 50 gegeben.

Gegen das ihm am 30.10.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20.11.2013 unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 05.11.2013 (Blatt 4/5 der Senatsakte) beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der Auffassung des SG könne nicht zugestimmt werden. Es könne weiterhin von keinem höheren Teil-GdB als 30 für beide Kniegelenke ausgegangen werden. Anhaltende Reizerscheinungen seien in beiden Kniegelenken nicht belegt. Nachgewiesen seien am rechten Kniegelenk dritt- bis viertgradige Knorpelschäden; inwieweit am linken Kniegelenk Knorpelschäden bestünden, sei nicht belegt. Während am linken Kniegelenk eine Bewegungseinschränkung geringen Grades bestehe, entsprächen die Bewegungsmaße am rechten Kniegelenk noch keiner relevanten Bewegungseinschränkung. Außerdem lasse sich festzustellen, dass der vom SG und auch vom Beklagten angenommene Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden sehr weitreichend bzw. wohl überhöht gewesen sei. Dr. L. beschreibe eine ausgezeichnete Beweglichkeit der LWS mit einem Finger-Boden-Abstand von 0 cm und einem Schober-Zeichen mit 10/17 cm (trotz erheblicher Adipositas).

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.10.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens beim Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. D. In seinem Gutachten vom 17.03.2014 (Blatt 18/34 der Senatsakte) hat dieser eine unter 5%ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule, eine endgradig eingeschränkte Rück-Neig-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule, eine 5%ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Lendenwirbelsäule, eine aufgehobene Beugung im rechten Daumenendgelenk, eine endgradig eingeschränkte Beugung in beiden Hüft- und Kniegelenken bei radiologisch, kernspintomographisch und arthroskopisch gesicherter deutlicher Kniegelenks-Arthrose beidseits ohne anhaltende Reizerscheinungen beschrieben. Die beidseitige Kniegelenks-Arthrose wirke sich insofern nachteilig aus, als dass infolge der beidseitigen Betroffenheit keine Kompensationsmöglichkeit durch die jeweilig andere Extremität erfolgen könne. Für die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule hat Dr. D. einen Teil-GdB von 10, für die Funktionsbeeinträchtigung des Daumens keinen Teil-GdB, für die Beugeeinschränkung in beiden Hüftgelenken einen Teil-GdB von 10 und für die Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke einen Teil-GdB von 30 angenommen. Es lägen zwar ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (im Sinne einer Chondromalazie II. bis IV. Grades) vor, allerdings zeige die klinische Untersuchung am Gutachtenstag keine anhaltenden Reizerscheinungen, im Sinne von Ergussbildungen. Unter Berücksichtigung des Bluthochdrucks (Teil-GdB 10) und der Adipositas permagna (GdB 10) hat Dr. D. den Gesamt-GdB auf 30 eingeschätzt.

Hiergegen hat sich die Klägerin (Schreiben vom 06.05.2014, Blatt 38/40 = 41/43 der Senatsakte) gewandt. Dr. L. habe festgestellt, dass sich im Bereich der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen fänden. Aufgrund des Wirbelgleitens komme es zu anhaltendenden Wirbelsäulenschmerzsyndromen. Darüber hinaus seien Sensibilitätsstörungen in den Oberschenkeln festgestellt worden. Hinsichtlich der Bewegungseinschränkungen in den Kniegelenken habe Dr. L. als klinisches Zeichen der Arthrose aktuell einen Erguss auf der linken Seite mit leichten Bandinstabilitäten und Einschränkungen der Beweglichkeit in den Kniegelenken festgestellt. Als klinisches Zeichen sei ein Erguss auf der linken Seite festgestellt worden und ein retropatellares Knirschen beidseits nachgewiesen.

Dr. D. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.06.2014 (Blatt 45/46 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, die Untersuchung der Kniegelenke habe keine Ergussbildung aber einen stabilen Kapsel-Bandapparat beidseits gezeigt. Dies widerspreche anhaltenden Reizerscheinungen. Auch sei die Schmerzhaftigkeit eines Gelenks nicht das relevante Einschätzungskriterium, da Schmerzen einen rein subjektiven Befund beschrieben und nicht objektiviert werden könnten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 50/51 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.

Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 30.07.2003, mit dem das Versorgungsamt Rottweil der Klägerin einen GdB von 30 zuerkannt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nicht eingetreten, denn der (Gesamt-)GdB ist – noch immer - nicht höher als mit 30 zu bewerten. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 17.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 24.10.2011 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat daher zu unrecht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 verurteilt.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst nach Funktionssystemen (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.

Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist bei der Klägerin durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, die mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten ist. Nach B Nr. 18.9 VG ist für Wirbelsäulenschäden ein GdB von 20 vorgesehen, wenn mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorliegen. Ein GdB von 10 ist dagegen bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bestimmt. Ein GdB von 30 setzt nach B Nr. 18.9 VG entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder (nach der Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11 – juris) mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Vorliegend konnte der Senat aber schon keine mittelschweren Funktionsbeeinträchtigungen in einem Wirbelsäulenabschnitt feststellen.

Bei der Klägerin besteht nach Überzeugung des Senats an der Wirbelsäule eine unter 5%ige Gesamt-Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule, eine endgradig eingeschränkte Rück-Neig-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule sowie eine 5%ige Gesamt-Beweglichkeitseinschrän-kung der Lendenwirbelsäule. Die Überzeugung des Senats beruht auf dem schlüssigen Gutachten von Dr. D ... Sowohl an der Hals- als auch an der Lendenwirbelsäule konnte ein Nachweis sensibler oder motorischer Nervenwurzelreizerscheinungen nicht festgestellt werden, die von Dr. L. angegebenen Sensibilitätsstörungen am linken Oberschenkel konnten nicht weiter objektiviert werden. An Bewegungsmaßen wurden bei der Klägerin gemessen:

Gutachten Dr. L. Dr. D. Untersuchung am 03.08.2012 17.02.2014 HWS Kinn-Jugulum-Abstand 19/0 cm 2 cm Streckung/Beugung 55o-0-40o Drehung rechts/links 80o-0-80o 60o-0-60o Seitwärtsneigung rechts/links nicht gemessen 40o-0-35o BWS/LWS Streckung/Vorbeugung (FBA) 0 cm 8 cm Ott 30/32 cm 30/32 cm Schober 10/17 cm 10/14 cm Vor-/Rückneigung (Gesamtbeweglichkeit) nicht gemessen 135o Hüfteinbeugung bei Rumpfbeuge nicht gemessen 80o Seitneigung rechts/links nicht gemessen 30o/30o Seitdrehung rechts/links im Sitzen nicht gemessen 30o/35o

Diese Bewegungsausmaße, auch die von Dr. L. mitgeteilten, zeigen, dass die Bewegungsfähigkeit der Wirbelsäule der Klägerin trotz der Adipositas per magna in fast vollständigem Maß erhalten ist. Schmerzen werden lediglich durch die von der Klägerin angegebene rezidivierende Lumbago verursacht; die behandelnden Ärzte haben diese bestätigt. Druckschmerzen ließen sich aber bei Dr. L. lediglich in den unteren Abschnitten der Lendenwirbelsäule nachweisen. Neurologische Ausfälle oder Nervenwurzelreizungen konnten aber beide Gutachter nicht objektiviert nachweisen; Lasègue war beidseits negativ. Ein Wirbelgleiten konnte Dr. D. nicht feststellen; soweit Dr. L. dieses angenommen hat, lässt sich ein entsprechender Befund seinem Gutachten nicht entnehmen. Zwar beschreibt B Nr. 18.9 VG häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome als Beispiele für mittelschwere funktionelle Auswirkungen, doch konnte sich der Senat angesichts der insgesamt guten Beweglichkeit bei fehlender neurologischer Komponente und fehlendem Wirbelgleiten nicht vom Auftreten häufiger rezidivierender Wirbelsäulensyndrome überzeugen. Dafür spricht auch, dass Dr. S. in seiner Auskunft für das SG im Jahr 2001 lediglich zweimal schmerzhafte Verspannungen beschreiben konnte (Berichte Dr. Dr. F. vom 06.06.2011 und 15.09.2011, Blatt 34/35 der SG-Akte). Mithin liegen keine mittelschweren funktionellen Auswirkungen vor, sodass der Einzel-GdB für die Wirbelsäule mit 10 anzunehmen ist; dabei hat der Senat aber die von der Klägerin beschriebenen Schmerzen integrierend mitberücksichtigt. Damit konnte sich der Senat aber auch den Einschätzungen von Dr. L. und Dr. F. nicht anschließen.

Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich des Psyche (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) konnte der Senat auf Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen, aber auch der Angaben der Klägerin nicht feststellen. Zwar hat diese Schmerzen geltend gemacht, doch hatte der Senat die in Verbindung mit körperlichen Funktionsbehinderungen stehenden Schmerzen dort zu berücksichtigen; eine darüber hinausgehende, von körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen losgelöste, mithin auf psychiatrischem Gebiet zu verortende Schmerzerkrankung konnte der Senat dagegen nicht erkennen.

Im Funktionssystem der Arme, wozu auch die Hände gehören, hat Dr. D. eine aufgehobene aktive Beugung am Daumen rechts festgestellt. Nachdem gemäß B Nr. 18.13 VG die Versteifung des Daumens in günstiger Stellung mit einem GdB-Rahmen von 0 bis 10, der Verlust eines Daumens mit einem GdB von 25 bedacht ist, die Klägerin den Daumen aber weder verloren hat, noch dessen Funktionsfähigkeit vollständig aufgehoben ist - so ist lediglich die aktive Beugefunktion, nicht die passive Beugefunktion und die Streckfunktion aufgehoben -, konnte der Senat den Teil-GdB nur mit 10 bewerten. Da weitere Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme nicht vorliegen, ist hier zugleich ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen.

Im Funktionssystem der Beine, zu dem auch die Hüften gehören, hat Dr. L. eine Coxarthrose rechts mit endgradiger Bewegungseinschränkung bei Schmerzen dargelegt. Dr. D. hat eine endgradige Bewegungseinschränkung, verursacht durch angegebene Schmerzen im LWS-Bereich und die Adipositas per magna, darlegen können. An Bewegungsmaßen wurden festgestellt:

Gutachten Dr. L. Dr. D. Untersuchung am 03.08.2012 17.02.2014 Hüfte Streckung/Beugung rechts links 0-0-90 0-0-90 10-0-80 10-0-80 Abspreizung/Anführung rechts links 50-0-50 50-0-50 45-0-20 45-0-20 Drehung ausw./einw. (Hüftgelenk 90o gebeugt) rechts links

10-0-20 10-0-30

30-0-30 30-0-30 Drehung aus./einw. (Hüftgelenke gestreckt) rechts links 40-0-30 40-0-30

Unter Berücksichtigung dieser geringen Bewegungseinschränkungen der durch die Adipositas per magna und die von der Lendenwirbelsäule ausstrahlenden Schmerzen kann hier allenfalls ein Teil-GdB von 10 angenommen werden, was auch die beiden Gutachter Dr. L. und Dr. D. sowie der behandelnde Orthopäde Dr. F. so bestätigt haben.

Die bestehenden Senk-/Spreizfußbildungen - bzw. pes planovalgus, wie Dr. L. diese Erkrankung bezeichnet hat, - sind als andere Fußdeformitäten i.S. von B NR. 18.14 VG zu verstehen, die - weil vorliegend ohne statische Auswirkungen - keinen Teil-GdB von 10 begründen; der Bewertung von Dr. L. mit einem GdB von 10 konnte der Senat daher nicht folgen. Der Fersensporn, der von keinem der Gutachter mehr beschrieben wird, und der wohl durch die Röntgenstrahlentherapie, die Dr. F. dem SG mitgeteilt hat, jedenfalls keine schmerzhaften Einschränkungen verursacht, ist daher ebenfalls mit keinem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die plantar fasciitis, die Dr. L. beschreibt, konnte von keinem anderen Arzt bzw. Gutachter bestätigt werden. Auch hat die Klägerin gegenüber Dr. D. derartige Beschwerden nicht mehr vorgebracht, weshalb der Senat von einer die Schwelle des § 2 Abs. 1 SGB IX nicht erreichenden, lediglich vorübergehenden Störung ausgeht. Daher konnte sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass ein Teil-GdB von 10 anzunehmen wäre.

Die Kniegelenke der Klägerin sind durch die Kniegelenksarthrosen beeinträchtigt. Diese konnten Dr. L. aber auch Dr. D. feststellen. So hat auch Dr. D. ausgeprägte Kniegelenksknorpelschäden beschrieben. An Bewegungsausmaßen wurde gemessen:

Gutachten Dr. L. Dr. D. Untersuchung am 03.08.2012 17.02.2014 Knie Streckung/Beugung rechts links 0-0-120 0-0-90 0-0-80 0-0-80

Ausgehend von den Bewegungseinschränkungen wäre auf Basis des Gutachtens Dr. L. lediglich für eine einseitige Bewegungseinschränkung (Kniegelenk links) ein GdB-Rahmen von 0 bis 10 eröffnet; nach dem Gutachten von Dr. D. wäre ein GdB-Rahmen von 10-20 eröffnet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht eine Kniegelenkserkrankung sondern die Adipositas nach den Ausführungen von Dr. D. die Beweglichkeitseinschränkung verursacht.

Für eine Lockerung des Kniebandapparates ist ein GdB von 10 vorgesehen bei muskulärer Kompensierbarkeit, ein GdB von 20 bei unvollständiger Kompensierbarkeit und Gangunsicherheit sowie ein GdB von 30 bis 50 bei Versorgung mit einem Stützapparat, je nach Achsenfehlstellung (B Nr. 18.14 VG). Darüber hinaus sehen die VG unter B Nr. 18.14 für ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, einseitig ohne Bewegungseinschränkung einen GdB-Rahmen von 10 bis 30, mit Bewegungseinschränkung einen GdB-Rahmen von 20 bis 40 vor.

Zwar hat auch Dr. D. ausgeprägte Knorpelschäden darlegen können, doch konnte er weder einen Reizzustand feststellen noch Gelenkergüsse. Auch eine Lockerung des Bandapparates konnte er nicht objektivieren. Dagegen hat Dr. L. bei seiner Begutachtung einen aktuellen Erguss am linken Knie feststellen können, ebenso ein retropatellares Knirschen. Jedoch lässt sich aus der einmaligen Feststellung eines Ergusses kein anhaltendes Phänomen ableiten; vielmehr spricht der Befund für einen einmaligen Erguss, zumal sich auch nach den im Verfahren vorliegenden Unterlagen zu keinem anderen Zeitpunkt Ergüsse bzw. Bandlockerungen oder retropatellares Knirschen nachweisen ließen.

Sowohl Dr. L. als auch Dr. D. haben die Funktionsbeeinträchtigungen beider Kniegelenke zusammen mit einem Teil-GdB von 30 bewertet. Dem kann sich der Senat anschließen. Dabei ist vor allem berücksichtigt worden, dass durch die beidseitige Betroffenheit der Knie die Ausgleichsfähigkeit der Klägerin eingeschränkt ist. Soweit das SG hier einen Teil-GdB von 40 angenommen hat, folgt ihm der Senat dagegen nicht. Nachdem anhaltende Reizerscheinungen nicht festgestellt werden konnten, insbesondere Ergüsse oder Bandinstabilitäten, konnte sich der Senat gerade nicht davon überzeugen, dass jedenfalls einseitig, wie vom SG angenommen, der Teil-GdB mit 30 nach der Bewertungstabelle für Knorpelschäden zu bemessen wäre. Eine beidseitige Bewegungseinschränkung ergibt erst dann einen GdB 40, wenn eine beidseitige relevante Streckhemmung von 10° vorliegt; eine Beugehemmung bis 80° ist nach Dr. D. dagegen funktionell weniger belastend, weshalb jedenfalls die bei der Klägerin bestehende beidseitige Kniebeeinträchtigung ohne Streckhemmung mit dem Teil-GdB 30 nicht zu niedrig bewertet ist. Der Senat sieht sich auch durch die Auskunft des behandelnden Orthopäden Dr. F. gegenüber dem SG bestätigt, der die versorgungsärztliche Einschätzung eines Teil-GdB von 30 ausdrücklich bestätigt hatte.

Zusammenfassend ist im Funktionssystem der Beine - unter Zugrundelegung eines Teil-GdB vom 30 für beide Kniegelenke und 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Hüftgelenke und integrierender Betrachtung - ein Einzel-GdB von 30 zu bilden. Dabei ist berücksichtigt, dass angesichts der Behinderungen an den beiden Kniegelenken und der Hüfte die Ausgleichsfunktion eingeschränkt ist.

Der Bluthochdruck und die von Dr. L. angegebene Schilddrüsenunterfunktion ergeben jeweils keinen höheren Einzel-GdB als 10. Unter Berücksichtigung der Vorgaben von B Nr. 9.3 VG und B Nr. 15.6 VG lassen sich GdB-Werte annehmen, da es sich vorliegend jeweils um leichte Erkrankungen handelt, die zu keinen weiteren Folgeerkrankungen geführt haben, und die Klägerin Medikamente lediglich für die Schilddrüsenerkrankung einnimmt (vgl. die Medikamentenanamnese von Dr. L., Blatt 55 der SG-Akte = Seite 3 des Gutachtens). Die in der Klage behaupteten Schwindel- und Hitzeanfälle konnten auch vom behandelnden Arzt Dr. S. nicht bestätigt werden.

Die Adipositas per magna bedingt nach B Nr. 15.3 VG allein keinen GdB. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können nach den bindenden Vorgaben der VG die Annahme eines GdB begründen. Daher hat der Senat die Folgen der Adipositas per magna dort berücksichtigt.

Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen. Die sonstigen bereits berücksichtigten Funktionsbehinderungen sind auch nach Prüfung durch den Senat zutreffend bewertet.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Arztauskünfte und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen, nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB mit 30, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Arme (Daumen), - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des der Beine (Hüfte/Knie), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der inneren Sekretion und Stoffwechsel (Schilddrüsenunterfunktion) und - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Herz-Kreislaufs (Bluthochdruck), - wobei Teil-GdB-Werte von 10 regemäßig nicht erhöhend wirken - zu bemessen. Dabei hat der Senat besonders berücksichtigt, dass die angegebenen Schmerzen sowohl die Wirbelsäule betreffen als auch Auswirkungen auf die Hüftbeweglichkeit haben. Auch dass die Adipositas per magna sich in allen beeinträchtigten Funktionssystemen bemerkbar macht, ist berücksichtigt worden. Ebenfalls ist berücksichtigt, dass die Ausgleichsfunktion durch die Behinderungen im Funktionssystem der Beine beeinträchtigt ist. Insoweit sind zwar einzelne Funktionsbehinderungen unabhängig voneinander (z.B. Bluthochdruck, Schilddrüsenunter-funktion, Daumen, Wirbelsäule) doch sind diese jeweils lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten, der den Gesamt-GdB nicht erhöht.

Der anderweitigen GdB-Beurteilung durch das SG kann der Senat nicht folgen. Denn er konnte die Bewertung der funktionellen Kniegelenksbeeinträchtigungen einseitig mit einem Teil-GdB von 20 bzw. 30 nicht teilen.

Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 30 ist im Vergleich zum Bescheid vom 30.07.2003 keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X eingetreten, weshalb die Klägerin auch keinen Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des GdB hat. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus dem Vergleichsangebot des Beklagten vom 19.11.2012 (Blatt 68/70 der SG-Akte), denn die Klägerin hat das Vertragsangebot abgelehnt, weshalb der Beklagte hieran nicht mehr gebunden ist (§ 146 BGB).

Auf die Berufung war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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