Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 3022/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 2635/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2014 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1. Der Kläger begehrt in einem Überprüfungsverfahren (Zugunstenverfahren) die Zurücknahme eines Ablehnungsbescheids und die Feststellung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ("Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische").
2. Der am 06.05.1971 geborene Kläger war vom 01.09.1994 bis zum Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit im Mai 2001 als Industriemechaniker bzw. Betriebsschlosser bei einem Mitgliedsunternehmen der beklagten Berufsgenossenschaft tätig. Er war dabei Lösemitteln in der Atemluft ausgesetzt und hatte bei Reparaturen auch Hautkontakt zu ihnen. Ferner war er verschiedenen Feinstäuben ausgesetzt. Das genaue Ausmaß der Einwirkungen ist unter den Beteiligten streitig.
3. Das ursprüngliche Feststellungsverfahren gestaltete sich wie folgt:
a) Am 19.06.2001 zeigte Nervenarzt und Umweltmediziner Dr. B. bei der Krankenkasse des Klägers den Verdacht auf eine BK an. Der Kläger leide seit Februar 2001 an Schmerzen in mehreren Gelenken, an Müdigkeit und Leistungsverlust sowie einer zunehmenden chemischen Überempfindlichkeit. Er habe selbst den Verdacht, dass diese Beschwerden mit der jahrelangen Arbeit mit toxischen Substanzen zusammenhingen. Die Krankenkasse leitete die Anzeige an die Beklagte weiter, wo sie am 21.06.2001 einging. Diese beauftragte im Juli 2001 den Neurologen und Psychiater Dr. B. mit einer Untersuchung.
In dem sozialmedizinischen Gutachten vom 17.12.2001 diagnostizierte Dr. S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), gestützt auf mehrere Unterlagen behandelnder Ärzte, eine seropositive chronische progrediente Polyarthritis. Insoweit bestehe eine familiäre Vorbelastung durch die Mutter. Die Krankheit werde durch die Exposition mit chemischen Toxen am Arbeitsplatz eventuell - im Sinne einer zusätzlichen Immunstimulation - verschlimmert. Diesem Gutachten waren eine Arbeitsplatzbeschreibung und die Vorgaben des Arbeitgebers für den Arbeitsschutz beigefügt.
Dr. B. erstattete sein Gutachten, das sich auf eine Untersuchung am 10.10.2001 stützte, unter dem 18.01.2002. Er gab hierbei - lediglich - eine einseitige Leistungsverzögerung des Nervus tibialis rechts an, was für eine Polyneuropathie außergewöhnlich sei und differenzialdiagnostisch eher an eine zuvor durchgemachte Lumboischialgie denken lasse.
Im Februar 2002 übersandte der Betriebsarzt der Arbeitgeberin des Klägers, Dr. B., einen Schriftwechsel zwischen sich und der Allgemein- und Umweltmedizinerin Dr. D. an die Beklagte. Dr. D. hatte unter dem 22.01.2002 neben einer seropositiven rheumatoiden Arthritis eine toxische Enzephalopathie, eine Neuropathie und eine Myopathie bei zunehmender chemischer Überempfindlichkeit und Leistungsstörungen nach langjähriger arbeitsbedingter Belastung mit Lösemitteln diagnostiziert. Dr. B. hatte mit Schreiben vom 19.02.2002 dieser Diagnose widersprochen und auf die Schutzmaßnahmen im Betrieb verwiesen.
Nachdem die staatliche Gewerbeärztin unter dem 21.02.2002 eine BK 1317 mangels ursächlichem Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung nicht zur Anerkennung vorschlug, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.04.2002 eine solche Anerkennung ab. Die erhobenen Befunde ließen nicht auf eine Polyneuropathie schließen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.2002 zurück.
b) Hiergegen erhob der Kläger Klage (S 9 U 2479/02) zum Sozialgericht Freiburg (SG).
Das SG beauftragte Dr. W., den Leitenden Oberarzt der Neurologischen Klinik V, mit einer Untersuchung des Klägers Dieser Sachverständige teilte in seinem Gutachten vom 02.01.2003 mit, bei der Untersuchung im Dezember 2002 sei der Kläger depressiv verstimmt gewesen, insoweit sei der Verdacht auf eine reaktive Depression im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis gestellt worden. Ebenso sei eine alte neurogene Schädigung des musculus tibialis anterior rechts diagnostiziert worden, was gegen eine distal symmetrische und damit gegen eine toxische Polyneuropathie spreche. Wahrscheinlicher sei eine alte Peronaeusdruckschädigung rechts im Zusammenhang mit dem vom Kläger angegebenen Umknicken mit dem rechten Fuß. Für eine Enzephalopathie hätten sich keine sicheren klinischen Hinweise finden lassen. Als Hauptdiagnose hat der Sachverständige, auch unter Hinweis auf die familiäre Vorbelastung des Klägers, eine rheumatoide Arthritis angenommen und hierauf die geklagten Beschwerden zurückgeführt.
Der Kläger trat diesem Gutachten entgegen. Er legte den Arztbrief des Internisten Dr. B. vom 19.02.2003 vor. Dieser hatte ausgeführt, auch die bislang (2001) diagnostizierte seropositive rheumatoide Arthritis sei nicht (mehr) gesichert, es fänden sich keine Hinweise für eine Synovitis oder für eine akute Entzündung. Es bestehe aber auch kein Zweifel an einer durchgemachten Early-Synovitis. Es sei sinnvoll, eine Umschulung in einen nicht lösungsmittelexponierten Arbeitsplatz durchzuführen.
Auch im Hinblick auf Dr. B. Zweifel an der bisherigen Diagnose einer rheumatoiden Arthritis erhob das SG zunächst das weitere Gutachten des Leitenden Arztes der Reha-Klinik K., Dr. D., vom 22.09.2003 nebst neurologisch-psychiatrischem Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters B. vom 07.08.2003. Der Zusatzgutachter ging hierbei im Hinblick auf die Angaben des Klägers über Hypästhesien und Kribbelparästhesien von einer leichten distal-symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie ohne signifikantes elektro-neurophysiolo¬gi¬sches Korrelat aus. Das Elektroenzephalogramm (EEG) bewertete er als pathologisch, jedoch unspezifisch, es spreche für eine Hirnfunktionsstörung, die ätiologisch ungeklärt sei. Der Hauptgutachter Dr. D. berichtete eine unauffällige Magnetresonanztomographie des Schädels, schloss sich hinsichtlich der Polyneuropathie der Beurteilung des Zusatzgutachters an und äußerte einen Verdacht auf eine durchgemachte toxische Enzephalopathie mit diskreten Aufmerksamkeitsstörungen. Wesentliche kognitive Defizite sah er nicht mehr. Auf den Einwand der Beklagten, es fehle eine Auseinandersetzung mit der rheumatoiden Arthritis, führte Dr. D. in der ergänzenden Stellungnahme vom 23.12.2003 aus, diese Diagnose sei nicht gesichert. Die von Dr. B. unzweifelhaft diagnostizierte Early-Sy¬no¬vitis bedeute sinngemäß allenfalls eine Frühform einer möglichen rheumatoiden Arthritis. Insoweit relativiere sich die Diagnose der rheumatoiden Arthritis zu einer Differenzialdiagnose. Gegen eine rheumatoide Arthritis spreche, dass der Kläger auf die Therapie mit Cortison und nichtsteroidalen Antirheumatika nicht angesprochen habe.
Während dieses Klageverfahrens erstattete Dr. D. am 10.03.2004 bei der Beklagten eine weitere BK-Anzeige. Sie führte aus, die bei dem Kläger diagnostizierte seropositive rheumatoide Arthritis sei als "Wie-BK" einzustufen, die durch Feinstäube, insbesondere Silizium- und Titandioxide, verursacht sei. Insoweit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.11.2004 die Anerkennung ab. Es beständen keine (neuen) wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Einwirkungen durch Feinstaub die vom Kläger geklagten Beschwerden an Muskeln und Gelenken verursachen könnten. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 09.03.2005 zurück.
Zwischenzeitlich hatte das SG, auch im Hinblick auf das weitere BK-Verfahren, Dr. B. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität M. mit einer gutachterlichen Untersuchung des Klägers beauftragt.
Auf Anregung dieses Sachverständigen hin ermittelte die Beklagte hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten BK. Sie holte die Auskunft der Arbeitgeberin vom 27.07.2004 ein und ließ die Dipl.-Ing. G. und G. die Arbeitsplatzexposition vom 09.02.2005 erstellen. Hierbei wurden Ergebnisse aus Messungen der Atemluft in dem Betrieb in den 1990-er Jahren beigezogen. In dem Bericht teilten die Ingenieure mit, der Kläger sei mehreren, einzeln genannten Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen, jedoch sei zumindest seit Umbauten in dem Unternehmen 1995/1996 eine Einhaltung der Grenzwerte nachgewiesen, darüber hinaus hätten den Beschäftigten persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung gestanden, gleichwohl könne auch ein Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden, und auch die Expositionsverhältnisse in der Atemluft könnten kurzzeitig, also für unter 30 min, bei bestimmten Verhältnissen über den gemessenen Werten gelegen haben. Eine Konzentration mit narkotisierender Wirkung könne jedoch ausgeschlossen werden. Insgesamt sei eine Induzierung der angeschuldigten BK 1317 - in Bezug auf die Atemluft - nicht wahrscheinlich.
Unter Einbeziehung dieser Ermittlungsergebnisse erstattete Dr. B. das Gutachten vom 07.09.2005. Er hatte neben eigenen Untersuchungen Zusatzgutachten eingeholt, und zwar ein neurologisches bei Dr. K. vom 22.07.2005 und ein neuropsychologisches bei Dipl.-Psych. Dr. S. vom 15.09.2004. Hierbei hatte Dr. S. bei seiner Untersuchung im September 2004 keine Symptome einer Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit gefunden, ebenso wenig Hinweise auf eine depressive Symptomatik. Die aufgefundenen Defizite des Frühjahres 2001 hat er nicht eindeutig auf eine Exposition und Intoxikation am Arbeitsplatz zurückführen wollen. Die wiederholt beschriebene rheumatoide Arthritis könne die Aufmerksamkeitsdefizite ebenso verursacht haben. Dr. K. hatte weder elektrophysiologisch noch klinisch-neurologisch Hinweise auf eine Polyneuropathie gefunden. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden, insbesondere Kribbelparästhesien im Bereich der distalen Extremitätenenden sah er als unspezifisch, möglicherweise im Zusammenhang mit der rheumatoiden Arthritis, jedenfalls nicht als Zeichen einer Polyneuropathie. Auch eine Enzephalopathie erachtete er angesichts des erhobenen normalen EEG, der unauffälligen testpsychologischen Untersuchung durch Dr. S. und des klinischen Eindrucks im Zusammenhang bei der Exploration im September 2004 nicht als nachgewiesen. Die Beschwerden des Klägers führte er auf die Initialphase der dokumentierten entzündlich-rheumatischen Erkrankung zurück. Der Hauptgutachter Dr. B. ging bei seiner Beurteilung von nachgewiesenen Aufmerksamkeitsdefiziten im Jahr 2001 sowie pränarkotischen Symptomen des Klägers während der Exposition gegenüber den Lösungsmitteln aus. Er erachtete eine Enzephalopathie im Jahre 2001 zwar als möglich, jedoch nicht als gesichert, weil die für 2001 dokumentierten Leistungseinschränkungen auch durch eine leichte depressive Symptomatik, möglicherweise im Zusammenhang mit der rheumatischen Erkrankung, hervorgerufen worden sein könnten. Eine Differenzierung zwischen toxischer und depressiver Verursachung der damaligen Leistungsminderungen sei retrospektiv nicht mehr möglich. Eine Polyneuropathie sei durch das Gutachten von Dr. K. zweifelsfrei ausgeschlossen. Die Kribbelparästhesien seien jedenfalls nicht polyneuropathischer Genese, vielmehr unspezifisch, möglicherweise stünden sie im Zusammenhang mit der rheumatischen Erkrankung.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 08.02.2006 wies das SG die Klage ab. Weder eine Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie sei nachgewiesen. Das SG stützte sich dabei maßgeblich auf das Gutachten von Dr. B. nebst Zusatzgutachten.
c) Der Kläger legte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, L 10 U 1025/06) ein. Er verwies darauf, ein von dem Radiologen Dr. H. durchgeführtes Positronen-Emissions-Tomogramm (PET) vom 10.12.2003 bestätige eine Enzephalopathie. Ferner berief er sich auf die Stellungnahme von Dr. B. vom 30.06.2001 sowie einen Verlaufsbericht der Neurologin Dr. G. vom 06.06.2006.
Im Hinblick darauf holte das LSG die ergänzende Stellungnahme von Dr. B. vom 13.01.2007 ein. Dieser führte aus, gerade die dokumentierte leichte Depression könne Veränderungen im PET und in der Testpsychologie verursachen, egal wodurch sie verursacht worden sei. Durch das PET würde nur eine geringe Glukose-Utilisationsstörung bestätigt, über die Ursache könne diese Untersuchungsmethode keine Aussage machen. Im Übrigen blieb er bei seiner Einschätzung eines fehlenden Nachweises einer Polyneuropathie und einer Enzephalopathie.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers erhob das LSG das Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Prof. Dr. E. vom Institut für Arbeitsmedizin der Universität F. vom 26.11.2007 mit neurologischem Zusatzgutachten von Dr. K. vom 23.08.2007 sowie neuropsychologischem Zusatzgutachten von Dr. R. vom 22.11.2007. Dr. K. wertete die akuten Symptome des Klägers im Jahr 2001 als Zeichen einer entzündlichen Erkrankung im Sinne einer rheumatoiden Arthritis. Zu denken sei auch an eine entzündliche Muskelerkrankung oder eine Neuroborreliose, wobei für letztere keine Liquorbefunde vorlägen. Mit Sicherheit könne klinisch und elektrophysiologisch eine Polyneuropathie ausgeschlossen werden. Für eine Enzephalopathie ergebe sich kein Hinweis, leichte kognitive Einbußen könnten nur im Rahmen der psychologischen Untersuchung festgestellt werden. Dr. R. beschrieb auf Grund der Untersuchung des Klägers im Juli 2007 eine geminderte intellektuelle Leistungsfähigkeit als wahrscheinliche Folge einer diffusen Funktionsstörung des Gehirns. Der Befund könne die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie stützen, jedoch nicht beweisen, da jede andere diffuse Schädigung des Gehirns zu ganz ähnlichen psychischen Störungen führen könne. Die Hauptgutachterin Prof. Dr. E. verneinte eine Polyneuropathie. Eine solche Erkrankung sei niemals diagnostiziert worden. Allenfalls seien einseitige Auffälligkeiten an den Nerven gesehen worden, eine Polyneuropathie gehe jedoch in der Regel mit beidseits gleichen Beeinträchtigungen einher. Im Hinblick auf die Beurteilung von Dr. R. diagnostizierte sie eine - jetzt bestehende - Enzephalopathie, differenzialdiagnostisch jedoch auch eine rheumatoide Arthritis bzw. eine Neuroborreliose. Das Krankheitsbild sei jedoch untypisch für eine lösemittelbedingte Nervenerkrankung. Dagegen spreche die nur kurze Expositionszeit von sechseinhalb Jahren, das im Jahr 2001 sehr plötzlich und akut auftretende Krankheitsbild sowie die festzustellende Verschlechterung des Zustandes.
Auf Grund von Einwänden des Klägers teilte Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 21.08.2008 mit, das PET sage mit der dort nachgewiesenen Reduktion des Stoffwechsels des Gehirns nichts über deren Ursache aus. Eine einseitige Polyneuropathie sei unüblich, eher bandscheibenbedingt. Die Diagnose einer Polyneuropathie setze objektive elektrophysiologische Befunde voraus, subjektive Angaben genügten hierfür nicht. Die von Dr. K. angesprochene Borrelieninfektion sei zwar unwahrscheinlich, jedoch nicht gänzlich auszuschließen. Dass im Blut des Klägers Lösemittelspuren festgestellt worden seien, sei für die Diagnose einer Erkrankung im Sinne der BK 1317 irrelevant. Die früher erhobenen Laborwerte deuteten auf eine chronische Arthritis hin, die Symptome entsprächen dem; auch Kribbelparästhesien hingen damit zusammen. Gegen die Diagnose einer rheumatoiden Erkrankung spreche allerdings, dass die Cortisontherapie ohne Erfolg geblieben sei. Im Übrigen ist sie bei ihrer Einschätzung geblieben, wonach keine Polyneuropathie vorliege und eine Enzephalopathie nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Expositionen bei der früheren Arbeitgeberin zurückzuführen sei.
Der Kläger legte im weiteren Verlauf die Stellungnahmen seines Behandlers Dr. B. vom 17.09.2008, vom 08.11.2009 und vom 13.03.2010 vor.
Mit Beschluss vom 20.05.2010 wies das LSG die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 08.11.2005 zurück. Es stützte sich ebenfalls im Wesentlichen auf die Angaben des Sachverständigen Dr. B. und folge den Einwänden von Prof. Dr. E. weitgehend nicht. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf jenen Beschluss verwiesen.
d) Die beim Bundessozialgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 04.08.2010 (B 2 U 175/10 B) als unzulässig verworfen.
4. Am 02.12.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 11.04.2002 zurückzunehmen.
a) Der Kläger führte im Antragsverfahren aus, die damalige Ablehnung sei rechtswidrig, weil inzwischen eine Enzephalopathie zweifelsfrei diagnostiziert worden sei. Dies ergebe sich aus einem Bericht von Dr. D. vom 06.11.2010. Die Beklagte lehnte die Rücknahme jedoch mit Bescheid vom 12.01.2011 ab. Neue Erkenntnisse, die für die Unrichtigkeit des Bescheides sprächen, seien nicht ersichtlich. Nach dem Ergebnis der im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen liege kein Erkrankungsbild im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 vor.
Im Vorverfahren legte der Kläger unter anderem die Berichte der Dr. G. vom 02.12.2002 und des Umweltmediziners Dr. M. vom Universitätsklinikum F. vom 17.03.2004 vor, in denen u.a. nochmals die akuten Beschwerden im Frühjahr 2001 geschildert waren. Die Beklagte wies den Widerspruch aber mit Bescheid vom 06.05.2011 zurück.
b) Deswegen hat der Kläger am 08.06.2011 Klage zum SG erhoben. Er hat vorgetragen, eine Enzephalopathie sei zwischenzeitlich zweifellos diagnostiziert. Außerdem müsse aufgrund vorhandener Befundberichte vom Vorliegen einer Polyneuropathie ausgegangen werden. Eine Depression sei zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden und habe auch zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst von Amts wegen das Gutachten vom 25.11.2011 bei dem Neurologen Dr. C. erhoben. Dieser Sachverständige hat im Wesentlichen eine Polyneuropathie ausgeschlossen, aber eine Enzephalopathie angenommen; diesen Begriff allerdings nicht als Diagnose, sondern als Sammelbezeichnung für krankhafte Veränderungen des Gehirns unterschiedlicher Ursache und Ausprägung bezeichnet. Eine neurotoxische Verursachung hat Dr. C. für unwahrscheinlich gehalten, die Symptomatik und der Verlauf seien insoweit untypisch. Daher könne ein Ursachenzusammenhang zu einer beruflichen Exposition nicht angenommen werden. Wegen der weiteren Ausführungen des Sachverständigen wird auf sein Gutachten verwiesen.
Der Kläger ist diesem Gutachten unter anderem unter Vorlage eines Gedächtnisprotokolls über die Untersuchung entgegengetreten. Ferner hat er die Stellungnahme von Dr. D. vom 10.01.2012 vorgelegt, in der ausgeführt wird, die von Dr. C. erwogene "neurodegenerative" Ursache meine eine Demenz, es sei aber nicht erklärt, was bei einem damals 30-jährigen völlig gesunden Mann eine Demenz habe auslösen sollen. Die Enzephalopathie sei mit Sicherheit toxisch verursacht.
Dr. C. hat in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 19.03. und vom 29.03.2012 ausgeführt, das Gedächtnisprotokoll spreche für eine relativ gute Konzentrations- und Merkfähigkeit des Klägers und gegen eine höhergradige Störung. Im Übrigen ist er bei seinen Einschätzungen geblieben.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG sodann Prof. Dr. F. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Auf dessen Anregung hin hat das SG, ebenfalls auf Antrag des Klägers, ein neuropsychologisches Zusatzgutachten bei Prof. Dr. H. beauftragt. Prof. Dr. H. hat nach Durchführung mehrerer psychischer Testverfahren, darunter des Ray-Memory-Tests (RMT) in dem Gutachten vom 26.03.2013 ausgeführt, die Authentizität der vom Kläger dargebotenen Symptomatik sei zweifelhaft. Es handle sich um eine Symptompräsentation im Sinne einer Simulation, Aggravation oder eine durch unbewusste Steuerung hervorgerufene Somatisierungsstörung. Es zeige sich ein hochpathologisches Beschwerdebild. Prof. Dr. F. hat in dem Hauptgutachten vom 19.05.2013 angenommen, die von Prof. Dr. H. begründeten Diskrepanzen seien durch eine Persönlichkeitsstörung verursacht, die ihrerseits eine typische Folge von Einwirkungen durch Gemische organischer Kohlenwasserstoffe wissenschaftlich begründet regelhaft auftrete. Es handle sich um eine für das Alter des Klägers ungewöhnlich starke und frühe, aber für eine Enzephalopathie typische Veränderung. Die berufliche Verursachung sei unzweifelhaft. Es liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. vor. Wegen der Feststellungen und Schlussfolgerungen der beiden Sachverständigen im Einzelnen wird auf die Gutachten Bezug genommen.
Zu diesen Gutachten haben beide Beteiligte Stellung genommen.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 24.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des bindenden Ablehnungsbescheids vom 11.04.2002 und die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV. Eine Polyneuropathie stehe aufgrund der vom Sachverständigen Dr. C. erhobenen und für das SG nachvollziehbar ausgewerteten Befunde nicht fest. Vom Kläger beklagte Kribbelmissempfindungen in den Extremitäten seien zwar, wie der Sachverständige dargelegt habe, an sich ein typisches Syndrom einer Polyneuropathie. Ein klinisch oder elektrophysiologisch objektivierbarer pathologischer Befund finde sich diesbezüglich aber nicht. Es beständen keine motorischen Ausfälle im Sinne einer Muskelatrophie oder einer Muskelschwäche und keine trophischen oder vegetativen Störungen und keine Reflexausfälle, wie sie bei einer Polyneuropathie zu erwarten wären. Dr. C. stelle zwar psychopathologische Veränderungen fest, die nach seiner Einschätzung in ihrer Gesamtheit für eine hirnorganische Symptomatik sprächen und die Diagnose einer Enzephalopathie begründeten. Demgegenüber bewerte der Sachverständige Prof. Dr. H. jedoch die bei der Untersuchung des Klägers festgestellten Symptome als Ausdruck einer unplausiblen Symptompräsentation und gehe von Simulation, Aggravation oder einer durch eine unbewusste Steuerung hervorgerufenen Somatisierungsstörung aus. Prof. Dr. H. gelange zur Diagnose eines hochpathologischen Persönlichkeitsbildes mit einem hohen Ausmaß hypochondrischer, depressiver, hysterischer und psychasthenischer Tendenzen und Anzeichen einer paranoid¬-schizoiden Persönlichkeitsstruktur sowie einer klinisch relevanten Depression. Aufgrund dieser für das SG überzeugenden Ausführungen stehe auch eine Enzephalopathie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest. Demgegenüber bejahe zwar der umweltmedizinische Sachverständige Prof. Dr. F. eine BK 1317. In dem sehr umfangreichen Sachverständigengutachten erfolge jedoch die diagnostische Sicherung einer Enzephalopathie oder einer Polyneuropathie nicht. Es handele sich um Krankheiten, die Fachkompetenz auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet erforderten.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 22.05.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 20.06.2014 Berufung zum LSG erhoben. Er trägt vor, insbesondere sei zu berücksichtigen, dass er bereits mit 30 Jahren erkrankt sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Mai 2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 11. April 2002 zurückzunehmen und das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Aufgrund der Ergebnisse der nunmehr vorliegenden zahlreichen Ermittlungen sei nicht vom Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 auszugehen.
Prof. Dr. F. hat die ergänzende Stellungnahme vom 05.10.2014 vorgelegt. Darin führt er aus, er habe in dem Gutachten die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie gestellt. Aus den progredienten Defiziten und den ständigen expositionsbedingten Verschlechterungen ergebe sich der geforderte Vollbeweis.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 SGG erhoben.
2. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 SGG) des Klägers abgewiesen. Es besteht kein Anspruch auf Rücknahme des bindenden (§ 77 SGG) Ablehnungsbescheids vom 12.04.2002, weil kein Anspruch auf (behördliche) Feststellung der geltend gemachten BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV besteht.
a) Die Voraussetzungen für die Zurücknahme bindender Bescheide nach § 44 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und die behördliche Feststellung einer Berufskrankheit als Form eines Versicherungsfalles (§§ 7, 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]), insbesondere an die unterschiedlichen Beweismaßstäbe bei der Feststellung der verschiedenen Voraussetzungen hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf jene Ausführungen. Zu ergänzen ist lediglich:
Die objektive Beweislast für die Feststellung verändert sich nicht deshalb, weil in einem Überprüfungsverfahren vorgegangen wird. Ist ein Bescheid bestandskräftig und kann der belastete Adressat nur nach § 44 Abs. 1 SGB X vorgehen, so kann es zwar sein, dass die Beweislast für bestimmte Umstände bei ihm liegt, auch wenn sie in dem ursprünglichen Verfahren auf Seiten der Behörde lagen (BSG, Urt. v. 25.06.2002, B 11 AL 3/02 R, Juris Rn. 17). Eine solche Beweislastumkehr steht hier jedoch nicht in Rede, da auch in dem (erstmaligen) Verwaltungsverfahren zur Anerkennung einer BK die materielle Beweislast bei dem Versicherten liegt. Der Beweismaßstab jedenfalls, der für einzelne Merkmale den Vollbeweis verlangt und für andere eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichen lässt, ändert sich auch im Überprüfungsverfahren nicht, weil ein Verwaltungsakt nur in dem Rahmen "unrichtig" im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X sein kann, wie er gegen materiellrechtliche Vorschriften verstößt, zu denen auch das Beweismaß gehört.
Auch eine Erkrankung ist nur dann eine BK, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf eine berufliche Einwirkung zurückzuführen ist. Dabei muss die Erkrankung "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit bzw. der Einwirkung auf den Versicherten und der maßgebenden Erkrankung (vgl. Bayerisches LSG, Urt. v. 09.11.2006, L 3 U 373/04, Juris Rn. 27 m.w.N.). Soweit Berufskrankheiten in Rede stehen, bei denen schon auf medizinischer Ebene, also zur Diagnosestellung, Fragen der Einwirkung relevant sind, verbleibt es bei der Anforderung, dass die Krankheit im Vollbeweis gesichert werden muss. Dies ist auch gerade bei der BK 1317 relevant. Auch hier muss entweder eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie im Vollbeweis nachgewiesen werden. Zusätzlich muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verursachung durch organische Lösungsmittel und deren Gemische feststehen (vgl. Bayerisches LSG, Urt. v. 06.11.2013, L 2 U 558/10, Juris Rn. 49).
Kommt das Gericht nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten und unter Würdigung aller feststellbaren Indizien auch im Rahmen dieser unterschiedlichen Maßstäbe nicht zu einer positiven Überzeugung nach § 128 Abs. 1 SGG, so geht dies in einem Verfahren über die Feststellung einer BK grundsätzlich zu Lasten des Versicherten, der sich eines Anspruchs berühmt. Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Sozialleistungsträgers, kommt demgegenüber nicht in Betracht. Soweit die Sozialgerichte eine Beweislastumkehr für solche Umstände annehmen, die allein in der Sphäre der (materiell) nicht beweisbelasteten Partei liegen und die die andere Partei (deshalb) wegen fehlender Beweisnähe nicht oder nur mit unzumutbar hohem Aufwand beweisen kann (vgl. BSG, Urt. v. 24.05.2006, B 11a AL 7/05 R, Juris Rn. 33), kann diese Fallgruppe keine Gesundheitsschäden betreffen, denn diese können per definitionem nicht in der Sphäre des Sozialleistungsträgers liegen.
b) Gegenstand des Verfahrens ist nur die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV. Nur auf diese BK bezieht sich der angegriffene Bescheid der Beklagten im Überprüfungsverfahren vom 12.01.2010, nur darauf hatte sich das vorangegangene Verfahren bezogen. Maßgebend für diese BK ist das Vorliegen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie. Ob stattdessen eine andere - durch Lösungsmittel oder andere berufliche Einwirkungen wie z.B. Stäube verursachte - Erkrankung vorliegt, etwa einer BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV oder einer "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII, ist daher in diesem Verfahren nicht zu klären. Dies gölte insbesondere für die Frage, ob eine etwaige rheumatoide Arthritis, die bei dem Kläger zeitweise diagnostiziert war, auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen ist oder war.
c) Eine Polyneuropathie, die eine der beiden von der BK Nr. 1317 erfassten Erkrankungen, liegt bei dem Kläger bereits auf medizinischer Ebene nicht vor:
aa) Bei eine Polyneuropathie handelt es sich um eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sie wird nach der ICD-10 (Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation [WHO]) klassifiziert als G62.2 bei toxischer oder G62.9 bei unbekannter Verursachung, wobei nur eine toxische Verursachung die Vor¬aussetzungen der BK erfüllt. Die Polyneuropathie betrifft die peripheren Bereiche des Nervensystems und äußert sich daher in senso-motorischen Beeinträchtigungen wie Paresen, Muskelatrophien, erloschenen Muskeleigenreflexen oder Sensibilitätsstörungen verschiedener, insbesondere axonaler Art. Die Diagnose kann auf der Basis typischer klinischer Befunde (Paresen, Muskelatrophien, erloschene Muskeleigenreflexe, Sensibilitätsstörungen in Form handschuh- und sockenförmiger Hypästhesien) und mittels neurophysiologischer Methoden (EMG, Neurographie, evozierte Potentiale) gestellt werden (Schönberger/Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 241).
bb) Solche Funktionsbeeinträchtigungen liegen bei dem Kläger nicht vor und lagen auch in der hier streitigen Zeit seit 2001 - also passager im Sinne einer vorübergehenden BK - nicht vor.
Dies hat das LSG bereits in dem Beschluss vom 20.05.2010 in dem Verfahren L 10 U 1025/06 für die Zeit bis zum Erlass jener Entscheidung festgestellt. Das LSG hat damals zur Polyneuropathie festgestellt:
Eine Polyneuropathie ist auf Grund der durchgeführten Sachaufklärung auszuschließen. In sämtlichen diesbezüglich durchgeführten elektrophysiologischen sowie klinischen Untersuchungen haben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer derartigen Polyneuropathie ergeben. Bereits Dr. B. konnte keine auffälligen symmetrischen krankhaften Befunde feststellen und ordnete die einseitige Leitungsverzögerung des Nervus tibials rechts einer Lumboischialgie zu, was Dr. W. in seinem Gutachten für das Sozialgericht bestätigt hat. In den späteren Untersuchungen hat sich diese Leitungsverzögerung nicht mehr gefunden (Dr. K. und Dr. B. übereinstimmend: Normalbefund). Dementsprechend haben die Sachverständigen des neurologischen Fachgebietes Dr. K. und Dr. B. und ihnen folgend Dr. C. und Prof. Dr. E. eine Polyneuropathie in ihren Gutachten ausgeschlossen. Soweit der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Bauhaus und ihm folgend Dr. D. eine leichte distal-symmetrische sensomotorische Polyneuropathie diagnostiziert haben, beruht diese Diagnosestellung allein auf den subjektiven Angaben des Klägers über Hypästhesien und Kribbelparästhesien, die nach Ansicht von Dr. K. unspezifischer Genese sind. Damit aber lässt sich die Diagnose einer Polyneuropathie nicht sichern. Dies hat Prof. Dr. E. auf Einwände des Klägers hin in ihrer ergänzenden Stellungnahme überzeugend dargelegt. Maßgebend sind vielmehr die elektrophysiologischen sowie die objektivierbaren klinischen Befunde. Hierauf haben auch Dr. K. und Dr. B. abgestellt. Hinzu kommt, dass auch die in Rede stehende, zwar von Dr. B. nicht gesicherte, aber auch nicht auszuschließende rheumatoide Arthritis derartige Symptome, wie sie der Kläger schilderte, verursachen kann (so ausdrücklich Dr. K. und Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme). Dass der Kläger zumindest an einer - so Dr. D. und Dr. K. in ihren Gutachten für das Sozialgericht - Frühform dieser rheumatoiden Arthritis im Sinne einer Early-Synovitis litt, ergibt sich aus der Beurteilung von Dr. B. in seinen Berichten von Juli 2001 und Februar 2003. Die Hausärztin Dr. D. jedenfalls ist später auf Grund der von ihr erhobenen Laborparameter und im Hinblick auf die auch von Dr. B. zweifelsfrei diagnostizierte Early-Synovitis von einer rheumatoiden Arthritis ausgegangen (vgl. ihre BK-Anzeige vom März 2004).
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Auch die späteren, im Überprüfungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten begründen keinen Zweifel daran, dass die damalige Feststellung richtig war:
Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 25.11.2011 ausgeführt, eine Polyneuropathie sei nicht festzustellen, da ein klinisch oder elektrophysiologisch objektivierbarer Befund fehle und auch die bei einer Polyneuropathie zu erwartenden klinischen Symptome fehlten. Der Kläger hatte bei Dr. C. zwar ein vermindertes Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfinden - nur - an allen Fingerkuppen angegeben, auch insoweit hatten aber die in der arbeitsmedizinischen Literatur geforderten elektrophysiologischen Untersuchungen - hinsichtlich der oberen Extremitäten also die Elektromyographie, die Elektroneurographie und die SEP-Untersuchung der evozierten Potenziale keine pathologischen Befunde ergeben. Diese Ergebnisse reichen aus, um die fraglichen Symptome als nicht nachgewiesen anzusehen. Wie Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.03.2012 überzeugend und im Einklang mit der genannten arbeitsmedizinischen Literatur ausgeführt hat, reicht die Angabe einer Sensibilitätsstörung ohne objektivierbare Anzeichen nicht aus, die fragliche Diagnose zu stellen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. vom 19.05.2013. Dieser hatte darin die Diagnose einer Polyneuropathie überhaupt nicht gestellt, auch nicht konkludent; es finden sich auch lediglich Ausführungen zu Wesens- oder Persönlichkeitsveränderungen des Klägers, nicht aber zu Missempfindungen der beschriebenen Art. Dies hat der Sachverständige letztlich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.10.2014 bestätigt. Darin hat er - lediglich - klargestellt, er habe eine Enzephalopathie diagnostiziert. Bezug zu einer Polyneuropathie haben lediglich seine Ausführungen, Dr. C. habe bei den elektrophysiologischen Untersuchungen das "autonome Nervensystem" des Klägers ausgeblendet, sodass eine toxische Neuropathie zumindest nicht auszuschließen sei (S. 6). Auch dies ist aber nur eine Mutmaßung und keine entsprechende, begründete Diagnose, zumal Prof. Dr. F. unmittelbar nach diesen Ausführungen wieder zur Erörterung einer Enzephalopathie zurückkehrt, die nicht durch elektrophysiologische Untersuchungen nachgewiesen werden könne.
d) Dagegen kann bei dem Kläger die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt werden. Der Senat konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass diese Erkrankung mit der gebotenen überwiegenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf einer Einwirkung durch Toxien, vor allem die angeschuldigten Lösungsmittel, beruht:
aa) Eine Enzephalopathie wird nach der ICD-10 klassifiziert nach G 92.- bei toxischer Verursachung und nach G93.4 bei sonstiger Verursachung, wobei bei einer toxischen Verursachung der Schlüssel um den angeschuldigten Stoff ergänzt werden soll.
Generell liegt dieser Krankheit klinisch ein organisches Psychosyndrom zu Grunde. Es handelt sich um eine nichtentzündliche diffuse Schädigung des Gehirns, die sich nicht auf bestimmte Regionen beschränkt, sondern das gesamte Organ betrifft. Als Symptome kommen Kopfschmerz, Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, psychische Veränderungen wie eine symptomatische Psychose und zerebrale Herdstörungen in Betracht (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 265. Aufl. 2014, S. 605). Zentral bedingte neurologische Symptome wie unkoordinierte Bewegungen oder Bewegungsstörungen (Ataxie, Dysdiadochokinese, Tremor [unwillkürliches Zit¬tern]) sind eher selten und treten in fortgeschrittenem Krankheitsstadium auf. Die Enzephalopathie zeigt sich vielmehr in Beschwerden wie Müdigkeit, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, emotionale Labilität, verstärkte Reizbarkeit und Persönlichkeits-veränderungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 241 f.). Toxische Enzephalopathien entwickeln sich während oder kurz nach der letzten Exposition, auch wegen der geringen Halbwertzeit der angeschuldigten Gifte. Nicht geklärt ist aber, ob sich die Symptome nach dem Ende der Exposition, ggfs. mit Abstand von einigen Monaten, wieder verbessern (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 241) oder ob sie auch langfristig persistieren oder sich sogar weiter verschlechtern können (so die aktuelle Fassung des Merkblatts zur BK Nr. 1317 des Sachverständigenbeirats [BArbBl 3/2005, S. 49, Abschnitt III]). Anerkannt ist aber, dass für die Diagnose wichtige anamnestische Hinweise wie Alkoholintoleranz und häufige pränarkotische Symptome in unmittelbarem Zusammenhang mit der Exposition stehen. Ferner muss der psychopathologische Befund durch psychologische Testverfahren objektiviert werden, die das Alter des Patienten berücksichtigen. Wegen des z.T. diffusen Krankheitsbildes der toxischen Enzephalopathie sind differentialdiagnostische Abklärungen notwendig, insbesondere müssen andere Erkrankungen wie Demenz, Morbus Alzheimer und die alkoholbedingte Enzephalopathie ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist die gesamte Differentialdiagnostik exogener und endogener (toxischer) Enzephalopathien, traumatischer Psychosyndrome, Affektpsychosen und neurotischer Fehlentwicklungen zu berücksichtigen (vgl. zu allem das genannte Merkblatt, Abschnitt III a.E.). Diese Anforderungen des aktuellen Merkblatts sind nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immer zu beachten, vor allem auch von den medizinischen Sachverständigen (BSG, Beschl. v. 24.07.2012, B 2 U 100/12 B, Juris Rn. 16).
Allerdings ist die Enzephalopathie keine eigenständige medizinische Diagnose, sondern ein Sam-melbegriff für diffuse Veränderungen der Hirnfunktionen, die ganz unterschiedliche Ursachen haben können. Deshalb unterscheiden schon die Klassifikationssysteme verschiedene Formen dieser Erkrankung (vgl. im Einzelnen Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 240 f.). Diese Herangehensweise zeigt sich auch im Gutachten Dr. C. (S. 20 ff.), der die Enzephalopathie als Sammelbegriff für diffuse Veränderungen im Gehirn bezeichnet und daher nach der beruflichen Einwirkung fragt (S. 21).
Vor diesem Hintergrund folgt der Senat insbesondere dem Gutachten von Dr. C ... Dieser Sachverständige hat im Einzelnen bekundet, der jetzige Befund und der Verlauf sprächen für eine Hirnfunktionsstörung mit Koordinationsstörungen als auch psychopathologischen Auffälligkeiten. Die psychopathologischen Veränderungen gingen über das Bild einer isolierten depressiven Störung hinaus. Die klinische Erstmanifestation sei auf Anfang 2001 zu datieren, seitdem bestehe eine langsame Progredienz mit zwischenzeitlich fluktuierenden Ausprägungen. Die für die Diagnose dieses Sammelbegriffs geforderten Kriterien seien hier erfüllt. Der Senat kann dieser diagnostischen Einstufung folgen. Andere Diagnosen als die einer Enzephalopathie sind während des gesamten Krankheitsverlaus nicht gesichert gestellt worden. Gegen die Einordnung als rheumatoide Arthritis spricht vor allem, dass eine antirheumatische Behandlung keine positiven Auswirkungen hatte. Eine alleinige depressive Erkrankung, die ihrerseits aber auch Folge eines Nachlassens der Hirnfunktionen sein kann, erklärt nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. C. nicht das gesamte Beschwerdebild. Noch andere Diagnosen, die in den letzten Jahren genannt worden sind - z.T. nur differenzialdiagnostisch -, etwa die Folgen einer Borreliose oder die Folgen einer Nervendruckschädigung im Fußbereich, sind nicht gesichert worden und erscheinen, betrachtet man die beim Kläger vorliegenden Symptome, auch fernliegend.
bb) Dagegen kann von einer toxischen Verursachung dieser Erkrankung nicht mit der notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
(1) Hierzu hatte das LSG in dem Beschluss vom 20.05.2010 ausgeführt, allerdings nur hilfsweise, nachdem es damals schon nicht der medizinischen Diagnose einer Enzephalopathie gefolgt war:
Unabhängig hiervon wäre bei einer erst auf Grund der von Dr. R. im Juli 2007 und damit mehr als sechs Jahre nach Ende der Expositionszeit durchgeführten Untersuchung zu diagnostizierenden Enzephalopathie ein ursächlicher Zusammenhang mit den Expositionen während der Tätigkeit in der Firma I. S. nicht wahrscheinlich. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen von Prof. Dr. E., die sowohl in ihrem Gutachten wie zusammenfassend in ihrer ergänzenden Stellungnahme dargelegt hat, dass das Krankheitsbild - selbst wenn von der Diagnose einer Enzephalopathie auszugehen wäre - nicht typisch ist für eine lösemittelbedingte Erkrankung. Üblicherweise - so Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme - entwickelt sich die Symptomatik einer toxischen Enzephalopathie schleichend und wird zunächst von den Betroffenen nicht bemerkt. Dann dauert es in der Regel - so Prof. Dr. E. - drei bis fünf Jahre oder länger bevor die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, die Arbeit zu bewältigen. Demgegenüber begann beim Kläger die Erkrankung akut im Februar 2001 und entwickelte sich so rasant, dass der Kläger ab Mai 2001 dauerhaft arbeitsunfähig war und aus dem Erwerbsleben ausschied. Untypisch ist auch die kurze Zeitdauer der Exposition des Klägers gegenüber den organischen Lösemitteln von knapp sieben Jahren. Insoweit hat Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme dargelegt, dass die Exposition üblicherweise mindestens zehn Jahre, häufig 20 oder 30 Jahre beträgt, bevor das Krankheitsbild schleichend beginnt.
Im Falle des Klägers kommt hinzu, dass sich die noch vom Dipl.-Psych. K. Mitte 2001 dokumentierten leichten intellektuellen Leistungseinschränkungen nach Ende der Exposition bis zur völligen Symptomlosigkeit besserten. Insbesondere Dr. S. hat bei seiner testpsychologischen Untersuchung des Klägers im September 2004 keine Einschränkungen festgestellt. Auf diesen Aspekt hat insbesondere Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat hingewiesen. Hiervon geht auch Prof. Dr. E. im Hinblick auf die erhebliche Verschlechterung der intellektuellen Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. R. aus. Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass die klinische Diagnose der lösungsmittelbedingten Enzephalopathie auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Hiervon ist insbesondere auch Prof. Dr. E. sowohl in ihrem Gutachten wie in ihrer ergänzenden Stellungnahme ausgegangen. Indessen handelt es sich - so Prof. Dr. E. - in derartigen Fällen um einen untypischen Verlauf, eine Verschlechterung der Symptomatik ist eher ungewöhnlich. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Denn sie entspricht den derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft (vgl. das auch vom Kläger in Bezug genommene Merkblatt des Bundesministers für Gesundheit und Sozialordnung zur BK 1317 von 2005, BArbBl. 2005, Seite 49; Schönberger/Mehrtens/Va¬len¬tin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 241; BK-Report 2/2007 zur BK 1317, herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Seite 129 ff.), wonach grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der krankmachenden Exposition und dem Krankheitsbeginn besteht, d. h. die Krankheit entwickelt sich während oder kurz nach der beruflichen Exposition. Ein längeres Intervall zwischen letzter Exposition und Krankheitsbeginn ist toxikologisch nicht plausibel, was auch auf die kurzen biologischen Halbwertzeiten der neurotoxischen Lösungsmittel zurückzuführen ist. Nur vereinzelt liegen Berichte über Krankheitsverläufe vor, bei denen es zwei bis drei Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu einer Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit gekommen war (s. hierzu ausführlich die Dokumentation im BK-Report, a.a.O., Seite 130, 138 ff.).
All diese Zweifelsfragen um das Vorliegen einer Enzephalopathie und - falls vorliegend - deren Ursache vermag auch das Gutachten von Dr. D. nicht auszuräumen. Vielmehr hat er in Beantwortung von Frage 1 des Gutachtensauftrages sogar lediglich einen "Verdacht auf durchgemachte toxische Enzephalopathie" diagnostiziert, was auf entsprechende Restzweifel des Sachverständigen hindeutet. Zur Begründung seiner Diagnose beruft er sich auf die Anamnese und im Grunde damit auf die psychogenen Leistungsminderungen. Dass diese nicht zwingend mit dem Vorliegen einer Enzephalopathie zu erklären sind, sondern ebenso gut durch eine depressive Symptomatik hervorgerufen gewesen sein können, ist bereits ausgeführt. Gerade dies hat Dr. D. nicht berücksichtigt.
Auch dieser Einschätzung folgt der erkennende Senat. Ebenso wie damals konnte auch im Überprüfungsverfahren eine toxische Verursachung nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden:
(2) Das von Dr. H. durchgeführte Positronen-Emissions-Tomogramm (PET) vom 10.12.2003, auf das sich der Kläger auch in der jetzigen Berufung maßgeblich berufen hat, lag bereits zur Zeit der damaligen Entscheidung des LSG vor. Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit Dr. C. davon aus, dass sich aus den dort vorhandenen (Labor)befunden nicht ableiten lässt, ob eine toxische Enzephalopathie vorliegt.
(3) Dr. C. hat in seinem Gutachten ausgeführt, die Symptomatik der Enzephalopathie sei unspezifisch, es gebe keine allein für eine toxische Genese typischen Symptome. Als mögliche Ursache kämen sämtliche Faktoren in Betracht, die Gehirnzellen schädigen könnten, von einem Autoimmunleiden über degenerative, erbliche, infektiöse und stoffwechselbedingte Erkrankungen bis hin zu gefäßbedingten Läsionen. Die Zuordnung könne nur unter Abwägung der vielschichtigen einzelnen Faktoren erfolgen, wobei letztlich eine auslösende Ursache nicht immer nachweisbar sei. Ein wesentliches Kriterium stelle der zeitliche Verlauf dar. Bei dem Kläger habe sich die Krankheit erstmals nach sechs Jahren Lösungsmittelexposition manifestiert. Nach dem Ende der gefährdenden Tätigkeit sei die Erkrankung fluktuierend und im Längsschnitt progredient verlaufen, insbesondere 2007 sei eine deutliche Verschlechterung beschrieben worden. Dieser Verlauf spreche gegen eine neurotoxische Schädigung, wenngleich auch - im Merkblatt zur BK 1317 - eine Persistenz oder eine Verschlechterung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließe. Jedenfalls sei eine Progredienz nach primär leichtgradigen Ausfällen untypisch für eine neurotoxische Läsion. Insbesondere untypisch sei eine erneute Verschlechterung nach zwischenzeitlicher Besserung wie hier 2007. Der Beginn der Symptomatik noch während der beruflichen Tätigkeit spreche für eine neurotoxische Schädigung, ungewöhnlich sei jedoch der überaus akute Beginn mit fulminantem Verlauf innerhalb weniger Monate im Jahre 2001 ohne jegliches Vorzeichen in den vorangegangenen sechs Jahren. Diese Entwicklung sei am ehesten typisch für eine Erkrankung aus dem primär neurodegenerativen Formenkreis. Wegen dieser Erwägungen könne ein ursächlicher Zusammenhang nicht festgestellt werden.
Diese Ausführungen erscheinen überzeugend. Dr. C. hat alle relevanten Indizien gewürdigt, die auch aus seiner Sicht eher gegen eine toxische Genese sprechen (vgl. insoweit Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 242). Insbesondere hat er hierbei den zeitlichen Ablauf in den Vordergrund gestellt, vor allem die akute Manifestation der ersten Symptome im Jahre 2001 nach über sechsjähriger Exposition, sowie den fluktuierenden, im Querschnitt aber progredienten Verlauf nach der Aufgabe der angeschuldigten Tätigkeit. Die Würdigung dieser Indizien erscheint überzeugend. So hat Dr. C. durchaus darauf hingewiesen, dass eine Verschlechterung nach dem Ende der Exposition - auch nach der Neufassung des Merkblatts zur BK 1317 - nicht zwingend gegen eine berufliche Verursachung spreche, aber nach primär nur leichtgradigen Ausfällen bei der Erstmanifestation untypisch sei. Vor allem hat er darauf hingewiesen, dass eine sekundäre Verschlechterung nach zwischenzeitlicher Verbesserung - wie beim Kläger bis 2004 und dann wieder ab 2007 - untypisch sei. In der Tat ist dies kein progredienter Verlauf, sondern ein solcher, der auf eine fortbestehende Ursache hindeutet, die aber nach 2001 nicht mehr die angeschuldigte Tätigkeit gewesen sein kann.
(4) Ferner sind die gegen eine toxische Verursachung sprechenden Indizien - die akute Erstmanifestation als untypische Symptomatik, eine zu kurze Expositionsdauer von unter zehn Jahren, der fluktuierende Verlauf nach dem Ende der Einwirkungen und eine - nach Einhaltung der Grenzwerte im Betrieb der Arbeitgeberin - geringe Expositionsmenge - nicht widerlegt worden. Soweit der Kläger meint, bei ihm sei aus genetischen Gründen der Schadstoffabbau im Körper gestört, was sich aus den bei Dr. D. durchgeführten Blutuntersuchungen ergebe, erklärt dies allenfalls eine Erkrankung nach kürzerer als üblicher Expositionsdauer, aber nicht das akute Auftreten der Symptome. Dass sich der fluktuierende Verlauf durch die Behandlung bei Dr. D. erkläre, überzeugt den Senat nicht, denn es nicht ersichtlich, warum diese Behandlung zunächst erfolgreich gewesen sein soll, dann aber ab 2007 wieder eine massive Verschlechterung aufgetreten ist. Und letztlich sind denkbare nicht-toxische Alternativursachen nicht ausgeräumt, z.B. eine entzündliche Erkrankung oder eine altersvorauseilende Neurodegeneration, die auch Dr. C. als sogar sehr denkbar genannt hat. Nachdem die Ursachen einer solchen degenerativen Erkrankung im Hirngewebe nicht bekannt sind, lässt sich hiergegen auch nicht allein auf das junge Alter des Klägers abstellen.
cc) Nachdem hiernach eine toxische Verursachung der Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich ist und eine BK daher nicht vorliegt, kommt es auf die Frage nicht an, welches Ausmaß die kognitiven Störungen des Klägers tatsächlich haben. Insbesondere muss der Senat nicht entscheiden, ob der Vorwurf zutrifft, der sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. H. ergibt, dass das Antwortverhalten des Klägers bei den - grundsätzlich anerkannten - Testverfahren authentisch war und welche Gründe eine eventuelle Auffälligkeit bei den Ergebnissen hatte, ob also von einer Simulation oder Aggravation oder von einer - wie Prof. Dr. F. ausgeführt hat - krankheitsbedingten Persönlichkeitsveränderung auszugehen ist.
e) Wenn demnach generell eine toxische Verursachung nicht festgestellt werden kann, kommt es weiterhin auf die Frage nicht an, welchen konkreten Einwirkungen der Kläger während seiner Berufstätigkeit bis 2001 ausgesetzt war.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1. Der Kläger begehrt in einem Überprüfungsverfahren (Zugunstenverfahren) die Zurücknahme eines Ablehnungsbescheids und die Feststellung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ("Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische").
2. Der am 06.05.1971 geborene Kläger war vom 01.09.1994 bis zum Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit im Mai 2001 als Industriemechaniker bzw. Betriebsschlosser bei einem Mitgliedsunternehmen der beklagten Berufsgenossenschaft tätig. Er war dabei Lösemitteln in der Atemluft ausgesetzt und hatte bei Reparaturen auch Hautkontakt zu ihnen. Ferner war er verschiedenen Feinstäuben ausgesetzt. Das genaue Ausmaß der Einwirkungen ist unter den Beteiligten streitig.
3. Das ursprüngliche Feststellungsverfahren gestaltete sich wie folgt:
a) Am 19.06.2001 zeigte Nervenarzt und Umweltmediziner Dr. B. bei der Krankenkasse des Klägers den Verdacht auf eine BK an. Der Kläger leide seit Februar 2001 an Schmerzen in mehreren Gelenken, an Müdigkeit und Leistungsverlust sowie einer zunehmenden chemischen Überempfindlichkeit. Er habe selbst den Verdacht, dass diese Beschwerden mit der jahrelangen Arbeit mit toxischen Substanzen zusammenhingen. Die Krankenkasse leitete die Anzeige an die Beklagte weiter, wo sie am 21.06.2001 einging. Diese beauftragte im Juli 2001 den Neurologen und Psychiater Dr. B. mit einer Untersuchung.
In dem sozialmedizinischen Gutachten vom 17.12.2001 diagnostizierte Dr. S. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), gestützt auf mehrere Unterlagen behandelnder Ärzte, eine seropositive chronische progrediente Polyarthritis. Insoweit bestehe eine familiäre Vorbelastung durch die Mutter. Die Krankheit werde durch die Exposition mit chemischen Toxen am Arbeitsplatz eventuell - im Sinne einer zusätzlichen Immunstimulation - verschlimmert. Diesem Gutachten waren eine Arbeitsplatzbeschreibung und die Vorgaben des Arbeitgebers für den Arbeitsschutz beigefügt.
Dr. B. erstattete sein Gutachten, das sich auf eine Untersuchung am 10.10.2001 stützte, unter dem 18.01.2002. Er gab hierbei - lediglich - eine einseitige Leistungsverzögerung des Nervus tibialis rechts an, was für eine Polyneuropathie außergewöhnlich sei und differenzialdiagnostisch eher an eine zuvor durchgemachte Lumboischialgie denken lasse.
Im Februar 2002 übersandte der Betriebsarzt der Arbeitgeberin des Klägers, Dr. B., einen Schriftwechsel zwischen sich und der Allgemein- und Umweltmedizinerin Dr. D. an die Beklagte. Dr. D. hatte unter dem 22.01.2002 neben einer seropositiven rheumatoiden Arthritis eine toxische Enzephalopathie, eine Neuropathie und eine Myopathie bei zunehmender chemischer Überempfindlichkeit und Leistungsstörungen nach langjähriger arbeitsbedingter Belastung mit Lösemitteln diagnostiziert. Dr. B. hatte mit Schreiben vom 19.02.2002 dieser Diagnose widersprochen und auf die Schutzmaßnahmen im Betrieb verwiesen.
Nachdem die staatliche Gewerbeärztin unter dem 21.02.2002 eine BK 1317 mangels ursächlichem Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erkrankung nicht zur Anerkennung vorschlug, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.04.2002 eine solche Anerkennung ab. Die erhobenen Befunde ließen nicht auf eine Polyneuropathie schließen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 05.08.2002 zurück.
b) Hiergegen erhob der Kläger Klage (S 9 U 2479/02) zum Sozialgericht Freiburg (SG).
Das SG beauftragte Dr. W., den Leitenden Oberarzt der Neurologischen Klinik V, mit einer Untersuchung des Klägers Dieser Sachverständige teilte in seinem Gutachten vom 02.01.2003 mit, bei der Untersuchung im Dezember 2002 sei der Kläger depressiv verstimmt gewesen, insoweit sei der Verdacht auf eine reaktive Depression im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis gestellt worden. Ebenso sei eine alte neurogene Schädigung des musculus tibialis anterior rechts diagnostiziert worden, was gegen eine distal symmetrische und damit gegen eine toxische Polyneuropathie spreche. Wahrscheinlicher sei eine alte Peronaeusdruckschädigung rechts im Zusammenhang mit dem vom Kläger angegebenen Umknicken mit dem rechten Fuß. Für eine Enzephalopathie hätten sich keine sicheren klinischen Hinweise finden lassen. Als Hauptdiagnose hat der Sachverständige, auch unter Hinweis auf die familiäre Vorbelastung des Klägers, eine rheumatoide Arthritis angenommen und hierauf die geklagten Beschwerden zurückgeführt.
Der Kläger trat diesem Gutachten entgegen. Er legte den Arztbrief des Internisten Dr. B. vom 19.02.2003 vor. Dieser hatte ausgeführt, auch die bislang (2001) diagnostizierte seropositive rheumatoide Arthritis sei nicht (mehr) gesichert, es fänden sich keine Hinweise für eine Synovitis oder für eine akute Entzündung. Es bestehe aber auch kein Zweifel an einer durchgemachten Early-Synovitis. Es sei sinnvoll, eine Umschulung in einen nicht lösungsmittelexponierten Arbeitsplatz durchzuführen.
Auch im Hinblick auf Dr. B. Zweifel an der bisherigen Diagnose einer rheumatoiden Arthritis erhob das SG zunächst das weitere Gutachten des Leitenden Arztes der Reha-Klinik K., Dr. D., vom 22.09.2003 nebst neurologisch-psychiatrischem Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters B. vom 07.08.2003. Der Zusatzgutachter ging hierbei im Hinblick auf die Angaben des Klägers über Hypästhesien und Kribbelparästhesien von einer leichten distal-symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie ohne signifikantes elektro-neurophysiolo¬gi¬sches Korrelat aus. Das Elektroenzephalogramm (EEG) bewertete er als pathologisch, jedoch unspezifisch, es spreche für eine Hirnfunktionsstörung, die ätiologisch ungeklärt sei. Der Hauptgutachter Dr. D. berichtete eine unauffällige Magnetresonanztomographie des Schädels, schloss sich hinsichtlich der Polyneuropathie der Beurteilung des Zusatzgutachters an und äußerte einen Verdacht auf eine durchgemachte toxische Enzephalopathie mit diskreten Aufmerksamkeitsstörungen. Wesentliche kognitive Defizite sah er nicht mehr. Auf den Einwand der Beklagten, es fehle eine Auseinandersetzung mit der rheumatoiden Arthritis, führte Dr. D. in der ergänzenden Stellungnahme vom 23.12.2003 aus, diese Diagnose sei nicht gesichert. Die von Dr. B. unzweifelhaft diagnostizierte Early-Sy¬no¬vitis bedeute sinngemäß allenfalls eine Frühform einer möglichen rheumatoiden Arthritis. Insoweit relativiere sich die Diagnose der rheumatoiden Arthritis zu einer Differenzialdiagnose. Gegen eine rheumatoide Arthritis spreche, dass der Kläger auf die Therapie mit Cortison und nichtsteroidalen Antirheumatika nicht angesprochen habe.
Während dieses Klageverfahrens erstattete Dr. D. am 10.03.2004 bei der Beklagten eine weitere BK-Anzeige. Sie führte aus, die bei dem Kläger diagnostizierte seropositive rheumatoide Arthritis sei als "Wie-BK" einzustufen, die durch Feinstäube, insbesondere Silizium- und Titandioxide, verursacht sei. Insoweit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.11.2004 die Anerkennung ab. Es beständen keine (neuen) wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Einwirkungen durch Feinstaub die vom Kläger geklagten Beschwerden an Muskeln und Gelenken verursachen könnten. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 09.03.2005 zurück.
Zwischenzeitlich hatte das SG, auch im Hinblick auf das weitere BK-Verfahren, Dr. B. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität M. mit einer gutachterlichen Untersuchung des Klägers beauftragt.
Auf Anregung dieses Sachverständigen hin ermittelte die Beklagte hinsichtlich der arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten BK. Sie holte die Auskunft der Arbeitgeberin vom 27.07.2004 ein und ließ die Dipl.-Ing. G. und G. die Arbeitsplatzexposition vom 09.02.2005 erstellen. Hierbei wurden Ergebnisse aus Messungen der Atemluft in dem Betrieb in den 1990-er Jahren beigezogen. In dem Bericht teilten die Ingenieure mit, der Kläger sei mehreren, einzeln genannten Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen, jedoch sei zumindest seit Umbauten in dem Unternehmen 1995/1996 eine Einhaltung der Grenzwerte nachgewiesen, darüber hinaus hätten den Beschäftigten persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung gestanden, gleichwohl könne auch ein Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden, und auch die Expositionsverhältnisse in der Atemluft könnten kurzzeitig, also für unter 30 min, bei bestimmten Verhältnissen über den gemessenen Werten gelegen haben. Eine Konzentration mit narkotisierender Wirkung könne jedoch ausgeschlossen werden. Insgesamt sei eine Induzierung der angeschuldigten BK 1317 - in Bezug auf die Atemluft - nicht wahrscheinlich.
Unter Einbeziehung dieser Ermittlungsergebnisse erstattete Dr. B. das Gutachten vom 07.09.2005. Er hatte neben eigenen Untersuchungen Zusatzgutachten eingeholt, und zwar ein neurologisches bei Dr. K. vom 22.07.2005 und ein neuropsychologisches bei Dipl.-Psych. Dr. S. vom 15.09.2004. Hierbei hatte Dr. S. bei seiner Untersuchung im September 2004 keine Symptome einer Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit gefunden, ebenso wenig Hinweise auf eine depressive Symptomatik. Die aufgefundenen Defizite des Frühjahres 2001 hat er nicht eindeutig auf eine Exposition und Intoxikation am Arbeitsplatz zurückführen wollen. Die wiederholt beschriebene rheumatoide Arthritis könne die Aufmerksamkeitsdefizite ebenso verursacht haben. Dr. K. hatte weder elektrophysiologisch noch klinisch-neurologisch Hinweise auf eine Polyneuropathie gefunden. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden, insbesondere Kribbelparästhesien im Bereich der distalen Extremitätenenden sah er als unspezifisch, möglicherweise im Zusammenhang mit der rheumatoiden Arthritis, jedenfalls nicht als Zeichen einer Polyneuropathie. Auch eine Enzephalopathie erachtete er angesichts des erhobenen normalen EEG, der unauffälligen testpsychologischen Untersuchung durch Dr. S. und des klinischen Eindrucks im Zusammenhang bei der Exploration im September 2004 nicht als nachgewiesen. Die Beschwerden des Klägers führte er auf die Initialphase der dokumentierten entzündlich-rheumatischen Erkrankung zurück. Der Hauptgutachter Dr. B. ging bei seiner Beurteilung von nachgewiesenen Aufmerksamkeitsdefiziten im Jahr 2001 sowie pränarkotischen Symptomen des Klägers während der Exposition gegenüber den Lösungsmitteln aus. Er erachtete eine Enzephalopathie im Jahre 2001 zwar als möglich, jedoch nicht als gesichert, weil die für 2001 dokumentierten Leistungseinschränkungen auch durch eine leichte depressive Symptomatik, möglicherweise im Zusammenhang mit der rheumatischen Erkrankung, hervorgerufen worden sein könnten. Eine Differenzierung zwischen toxischer und depressiver Verursachung der damaligen Leistungsminderungen sei retrospektiv nicht mehr möglich. Eine Polyneuropathie sei durch das Gutachten von Dr. K. zweifelsfrei ausgeschlossen. Die Kribbelparästhesien seien jedenfalls nicht polyneuropathischer Genese, vielmehr unspezifisch, möglicherweise stünden sie im Zusammenhang mit der rheumatischen Erkrankung.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 08.02.2006 wies das SG die Klage ab. Weder eine Polyneuropathie noch eine Enzephalopathie sei nachgewiesen. Das SG stützte sich dabei maßgeblich auf das Gutachten von Dr. B. nebst Zusatzgutachten.
c) Der Kläger legte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, L 10 U 1025/06) ein. Er verwies darauf, ein von dem Radiologen Dr. H. durchgeführtes Positronen-Emissions-Tomogramm (PET) vom 10.12.2003 bestätige eine Enzephalopathie. Ferner berief er sich auf die Stellungnahme von Dr. B. vom 30.06.2001 sowie einen Verlaufsbericht der Neurologin Dr. G. vom 06.06.2006.
Im Hinblick darauf holte das LSG die ergänzende Stellungnahme von Dr. B. vom 13.01.2007 ein. Dieser führte aus, gerade die dokumentierte leichte Depression könne Veränderungen im PET und in der Testpsychologie verursachen, egal wodurch sie verursacht worden sei. Durch das PET würde nur eine geringe Glukose-Utilisationsstörung bestätigt, über die Ursache könne diese Untersuchungsmethode keine Aussage machen. Im Übrigen blieb er bei seiner Einschätzung eines fehlenden Nachweises einer Polyneuropathie und einer Enzephalopathie.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers erhob das LSG das Gutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin Prof. Dr. E. vom Institut für Arbeitsmedizin der Universität F. vom 26.11.2007 mit neurologischem Zusatzgutachten von Dr. K. vom 23.08.2007 sowie neuropsychologischem Zusatzgutachten von Dr. R. vom 22.11.2007. Dr. K. wertete die akuten Symptome des Klägers im Jahr 2001 als Zeichen einer entzündlichen Erkrankung im Sinne einer rheumatoiden Arthritis. Zu denken sei auch an eine entzündliche Muskelerkrankung oder eine Neuroborreliose, wobei für letztere keine Liquorbefunde vorlägen. Mit Sicherheit könne klinisch und elektrophysiologisch eine Polyneuropathie ausgeschlossen werden. Für eine Enzephalopathie ergebe sich kein Hinweis, leichte kognitive Einbußen könnten nur im Rahmen der psychologischen Untersuchung festgestellt werden. Dr. R. beschrieb auf Grund der Untersuchung des Klägers im Juli 2007 eine geminderte intellektuelle Leistungsfähigkeit als wahrscheinliche Folge einer diffusen Funktionsstörung des Gehirns. Der Befund könne die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie stützen, jedoch nicht beweisen, da jede andere diffuse Schädigung des Gehirns zu ganz ähnlichen psychischen Störungen führen könne. Die Hauptgutachterin Prof. Dr. E. verneinte eine Polyneuropathie. Eine solche Erkrankung sei niemals diagnostiziert worden. Allenfalls seien einseitige Auffälligkeiten an den Nerven gesehen worden, eine Polyneuropathie gehe jedoch in der Regel mit beidseits gleichen Beeinträchtigungen einher. Im Hinblick auf die Beurteilung von Dr. R. diagnostizierte sie eine - jetzt bestehende - Enzephalopathie, differenzialdiagnostisch jedoch auch eine rheumatoide Arthritis bzw. eine Neuroborreliose. Das Krankheitsbild sei jedoch untypisch für eine lösemittelbedingte Nervenerkrankung. Dagegen spreche die nur kurze Expositionszeit von sechseinhalb Jahren, das im Jahr 2001 sehr plötzlich und akut auftretende Krankheitsbild sowie die festzustellende Verschlechterung des Zustandes.
Auf Grund von Einwänden des Klägers teilte Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 21.08.2008 mit, das PET sage mit der dort nachgewiesenen Reduktion des Stoffwechsels des Gehirns nichts über deren Ursache aus. Eine einseitige Polyneuropathie sei unüblich, eher bandscheibenbedingt. Die Diagnose einer Polyneuropathie setze objektive elektrophysiologische Befunde voraus, subjektive Angaben genügten hierfür nicht. Die von Dr. K. angesprochene Borrelieninfektion sei zwar unwahrscheinlich, jedoch nicht gänzlich auszuschließen. Dass im Blut des Klägers Lösemittelspuren festgestellt worden seien, sei für die Diagnose einer Erkrankung im Sinne der BK 1317 irrelevant. Die früher erhobenen Laborwerte deuteten auf eine chronische Arthritis hin, die Symptome entsprächen dem; auch Kribbelparästhesien hingen damit zusammen. Gegen die Diagnose einer rheumatoiden Erkrankung spreche allerdings, dass die Cortisontherapie ohne Erfolg geblieben sei. Im Übrigen ist sie bei ihrer Einschätzung geblieben, wonach keine Polyneuropathie vorliege und eine Enzephalopathie nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Expositionen bei der früheren Arbeitgeberin zurückzuführen sei.
Der Kläger legte im weiteren Verlauf die Stellungnahmen seines Behandlers Dr. B. vom 17.09.2008, vom 08.11.2009 und vom 13.03.2010 vor.
Mit Beschluss vom 20.05.2010 wies das LSG die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 08.11.2005 zurück. Es stützte sich ebenfalls im Wesentlichen auf die Angaben des Sachverständigen Dr. B. und folge den Einwänden von Prof. Dr. E. weitgehend nicht. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf jenen Beschluss verwiesen.
d) Die beim Bundessozialgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 04.08.2010 (B 2 U 175/10 B) als unzulässig verworfen.
4. Am 02.12.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 11.04.2002 zurückzunehmen.
a) Der Kläger führte im Antragsverfahren aus, die damalige Ablehnung sei rechtswidrig, weil inzwischen eine Enzephalopathie zweifelsfrei diagnostiziert worden sei. Dies ergebe sich aus einem Bericht von Dr. D. vom 06.11.2010. Die Beklagte lehnte die Rücknahme jedoch mit Bescheid vom 12.01.2011 ab. Neue Erkenntnisse, die für die Unrichtigkeit des Bescheides sprächen, seien nicht ersichtlich. Nach dem Ergebnis der im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen liege kein Erkrankungsbild im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 vor.
Im Vorverfahren legte der Kläger unter anderem die Berichte der Dr. G. vom 02.12.2002 und des Umweltmediziners Dr. M. vom Universitätsklinikum F. vom 17.03.2004 vor, in denen u.a. nochmals die akuten Beschwerden im Frühjahr 2001 geschildert waren. Die Beklagte wies den Widerspruch aber mit Bescheid vom 06.05.2011 zurück.
b) Deswegen hat der Kläger am 08.06.2011 Klage zum SG erhoben. Er hat vorgetragen, eine Enzephalopathie sei zwischenzeitlich zweifellos diagnostiziert. Außerdem müsse aufgrund vorhandener Befundberichte vom Vorliegen einer Polyneuropathie ausgegangen werden. Eine Depression sei zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden und habe auch zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst von Amts wegen das Gutachten vom 25.11.2011 bei dem Neurologen Dr. C. erhoben. Dieser Sachverständige hat im Wesentlichen eine Polyneuropathie ausgeschlossen, aber eine Enzephalopathie angenommen; diesen Begriff allerdings nicht als Diagnose, sondern als Sammelbezeichnung für krankhafte Veränderungen des Gehirns unterschiedlicher Ursache und Ausprägung bezeichnet. Eine neurotoxische Verursachung hat Dr. C. für unwahrscheinlich gehalten, die Symptomatik und der Verlauf seien insoweit untypisch. Daher könne ein Ursachenzusammenhang zu einer beruflichen Exposition nicht angenommen werden. Wegen der weiteren Ausführungen des Sachverständigen wird auf sein Gutachten verwiesen.
Der Kläger ist diesem Gutachten unter anderem unter Vorlage eines Gedächtnisprotokolls über die Untersuchung entgegengetreten. Ferner hat er die Stellungnahme von Dr. D. vom 10.01.2012 vorgelegt, in der ausgeführt wird, die von Dr. C. erwogene "neurodegenerative" Ursache meine eine Demenz, es sei aber nicht erklärt, was bei einem damals 30-jährigen völlig gesunden Mann eine Demenz habe auslösen sollen. Die Enzephalopathie sei mit Sicherheit toxisch verursacht.
Dr. C. hat in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 19.03. und vom 29.03.2012 ausgeführt, das Gedächtnisprotokoll spreche für eine relativ gute Konzentrations- und Merkfähigkeit des Klägers und gegen eine höhergradige Störung. Im Übrigen ist er bei seinen Einschätzungen geblieben.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG sodann Prof. Dr. F. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Auf dessen Anregung hin hat das SG, ebenfalls auf Antrag des Klägers, ein neuropsychologisches Zusatzgutachten bei Prof. Dr. H. beauftragt. Prof. Dr. H. hat nach Durchführung mehrerer psychischer Testverfahren, darunter des Ray-Memory-Tests (RMT) in dem Gutachten vom 26.03.2013 ausgeführt, die Authentizität der vom Kläger dargebotenen Symptomatik sei zweifelhaft. Es handle sich um eine Symptompräsentation im Sinne einer Simulation, Aggravation oder eine durch unbewusste Steuerung hervorgerufene Somatisierungsstörung. Es zeige sich ein hochpathologisches Beschwerdebild. Prof. Dr. F. hat in dem Hauptgutachten vom 19.05.2013 angenommen, die von Prof. Dr. H. begründeten Diskrepanzen seien durch eine Persönlichkeitsstörung verursacht, die ihrerseits eine typische Folge von Einwirkungen durch Gemische organischer Kohlenwasserstoffe wissenschaftlich begründet regelhaft auftrete. Es handle sich um eine für das Alter des Klägers ungewöhnlich starke und frühe, aber für eine Enzephalopathie typische Veränderung. Die berufliche Verursachung sei unzweifelhaft. Es liege eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. vor. Wegen der Feststellungen und Schlussfolgerungen der beiden Sachverständigen im Einzelnen wird auf die Gutachten Bezug genommen.
Zu diesen Gutachten haben beide Beteiligte Stellung genommen.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 24.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des bindenden Ablehnungsbescheids vom 11.04.2002 und die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV. Eine Polyneuropathie stehe aufgrund der vom Sachverständigen Dr. C. erhobenen und für das SG nachvollziehbar ausgewerteten Befunde nicht fest. Vom Kläger beklagte Kribbelmissempfindungen in den Extremitäten seien zwar, wie der Sachverständige dargelegt habe, an sich ein typisches Syndrom einer Polyneuropathie. Ein klinisch oder elektrophysiologisch objektivierbarer pathologischer Befund finde sich diesbezüglich aber nicht. Es beständen keine motorischen Ausfälle im Sinne einer Muskelatrophie oder einer Muskelschwäche und keine trophischen oder vegetativen Störungen und keine Reflexausfälle, wie sie bei einer Polyneuropathie zu erwarten wären. Dr. C. stelle zwar psychopathologische Veränderungen fest, die nach seiner Einschätzung in ihrer Gesamtheit für eine hirnorganische Symptomatik sprächen und die Diagnose einer Enzephalopathie begründeten. Demgegenüber bewerte der Sachverständige Prof. Dr. H. jedoch die bei der Untersuchung des Klägers festgestellten Symptome als Ausdruck einer unplausiblen Symptompräsentation und gehe von Simulation, Aggravation oder einer durch eine unbewusste Steuerung hervorgerufenen Somatisierungsstörung aus. Prof. Dr. H. gelange zur Diagnose eines hochpathologischen Persönlichkeitsbildes mit einem hohen Ausmaß hypochondrischer, depressiver, hysterischer und psychasthenischer Tendenzen und Anzeichen einer paranoid¬-schizoiden Persönlichkeitsstruktur sowie einer klinisch relevanten Depression. Aufgrund dieser für das SG überzeugenden Ausführungen stehe auch eine Enzephalopathie nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest. Demgegenüber bejahe zwar der umweltmedizinische Sachverständige Prof. Dr. F. eine BK 1317. In dem sehr umfangreichen Sachverständigengutachten erfolge jedoch die diagnostische Sicherung einer Enzephalopathie oder einer Polyneuropathie nicht. Es handele sich um Krankheiten, die Fachkompetenz auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet erforderten.
Gegen dieses Urteil, das seinem Prozessbevollmächtigten am 22.05.2014 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 20.06.2014 Berufung zum LSG erhoben. Er trägt vor, insbesondere sei zu berücksichtigen, dass er bereits mit 30 Jahren erkrankt sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. April 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Mai 2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 11. April 2002 zurückzunehmen und das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ihre Entscheidungen. Aufgrund der Ergebnisse der nunmehr vorliegenden zahlreichen Ermittlungen sei nicht vom Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 auszugehen.
Prof. Dr. F. hat die ergänzende Stellungnahme vom 05.10.2014 vorgelegt. Darin führt er aus, er habe in dem Gutachten die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie gestellt. Aus den progredienten Defiziten und den ständigen expositionsbedingten Verschlechterungen ergebe sich der geforderte Vollbeweis.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht nach § 151 Abs. 1 SGG erhoben.
2. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3 SGG) des Klägers abgewiesen. Es besteht kein Anspruch auf Rücknahme des bindenden (§ 77 SGG) Ablehnungsbescheids vom 12.04.2002, weil kein Anspruch auf (behördliche) Feststellung der geltend gemachten BK Nr. 1317 der Anlage zur BKV besteht.
a) Die Voraussetzungen für die Zurücknahme bindender Bescheide nach § 44 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und die behördliche Feststellung einer Berufskrankheit als Form eines Versicherungsfalles (§§ 7, 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]), insbesondere an die unterschiedlichen Beweismaßstäbe bei der Feststellung der verschiedenen Voraussetzungen hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf jene Ausführungen. Zu ergänzen ist lediglich:
Die objektive Beweislast für die Feststellung verändert sich nicht deshalb, weil in einem Überprüfungsverfahren vorgegangen wird. Ist ein Bescheid bestandskräftig und kann der belastete Adressat nur nach § 44 Abs. 1 SGB X vorgehen, so kann es zwar sein, dass die Beweislast für bestimmte Umstände bei ihm liegt, auch wenn sie in dem ursprünglichen Verfahren auf Seiten der Behörde lagen (BSG, Urt. v. 25.06.2002, B 11 AL 3/02 R, Juris Rn. 17). Eine solche Beweislastumkehr steht hier jedoch nicht in Rede, da auch in dem (erstmaligen) Verwaltungsverfahren zur Anerkennung einer BK die materielle Beweislast bei dem Versicherten liegt. Der Beweismaßstab jedenfalls, der für einzelne Merkmale den Vollbeweis verlangt und für andere eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichen lässt, ändert sich auch im Überprüfungsverfahren nicht, weil ein Verwaltungsakt nur in dem Rahmen "unrichtig" im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X sein kann, wie er gegen materiellrechtliche Vorschriften verstößt, zu denen auch das Beweismaß gehört.
Auch eine Erkrankung ist nur dann eine BK, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf eine berufliche Einwirkung zurückzuführen ist. Dabei muss die Erkrankung "voll", das heißt mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Dagegen gilt die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der versicherten Tätigkeit bzw. der Einwirkung auf den Versicherten und der maßgebenden Erkrankung (vgl. Bayerisches LSG, Urt. v. 09.11.2006, L 3 U 373/04, Juris Rn. 27 m.w.N.). Soweit Berufskrankheiten in Rede stehen, bei denen schon auf medizinischer Ebene, also zur Diagnosestellung, Fragen der Einwirkung relevant sind, verbleibt es bei der Anforderung, dass die Krankheit im Vollbeweis gesichert werden muss. Dies ist auch gerade bei der BK 1317 relevant. Auch hier muss entweder eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie im Vollbeweis nachgewiesen werden. Zusätzlich muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verursachung durch organische Lösungsmittel und deren Gemische feststehen (vgl. Bayerisches LSG, Urt. v. 06.11.2013, L 2 U 558/10, Juris Rn. 49).
Kommt das Gericht nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten und unter Würdigung aller feststellbaren Indizien auch im Rahmen dieser unterschiedlichen Maßstäbe nicht zu einer positiven Überzeugung nach § 128 Abs. 1 SGG, so geht dies in einem Verfahren über die Feststellung einer BK grundsätzlich zu Lasten des Versicherten, der sich eines Anspruchs berühmt. Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Sozialleistungsträgers, kommt demgegenüber nicht in Betracht. Soweit die Sozialgerichte eine Beweislastumkehr für solche Umstände annehmen, die allein in der Sphäre der (materiell) nicht beweisbelasteten Partei liegen und die die andere Partei (deshalb) wegen fehlender Beweisnähe nicht oder nur mit unzumutbar hohem Aufwand beweisen kann (vgl. BSG, Urt. v. 24.05.2006, B 11a AL 7/05 R, Juris Rn. 33), kann diese Fallgruppe keine Gesundheitsschäden betreffen, denn diese können per definitionem nicht in der Sphäre des Sozialleistungsträgers liegen.
b) Gegenstand des Verfahrens ist nur die Feststellung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV. Nur auf diese BK bezieht sich der angegriffene Bescheid der Beklagten im Überprüfungsverfahren vom 12.01.2010, nur darauf hatte sich das vorangegangene Verfahren bezogen. Maßgebend für diese BK ist das Vorliegen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie. Ob stattdessen eine andere - durch Lösungsmittel oder andere berufliche Einwirkungen wie z.B. Stäube verursachte - Erkrankung vorliegt, etwa einer BK nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV oder einer "Wie-BK" nach § 9 Abs. 2 SGB VII, ist daher in diesem Verfahren nicht zu klären. Dies gölte insbesondere für die Frage, ob eine etwaige rheumatoide Arthritis, die bei dem Kläger zeitweise diagnostiziert war, auf berufliche Einwirkungen zurückzuführen ist oder war.
c) Eine Polyneuropathie, die eine der beiden von der BK Nr. 1317 erfassten Erkrankungen, liegt bei dem Kläger bereits auf medizinischer Ebene nicht vor:
aa) Bei eine Polyneuropathie handelt es sich um eine Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sie wird nach der ICD-10 (Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation [WHO]) klassifiziert als G62.2 bei toxischer oder G62.9 bei unbekannter Verursachung, wobei nur eine toxische Verursachung die Vor¬aussetzungen der BK erfüllt. Die Polyneuropathie betrifft die peripheren Bereiche des Nervensystems und äußert sich daher in senso-motorischen Beeinträchtigungen wie Paresen, Muskelatrophien, erloschenen Muskeleigenreflexen oder Sensibilitätsstörungen verschiedener, insbesondere axonaler Art. Die Diagnose kann auf der Basis typischer klinischer Befunde (Paresen, Muskelatrophien, erloschene Muskeleigenreflexe, Sensibilitätsstörungen in Form handschuh- und sockenförmiger Hypästhesien) und mittels neurophysiologischer Methoden (EMG, Neurographie, evozierte Potentiale) gestellt werden (Schönberger/Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 241).
bb) Solche Funktionsbeeinträchtigungen liegen bei dem Kläger nicht vor und lagen auch in der hier streitigen Zeit seit 2001 - also passager im Sinne einer vorübergehenden BK - nicht vor.
Dies hat das LSG bereits in dem Beschluss vom 20.05.2010 in dem Verfahren L 10 U 1025/06 für die Zeit bis zum Erlass jener Entscheidung festgestellt. Das LSG hat damals zur Polyneuropathie festgestellt:
Eine Polyneuropathie ist auf Grund der durchgeführten Sachaufklärung auszuschließen. In sämtlichen diesbezüglich durchgeführten elektrophysiologischen sowie klinischen Untersuchungen haben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer derartigen Polyneuropathie ergeben. Bereits Dr. B. konnte keine auffälligen symmetrischen krankhaften Befunde feststellen und ordnete die einseitige Leitungsverzögerung des Nervus tibials rechts einer Lumboischialgie zu, was Dr. W. in seinem Gutachten für das Sozialgericht bestätigt hat. In den späteren Untersuchungen hat sich diese Leitungsverzögerung nicht mehr gefunden (Dr. K. und Dr. B. übereinstimmend: Normalbefund). Dementsprechend haben die Sachverständigen des neurologischen Fachgebietes Dr. K. und Dr. B. und ihnen folgend Dr. C. und Prof. Dr. E. eine Polyneuropathie in ihren Gutachten ausgeschlossen. Soweit der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Bauhaus und ihm folgend Dr. D. eine leichte distal-symmetrische sensomotorische Polyneuropathie diagnostiziert haben, beruht diese Diagnosestellung allein auf den subjektiven Angaben des Klägers über Hypästhesien und Kribbelparästhesien, die nach Ansicht von Dr. K. unspezifischer Genese sind. Damit aber lässt sich die Diagnose einer Polyneuropathie nicht sichern. Dies hat Prof. Dr. E. auf Einwände des Klägers hin in ihrer ergänzenden Stellungnahme überzeugend dargelegt. Maßgebend sind vielmehr die elektrophysiologischen sowie die objektivierbaren klinischen Befunde. Hierauf haben auch Dr. K. und Dr. B. abgestellt. Hinzu kommt, dass auch die in Rede stehende, zwar von Dr. B. nicht gesicherte, aber auch nicht auszuschließende rheumatoide Arthritis derartige Symptome, wie sie der Kläger schilderte, verursachen kann (so ausdrücklich Dr. K. und Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme). Dass der Kläger zumindest an einer - so Dr. D. und Dr. K. in ihren Gutachten für das Sozialgericht - Frühform dieser rheumatoiden Arthritis im Sinne einer Early-Synovitis litt, ergibt sich aus der Beurteilung von Dr. B. in seinen Berichten von Juli 2001 und Februar 2003. Die Hausärztin Dr. D. jedenfalls ist später auf Grund der von ihr erhobenen Laborparameter und im Hinblick auf die auch von Dr. B. zweifelsfrei diagnostizierte Early-Synovitis von einer rheumatoiden Arthritis ausgegangen (vgl. ihre BK-Anzeige vom März 2004).
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Auch die späteren, im Überprüfungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten begründen keinen Zweifel daran, dass die damalige Feststellung richtig war:
Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 25.11.2011 ausgeführt, eine Polyneuropathie sei nicht festzustellen, da ein klinisch oder elektrophysiologisch objektivierbarer Befund fehle und auch die bei einer Polyneuropathie zu erwartenden klinischen Symptome fehlten. Der Kläger hatte bei Dr. C. zwar ein vermindertes Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfinden - nur - an allen Fingerkuppen angegeben, auch insoweit hatten aber die in der arbeitsmedizinischen Literatur geforderten elektrophysiologischen Untersuchungen - hinsichtlich der oberen Extremitäten also die Elektromyographie, die Elektroneurographie und die SEP-Untersuchung der evozierten Potenziale keine pathologischen Befunde ergeben. Diese Ergebnisse reichen aus, um die fraglichen Symptome als nicht nachgewiesen anzusehen. Wie Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.03.2012 überzeugend und im Einklang mit der genannten arbeitsmedizinischen Literatur ausgeführt hat, reicht die Angabe einer Sensibilitätsstörung ohne objektivierbare Anzeichen nicht aus, die fragliche Diagnose zu stellen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. vom 19.05.2013. Dieser hatte darin die Diagnose einer Polyneuropathie überhaupt nicht gestellt, auch nicht konkludent; es finden sich auch lediglich Ausführungen zu Wesens- oder Persönlichkeitsveränderungen des Klägers, nicht aber zu Missempfindungen der beschriebenen Art. Dies hat der Sachverständige letztlich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.10.2014 bestätigt. Darin hat er - lediglich - klargestellt, er habe eine Enzephalopathie diagnostiziert. Bezug zu einer Polyneuropathie haben lediglich seine Ausführungen, Dr. C. habe bei den elektrophysiologischen Untersuchungen das "autonome Nervensystem" des Klägers ausgeblendet, sodass eine toxische Neuropathie zumindest nicht auszuschließen sei (S. 6). Auch dies ist aber nur eine Mutmaßung und keine entsprechende, begründete Diagnose, zumal Prof. Dr. F. unmittelbar nach diesen Ausführungen wieder zur Erörterung einer Enzephalopathie zurückkehrt, die nicht durch elektrophysiologische Untersuchungen nachgewiesen werden könne.
d) Dagegen kann bei dem Kläger die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt werden. Der Senat konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass diese Erkrankung mit der gebotenen überwiegenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf einer Einwirkung durch Toxien, vor allem die angeschuldigten Lösungsmittel, beruht:
aa) Eine Enzephalopathie wird nach der ICD-10 klassifiziert nach G 92.- bei toxischer Verursachung und nach G93.4 bei sonstiger Verursachung, wobei bei einer toxischen Verursachung der Schlüssel um den angeschuldigten Stoff ergänzt werden soll.
Generell liegt dieser Krankheit klinisch ein organisches Psychosyndrom zu Grunde. Es handelt sich um eine nichtentzündliche diffuse Schädigung des Gehirns, die sich nicht auf bestimmte Regionen beschränkt, sondern das gesamte Organ betrifft. Als Symptome kommen Kopfschmerz, Erbrechen, Bewusstseinsstörungen, psychische Veränderungen wie eine symptomatische Psychose und zerebrale Herdstörungen in Betracht (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 265. Aufl. 2014, S. 605). Zentral bedingte neurologische Symptome wie unkoordinierte Bewegungen oder Bewegungsstörungen (Ataxie, Dysdiadochokinese, Tremor [unwillkürliches Zit¬tern]) sind eher selten und treten in fortgeschrittenem Krankheitsstadium auf. Die Enzephalopathie zeigt sich vielmehr in Beschwerden wie Müdigkeit, Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, emotionale Labilität, verstärkte Reizbarkeit und Persönlichkeits-veränderungen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 241 f.). Toxische Enzephalopathien entwickeln sich während oder kurz nach der letzten Exposition, auch wegen der geringen Halbwertzeit der angeschuldigten Gifte. Nicht geklärt ist aber, ob sich die Symptome nach dem Ende der Exposition, ggfs. mit Abstand von einigen Monaten, wieder verbessern (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 241) oder ob sie auch langfristig persistieren oder sich sogar weiter verschlechtern können (so die aktuelle Fassung des Merkblatts zur BK Nr. 1317 des Sachverständigenbeirats [BArbBl 3/2005, S. 49, Abschnitt III]). Anerkannt ist aber, dass für die Diagnose wichtige anamnestische Hinweise wie Alkoholintoleranz und häufige pränarkotische Symptome in unmittelbarem Zusammenhang mit der Exposition stehen. Ferner muss der psychopathologische Befund durch psychologische Testverfahren objektiviert werden, die das Alter des Patienten berücksichtigen. Wegen des z.T. diffusen Krankheitsbildes der toxischen Enzephalopathie sind differentialdiagnostische Abklärungen notwendig, insbesondere müssen andere Erkrankungen wie Demenz, Morbus Alzheimer und die alkoholbedingte Enzephalopathie ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist die gesamte Differentialdiagnostik exogener und endogener (toxischer) Enzephalopathien, traumatischer Psychosyndrome, Affektpsychosen und neurotischer Fehlentwicklungen zu berücksichtigen (vgl. zu allem das genannte Merkblatt, Abschnitt III a.E.). Diese Anforderungen des aktuellen Merkblatts sind nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts immer zu beachten, vor allem auch von den medizinischen Sachverständigen (BSG, Beschl. v. 24.07.2012, B 2 U 100/12 B, Juris Rn. 16).
Allerdings ist die Enzephalopathie keine eigenständige medizinische Diagnose, sondern ein Sam-melbegriff für diffuse Veränderungen der Hirnfunktionen, die ganz unterschiedliche Ursachen haben können. Deshalb unterscheiden schon die Klassifikationssysteme verschiedene Formen dieser Erkrankung (vgl. im Einzelnen Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 240 f.). Diese Herangehensweise zeigt sich auch im Gutachten Dr. C. (S. 20 ff.), der die Enzephalopathie als Sammelbegriff für diffuse Veränderungen im Gehirn bezeichnet und daher nach der beruflichen Einwirkung fragt (S. 21).
Vor diesem Hintergrund folgt der Senat insbesondere dem Gutachten von Dr. C ... Dieser Sachverständige hat im Einzelnen bekundet, der jetzige Befund und der Verlauf sprächen für eine Hirnfunktionsstörung mit Koordinationsstörungen als auch psychopathologischen Auffälligkeiten. Die psychopathologischen Veränderungen gingen über das Bild einer isolierten depressiven Störung hinaus. Die klinische Erstmanifestation sei auf Anfang 2001 zu datieren, seitdem bestehe eine langsame Progredienz mit zwischenzeitlich fluktuierenden Ausprägungen. Die für die Diagnose dieses Sammelbegriffs geforderten Kriterien seien hier erfüllt. Der Senat kann dieser diagnostischen Einstufung folgen. Andere Diagnosen als die einer Enzephalopathie sind während des gesamten Krankheitsverlaus nicht gesichert gestellt worden. Gegen die Einordnung als rheumatoide Arthritis spricht vor allem, dass eine antirheumatische Behandlung keine positiven Auswirkungen hatte. Eine alleinige depressive Erkrankung, die ihrerseits aber auch Folge eines Nachlassens der Hirnfunktionen sein kann, erklärt nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. C. nicht das gesamte Beschwerdebild. Noch andere Diagnosen, die in den letzten Jahren genannt worden sind - z.T. nur differenzialdiagnostisch -, etwa die Folgen einer Borreliose oder die Folgen einer Nervendruckschädigung im Fußbereich, sind nicht gesichert worden und erscheinen, betrachtet man die beim Kläger vorliegenden Symptome, auch fernliegend.
bb) Dagegen kann von einer toxischen Verursachung dieser Erkrankung nicht mit der notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
(1) Hierzu hatte das LSG in dem Beschluss vom 20.05.2010 ausgeführt, allerdings nur hilfsweise, nachdem es damals schon nicht der medizinischen Diagnose einer Enzephalopathie gefolgt war:
Unabhängig hiervon wäre bei einer erst auf Grund der von Dr. R. im Juli 2007 und damit mehr als sechs Jahre nach Ende der Expositionszeit durchgeführten Untersuchung zu diagnostizierenden Enzephalopathie ein ursächlicher Zusammenhang mit den Expositionen während der Tätigkeit in der Firma I. S. nicht wahrscheinlich. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen von Prof. Dr. E., die sowohl in ihrem Gutachten wie zusammenfassend in ihrer ergänzenden Stellungnahme dargelegt hat, dass das Krankheitsbild - selbst wenn von der Diagnose einer Enzephalopathie auszugehen wäre - nicht typisch ist für eine lösemittelbedingte Erkrankung. Üblicherweise - so Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme - entwickelt sich die Symptomatik einer toxischen Enzephalopathie schleichend und wird zunächst von den Betroffenen nicht bemerkt. Dann dauert es in der Regel - so Prof. Dr. E. - drei bis fünf Jahre oder länger bevor die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, die Arbeit zu bewältigen. Demgegenüber begann beim Kläger die Erkrankung akut im Februar 2001 und entwickelte sich so rasant, dass der Kläger ab Mai 2001 dauerhaft arbeitsunfähig war und aus dem Erwerbsleben ausschied. Untypisch ist auch die kurze Zeitdauer der Exposition des Klägers gegenüber den organischen Lösemitteln von knapp sieben Jahren. Insoweit hat Prof. Dr. E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme dargelegt, dass die Exposition üblicherweise mindestens zehn Jahre, häufig 20 oder 30 Jahre beträgt, bevor das Krankheitsbild schleichend beginnt.
Im Falle des Klägers kommt hinzu, dass sich die noch vom Dipl.-Psych. K. Mitte 2001 dokumentierten leichten intellektuellen Leistungseinschränkungen nach Ende der Exposition bis zur völligen Symptomlosigkeit besserten. Insbesondere Dr. S. hat bei seiner testpsychologischen Untersuchung des Klägers im September 2004 keine Einschränkungen festgestellt. Auf diesen Aspekt hat insbesondere Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat hingewiesen. Hiervon geht auch Prof. Dr. E. im Hinblick auf die erhebliche Verschlechterung der intellektuellen Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. R. aus. Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass die klinische Diagnose der lösungsmittelbedingten Enzephalopathie auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden kann. Hiervon ist insbesondere auch Prof. Dr. E. sowohl in ihrem Gutachten wie in ihrer ergänzenden Stellungnahme ausgegangen. Indessen handelt es sich - so Prof. Dr. E. - in derartigen Fällen um einen untypischen Verlauf, eine Verschlechterung der Symptomatik ist eher ungewöhnlich. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Denn sie entspricht den derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft (vgl. das auch vom Kläger in Bezug genommene Merkblatt des Bundesministers für Gesundheit und Sozialordnung zur BK 1317 von 2005, BArbBl. 2005, Seite 49; Schönberger/Mehrtens/Va¬len¬tin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 241; BK-Report 2/2007 zur BK 1317, herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Seite 129 ff.), wonach grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der krankmachenden Exposition und dem Krankheitsbeginn besteht, d. h. die Krankheit entwickelt sich während oder kurz nach der beruflichen Exposition. Ein längeres Intervall zwischen letzter Exposition und Krankheitsbeginn ist toxikologisch nicht plausibel, was auch auf die kurzen biologischen Halbwertzeiten der neurotoxischen Lösungsmittel zurückzuführen ist. Nur vereinzelt liegen Berichte über Krankheitsverläufe vor, bei denen es zwei bis drei Monate nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu einer Verschlechterung der Bewegungsfähigkeit gekommen war (s. hierzu ausführlich die Dokumentation im BK-Report, a.a.O., Seite 130, 138 ff.).
All diese Zweifelsfragen um das Vorliegen einer Enzephalopathie und - falls vorliegend - deren Ursache vermag auch das Gutachten von Dr. D. nicht auszuräumen. Vielmehr hat er in Beantwortung von Frage 1 des Gutachtensauftrages sogar lediglich einen "Verdacht auf durchgemachte toxische Enzephalopathie" diagnostiziert, was auf entsprechende Restzweifel des Sachverständigen hindeutet. Zur Begründung seiner Diagnose beruft er sich auf die Anamnese und im Grunde damit auf die psychogenen Leistungsminderungen. Dass diese nicht zwingend mit dem Vorliegen einer Enzephalopathie zu erklären sind, sondern ebenso gut durch eine depressive Symptomatik hervorgerufen gewesen sein können, ist bereits ausgeführt. Gerade dies hat Dr. D. nicht berücksichtigt.
Auch dieser Einschätzung folgt der erkennende Senat. Ebenso wie damals konnte auch im Überprüfungsverfahren eine toxische Verursachung nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden:
(2) Das von Dr. H. durchgeführte Positronen-Emissions-Tomogramm (PET) vom 10.12.2003, auf das sich der Kläger auch in der jetzigen Berufung maßgeblich berufen hat, lag bereits zur Zeit der damaligen Entscheidung des LSG vor. Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit Dr. C. davon aus, dass sich aus den dort vorhandenen (Labor)befunden nicht ableiten lässt, ob eine toxische Enzephalopathie vorliegt.
(3) Dr. C. hat in seinem Gutachten ausgeführt, die Symptomatik der Enzephalopathie sei unspezifisch, es gebe keine allein für eine toxische Genese typischen Symptome. Als mögliche Ursache kämen sämtliche Faktoren in Betracht, die Gehirnzellen schädigen könnten, von einem Autoimmunleiden über degenerative, erbliche, infektiöse und stoffwechselbedingte Erkrankungen bis hin zu gefäßbedingten Läsionen. Die Zuordnung könne nur unter Abwägung der vielschichtigen einzelnen Faktoren erfolgen, wobei letztlich eine auslösende Ursache nicht immer nachweisbar sei. Ein wesentliches Kriterium stelle der zeitliche Verlauf dar. Bei dem Kläger habe sich die Krankheit erstmals nach sechs Jahren Lösungsmittelexposition manifestiert. Nach dem Ende der gefährdenden Tätigkeit sei die Erkrankung fluktuierend und im Längsschnitt progredient verlaufen, insbesondere 2007 sei eine deutliche Verschlechterung beschrieben worden. Dieser Verlauf spreche gegen eine neurotoxische Schädigung, wenngleich auch - im Merkblatt zur BK 1317 - eine Persistenz oder eine Verschlechterung nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit eine Verursachung durch Lösungsmittel nicht ausschließe. Jedenfalls sei eine Progredienz nach primär leichtgradigen Ausfällen untypisch für eine neurotoxische Läsion. Insbesondere untypisch sei eine erneute Verschlechterung nach zwischenzeitlicher Besserung wie hier 2007. Der Beginn der Symptomatik noch während der beruflichen Tätigkeit spreche für eine neurotoxische Schädigung, ungewöhnlich sei jedoch der überaus akute Beginn mit fulminantem Verlauf innerhalb weniger Monate im Jahre 2001 ohne jegliches Vorzeichen in den vorangegangenen sechs Jahren. Diese Entwicklung sei am ehesten typisch für eine Erkrankung aus dem primär neurodegenerativen Formenkreis. Wegen dieser Erwägungen könne ein ursächlicher Zusammenhang nicht festgestellt werden.
Diese Ausführungen erscheinen überzeugend. Dr. C. hat alle relevanten Indizien gewürdigt, die auch aus seiner Sicht eher gegen eine toxische Genese sprechen (vgl. insoweit Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 242). Insbesondere hat er hierbei den zeitlichen Ablauf in den Vordergrund gestellt, vor allem die akute Manifestation der ersten Symptome im Jahre 2001 nach über sechsjähriger Exposition, sowie den fluktuierenden, im Querschnitt aber progredienten Verlauf nach der Aufgabe der angeschuldigten Tätigkeit. Die Würdigung dieser Indizien erscheint überzeugend. So hat Dr. C. durchaus darauf hingewiesen, dass eine Verschlechterung nach dem Ende der Exposition - auch nach der Neufassung des Merkblatts zur BK 1317 - nicht zwingend gegen eine berufliche Verursachung spreche, aber nach primär nur leichtgradigen Ausfällen bei der Erstmanifestation untypisch sei. Vor allem hat er darauf hingewiesen, dass eine sekundäre Verschlechterung nach zwischenzeitlicher Verbesserung - wie beim Kläger bis 2004 und dann wieder ab 2007 - untypisch sei. In der Tat ist dies kein progredienter Verlauf, sondern ein solcher, der auf eine fortbestehende Ursache hindeutet, die aber nach 2001 nicht mehr die angeschuldigte Tätigkeit gewesen sein kann.
(4) Ferner sind die gegen eine toxische Verursachung sprechenden Indizien - die akute Erstmanifestation als untypische Symptomatik, eine zu kurze Expositionsdauer von unter zehn Jahren, der fluktuierende Verlauf nach dem Ende der Einwirkungen und eine - nach Einhaltung der Grenzwerte im Betrieb der Arbeitgeberin - geringe Expositionsmenge - nicht widerlegt worden. Soweit der Kläger meint, bei ihm sei aus genetischen Gründen der Schadstoffabbau im Körper gestört, was sich aus den bei Dr. D. durchgeführten Blutuntersuchungen ergebe, erklärt dies allenfalls eine Erkrankung nach kürzerer als üblicher Expositionsdauer, aber nicht das akute Auftreten der Symptome. Dass sich der fluktuierende Verlauf durch die Behandlung bei Dr. D. erkläre, überzeugt den Senat nicht, denn es nicht ersichtlich, warum diese Behandlung zunächst erfolgreich gewesen sein soll, dann aber ab 2007 wieder eine massive Verschlechterung aufgetreten ist. Und letztlich sind denkbare nicht-toxische Alternativursachen nicht ausgeräumt, z.B. eine entzündliche Erkrankung oder eine altersvorauseilende Neurodegeneration, die auch Dr. C. als sogar sehr denkbar genannt hat. Nachdem die Ursachen einer solchen degenerativen Erkrankung im Hirngewebe nicht bekannt sind, lässt sich hiergegen auch nicht allein auf das junge Alter des Klägers abstellen.
cc) Nachdem hiernach eine toxische Verursachung der Erkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich ist und eine BK daher nicht vorliegt, kommt es auf die Frage nicht an, welches Ausmaß die kognitiven Störungen des Klägers tatsächlich haben. Insbesondere muss der Senat nicht entscheiden, ob der Vorwurf zutrifft, der sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. H. ergibt, dass das Antwortverhalten des Klägers bei den - grundsätzlich anerkannten - Testverfahren authentisch war und welche Gründe eine eventuelle Auffälligkeit bei den Ergebnissen hatte, ob also von einer Simulation oder Aggravation oder von einer - wie Prof. Dr. F. ausgeführt hat - krankheitsbedingten Persönlichkeitsveränderung auszugehen ist.
e) Wenn demnach generell eine toxische Verursachung nicht festgestellt werden kann, kommt es weiterhin auf die Frage nicht an, welchen konkreten Einwirkungen der Kläger während seiner Berufstätigkeit bis 2001 ausgesetzt war.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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