Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 906/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2730/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.05.2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Berufungsklägerin ist die Beklagte.
Der 1947 geborene Kläger absolvierte von 1962 bis 1965 eine Lehre zum Landwirt. Er war danach von 1965 bis zum 30.04.2010 stets im Gleisbau beschäftigt. Im Einzelnen übte er von 1965 bis 1967 eine Tätigkeit als Hilfskraft bei der Firma S. und E. aus, wo er insbesondere bei Umbaumaßnahmen in erheblichem Umfang Gleisbettstopfarbeiten mittels eines Handstopfhammers auszuführen hatte. Von 1967 bis 1985 arbeitete der Kläger zu etwa gleichen Anteilen als Bauwerker und Maschinist im Gleisbau bei den Firmen K. K. in M. und E. in L.-K.; im Einzelnen von 1967 bis 1971 bei der Firma K. als Maschinist, von 1971 bis 1972 bei der Firma E. als Maschinist, anschließend bis 1976 bei der Firma K. als Maschinenführer, schließlich wieder von 1976 bis 1985 bei der Firma E. als Maschinist. Nach den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten (Bericht vom 19.07.2011, Bl. 173 Verwaltungsakte der Beklagten - VA) führte er in seiner Funktion als Gleisbauer sämtliche berufstypischen Tätigkeiten aus und bediente dafür u.a. Drucklufthammer, Einzelkraftstopfer, Schwellenschraubmaschinen und Schwellenbohrmaschinen sowie eine Trennschleifmaschine. Als Maschinist bediente er mit drei weiteren Arbeitskollegen die ihm zur Verfügung stehenden Gleisbettstopfmaschinen und stopfte auch von Hand bzw. baute von Hand Schotter ein. Diese Tätigkeiten mit Ausnahme des Führens von Gleisbettstopfmaschinen übte der Kläger auch als mitarbeitender Polier/Schachtmeister im Gleisbau von 1985 bis zum 30.04.2010 aus. In diesem Zeitraum war er von 1985 bis Ende März 1993 bei der Firma K. in M. als Polier beschäftigt, anschließend bis August 1994 bei der Firma L. W. in H. (Schachtmeister), dann bis Juli 1998 als Polier bei der Firma J. GmbH in S., anschließend bis Juni 1999 wieder als Schachtmeister bei der Firma R. GmbH in B., dann vom 12.07.1999 bis Jahresende als Polier bei L. W. in G. und zuletzt vom 10.01.2000 bis zum 30.04.2010 bei der Firma S. R. GmbH in B. als Schachtmeister.
Mit Schreiben vom 09.12.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung der Berufskrankheiten Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur BKV, das eine Wirbelsäulenerkrankung auf eine 47-jährige Tätigkeit im Gleisbau zurückzuführen sei. Am 25.01.2011 gab er an, ca. 35 Jahre zuvor erstmals Wirbelsäulenbeschwerden gehabt zu haben. Diese hätten sämtliche Abschnitte der Wirbelsäule betroffen, also Halswirbelsäule (HWS), Brustwirbelsäule (BWS) und die Lendenwirbelsäule (LWS). Er beschrieb taube Arme und Beine, Ohrenschmerzen und Rückenschmerzen bei längerem Stehen. Wegen der Beschwerden habe er 1980 eine Weiterbildung zum Polier begonnen. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden seien drei Kurmaßnahmen durchgeführt worden. An sportlichen Betätigungen gab er Wandern und Schwimmen an.
Die Beklagte zog Unterlagen über frühere arbeitsmedizinische Untersuchungen bei. Bereits am 06.05.1982, wie auch am 20.05.1985 und 04.10.2006 hatte der Kläger im Rahmen arbeitsmedizinischer Untersuchungen jeweils über Rückenbeschwerden geklagt. Ein vom Kläger zur Verwaltungsakte der Beklagten gereichtes vertrauensärztliches Gutachten vom 26.10.1981 (Bl. 19 VA), erstattet von Dr. G. vom Vertrauensärztlichen Dienst der L. B., nannte u.a. die Diagnose eines Lumbalsyndroms bei WS-Veränderungen der LWS. Der Kläger habe über Kreuzschmerzen mit Ausstrahlungen in das linke und rechte Bein, Kältegefühl und Pelzigkeit in beiden Beinen geklagt und nehme reichlich Analgetika. Die Wirbelsäule beschrieb er als in allen Richtungen normal beweglich ohne Klopfempfindlichkeit mit verspannter paravertebraler Muskulatur im unteren BWS- und im LWS-Bereich. Seit einem Autounfall 1974 bestünden Kopfschmerzen und gelegentlicher Schwindel.
Das Vorerkrankungsverzeichnis der T. Krankenkasse, bei der der Kläger seit September 1988 Mitglied ist, enthält lediglich bezüglich der vom 22.04. bis 20.05.2008 durchgeführten stationären Rehabilitation die Diagnose Kreuzschmerz (neben einer essenziellen Hypertonie).
Die behandelnden Orthopäden, Praxis Dres. E./W., teilten am 07.02.2011 mit, dass der Kläger seit 2002 in der Vorgängerpraxis in Behandlung sei und dort erstmals 2003 Wirbelsäulenbeschwerden angegeben habe. Beigefügt war ein vom Radiologen Dr. H. am 04.12.2003 erstatteter Befundbericht über ein auswärts durchgeführtes MRT der HWS vom 11.11.2003, wonach degenerative Veränderungen im Bereich der mittleren und unteren HWS, insbesondere in den Segmenten HWK5/HWK6, HWK6/HWK7 und HWK7/BWK1 mit breitbasigen Bandscheibenprotrusionen bestanden hätten, allerdings ohne Anhalt für einen cervicalen Bandscheibenvorfall. Seit vier Wochen bestünde ein rezidivierend auftretendes Pelzigkeitsgefühl im Bereich der rechten Gesichtshälfte und dem rechten Arm mit persistierenden Cervicobrachialgien rechts mit Ausstrahlung in den Unterarm. Diese seien auf degenerative Veränderungen im Bereich der HWS zurückzuführen. Nachweise für einen Bandscheibenvorfall könne er nicht erkennen.
Der behandelnde Hausarzt, der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K., teilte der Beklagten am 22.02.2011 mit, der Kläger befinde sich seit über zehn Jahren in seiner Behandlung und habe ihn erstmals 1999 wegen Wirbelsäulenbeschwerden in Anspruch genommen. Der Kläger habe damals über lumbale Schmerzen mit Schmerzausstrahlung in das rechte Bein geklagt. Es habe eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der LWS ohne sensomotorische Störung bestanden. Seit 2002 sei ein degeneratives Wirbelsäulenleiden bekannt. Der Kläger habe immer wieder über Lumbalgien, Lumboischialgien und HWS-Beschwerden geklagt, seit 2003 auch über ein Taubheitsgefühl im rechten Arm, der rechten Hand, der rechten Gesichtshälfte und im rechten Bein. Wegen Wirbelsäulenbeschwerden sei der Kläger ein- bis dreimal pro Jahr vorstellig geworden, es seien immer wieder Diclofenacinjektionen durchgeführt worden, Analgetika, Krankengymnastik und Massagen verordnet worden. 2004 und 2008 seien stationäre Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt worden. Der Orthopäde Dr. M. berichtete in einem mit übersandten Befundbericht vom 08.01.2002 über eine Steilstellung der HWS mit degenerativen Veränderungen, Zwischenraumverschmälerungen bei C4/5, C5/6 und C6/7 mit vermehrter Grund- und Deckplattensklerosierung und einer ventralen spondylophytären Abstützreaktion C4/5/6. Im BWS-Bereich bestünden eine thoracale Hyperkyphose mit ZWR-Verschmälerung und vermehrter Sklerosierung der Grund- und Deckplatten und eine Keilwirbelbildung als Zeichen eines abgelaufenen Morbus Scheuermann bei Rechtskonvexität. Im LWS-Bereich erhob er den Befund einer linkskonvexen Lumbalskoliose mit ZWR-Verschmälerung LWK5/S1 und vermehrter Grund- und Deckplattensklerosierung bei altersentsprechender Knochenstruktur.
In einem Röntgenbefund vom 11.11.2003 berichtete der Facharzt für Radiologie M. von mäßiggradiger Osteochondrose im Segment C5/C6 sowie fortgeschrittener Osteochondrose in den Segmenten C6/C7 und C7/Th1 (Bl. 129 VA). In einem Befundbericht vom 26.10.2010 teilte der Radiologe Dr. P. den Befund einer kyphotischen Fehlstellung der HWS sowie einer Spondylosis deformans der HWS und oberen BWS mit. Eine Befundbetonung bestehe in Höhe C4/5 bis C7/Th1. Es bestünden multisegmentale Osteochondrosen mit flachen NPP (Bl. 154 VA).
In einer Stellungnahme Arbeitsplatzexposition errechnete der Präventionsdienst der Beklagten eine Gesamtdosis nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) von 54,2 MNh entsprechend einem prozentualen Anteil von 217% des Orientierungswertes von 25 MNh. Wirbelsäulengefährdende Tätigkeiten im Sinne der BK 2109 habe der Kläger während seines Berufslebens nicht ausgeübt, auch im Hinblick auf die BK 2110 sei nicht von einer relevanten Gefährdung auszugehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 19.07.2011 (Bl. 173 ff. VA) Bezug genommen.
Mit Stellungnahme vom 20.10.2011 kam der beratende Arzt der Beklagten, Dr. B., zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) der Nrn. 2108 und 2110 der Anl. 1 zur BKV nicht wahrscheinlich gemacht werden könnten. Im Bereich der HWS bestehe unabhängig von einer beruflichen Belastung eine schicksalhafte Erkrankung im Sinne deutlicher degenerativer Veränderungen mit mehreren Bandscheibenvorfällen. Die bandscheibenbedingten Veränderungen dort seien deutlich stärker ausgeprägt als im Bereich der LWS. Im Bereich der LWS liege als wesentlicher konkurrierender Faktor eine Assimilationsstörung im Sinne einer Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels vor, wobei ein asymmetrischer lumbosakraler Übergangswirbel bestehe mit "Schiefstellung" LWK5 auf LWK6 und hierdurch bedingter deutlicher linkskonvexer Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt in Höhe L3. Im Übrigen liege mit Ausnahme dieser Fehlstellung ein im Wesentlichen altersentsprechender röntgenologischer LWS-Befund mit einer Chondrose I. Grades lediglich im Segment L4/L5 mit nur leicht ausgeprägten Spondylophytenbildungen ohne eigentlichen Nachweis einer Begleitspondylose vor. Gegen das Vorliegen einer BK 2108/2110 spreche auch, dass auf den Röntgenaufnahmen der LWS seit 2002/2003 die Rotationsskoliose als schicksalhafte Erkrankung deutlich zugenommen habe, während die Ausprägung der Spondylophyten im Wesentlichen gleich geblieben bzw. eine Größenzunahme dieser Spondylophyten als Hinweis auf eine eventuell vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung nicht nachweisbar sei. Eine röntgenologisch gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS bestehe nicht. Der Gewerbearzt der Regierung von Schwaben erklärte sich am 02.11.2011 per Stempelaufdruck mit dieser Einschätzung einverstanden.
Mit Bescheid vom 01.12.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Berufskrankheiten-Liste) und Ansprüche auf Leistungen aufgrund dessen ab. Ein belastungskonformes Schadensbild habe nicht nachgewiesen werden können, es handle sich um eine schicksalhafte Erkrankung im Bereich der LWS. Die medizinischen Befunde entsprächen nicht dem Bild einer Berufskrankheit.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2011 Widerspruch, welcher nicht begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Bei diesem liege keine BK Nr. 2108 BKV vor, weil bereits die medizinischen Kriterien im Sinne eines belastungskonformen Schadensbildes fehlten. Eine Diskussion der arbeitstechnischen Bedingungen sei daher entbehrlich. Der Widerspruchsbescheid wurde zwecks Bekanntgabe am 23.02.2012 zur Post gegeben.
Hiergegen hat der Kläger am 16.03.2012 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sich auf ein MRT der LWS vom 05.03.2012 berufen, wonach schwere degenerative Veränderungen und Schäden im Bereich der gesamten LWS bestünden. Entgegen der Einschätzung von Dr. B. liege keineswegs ein altersentsprechender LWS-Befund vor. In Höhe L4/5 bestehe ein breitbasiger linkslateral betonter Bandscheibenvorfall mit deutlicher Impression des Duralsackes und der Neuroforamina, insbesondere des linken Neuroforamens, in Höhe L3/4 ein breitbasiger flacher Bandscheibenvorfall mit mäßiggradiger Impression des Duralsacks und mittelgradigen Impressionen der Neuroforamina beidseits. In Höhe L3/4 bestehe ein breitbasiger rechtslateral betonter Bandscheibenvorfall mit mäßiggradiger Impression des Duralsackes und deutlicher Impression des rechten Neuroforamens sowie in Höhe L1/2 ein linkslateral betonter Bandscheibenvorfall mit mäßiggradiger Impression des Duralsackes und geringer Impression des linken Neuroforamens. Nachdem die arbeitstechnischen Voraussetzungen vom Kläger bei Weitem erreicht würden, seien die Voraussetzungen einer BK 2108 erfüllt. Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.
Das SG hat den Kommissarischen Leiter der Klinik für O. und U. der N.-O.-Kliniken (Standort M.), Dr. M., mit einem orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten beauftragt, welches vom 19.07.2012 datiert. Dr. M. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Berufskrankheit Nr. 2108 beim Kläger vorliege, deren Folge ein im MRT gesicherter Bandscheibenvorfall L4/L5 mit ausstrahlenden Schmerzen in das Bein links und passageren Sensibilitätsstörungen an der Außenseite des Oberschenkels seien. Aufgrund des klinischen und des MRT-Befundes bestünden Bandscheibenvorfälle sowohl in Höhe der HWS als auch der LWS, wobei letztere deutlich ausgeprägter seien und zu einer Impression der Neuroforamina (Austrittslöcher der Nervenwurzeln) geführt hätten. Außerdem bestünden in beiden Wirbelsäulenabschnitten eine Spondylosis deformans und multiple Osteochondrosen. Die Bandscheibenvorfälle seien bandscheibenbedingte Erkrankungen. Die linkskonvexe Torsionsskoliose habe zu einer deutlichen Belastung der rechtsseitigen Bandscheibenanteile geführt und sei sicherlich ursächlich für die rechtsbetonten Bandscheibenvorfälle. In Höhe L4/L5 liege der Bandscheibenvorfall jedoch lateral links, wo man durch die Torsionsskoliose eher eine Entlastung der Bandscheiben zu erwarten hätte. Für diesen auf der konvexen Seite der Skoliose liegenden Bandscheibenvorfall sei eine Belastungskomponente als ursächlich anzunehmen. Dafür spreche auch, dass dies der ausgeprägteste Bandscheibenvorfall sei. Bei deutlich über dem oberen Grenzwert liegender beruflicher Exposition würde er deshalb den Bandscheibenvorfall L4/5 nach BK Ziff. 2108 anerkennen.
Dem ist die Beklagte durch Vorlage einer weiteren Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. B. vom 10.01.2013 (Bl. 41 SG-Akte) entgegengetreten. Als wesentlicher konkurrierender Faktor im Bereich der LWS liege eine Assimilationsstörung im Sinne einer Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels vor. Es bestehe ein asymmetrischer lumbosakraler Übergangswirbel mit "Schiefstellung" LWK5 auf LWK6 und hierdurch bedingter deutlicher linkskonvexer Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt in Höhe L3 und Cobb-Winkel von ca. 15 ° mit einer zusätzlich deutlichen Abflachung der Lendenlordose im Sinne einer Steilstellung. Des Weiteren sei eine Größenzunahme der Spondylophyten seit 2002 nicht nachweisbar, während die Rotationsskoliose als schicksalhafte Erkrankung deutlich zugenommen habe. Entgegen der Auffassung von Dr. M. seien die Bandscheibenvorfälle im Bereich der HWS zumindest gleich stark ausgeprägt wie im Bereich der LWS. In beiden Wirbelsäulenbereichen hätten die Bandscheibenvorfälle zum Teil zu deutlichen Impressionen der Neuroforamina geführt. Im LWS-Bereich liege eine Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen nicht vor. Durch die deutliche Torsionsskoliose in Höhe L 3 sei die gesamte Biomechanik der LWS gestört. Die ursächliche Zuordnung der verschiedenen Bandscheibenvorfälle zur Torsionsskoliose einerseits und zur berufsbedingten Belastung andererseits sei rein spekulativ und medizinisch nicht korrekt.
Mit ergänzender Stellungnahme vom 04.03.2013 hat Dr. M. seine Auffassung bekräftigt. Die Beklagte hat demgegenüber ausgeführt, die ausgeprägten Bandscheibenveränderungen im Bereich der HWS, geringer der BWS, seien als eindeutiges Indiz gegen die Annahme des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 zu werten.
Mit Urteil vom 14.05.2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 01.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2012 aufgehoben und festgestellt, dass beim Kläger eine Berufskrankheit der Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Es hat sich in den Gründen auf das Gutachten des Dr. M. gestützt. Dieser habe nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen er von einer Kausalbeziehung ausgehe. Insbesondere seien hier die Unterschiede der Bandscheibenvorfälle im Bereich der HWS und der LWS zu nennen. Er lege schlüssig dar, warum bei dem Bandscheibenvorfall im Bereich L4/L5 eine zusätzliche Komponente, neben den vorbestehenden und unfallunabhängigen Gesundheitsbeschwerden, hinzugetreten sein müsse. Für den Bereich L4/L5 gehe Dr. M. davon aus, dass der Mitverursachungsanteil der Torsionsskoliose in den Hintergrund trete, da dort der Bandscheibenvorfall nach lateral links liege, wodurch eher eine Entlastung der Bandscheibe zu erwarten gewesen wäre, weshalb von einer überwiegend beruflichen Verursachung auszugehen sei. Beim Bandscheibenvorfall im Bereich L4/L5 sei die Torsionsskoliose von derart untergeordneter Bedeutung, dass die Wesentlichkeit der Verursachung der Beschwerden durch die beruflichen Einwirkungen nicht beseitigt werde. Das Urteil ist der Beklagten am 25.06.2013 zugestellt worden.
Die Beklagte hat dagegen am 03.07.2013 Berufung eingelegt. Ein belastungskonformes Schadensbild, d.h. von oben nach unten zunehmend, sei beim Kläger nicht erkennbar. Im Bereich der HWS und in mehreren BWS-Segmenten bestünden eindeutig nicht beruflich verursachte Bandscheibenveränderungen, auch im lumbalen Segment. Die krankheitsbedingten Bandscheibenveränderungen über die gesamte Wirbelsäule in drei Abschnitten wiesen auf eine einheitliche, schicksalhafte degenerative Entwicklung hin, die nicht beruflich bedingt sei. Eine Akzentuierung im Bereich der LWS sei nicht diagnostizierbar. Darüber hinaus liege eine Assimilationsstörung im Sinne einer Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels bei asymmetrischem lumbosakralem Übergangswirbel mit Schiefstellung LWK5 auf LWK6 und hierdurch bedingter deutlicher linkskonvexer Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt in Höhe L3 vor. Da hiernach wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar seien, sei von einer Konstellation B 10 der Konsensempfehlungen auszugehen. Darüber hinaus sei der Kläger auch nicht gezwungen gewesen, aufgrund seiner Wirbelsäulenbeschwerden seine berufliche Tätigkeit aufzugeben. Vielmehr habe er bis zum Eintritt in die Rente aufgrund des Erreichens der Altersgrenze am 30.04.2010 seiner Tätigkeit voll umfänglich nachkommen können. Hiernach habe kein Unterlassungszwang bestanden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.05.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er beruft sich auf das Gutachten von Dr. Merkel und die Gründe des Urteils erster Instanz.
Der Senat hat alle verfügbaren Röntgen- und MRT-Bilder beigezogen und den Orthopäden Prof. Dr. C., Leiter des Schwerpunkts K. und W. der Klinik für O. und U. des Klinikums M., mit einem Gutachten beauftragt. Auch Prof. Dr. C. ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Berufskrankheit Ziff. 2108 der BKV vorliege. Beim Kläger bestünden dem Alter deutlich vorauseilende bandscheibenbedingte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die schwerwiegender seien als im Bereich der Hals- und/oder Brustwirbelsäule; sowohl der Bandscheibenvorfall L3/L4 als auch der Bandscheibenvorfall L5/S1, welche altersuntypisch seien, da sie sich mehr als 5 mm über die Verbindungslinie der dorsalen Begrenzung der Wirbelkörperhinterkante vorwölbten, erfüllten diese Kriterien. Anzunehmen sei eine Konstellation B 2 bis B 4 im Sinne der Konsensempfehlungen. Im Gegensatz zu Dr. B. vermöge er eine statisch wirksame Asymmetrie des Übergangswirbels nicht zu erkennen. Die Lumbalskoliose werde nicht durch einen asymmetrischen Übergangswirbel verursacht, sondern sei aus innerer Ursache heraus entstanden. Die Krümmung betrage 20 °. Solche Skoliosen leichterer Ausprägung (mit weniger als 25 °) seien nach den Konsensempfehlungen nicht als Prädisposition im Sinne grundsätzlich wesentlicher Ursache eines Bandscheibenschadens anzusehen. Sonderfälle seien Lumbalskoliosen zwar leichterer Ausprägung, die ihren Scheitelpunkt jedoch in der unteren LWS hätten, also tiefe Lumbalskoliosen. Eine solche liege aber beim Kläger nicht vor, da der Scheitelpunkt nicht in der unteren, sondern in der mittleren LWS sei. Nachdem, worin Dr. B. zuzustimmen sei, eine Begleitspondylose im LWS-Bereich nicht vorliege, sei von einer B-Konstellation im Sinne der Konsensempfehlungen, hier der Konstellation B 2, auszugehen. Für eine Anerkennung sei zusätzlich die Erfüllung eines der Kriterien einer Höhenminderung und/oder eines Prolaps an mehreren Bandscheiben, einer besonders intensiven Belastung oder eines besonderen Gefährdungspotentials durch hohe Belastungsspitzen erforderlich. Hier sei das erste Kriterium (Prolaps an mehreren Bandscheiben) erfüllt. Nachdem der Bandscheibenschaden an der HWS zwar deutlich mehr Segmente betreffe, allerdings die Veränderungen andersartig (keine Bandscheibenvorfälle, sondern nur Vorwölbungen) seien, und auch später klinisch relevant geworden seien (LWS Beginn der achtziger Jahre, HWS dokumentiert für 2002) bewerte er den Bandscheibenschaden an der HWS schwächer als den an der LWS, weshalb er von einer Konstellation B 4 ausgehe und den Zusammenhang gemäß den Konsensempfehlungen als wahrscheinlich ansehe. Auf die Frage nach dem Zwang zum Unterlassen aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren, hat der Gutachter ausgeführt, dass dem Kläger die Tätigkeit eines Gleisbauers nicht mehr zumutbar sei.
Die Beklagte ist diesem Gutachten entgegengetreten. Prof. Dr. C. habe lediglich als mögliche konkurrierende Ursachen die Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels und die lumbale Skoliose diskutiert. Die festgestellten röntgenologischen Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule und die seit 2002/2003 deutliche Zunahme der Rotationsskoliose seien nicht diskutiert worden. Die Konstellation B 2 liege nicht vor, weil konkurrierende Ursachen erkennbar seien und keines der Zusatzkriterien erfüllt sei. Die Konstellation B 4 sei nicht passend, da nach Auffassung der Beklagten die Ausprägung an der HWS nicht schwächer, sondern eher stärker als an der LWS sei.
In der Stellungnahme vom 10.04.2014 hat Prof. Dr. C. darauf hingewiesen, dass er in seinem Gutachten im HWS-Bereich keine Bandscheibenvorfälle, sondern lediglich nach hinten weisende, breitbasige Vorwölbungen beschrieben habe. Bei einem Bandscheibenvorfall sei der Faserring durchbrochen und der Gallertkern nach außen getreten. Bei einer Bandscheibenvorwölbung sei der Faserring im Wesentlichen intakt. Im LWS-Bereich bestünden bei L2/L3, L3/L4 und L4/L5 Bandscheibenvorfälle, während im HWS- und BWS-Bereich lediglich Bandscheibenvorwölbungen bestünden. Soweit ihm vorgeworfen werde, die Gesamtbeeinträchtigung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule bei Würdigung der möglichen berufsbedingten Ursachen nicht berücksichtigt zu haben, sei zu entgegnen, dass bei der Einstufung einer möglichen Berufskrankheit in die denkbaren Konstellationen die BWS eine eher untergeordnete Rolle spiele; die BWS-Veränderungen des Klägers seien im Übrigen eher diskret. Die Veränderungen im Bereich der HWS und LWS habe er berücksichtigt. Sofern diese Ausführungen die Beklagte nicht überzeugten, empfehle er eine radiologische Zusatzbegutachtung.
Im Auftrag der Beklagten hat Dr. G. (Klinik für D. und I. R. und N. am Klinikum A.) am 03.10.2014 ein radiologisches Gutachten erstattet, welches die Beklagte am 11.12.2014 vorgelegt hat. Hiernach lägen im Bereich der HWS eine multisegmentale Osteochondrose C5 bis Th1, zum Teil mit erosivem Charakter, vor, darüber hinaus flache Bandscheibenprotrusionen und geringe Retrospondyalose der mittleren und unteren HWS bei kyphotischer Fehlstellung. Im Bereich der BWS hat er eine geringe oligosegmentale Osteochondrose Th7 bis Th10, am ehesten im Rahmen einer juvenilen Osteochondrose, beschrieben, darüber hinaus eine mehrsegmentale Chorda dorsalis persistens ohne Krankheitswert. Für die LWS bestünden ein sechsgliedriger LWS-Aufbau ohne knöcherne Asymmetrien im lumbosakralen Übergangsbereich und fehlender Hemiassimilation, eine kurzbogige, tieflumbale Torsionsskoliose L5/6 mit linkskonvexem Scheitel im Segment L3/4 bzw. bei LWK4, torsionsskoliosebedingte, jeweils alternierend konkavseitige, asymmetrische Osteochondrosen in L4/5 rechts (gering auch L3/4 rechts) sowie in L5/6 links mit zum Teil kräftiger reaktiver Hemisklerose und Spondylose (Stadium III nach Weiner), zirkumferente Bandscheibenprotrusionen in L3/4 bis L5/6 mit breitbasigen intraforaminalen Extrusionen, vor allem in L4/5 und L5/6, zudem weitere kleinere Bandscheibenextrusionen in der oberen LWS, schließlich eine asymmetrische, partielle Black Disc in L5/6 links sowie ein asymmetrisch rechtsseitiges Vakuumphenomen der Bandscheibe L4/5 rechts bei ansonsten moderaten Bandscheibenveränderungen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
In Auswertung dieses Gutachtens hat Dr. B. mit weiterer Stellungnahme vom 06.12.2014 als wesentliche Ursache der LWS-Veränderungen einschließlich der Bandscheibenveränderungen eine ausgeprägte tiefe Lumbalskoliose bei gleichzeitig vorliegendem sechstgliedrigem LWS-Aufbau benannt. Hierdurch sei die gesamte Biomechanik der LWS gestört im Sinne einer unphysiologischen Belastung mit schicksalhafter Zunahme der krankhaften LWS-Veränderungen. Hinzu komme, dass die Rotationsskoliose als schicksalhafte Erkrankung seit 2002/2003 deutlich zugenommen habe, während die Ausprägung der Spondylophyten im Wesentlichen gleich geblieben sei. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass eine eigentliche Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen nicht vorliege. Schließlich weise das Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen über die gesamte Wirbelsäule auf eine einheitliche, schicksalhafte degenerative Entwicklung hin und spreche eindeutig gegen einen Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit der Berufstätigkeit.
Prof. Dr. C. hat in seiner Stellungnahme vom 29.12.2014 ausgeführt, durch das Gutachten des Dr. G. sei klargestellt, dass für den HWS-Bereich von Bandscheibenprotrusionen auszugehen sei und ein Bandscheibenvorfall nicht vorliege. Für die Brustwirbelsäule habe Dr. G. entgegen der Auffassung von Dr. B., der von degenerativen Veränderungen mit Vorfällen in den Segmenten C7/Th1 und Th12/L1 ausgegangen sei, bestätigt, dass an der BWS weder relevante Bandscheibenvorwölbungen noch Bandscheibenvorfälle vorlägen. Die von Dr. B. im Oktober 2011 vertretene Auffassung, dass im Bereich der gesamten Halswirbelsäule einschließlich des HWS-BWS-Übergangs ausgeprägte degenerative Veränderungen vorlägen, u.a. mit mehreren Bandscheibenvorfällen, könne nach Vorlage des Gutachtens Dr. G. als widerlegt angesehen werden. Auch die Auffassung von Dr. B., dass die Bandscheibenveränderungen im Bereich der HWS zumindest gleich stark ausgeprägt seien wie im Bereich der LWS, sei widerlegt. Dr. G. beschreibe, dass die cervikalen Bandscheibenprotrusionen gering seien und dass Bandscheibenvorfälle völlig fehlten. An der LWS dominierten hingegen sehr stark die diskogenen Veränderungen im Sinne von Bandscheibenvorwölbungen und Bandscheibenvorfällen. Seine Auffassung, dass im HWS-Bereich die bandscheibenbedingten Veränderungen deutlich geringer ausgeprägt seien als im LWS-Bereich, sei hiernach eindeutig bestätigt. Dies sei auch unter klinischen Gesichtspunkten zu beurteilen, weshalb er in seinem Gutachten darauf hingewiesen habe, dass die Veränderungen im Bereich der HWS deutlich später klinische Relevanz erlangt hätten als die Veränderungen im Bereich der LWS. Soweit Dr. B. einen asymmetrischen lumbosakralen Übergangswirbel als wesentlichen konkurrierenden Faktor benannt habe, sei dies durch das radiologische Gutachten widerlegt, nachdem Dr. G. das MRT dahin beurteilt habe, dass beim Kläger ein echter lumbosakraler Übergangswirbel in symmetrischer Ausprägung vorliege. Schließlich verbleibe als wesentliches Argument des Dr. B. in seiner Stellungnahme vom Dezember 2014, dass "eindeutig ein wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktor im Sinne einer tiefen Torsionsskoliose der LWS" vorliege. Bei einer sechsgliedrigen Lendenwirbelsäule sei aber eine tiefe Lumbalskoliose im Bereich der Lendenwirbel 5 und 6 anzusiedeln, nicht wie vorliegend im Bereich L3/L4 bzw. LWK4. Hiernach liege nicht der Sonderfall einer tiefen Lumbalskoliose vor, nachdem der Scheitelpunkt deutlich höher liege.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weshalb er aufzuheben war. Beim Kläger besteht eine Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, was das SG zu Recht festgestellt hat.
Gegenstand des Verfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Diese ist zulässig, denn ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf Feststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage klären lassen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils RdNr. 11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274; zuletzt BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151).
Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist begründet; beim Kläger besteht eine BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV.
Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar ist ein "Lumbalsyndrom" bereits im Oktober 1981 im Rahmen einer Rentenbegutachtung (Gutachten Dr. G. vom 26.10.1981) diagnostiziert worden. Der Kläger hat danach aber noch mehrere Jahrzehnte – bis zur Aufgabe seiner lendenwirbelsäulenbelastenden Berufstätigkeit am 30.04.2010 – wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen verrichtet. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule konnte gesichert erstmals mittels MRT vom 05.03.2012 nachgewiesen werden, weshalb der Versicherungs- und Leistungsfall zeitlich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII) liegt, so dass dessen Vorschriften Anwendung finden.
Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anl. 1 zur BKV, die eine Liste der BKen enthält, Gebrauch gemacht.
Für die Feststellung einer Listen-BK ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist nach der Rechtsprechung des BSG keine Voraussetzung einer Listen-BK (BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils Rn. 16 m.w.N. und - B 2 U 9/08 R = BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 BKV, jeweils Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274).
Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 2108 wie folgt: "Bandscheiben bedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGB 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils Rn. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rn. 13 ff).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr 4 BKV) betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann, sondern als Einwirkungskausalität. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheit(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Der Kläger war Laufe seines Berufslebens stets versicherungspflichtig beschäftigt und hatte im Rahmen der von ihm jeweils ausgeübten versicherten beruflichen Tätigkeiten als Gleisbauer und Maschinist im Gleisbau bei verschiedenen Arbeitgebern (im Zeitraum von 1967 bis 1985) bzw. als mitarbeitender Polier/Schachtmeister im Gleisbau (von 1985 bis 30.04.2010) beruflich bedingt langjährig schwere Lasten zu heben und zu tragen. Zur Überzeugung des Senats sind aufgrund dessen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 erfüllt.
Bei der Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen (Einwirkungskausalität) stützt sich der Senat auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten, der hierbei die Werte des Mainz-Dortmunder Dosismodells (MDD) zugrunde gelegt hat. Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die aufgrund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist (BArbBL 2006, Heft 10, Seite 30 ff). Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus. Insofern hat das BSG in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06 –, BSGE 99, 162-170, juris, Rn. 22 ff., Urteil vom 30.11.2008 – B 2 U 14/07 R –, UV-Recht aktuell 2009, 295, bestätigt mit Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 20/14 R –, vgl. Terminbericht Nr. 13/15 vom 23.04.2015, Nrn. 2-4) Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissenstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und Bandscheiben bedingter Erkrankung des LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlung verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh, also auf 12,5 x 106 Nh herabzusetzen. Darüber hinaus ist auf eine Mindesttagesdosis (zuvor für Männer 5.500 Nh) zu verzichten, da es dafür keine gesicherte Ableitung gibt und in der Begründung zum MDD diesbezüglich nur von einem "Vorschlag" gesprochen wird. Der Präventionsdienst der Beklagten hat unter Berücksichtigung dieser neueren Rechtsprechung in seiner Stellungnahme vom 19.07.2011 (Bl. 173 ff. VA) die berufliche Belastung des Klägers ermittelt und dabei für den gesamten Zeitraum vom 01.07.1965 bis zum 30.04.2010 eine Belastungsdosis von insgesamt 54,2 MNh errechnet (217 % des Orientierungswertes nach dem MDD von 25x106 Nh). Die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh wurde daher vom Kläger erheblich überschritten. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 sind danach erfüllt.
Die genannten beruflichen Belastungen haben, und hierbei schließt sich der Senat der Auffassung des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. C. an, auch zu Bandscheibenschäden an der LWS des Klägers geführt. Maßstab für die medizinische Beurteilung des Kausalzusammenhangs, also die haftungsausfüllende Kausalität zwischen beruflich bedingten Einwirkungen und den bestehenden Erkrankungen, sind für den Senat die von Prof. Dr. C. in seinem Gutachten sowie den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen jeweils in Bezug genommenen Konsensempfehlungen ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule", Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff). Weder die mit dem vorliegenden Fall befassten medizinischen Gutachter noch die Beklagte haben einen neueren von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS aufgezeigt. Diese stellen nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Bandscheibenerkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen dar (BSG Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 20/14 R –, vgl. BSG-Terminbericht Nr. 13/15 vom 23.04.2015, Nr. 2, vgl. auch Senatsurteil vom 12.06.2012 - L 1 U 1207/11). Grundvoraussetzungen für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs sind danach (vgl. Konsensempfehlungen Seite 216, Spalte 2 und 3) eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Einwirkung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, was Prof. Dr. C. plausibel dargelegt hat. Ebenso wie Prof. Dr. C. hat der Senat keine Zweifel, dass der Erkrankung eine ausreichende Exposition vorausging (zu dieser Voraussetzung vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 216, Punkt 1.4). Der Kläger hatte bei erstmaligem Auftreten der LWS-Beschwerden Ende der 1970er Jahre (er war nach seinen Angaben zwischen 1978 und 1980 wegen Wirbelsäulenbeschwerden in stationärer Krankenhausbehandlung; belegt ist ein Lumbalsyndrom bei LWS-Veränderungen erstmals durch das Rentengutachten vom Oktober 1981) bereits seit mehr als 10 Jahren wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten ausgeübt.
Das beim Kläger vorliegende Schadensbild ist in die auf die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen aufbauende Konstellation B 4 einzuordnen. Hierfür muss ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, d.h. die Einwirkung der beruflichen Belastung muss zu einer Schädigung von Bandscheiben in den unteren LWS-Segmenten L5/S1 und/oder L4/L5 geführt haben. Das ist der Fall; die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers betrifft den Bereich L 4/5 und L5/S1. Für die Annahme der Konstellation B 2 ist daneben erforderlich, dass - eine Höhenminderung oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht - eine besonders intensive Belastung (Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren) festgestellt werden kann, oder - ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen besteht. Hier hat der Kläger jedenfalls die erste Alternative erfüllt (Prolapse an mehreren Bandscheiben im Bereich der LWS). Beim Kläger bestehen, was der Senat sowohl dem Gutachten des Prof. Dr. C. vom 28.12.2013 (Bl. 43 ff. Senatsakte) als auch dem von der Beklagten vorgelegten radiologischen Gutachten des Oberarztes Dr. G. vom 03.10.2014 entnimmt, im Bereich der LWS mehrsegmentale Bandscheibenprotrusionen und –vorfälle unterschiedlichen Ausmaßes, die sich von L2 bis L6 erstrecken. Die von Prof. Dr. C. gestellten Diagnosen, ein breitbasiger rechtsbetonter Vorfall im Bewegungssegment L3/4 und ein breitbasiger linksbetonter Vorfall bei L5/S1, hat der Radiologe Dr. G.im Wesentlichen bestätigt, auch wenn er – da die LWS des Klägers aufgrund einer lumbosakralen Übergangsanomalie des 6. LWK einen sechsgliedrigen Aufbau aufweist (hypersegmentierte LWS) – für den von Prof. Dr. C. bei L5/S1 beschriebenen Bandscheibenvorfall die Bezeichnung die Bezeichnung L5/6 verwendet hat. Darüber hinaus besteht nach den Feststellungen von Dr. G.bei L1/2 ein schmaler, zungenförmig gelappter Bandscheibenvorfall, bei L2/3 ein kräftiger, links-mediolateraler Bandscheibenvorfall ohne Wurzelkompression und bei L4/5 eine Bandscheibenprotrusion mit jeweils beidseitigen intra- und extraforaminalen Extrusionen. Es handelt sich sowohl nach Einschätzung von Prof. Dr. C. als auch von Dr. G. um dem Alter des Klägers deutlich vorauseilende bandscheibenbedingte Veränderungen. Eine Begleitspondylose fehlt, wie Prof. Dr. C. und Dr. B. überzeugend dargelegt haben. Zwar hat Dr. G. die schmale ventrale Spondylose bei L2 bis L4 als Begleitspondylose bezeichnet, jedoch hat Dr. B. dagegen in der Stellungnahme vom 06.12.2014 überzeugend eingewandt, dass gegen eine Wertung als Begleitspondylose spricht, dass alle LWS-Bandscheiben von mehr oder weniger ausgeprägten degenerativen Veränderungen betroffen sind.
Die weitere – wesentliche – Voraussetzung für die Konstellation B2, dass wesentliche konkurrierende Ursachen nicht erkennbar sein dürfen, ist ebenfalls erfüllt. Weder die beim Kläger von Prof. Dr. C. und Dr. G. im Wesentlichen übereinstimmend beschriebene lumbosakrale Übergangsanomalie mit weitgehend symmetrisch ausgebildetem und sowohl durch eine vollständige und intakte Bandscheibe vom Sacrum getrenntem als auch mit erhaltenen Facettengelenken ausgestattetem 6. LWK (hypersegmentierte LWS) noch die Torsionsskoliose mit Scheitel bei L3/4 und Cobb-Winkel von ca. 20° stellen in ihrer konkreten Ausprägung beachtliche Konkurrenzursachen dar.
Zwar hat Dr. G. in seinem Gutachten ausgeführt, dass in der Literatur Bandscheibenpathologien oberhalb eines Übergangswirbels "bekannt seien" (Bl. 110 Senatsakte), ausweislich der Konsensempfehlungen (a.a.O., S. 247, Nr. 2.1.15) bestehen in der medizinischen Literatur aber gerade keine gesicherten Erkenntnisse, dass sechs freie Lendenwirbelkörper vorzeitige Bandscheibendegenerationen verursachen können, worauf Dr. G. in seinem Gutachten dann auch ausdrücklich hingewiesen hat (Bl. 111 f. Senatsakte). Nachdem die Konsensempfehlungen derzeit den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zur BK 2108 dokumentieren, sieht der Senat keine Veranlassung, in diesem Punkt von diesen abzuweichen. Hinzu kommt, dass die von Dr. B. als wesentliches Argument für das Vorliegen einer Konkurrenzursache herangezogene (angebliche) Asymmetrie des lumbosakralen Übergangswirbels sich durch das von der Beklagten vorgelegte radiologische Gutachten des Dr. G. gerade nicht belegen lassen hat.
Auch die Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt bei L3/4 stellt vorliegend keinen konkurrierenden Faktor dar. Zunächst ist festzustellen, dass die beim Kläger bestehende Skoliose gerade eben mittelgradig (an der Grenze zur Leichtgradigkeit) ist. Nach den Konsensempfehlungen sind Skoliosewinkel nach Cobb von 10-19° leichtgradig, von 20-29° mittelgradig und erst ab 30° hochgradig (Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 233). Skoliosen "leichteren Grades" mit einem Winkel von weniger als 25°, und dazu gehört die beim Kläger bestehende Skoliose, deren Winkel Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 10.01.2013 mit 15°, Prof. Dr. C. mit 20° und Dr. G. mit 22° angegeben hat, sind nach den Konsensempfehlungen, die Prof. Dr. C. seinem Gutachten vom 28.12.2013 auch in diesem Punkt zugrunde gelegt hat, nicht als Prädisposition im Sinne grundsätzlich wesentlicher Ursachen eines Bandscheibenschadens anzusehen (a.a.O., S. 237). Sonderfälle sind nur sog. "tiefe Lumbalskoliosen", die zwar leichteren Grades sind (mit einem Winkel von mehr als 10° und weniger als 25° nach Cobb), aber ihren Scheitelpunkt in der unteren LWS haben, und für die die Arbeitsgruppe trotz Fehlen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse für plausibel gehalten hat, dass anlagebedingte biomechanische Überlastungen der unteren LWS an deren Bandscheiben wirksam werden und deshalb eine individuelle Bewertung für erforderlich hielt. Beim Kläger besteht aber keine "tiefe Lumbalskoliose" in diesem Sinne, anders als von Dr. B und Dr. G. angenommen. Die LWS des Klägers besteht aus sechs Lendenwirbelkörpern (LWK1 bis LWK6). Ausweislich der übereinstimmenden Darlegungen von Prof. Dr. C. und Dr. G. hat die Skoliose ihren Scheitelpunkt bei LWK3/4, also im mittleren Bereich, nicht aber in der unteren LWS, worauf Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.12.2014 zu Recht und mit überzeugenden Argumenten hingewiesen hat. Diese Konstellation aber ist nach den Konsensempfehlungen nicht als konkurrierender Ursachenfaktor anzusehen.
Indem Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 06.12.2014 ausführt, die Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen über die gesamte Wirbelsäule würden auf eine einheitliche, schicksalhafte degenerative Entwicklung hinweisen, vermag der Senat darin keine weitere beachtliche konkurrierende Ursache im Sinne der Konsensempfehlungen zu erkennen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass ein "Befall" der HWS und/oder BWS gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann, allerdings nur "je nach Fallkonstellation" (vgl. Konsensempfehlungen a.a.O., S. 216, Nr. 1.4). Hier spricht die unterschiedliche morphologische Ausprägung im Bereich der HWS und LWS, worauf Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 28.12.2013 hingewiesen hat, gegen eine Würdigung des im Bereich der HWS bestehenden - andersartigen - Bandscheibenverschleißes als Konkurrenzursache. So bestehen im Bereich der HWS zwar ebenfalls Verschleißerscheinungen der Bandscheiben in Gestalt einer multisegmentalen Osteochondrose C5-Th1, allerdings nur flache Bandscheibenprotrusionen (keine Bandscheibenvorfälle), so dass die diskogenen Veränderungen, welche im LWS-Bereich dominieren, im HWS-Bereich deutlich geringer sind. An der BWS bestehen bis auf die moderate Bandscheibenprotrusion bei HWK7/BWK1 weder relevante Bandscheibenvorwölbungen noch Bandscheibenvorfälle. Auch der Verlauf der Erkrankung, die im Bereich der LWS bereits 1981 objektivierbare klinische Ausprägungen hatte, im Bereich der HWS aber erst 2002, spricht gegen eine solche Indizwirkung.
Aus den angeführten Gründen, insbesondere angesichts des geschilderten klinischen Verlaufs, schließt sich der Senat der von Prof. Dr. C. vertretenen Auffassung, wonach die bandscheibenbedingten Veränderungen im HWS-Bereich geringer ausgeprägt sind als die bandscheibenbedingten Veränderungen im LWS-Bereich, an. Hiernach liegt eine Konstellation B4 im Sinne der Konsensempfehlungen vor.
Infolge der beim Kläger bestehenden LWS-Erkrankung besteht spätestens seit der tatsächlichen Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit am 30.04.2010 auch der Zwang, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen, wovon der Senat ebenfalls gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. C. überzeugt ist. Der bei der BK Nr. 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Aufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R; Senatsurteil vom 08.11.2010 - L 1 U 2450/08). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger seine lendenwirbelsäulenbelastende Berufstätigkeit bis zur Rente ausgeübt hat. Nachdem beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule infolge der dort bestehenden Gesundheitsstörungen eine Bewegungseinschränkung besteht und der Kläger zugleich in seiner Belastbarkeit gemindert ist, erscheint aber die gutachterliche Schlussfolgerung, dass Gleisbautätigkeiten dem Kläger nicht mehr zumutbar sind, nachvollziehbar. Da feststeht, dass der Kläger erst am 30.04.2010 seine berufliche Tätigkeit tatsächlich aufgegeben hat, hatte der Senat nicht zu prüfen, ob, wofür angesichts des erhobenen Befundes einiges spricht, der Kläger zuvor seine Berufstätigkeit bereits jahrelang auf Kosten der Gesundheit ausgeübt hat.
Hiernach besteht beim Kläger eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, weshalb das SG die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben und eine entsprechende Feststellung getroffen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV). Berufungsklägerin ist die Beklagte.
Der 1947 geborene Kläger absolvierte von 1962 bis 1965 eine Lehre zum Landwirt. Er war danach von 1965 bis zum 30.04.2010 stets im Gleisbau beschäftigt. Im Einzelnen übte er von 1965 bis 1967 eine Tätigkeit als Hilfskraft bei der Firma S. und E. aus, wo er insbesondere bei Umbaumaßnahmen in erheblichem Umfang Gleisbettstopfarbeiten mittels eines Handstopfhammers auszuführen hatte. Von 1967 bis 1985 arbeitete der Kläger zu etwa gleichen Anteilen als Bauwerker und Maschinist im Gleisbau bei den Firmen K. K. in M. und E. in L.-K.; im Einzelnen von 1967 bis 1971 bei der Firma K. als Maschinist, von 1971 bis 1972 bei der Firma E. als Maschinist, anschließend bis 1976 bei der Firma K. als Maschinenführer, schließlich wieder von 1976 bis 1985 bei der Firma E. als Maschinist. Nach den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten (Bericht vom 19.07.2011, Bl. 173 Verwaltungsakte der Beklagten - VA) führte er in seiner Funktion als Gleisbauer sämtliche berufstypischen Tätigkeiten aus und bediente dafür u.a. Drucklufthammer, Einzelkraftstopfer, Schwellenschraubmaschinen und Schwellenbohrmaschinen sowie eine Trennschleifmaschine. Als Maschinist bediente er mit drei weiteren Arbeitskollegen die ihm zur Verfügung stehenden Gleisbettstopfmaschinen und stopfte auch von Hand bzw. baute von Hand Schotter ein. Diese Tätigkeiten mit Ausnahme des Führens von Gleisbettstopfmaschinen übte der Kläger auch als mitarbeitender Polier/Schachtmeister im Gleisbau von 1985 bis zum 30.04.2010 aus. In diesem Zeitraum war er von 1985 bis Ende März 1993 bei der Firma K. in M. als Polier beschäftigt, anschließend bis August 1994 bei der Firma L. W. in H. (Schachtmeister), dann bis Juli 1998 als Polier bei der Firma J. GmbH in S., anschließend bis Juni 1999 wieder als Schachtmeister bei der Firma R. GmbH in B., dann vom 12.07.1999 bis Jahresende als Polier bei L. W. in G. und zuletzt vom 10.01.2000 bis zum 30.04.2010 bei der Firma S. R. GmbH in B. als Schachtmeister.
Mit Schreiben vom 09.12.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung der Berufskrankheiten Nrn. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur BKV, das eine Wirbelsäulenerkrankung auf eine 47-jährige Tätigkeit im Gleisbau zurückzuführen sei. Am 25.01.2011 gab er an, ca. 35 Jahre zuvor erstmals Wirbelsäulenbeschwerden gehabt zu haben. Diese hätten sämtliche Abschnitte der Wirbelsäule betroffen, also Halswirbelsäule (HWS), Brustwirbelsäule (BWS) und die Lendenwirbelsäule (LWS). Er beschrieb taube Arme und Beine, Ohrenschmerzen und Rückenschmerzen bei längerem Stehen. Wegen der Beschwerden habe er 1980 eine Weiterbildung zum Polier begonnen. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden seien drei Kurmaßnahmen durchgeführt worden. An sportlichen Betätigungen gab er Wandern und Schwimmen an.
Die Beklagte zog Unterlagen über frühere arbeitsmedizinische Untersuchungen bei. Bereits am 06.05.1982, wie auch am 20.05.1985 und 04.10.2006 hatte der Kläger im Rahmen arbeitsmedizinischer Untersuchungen jeweils über Rückenbeschwerden geklagt. Ein vom Kläger zur Verwaltungsakte der Beklagten gereichtes vertrauensärztliches Gutachten vom 26.10.1981 (Bl. 19 VA), erstattet von Dr. G. vom Vertrauensärztlichen Dienst der L. B., nannte u.a. die Diagnose eines Lumbalsyndroms bei WS-Veränderungen der LWS. Der Kläger habe über Kreuzschmerzen mit Ausstrahlungen in das linke und rechte Bein, Kältegefühl und Pelzigkeit in beiden Beinen geklagt und nehme reichlich Analgetika. Die Wirbelsäule beschrieb er als in allen Richtungen normal beweglich ohne Klopfempfindlichkeit mit verspannter paravertebraler Muskulatur im unteren BWS- und im LWS-Bereich. Seit einem Autounfall 1974 bestünden Kopfschmerzen und gelegentlicher Schwindel.
Das Vorerkrankungsverzeichnis der T. Krankenkasse, bei der der Kläger seit September 1988 Mitglied ist, enthält lediglich bezüglich der vom 22.04. bis 20.05.2008 durchgeführten stationären Rehabilitation die Diagnose Kreuzschmerz (neben einer essenziellen Hypertonie).
Die behandelnden Orthopäden, Praxis Dres. E./W., teilten am 07.02.2011 mit, dass der Kläger seit 2002 in der Vorgängerpraxis in Behandlung sei und dort erstmals 2003 Wirbelsäulenbeschwerden angegeben habe. Beigefügt war ein vom Radiologen Dr. H. am 04.12.2003 erstatteter Befundbericht über ein auswärts durchgeführtes MRT der HWS vom 11.11.2003, wonach degenerative Veränderungen im Bereich der mittleren und unteren HWS, insbesondere in den Segmenten HWK5/HWK6, HWK6/HWK7 und HWK7/BWK1 mit breitbasigen Bandscheibenprotrusionen bestanden hätten, allerdings ohne Anhalt für einen cervicalen Bandscheibenvorfall. Seit vier Wochen bestünde ein rezidivierend auftretendes Pelzigkeitsgefühl im Bereich der rechten Gesichtshälfte und dem rechten Arm mit persistierenden Cervicobrachialgien rechts mit Ausstrahlung in den Unterarm. Diese seien auf degenerative Veränderungen im Bereich der HWS zurückzuführen. Nachweise für einen Bandscheibenvorfall könne er nicht erkennen.
Der behandelnde Hausarzt, der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K., teilte der Beklagten am 22.02.2011 mit, der Kläger befinde sich seit über zehn Jahren in seiner Behandlung und habe ihn erstmals 1999 wegen Wirbelsäulenbeschwerden in Anspruch genommen. Der Kläger habe damals über lumbale Schmerzen mit Schmerzausstrahlung in das rechte Bein geklagt. Es habe eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der LWS ohne sensomotorische Störung bestanden. Seit 2002 sei ein degeneratives Wirbelsäulenleiden bekannt. Der Kläger habe immer wieder über Lumbalgien, Lumboischialgien und HWS-Beschwerden geklagt, seit 2003 auch über ein Taubheitsgefühl im rechten Arm, der rechten Hand, der rechten Gesichtshälfte und im rechten Bein. Wegen Wirbelsäulenbeschwerden sei der Kläger ein- bis dreimal pro Jahr vorstellig geworden, es seien immer wieder Diclofenacinjektionen durchgeführt worden, Analgetika, Krankengymnastik und Massagen verordnet worden. 2004 und 2008 seien stationäre Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt worden. Der Orthopäde Dr. M. berichtete in einem mit übersandten Befundbericht vom 08.01.2002 über eine Steilstellung der HWS mit degenerativen Veränderungen, Zwischenraumverschmälerungen bei C4/5, C5/6 und C6/7 mit vermehrter Grund- und Deckplattensklerosierung und einer ventralen spondylophytären Abstützreaktion C4/5/6. Im BWS-Bereich bestünden eine thoracale Hyperkyphose mit ZWR-Verschmälerung und vermehrter Sklerosierung der Grund- und Deckplatten und eine Keilwirbelbildung als Zeichen eines abgelaufenen Morbus Scheuermann bei Rechtskonvexität. Im LWS-Bereich erhob er den Befund einer linkskonvexen Lumbalskoliose mit ZWR-Verschmälerung LWK5/S1 und vermehrter Grund- und Deckplattensklerosierung bei altersentsprechender Knochenstruktur.
In einem Röntgenbefund vom 11.11.2003 berichtete der Facharzt für Radiologie M. von mäßiggradiger Osteochondrose im Segment C5/C6 sowie fortgeschrittener Osteochondrose in den Segmenten C6/C7 und C7/Th1 (Bl. 129 VA). In einem Befundbericht vom 26.10.2010 teilte der Radiologe Dr. P. den Befund einer kyphotischen Fehlstellung der HWS sowie einer Spondylosis deformans der HWS und oberen BWS mit. Eine Befundbetonung bestehe in Höhe C4/5 bis C7/Th1. Es bestünden multisegmentale Osteochondrosen mit flachen NPP (Bl. 154 VA).
In einer Stellungnahme Arbeitsplatzexposition errechnete der Präventionsdienst der Beklagten eine Gesamtdosis nach dem Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) von 54,2 MNh entsprechend einem prozentualen Anteil von 217% des Orientierungswertes von 25 MNh. Wirbelsäulengefährdende Tätigkeiten im Sinne der BK 2109 habe der Kläger während seines Berufslebens nicht ausgeübt, auch im Hinblick auf die BK 2110 sei nicht von einer relevanten Gefährdung auszugehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 19.07.2011 (Bl. 173 ff. VA) Bezug genommen.
Mit Stellungnahme vom 20.10.2011 kam der beratende Arzt der Beklagten, Dr. B., zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) der Nrn. 2108 und 2110 der Anl. 1 zur BKV nicht wahrscheinlich gemacht werden könnten. Im Bereich der HWS bestehe unabhängig von einer beruflichen Belastung eine schicksalhafte Erkrankung im Sinne deutlicher degenerativer Veränderungen mit mehreren Bandscheibenvorfällen. Die bandscheibenbedingten Veränderungen dort seien deutlich stärker ausgeprägt als im Bereich der LWS. Im Bereich der LWS liege als wesentlicher konkurrierender Faktor eine Assimilationsstörung im Sinne einer Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels vor, wobei ein asymmetrischer lumbosakraler Übergangswirbel bestehe mit "Schiefstellung" LWK5 auf LWK6 und hierdurch bedingter deutlicher linkskonvexer Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt in Höhe L3. Im Übrigen liege mit Ausnahme dieser Fehlstellung ein im Wesentlichen altersentsprechender röntgenologischer LWS-Befund mit einer Chondrose I. Grades lediglich im Segment L4/L5 mit nur leicht ausgeprägten Spondylophytenbildungen ohne eigentlichen Nachweis einer Begleitspondylose vor. Gegen das Vorliegen einer BK 2108/2110 spreche auch, dass auf den Röntgenaufnahmen der LWS seit 2002/2003 die Rotationsskoliose als schicksalhafte Erkrankung deutlich zugenommen habe, während die Ausprägung der Spondylophyten im Wesentlichen gleich geblieben bzw. eine Größenzunahme dieser Spondylophyten als Hinweis auf eine eventuell vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung nicht nachweisbar sei. Eine röntgenologisch gesicherte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS bestehe nicht. Der Gewerbearzt der Regierung von Schwaben erklärte sich am 02.11.2011 per Stempelaufdruck mit dieser Einschätzung einverstanden.
Mit Bescheid vom 01.12.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Berufskrankheiten-Liste) und Ansprüche auf Leistungen aufgrund dessen ab. Ein belastungskonformes Schadensbild habe nicht nachgewiesen werden können, es handle sich um eine schicksalhafte Erkrankung im Bereich der LWS. Die medizinischen Befunde entsprächen nicht dem Bild einer Berufskrankheit.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2011 Widerspruch, welcher nicht begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Bei diesem liege keine BK Nr. 2108 BKV vor, weil bereits die medizinischen Kriterien im Sinne eines belastungskonformen Schadensbildes fehlten. Eine Diskussion der arbeitstechnischen Bedingungen sei daher entbehrlich. Der Widerspruchsbescheid wurde zwecks Bekanntgabe am 23.02.2012 zur Post gegeben.
Hiergegen hat der Kläger am 16.03.2012 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sich auf ein MRT der LWS vom 05.03.2012 berufen, wonach schwere degenerative Veränderungen und Schäden im Bereich der gesamten LWS bestünden. Entgegen der Einschätzung von Dr. B. liege keineswegs ein altersentsprechender LWS-Befund vor. In Höhe L4/5 bestehe ein breitbasiger linkslateral betonter Bandscheibenvorfall mit deutlicher Impression des Duralsackes und der Neuroforamina, insbesondere des linken Neuroforamens, in Höhe L3/4 ein breitbasiger flacher Bandscheibenvorfall mit mäßiggradiger Impression des Duralsacks und mittelgradigen Impressionen der Neuroforamina beidseits. In Höhe L3/4 bestehe ein breitbasiger rechtslateral betonter Bandscheibenvorfall mit mäßiggradiger Impression des Duralsackes und deutlicher Impression des rechten Neuroforamens sowie in Höhe L1/2 ein linkslateral betonter Bandscheibenvorfall mit mäßiggradiger Impression des Duralsackes und geringer Impression des linken Neuroforamens. Nachdem die arbeitstechnischen Voraussetzungen vom Kläger bei Weitem erreicht würden, seien die Voraussetzungen einer BK 2108 erfüllt. Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.
Das SG hat den Kommissarischen Leiter der Klinik für O. und U. der N.-O.-Kliniken (Standort M.), Dr. M., mit einem orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgutachten beauftragt, welches vom 19.07.2012 datiert. Dr. M. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Berufskrankheit Nr. 2108 beim Kläger vorliege, deren Folge ein im MRT gesicherter Bandscheibenvorfall L4/L5 mit ausstrahlenden Schmerzen in das Bein links und passageren Sensibilitätsstörungen an der Außenseite des Oberschenkels seien. Aufgrund des klinischen und des MRT-Befundes bestünden Bandscheibenvorfälle sowohl in Höhe der HWS als auch der LWS, wobei letztere deutlich ausgeprägter seien und zu einer Impression der Neuroforamina (Austrittslöcher der Nervenwurzeln) geführt hätten. Außerdem bestünden in beiden Wirbelsäulenabschnitten eine Spondylosis deformans und multiple Osteochondrosen. Die Bandscheibenvorfälle seien bandscheibenbedingte Erkrankungen. Die linkskonvexe Torsionsskoliose habe zu einer deutlichen Belastung der rechtsseitigen Bandscheibenanteile geführt und sei sicherlich ursächlich für die rechtsbetonten Bandscheibenvorfälle. In Höhe L4/L5 liege der Bandscheibenvorfall jedoch lateral links, wo man durch die Torsionsskoliose eher eine Entlastung der Bandscheiben zu erwarten hätte. Für diesen auf der konvexen Seite der Skoliose liegenden Bandscheibenvorfall sei eine Belastungskomponente als ursächlich anzunehmen. Dafür spreche auch, dass dies der ausgeprägteste Bandscheibenvorfall sei. Bei deutlich über dem oberen Grenzwert liegender beruflicher Exposition würde er deshalb den Bandscheibenvorfall L4/5 nach BK Ziff. 2108 anerkennen.
Dem ist die Beklagte durch Vorlage einer weiteren Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. B. vom 10.01.2013 (Bl. 41 SG-Akte) entgegengetreten. Als wesentlicher konkurrierender Faktor im Bereich der LWS liege eine Assimilationsstörung im Sinne einer Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels vor. Es bestehe ein asymmetrischer lumbosakraler Übergangswirbel mit "Schiefstellung" LWK5 auf LWK6 und hierdurch bedingter deutlicher linkskonvexer Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt in Höhe L3 und Cobb-Winkel von ca. 15 ° mit einer zusätzlich deutlichen Abflachung der Lendenlordose im Sinne einer Steilstellung. Des Weiteren sei eine Größenzunahme der Spondylophyten seit 2002 nicht nachweisbar, während die Rotationsskoliose als schicksalhafte Erkrankung deutlich zugenommen habe. Entgegen der Auffassung von Dr. M. seien die Bandscheibenvorfälle im Bereich der HWS zumindest gleich stark ausgeprägt wie im Bereich der LWS. In beiden Wirbelsäulenbereichen hätten die Bandscheibenvorfälle zum Teil zu deutlichen Impressionen der Neuroforamina geführt. Im LWS-Bereich liege eine Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen nicht vor. Durch die deutliche Torsionsskoliose in Höhe L 3 sei die gesamte Biomechanik der LWS gestört. Die ursächliche Zuordnung der verschiedenen Bandscheibenvorfälle zur Torsionsskoliose einerseits und zur berufsbedingten Belastung andererseits sei rein spekulativ und medizinisch nicht korrekt.
Mit ergänzender Stellungnahme vom 04.03.2013 hat Dr. M. seine Auffassung bekräftigt. Die Beklagte hat demgegenüber ausgeführt, die ausgeprägten Bandscheibenveränderungen im Bereich der HWS, geringer der BWS, seien als eindeutiges Indiz gegen die Annahme des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 zu werten.
Mit Urteil vom 14.05.2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 01.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2012 aufgehoben und festgestellt, dass beim Kläger eine Berufskrankheit der Ziff. 2108 der Anlage 1 zur BKV vorliegt. Es hat sich in den Gründen auf das Gutachten des Dr. M. gestützt. Dieser habe nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen er von einer Kausalbeziehung ausgehe. Insbesondere seien hier die Unterschiede der Bandscheibenvorfälle im Bereich der HWS und der LWS zu nennen. Er lege schlüssig dar, warum bei dem Bandscheibenvorfall im Bereich L4/L5 eine zusätzliche Komponente, neben den vorbestehenden und unfallunabhängigen Gesundheitsbeschwerden, hinzugetreten sein müsse. Für den Bereich L4/L5 gehe Dr. M. davon aus, dass der Mitverursachungsanteil der Torsionsskoliose in den Hintergrund trete, da dort der Bandscheibenvorfall nach lateral links liege, wodurch eher eine Entlastung der Bandscheibe zu erwarten gewesen wäre, weshalb von einer überwiegend beruflichen Verursachung auszugehen sei. Beim Bandscheibenvorfall im Bereich L4/L5 sei die Torsionsskoliose von derart untergeordneter Bedeutung, dass die Wesentlichkeit der Verursachung der Beschwerden durch die beruflichen Einwirkungen nicht beseitigt werde. Das Urteil ist der Beklagten am 25.06.2013 zugestellt worden.
Die Beklagte hat dagegen am 03.07.2013 Berufung eingelegt. Ein belastungskonformes Schadensbild, d.h. von oben nach unten zunehmend, sei beim Kläger nicht erkennbar. Im Bereich der HWS und in mehreren BWS-Segmenten bestünden eindeutig nicht beruflich verursachte Bandscheibenveränderungen, auch im lumbalen Segment. Die krankheitsbedingten Bandscheibenveränderungen über die gesamte Wirbelsäule in drei Abschnitten wiesen auf eine einheitliche, schicksalhafte degenerative Entwicklung hin, die nicht beruflich bedingt sei. Eine Akzentuierung im Bereich der LWS sei nicht diagnostizierbar. Darüber hinaus liege eine Assimilationsstörung im Sinne einer Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels bei asymmetrischem lumbosakralem Übergangswirbel mit Schiefstellung LWK5 auf LWK6 und hierdurch bedingter deutlicher linkskonvexer Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt in Höhe L3 vor. Da hiernach wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar seien, sei von einer Konstellation B 10 der Konsensempfehlungen auszugehen. Darüber hinaus sei der Kläger auch nicht gezwungen gewesen, aufgrund seiner Wirbelsäulenbeschwerden seine berufliche Tätigkeit aufzugeben. Vielmehr habe er bis zum Eintritt in die Rente aufgrund des Erreichens der Altersgrenze am 30.04.2010 seiner Tätigkeit voll umfänglich nachkommen können. Hiernach habe kein Unterlassungszwang bestanden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.05.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er beruft sich auf das Gutachten von Dr. Merkel und die Gründe des Urteils erster Instanz.
Der Senat hat alle verfügbaren Röntgen- und MRT-Bilder beigezogen und den Orthopäden Prof. Dr. C., Leiter des Schwerpunkts K. und W. der Klinik für O. und U. des Klinikums M., mit einem Gutachten beauftragt. Auch Prof. Dr. C. ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Berufskrankheit Ziff. 2108 der BKV vorliege. Beim Kläger bestünden dem Alter deutlich vorauseilende bandscheibenbedingte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die schwerwiegender seien als im Bereich der Hals- und/oder Brustwirbelsäule; sowohl der Bandscheibenvorfall L3/L4 als auch der Bandscheibenvorfall L5/S1, welche altersuntypisch seien, da sie sich mehr als 5 mm über die Verbindungslinie der dorsalen Begrenzung der Wirbelkörperhinterkante vorwölbten, erfüllten diese Kriterien. Anzunehmen sei eine Konstellation B 2 bis B 4 im Sinne der Konsensempfehlungen. Im Gegensatz zu Dr. B. vermöge er eine statisch wirksame Asymmetrie des Übergangswirbels nicht zu erkennen. Die Lumbalskoliose werde nicht durch einen asymmetrischen Übergangswirbel verursacht, sondern sei aus innerer Ursache heraus entstanden. Die Krümmung betrage 20 °. Solche Skoliosen leichterer Ausprägung (mit weniger als 25 °) seien nach den Konsensempfehlungen nicht als Prädisposition im Sinne grundsätzlich wesentlicher Ursache eines Bandscheibenschadens anzusehen. Sonderfälle seien Lumbalskoliosen zwar leichterer Ausprägung, die ihren Scheitelpunkt jedoch in der unteren LWS hätten, also tiefe Lumbalskoliosen. Eine solche liege aber beim Kläger nicht vor, da der Scheitelpunkt nicht in der unteren, sondern in der mittleren LWS sei. Nachdem, worin Dr. B. zuzustimmen sei, eine Begleitspondylose im LWS-Bereich nicht vorliege, sei von einer B-Konstellation im Sinne der Konsensempfehlungen, hier der Konstellation B 2, auszugehen. Für eine Anerkennung sei zusätzlich die Erfüllung eines der Kriterien einer Höhenminderung und/oder eines Prolaps an mehreren Bandscheiben, einer besonders intensiven Belastung oder eines besonderen Gefährdungspotentials durch hohe Belastungsspitzen erforderlich. Hier sei das erste Kriterium (Prolaps an mehreren Bandscheiben) erfüllt. Nachdem der Bandscheibenschaden an der HWS zwar deutlich mehr Segmente betreffe, allerdings die Veränderungen andersartig (keine Bandscheibenvorfälle, sondern nur Vorwölbungen) seien, und auch später klinisch relevant geworden seien (LWS Beginn der achtziger Jahre, HWS dokumentiert für 2002) bewerte er den Bandscheibenschaden an der HWS schwächer als den an der LWS, weshalb er von einer Konstellation B 4 ausgehe und den Zusammenhang gemäß den Konsensempfehlungen als wahrscheinlich ansehe. Auf die Frage nach dem Zwang zum Unterlassen aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren, hat der Gutachter ausgeführt, dass dem Kläger die Tätigkeit eines Gleisbauers nicht mehr zumutbar sei.
Die Beklagte ist diesem Gutachten entgegengetreten. Prof. Dr. C. habe lediglich als mögliche konkurrierende Ursachen die Lumbalisation des ersten Kreuzbeinwirbels und die lumbale Skoliose diskutiert. Die festgestellten röntgenologischen Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule und die seit 2002/2003 deutliche Zunahme der Rotationsskoliose seien nicht diskutiert worden. Die Konstellation B 2 liege nicht vor, weil konkurrierende Ursachen erkennbar seien und keines der Zusatzkriterien erfüllt sei. Die Konstellation B 4 sei nicht passend, da nach Auffassung der Beklagten die Ausprägung an der HWS nicht schwächer, sondern eher stärker als an der LWS sei.
In der Stellungnahme vom 10.04.2014 hat Prof. Dr. C. darauf hingewiesen, dass er in seinem Gutachten im HWS-Bereich keine Bandscheibenvorfälle, sondern lediglich nach hinten weisende, breitbasige Vorwölbungen beschrieben habe. Bei einem Bandscheibenvorfall sei der Faserring durchbrochen und der Gallertkern nach außen getreten. Bei einer Bandscheibenvorwölbung sei der Faserring im Wesentlichen intakt. Im LWS-Bereich bestünden bei L2/L3, L3/L4 und L4/L5 Bandscheibenvorfälle, während im HWS- und BWS-Bereich lediglich Bandscheibenvorwölbungen bestünden. Soweit ihm vorgeworfen werde, die Gesamtbeeinträchtigung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule bei Würdigung der möglichen berufsbedingten Ursachen nicht berücksichtigt zu haben, sei zu entgegnen, dass bei der Einstufung einer möglichen Berufskrankheit in die denkbaren Konstellationen die BWS eine eher untergeordnete Rolle spiele; die BWS-Veränderungen des Klägers seien im Übrigen eher diskret. Die Veränderungen im Bereich der HWS und LWS habe er berücksichtigt. Sofern diese Ausführungen die Beklagte nicht überzeugten, empfehle er eine radiologische Zusatzbegutachtung.
Im Auftrag der Beklagten hat Dr. G. (Klinik für D. und I. R. und N. am Klinikum A.) am 03.10.2014 ein radiologisches Gutachten erstattet, welches die Beklagte am 11.12.2014 vorgelegt hat. Hiernach lägen im Bereich der HWS eine multisegmentale Osteochondrose C5 bis Th1, zum Teil mit erosivem Charakter, vor, darüber hinaus flache Bandscheibenprotrusionen und geringe Retrospondyalose der mittleren und unteren HWS bei kyphotischer Fehlstellung. Im Bereich der BWS hat er eine geringe oligosegmentale Osteochondrose Th7 bis Th10, am ehesten im Rahmen einer juvenilen Osteochondrose, beschrieben, darüber hinaus eine mehrsegmentale Chorda dorsalis persistens ohne Krankheitswert. Für die LWS bestünden ein sechsgliedriger LWS-Aufbau ohne knöcherne Asymmetrien im lumbosakralen Übergangsbereich und fehlender Hemiassimilation, eine kurzbogige, tieflumbale Torsionsskoliose L5/6 mit linkskonvexem Scheitel im Segment L3/4 bzw. bei LWK4, torsionsskoliosebedingte, jeweils alternierend konkavseitige, asymmetrische Osteochondrosen in L4/5 rechts (gering auch L3/4 rechts) sowie in L5/6 links mit zum Teil kräftiger reaktiver Hemisklerose und Spondylose (Stadium III nach Weiner), zirkumferente Bandscheibenprotrusionen in L3/4 bis L5/6 mit breitbasigen intraforaminalen Extrusionen, vor allem in L4/5 und L5/6, zudem weitere kleinere Bandscheibenextrusionen in der oberen LWS, schließlich eine asymmetrische, partielle Black Disc in L5/6 links sowie ein asymmetrisch rechtsseitiges Vakuumphenomen der Bandscheibe L4/5 rechts bei ansonsten moderaten Bandscheibenveränderungen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
In Auswertung dieses Gutachtens hat Dr. B. mit weiterer Stellungnahme vom 06.12.2014 als wesentliche Ursache der LWS-Veränderungen einschließlich der Bandscheibenveränderungen eine ausgeprägte tiefe Lumbalskoliose bei gleichzeitig vorliegendem sechstgliedrigem LWS-Aufbau benannt. Hierdurch sei die gesamte Biomechanik der LWS gestört im Sinne einer unphysiologischen Belastung mit schicksalhafter Zunahme der krankhaften LWS-Veränderungen. Hinzu komme, dass die Rotationsskoliose als schicksalhafte Erkrankung seit 2002/2003 deutlich zugenommen habe, während die Ausprägung der Spondylophyten im Wesentlichen gleich geblieben sei. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass eine eigentliche Begleitspondylose im Sinne der Konsensempfehlungen nicht vorliege. Schließlich weise das Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen über die gesamte Wirbelsäule auf eine einheitliche, schicksalhafte degenerative Entwicklung hin und spreche eindeutig gegen einen Zusammenhang der Beschwerden des Klägers mit der Berufstätigkeit.
Prof. Dr. C. hat in seiner Stellungnahme vom 29.12.2014 ausgeführt, durch das Gutachten des Dr. G. sei klargestellt, dass für den HWS-Bereich von Bandscheibenprotrusionen auszugehen sei und ein Bandscheibenvorfall nicht vorliege. Für die Brustwirbelsäule habe Dr. G. entgegen der Auffassung von Dr. B., der von degenerativen Veränderungen mit Vorfällen in den Segmenten C7/Th1 und Th12/L1 ausgegangen sei, bestätigt, dass an der BWS weder relevante Bandscheibenvorwölbungen noch Bandscheibenvorfälle vorlägen. Die von Dr. B. im Oktober 2011 vertretene Auffassung, dass im Bereich der gesamten Halswirbelsäule einschließlich des HWS-BWS-Übergangs ausgeprägte degenerative Veränderungen vorlägen, u.a. mit mehreren Bandscheibenvorfällen, könne nach Vorlage des Gutachtens Dr. G. als widerlegt angesehen werden. Auch die Auffassung von Dr. B., dass die Bandscheibenveränderungen im Bereich der HWS zumindest gleich stark ausgeprägt seien wie im Bereich der LWS, sei widerlegt. Dr. G. beschreibe, dass die cervikalen Bandscheibenprotrusionen gering seien und dass Bandscheibenvorfälle völlig fehlten. An der LWS dominierten hingegen sehr stark die diskogenen Veränderungen im Sinne von Bandscheibenvorwölbungen und Bandscheibenvorfällen. Seine Auffassung, dass im HWS-Bereich die bandscheibenbedingten Veränderungen deutlich geringer ausgeprägt seien als im LWS-Bereich, sei hiernach eindeutig bestätigt. Dies sei auch unter klinischen Gesichtspunkten zu beurteilen, weshalb er in seinem Gutachten darauf hingewiesen habe, dass die Veränderungen im Bereich der HWS deutlich später klinische Relevanz erlangt hätten als die Veränderungen im Bereich der LWS. Soweit Dr. B. einen asymmetrischen lumbosakralen Übergangswirbel als wesentlichen konkurrierenden Faktor benannt habe, sei dies durch das radiologische Gutachten widerlegt, nachdem Dr. G. das MRT dahin beurteilt habe, dass beim Kläger ein echter lumbosakraler Übergangswirbel in symmetrischer Ausprägung vorliege. Schließlich verbleibe als wesentliches Argument des Dr. B. in seiner Stellungnahme vom Dezember 2014, dass "eindeutig ein wesentlicher konkurrierender Ursachenfaktor im Sinne einer tiefen Torsionsskoliose der LWS" vorliege. Bei einer sechsgliedrigen Lendenwirbelsäule sei aber eine tiefe Lumbalskoliose im Bereich der Lendenwirbel 5 und 6 anzusiedeln, nicht wie vorliegend im Bereich L3/L4 bzw. LWK4. Hiernach liege nicht der Sonderfall einer tiefen Lumbalskoliose vor, nachdem der Scheitelpunkt deutlich höher liege.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.02.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weshalb er aufzuheben war. Beim Kläger besteht eine Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, was das SG zu Recht festgestellt hat.
Gegenstand des Verfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Diese ist zulässig, denn ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf Feststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage klären lassen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils RdNr. 11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274; zuletzt BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151).
Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist begründet; beim Kläger besteht eine BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV.
Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar ist ein "Lumbalsyndrom" bereits im Oktober 1981 im Rahmen einer Rentenbegutachtung (Gutachten Dr. G. vom 26.10.1981) diagnostiziert worden. Der Kläger hat danach aber noch mehrere Jahrzehnte – bis zur Aufgabe seiner lendenwirbelsäulenbelastenden Berufstätigkeit am 30.04.2010 – wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen verrichtet. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule konnte gesichert erstmals mittels MRT vom 05.03.2012 nachgewiesen werden, weshalb der Versicherungs- und Leistungsfall zeitlich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII) liegt, so dass dessen Vorschriften Anwendung finden.
Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anl. 1 zur BKV, die eine Liste der BKen enthält, Gebrauch gemacht.
Für die Feststellung einer Listen-BK ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist nach der Rechtsprechung des BSG keine Voraussetzung einer Listen-BK (BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils Rn. 16 m.w.N. und - B 2 U 9/08 R = BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 BKV, jeweils Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274).
Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 2108 wie folgt: "Bandscheiben bedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGB 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils Rn. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rn. 13 ff).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr 4 BKV) betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann, sondern als Einwirkungskausalität. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheit(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Der Kläger war Laufe seines Berufslebens stets versicherungspflichtig beschäftigt und hatte im Rahmen der von ihm jeweils ausgeübten versicherten beruflichen Tätigkeiten als Gleisbauer und Maschinist im Gleisbau bei verschiedenen Arbeitgebern (im Zeitraum von 1967 bis 1985) bzw. als mitarbeitender Polier/Schachtmeister im Gleisbau (von 1985 bis 30.04.2010) beruflich bedingt langjährig schwere Lasten zu heben und zu tragen. Zur Überzeugung des Senats sind aufgrund dessen die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 erfüllt.
Bei der Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen (Einwirkungskausalität) stützt sich der Senat auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten, der hierbei die Werte des Mainz-Dortmunder Dosismodells (MDD) zugrunde gelegt hat. Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die aufgrund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist (BArbBL 2006, Heft 10, Seite 30 ff). Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus. Insofern hat das BSG in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06 –, BSGE 99, 162-170, juris, Rn. 22 ff., Urteil vom 30.11.2008 – B 2 U 14/07 R –, UV-Recht aktuell 2009, 295, bestätigt mit Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 20/14 R –, vgl. Terminbericht Nr. 13/15 vom 23.04.2015, Nrn. 2-4) Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissenstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und Bandscheiben bedingter Erkrankung des LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlung verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh, also auf 12,5 x 106 Nh herabzusetzen. Darüber hinaus ist auf eine Mindesttagesdosis (zuvor für Männer 5.500 Nh) zu verzichten, da es dafür keine gesicherte Ableitung gibt und in der Begründung zum MDD diesbezüglich nur von einem "Vorschlag" gesprochen wird. Der Präventionsdienst der Beklagten hat unter Berücksichtigung dieser neueren Rechtsprechung in seiner Stellungnahme vom 19.07.2011 (Bl. 173 ff. VA) die berufliche Belastung des Klägers ermittelt und dabei für den gesamten Zeitraum vom 01.07.1965 bis zum 30.04.2010 eine Belastungsdosis von insgesamt 54,2 MNh errechnet (217 % des Orientierungswertes nach dem MDD von 25x106 Nh). Die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh wurde daher vom Kläger erheblich überschritten. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 sind danach erfüllt.
Die genannten beruflichen Belastungen haben, und hierbei schließt sich der Senat der Auffassung des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. C. an, auch zu Bandscheibenschäden an der LWS des Klägers geführt. Maßstab für die medizinische Beurteilung des Kausalzusammenhangs, also die haftungsausfüllende Kausalität zwischen beruflich bedingten Einwirkungen und den bestehenden Erkrankungen, sind für den Senat die von Prof. Dr. C. in seinem Gutachten sowie den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen jeweils in Bezug genommenen Konsensempfehlungen ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule", Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff). Weder die mit dem vorliegenden Fall befassten medizinischen Gutachter noch die Beklagte haben einen neueren von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS aufgezeigt. Diese stellen nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Bandscheibenerkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen dar (BSG Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 20/14 R –, vgl. BSG-Terminbericht Nr. 13/15 vom 23.04.2015, Nr. 2, vgl. auch Senatsurteil vom 12.06.2012 - L 1 U 1207/11). Grundvoraussetzungen für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs sind danach (vgl. Konsensempfehlungen Seite 216, Spalte 2 und 3) eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Einwirkung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, was Prof. Dr. C. plausibel dargelegt hat. Ebenso wie Prof. Dr. C. hat der Senat keine Zweifel, dass der Erkrankung eine ausreichende Exposition vorausging (zu dieser Voraussetzung vgl. Konsensempfehlungen, a.a.O., S. 216, Punkt 1.4). Der Kläger hatte bei erstmaligem Auftreten der LWS-Beschwerden Ende der 1970er Jahre (er war nach seinen Angaben zwischen 1978 und 1980 wegen Wirbelsäulenbeschwerden in stationärer Krankenhausbehandlung; belegt ist ein Lumbalsyndrom bei LWS-Veränderungen erstmals durch das Rentengutachten vom Oktober 1981) bereits seit mehr als 10 Jahren wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten ausgeübt.
Das beim Kläger vorliegende Schadensbild ist in die auf die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen aufbauende Konstellation B 4 einzuordnen. Hierfür muss ein belastungskonformes Schadensbild vorliegen, d.h. die Einwirkung der beruflichen Belastung muss zu einer Schädigung von Bandscheiben in den unteren LWS-Segmenten L5/S1 und/oder L4/L5 geführt haben. Das ist der Fall; die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers betrifft den Bereich L 4/5 und L5/S1. Für die Annahme der Konstellation B 2 ist daneben erforderlich, dass - eine Höhenminderung oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht - eine besonders intensive Belastung (Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren) festgestellt werden kann, oder - ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen besteht. Hier hat der Kläger jedenfalls die erste Alternative erfüllt (Prolapse an mehreren Bandscheiben im Bereich der LWS). Beim Kläger bestehen, was der Senat sowohl dem Gutachten des Prof. Dr. C. vom 28.12.2013 (Bl. 43 ff. Senatsakte) als auch dem von der Beklagten vorgelegten radiologischen Gutachten des Oberarztes Dr. G. vom 03.10.2014 entnimmt, im Bereich der LWS mehrsegmentale Bandscheibenprotrusionen und –vorfälle unterschiedlichen Ausmaßes, die sich von L2 bis L6 erstrecken. Die von Prof. Dr. C. gestellten Diagnosen, ein breitbasiger rechtsbetonter Vorfall im Bewegungssegment L3/4 und ein breitbasiger linksbetonter Vorfall bei L5/S1, hat der Radiologe Dr. G.im Wesentlichen bestätigt, auch wenn er – da die LWS des Klägers aufgrund einer lumbosakralen Übergangsanomalie des 6. LWK einen sechsgliedrigen Aufbau aufweist (hypersegmentierte LWS) – für den von Prof. Dr. C. bei L5/S1 beschriebenen Bandscheibenvorfall die Bezeichnung die Bezeichnung L5/6 verwendet hat. Darüber hinaus besteht nach den Feststellungen von Dr. G.bei L1/2 ein schmaler, zungenförmig gelappter Bandscheibenvorfall, bei L2/3 ein kräftiger, links-mediolateraler Bandscheibenvorfall ohne Wurzelkompression und bei L4/5 eine Bandscheibenprotrusion mit jeweils beidseitigen intra- und extraforaminalen Extrusionen. Es handelt sich sowohl nach Einschätzung von Prof. Dr. C. als auch von Dr. G. um dem Alter des Klägers deutlich vorauseilende bandscheibenbedingte Veränderungen. Eine Begleitspondylose fehlt, wie Prof. Dr. C. und Dr. B. überzeugend dargelegt haben. Zwar hat Dr. G. die schmale ventrale Spondylose bei L2 bis L4 als Begleitspondylose bezeichnet, jedoch hat Dr. B. dagegen in der Stellungnahme vom 06.12.2014 überzeugend eingewandt, dass gegen eine Wertung als Begleitspondylose spricht, dass alle LWS-Bandscheiben von mehr oder weniger ausgeprägten degenerativen Veränderungen betroffen sind.
Die weitere – wesentliche – Voraussetzung für die Konstellation B2, dass wesentliche konkurrierende Ursachen nicht erkennbar sein dürfen, ist ebenfalls erfüllt. Weder die beim Kläger von Prof. Dr. C. und Dr. G. im Wesentlichen übereinstimmend beschriebene lumbosakrale Übergangsanomalie mit weitgehend symmetrisch ausgebildetem und sowohl durch eine vollständige und intakte Bandscheibe vom Sacrum getrenntem als auch mit erhaltenen Facettengelenken ausgestattetem 6. LWK (hypersegmentierte LWS) noch die Torsionsskoliose mit Scheitel bei L3/4 und Cobb-Winkel von ca. 20° stellen in ihrer konkreten Ausprägung beachtliche Konkurrenzursachen dar.
Zwar hat Dr. G. in seinem Gutachten ausgeführt, dass in der Literatur Bandscheibenpathologien oberhalb eines Übergangswirbels "bekannt seien" (Bl. 110 Senatsakte), ausweislich der Konsensempfehlungen (a.a.O., S. 247, Nr. 2.1.15) bestehen in der medizinischen Literatur aber gerade keine gesicherten Erkenntnisse, dass sechs freie Lendenwirbelkörper vorzeitige Bandscheibendegenerationen verursachen können, worauf Dr. G. in seinem Gutachten dann auch ausdrücklich hingewiesen hat (Bl. 111 f. Senatsakte). Nachdem die Konsensempfehlungen derzeit den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zur BK 2108 dokumentieren, sieht der Senat keine Veranlassung, in diesem Punkt von diesen abzuweichen. Hinzu kommt, dass die von Dr. B. als wesentliches Argument für das Vorliegen einer Konkurrenzursache herangezogene (angebliche) Asymmetrie des lumbosakralen Übergangswirbels sich durch das von der Beklagten vorgelegte radiologische Gutachten des Dr. G. gerade nicht belegen lassen hat.
Auch die Torsionsskoliose mit Scheitelpunkt bei L3/4 stellt vorliegend keinen konkurrierenden Faktor dar. Zunächst ist festzustellen, dass die beim Kläger bestehende Skoliose gerade eben mittelgradig (an der Grenze zur Leichtgradigkeit) ist. Nach den Konsensempfehlungen sind Skoliosewinkel nach Cobb von 10-19° leichtgradig, von 20-29° mittelgradig und erst ab 30° hochgradig (Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 233). Skoliosen "leichteren Grades" mit einem Winkel von weniger als 25°, und dazu gehört die beim Kläger bestehende Skoliose, deren Winkel Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 10.01.2013 mit 15°, Prof. Dr. C. mit 20° und Dr. G. mit 22° angegeben hat, sind nach den Konsensempfehlungen, die Prof. Dr. C. seinem Gutachten vom 28.12.2013 auch in diesem Punkt zugrunde gelegt hat, nicht als Prädisposition im Sinne grundsätzlich wesentlicher Ursachen eines Bandscheibenschadens anzusehen (a.a.O., S. 237). Sonderfälle sind nur sog. "tiefe Lumbalskoliosen", die zwar leichteren Grades sind (mit einem Winkel von mehr als 10° und weniger als 25° nach Cobb), aber ihren Scheitelpunkt in der unteren LWS haben, und für die die Arbeitsgruppe trotz Fehlen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse für plausibel gehalten hat, dass anlagebedingte biomechanische Überlastungen der unteren LWS an deren Bandscheiben wirksam werden und deshalb eine individuelle Bewertung für erforderlich hielt. Beim Kläger besteht aber keine "tiefe Lumbalskoliose" in diesem Sinne, anders als von Dr. B und Dr. G. angenommen. Die LWS des Klägers besteht aus sechs Lendenwirbelkörpern (LWK1 bis LWK6). Ausweislich der übereinstimmenden Darlegungen von Prof. Dr. C. und Dr. G. hat die Skoliose ihren Scheitelpunkt bei LWK3/4, also im mittleren Bereich, nicht aber in der unteren LWS, worauf Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29.12.2014 zu Recht und mit überzeugenden Argumenten hingewiesen hat. Diese Konstellation aber ist nach den Konsensempfehlungen nicht als konkurrierender Ursachenfaktor anzusehen.
Indem Dr. B. in seiner Stellungnahme vom 06.12.2014 ausführt, die Verteilungsmuster der degenerativen Veränderungen über die gesamte Wirbelsäule würden auf eine einheitliche, schicksalhafte degenerative Entwicklung hinweisen, vermag der Senat darin keine weitere beachtliche konkurrierende Ursache im Sinne der Konsensempfehlungen zu erkennen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass ein "Befall" der HWS und/oder BWS gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann, allerdings nur "je nach Fallkonstellation" (vgl. Konsensempfehlungen a.a.O., S. 216, Nr. 1.4). Hier spricht die unterschiedliche morphologische Ausprägung im Bereich der HWS und LWS, worauf Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 28.12.2013 hingewiesen hat, gegen eine Würdigung des im Bereich der HWS bestehenden - andersartigen - Bandscheibenverschleißes als Konkurrenzursache. So bestehen im Bereich der HWS zwar ebenfalls Verschleißerscheinungen der Bandscheiben in Gestalt einer multisegmentalen Osteochondrose C5-Th1, allerdings nur flache Bandscheibenprotrusionen (keine Bandscheibenvorfälle), so dass die diskogenen Veränderungen, welche im LWS-Bereich dominieren, im HWS-Bereich deutlich geringer sind. An der BWS bestehen bis auf die moderate Bandscheibenprotrusion bei HWK7/BWK1 weder relevante Bandscheibenvorwölbungen noch Bandscheibenvorfälle. Auch der Verlauf der Erkrankung, die im Bereich der LWS bereits 1981 objektivierbare klinische Ausprägungen hatte, im Bereich der HWS aber erst 2002, spricht gegen eine solche Indizwirkung.
Aus den angeführten Gründen, insbesondere angesichts des geschilderten klinischen Verlaufs, schließt sich der Senat der von Prof. Dr. C. vertretenen Auffassung, wonach die bandscheibenbedingten Veränderungen im HWS-Bereich geringer ausgeprägt sind als die bandscheibenbedingten Veränderungen im LWS-Bereich, an. Hiernach liegt eine Konstellation B4 im Sinne der Konsensempfehlungen vor.
Infolge der beim Kläger bestehenden LWS-Erkrankung besteht spätestens seit der tatsächlichen Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit am 30.04.2010 auch der Zwang, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen, wovon der Senat ebenfalls gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. C. überzeugt ist. Der bei der BK Nr. 2108 geforderte Unterlassungszwang setzt voraus, dass die Tätigkeiten, die zu der Erkrankung geführt haben, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden sollen und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Aufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat, wobei es auf das Motiv des Versicherten nicht ankommt (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 19.08.2003 - B 2 U 27/02 R; Senatsurteil vom 08.11.2010 - L 1 U 2450/08). Eine bloße Verminderung der Gefährdung genügt nicht. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger seine lendenwirbelsäulenbelastende Berufstätigkeit bis zur Rente ausgeübt hat. Nachdem beim Kläger im Bereich der Lendenwirbelsäule infolge der dort bestehenden Gesundheitsstörungen eine Bewegungseinschränkung besteht und der Kläger zugleich in seiner Belastbarkeit gemindert ist, erscheint aber die gutachterliche Schlussfolgerung, dass Gleisbautätigkeiten dem Kläger nicht mehr zumutbar sind, nachvollziehbar. Da feststeht, dass der Kläger erst am 30.04.2010 seine berufliche Tätigkeit tatsächlich aufgegeben hat, hatte der Senat nicht zu prüfen, ob, wofür angesichts des erhobenen Befundes einiges spricht, der Kläger zuvor seine Berufstätigkeit bereits jahrelang auf Kosten der Gesundheit ausgeübt hat.
Hiernach besteht beim Kläger eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV, weshalb das SG die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben und eine entsprechende Feststellung getroffen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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