Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 1111/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4229/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. August 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob bei ihm die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.
Der am 14.06.1972 geborene Kläger beantragte am 17.06.2010 beim Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises (LRA) unter Vorlage medizinischer Unterlagen einen GdB und seine Schwerbehinderung ab dem 25.01.2007 festzustellen. Er führte hierzu an, an Colitis ulcerosa, psychosomatischen Belastungen, einer Angststörung, starkem Stottern, einem Tinnitus, Rheuma, einer Schuppenflechte, einer Augenentzündung, einer Schilddrüsenunterfunktion und Allergien zu leiden. Nach versorgungsärztlicher Überprüfung durch Dr. Stevanovic, der unter dem 01.07.2010 für "Seelische Störung, Tinnitus" und "Colitis ulcerosa" jeweils einen Einzel-GdB von 20 und insg. einen GdB von 30 für angemessen erachtete, stellte das LRA den GdB des Klägers mit Bescheid vom 06.07.2010 ab dem 17.06.2010 mit 30 fest.
Hiergegen erhob der Kläger unter der Begründung, die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen seien nicht in ausreichendem Maße gewürdigt, Widerspruch. Das LRA forderte daraufhin Befundbeschreibungen behandelnder Ärzte an, führte diese einer erneuten versorgungsärztlichen Überprüfung zu, mit der als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine "Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung" mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt, der GdB jedoch insg. unverändert mit 30 bewertet wurde und wies sodann den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2011 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 28.03.2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Die bei ihm vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen seien, so der Kläger begründend, vom Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. B., Facharzt für Orthopädie, hat unter dem 07.06.2011 die Einschätzung vertreten, die orthopädisch-rheumatologische Bewertung der Behinderungen des Klägers führe zu einem GdB von 10. Dr. Weers, Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, führte unter dem 07.06.2011 aus, eine Beurteilung der Colitis ulcerosa-Erkrankung sei schwer, da die letzte Koloskopie im Jahr 2007 durchgeführt worden sei und der Kläger seither eine weitere Untersuchung des Dickdarms abgelehnt habe. Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. A. hat in seiner Stellungnahme vom 27.06.2011 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine leichtgradige Hochtonschwerhörigkeit li. sowie eine in ihrer Intensität schwankende Tinnitus-Erkrankung. Dr. C., Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, hat unter dem 04.07.2011 mitgeteilt, die Auswirkungen der Colitis ulcerosa seien als schwer zu graduieren. Beim Kläger liege ferner eine Raynaud-Symptomatik und eine Skoliose vor. In seiner Stellungnahme vom 18.07.2011 hat Dr. D., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, ausgeführt, beim Kläger bestehe u.a. eine chronifizierte Anpassungsreaktion sowie eine komplexe Persönlichkeitsstörung. Dr. E., Facharzt für Allgemeinmedizin hat in seiner Stellungnahme vom 30.08.2011 ausgeführt, dass sich die Psoriasis und die Colitis-Erkrankung seit Juni 2008 gebessert hätten. Im Jahr 2009 sei eine Psoriasis arthritis hinzugetreten.
Das SG hat ferner medizinische Unterlagen aus einem Verfahren des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg vor dem SG (S 2 R 1226/11) zum Verfahren beigezogen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. Wolf vom 21.11.2011 und von Dr. F. vom 21.01.2012 vorgelegt.
Das SG hat Prof. Dr. G., Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologie/Infektiologie zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem fachinternistischen Gutachten vom 19.06.2012 hat Prof. Dr. G. beim Kläger eine Colitis ulcerosa, ein Raynaud-Syndrom der Akren, eine Psoriasis vulgaris mit Psoriasisarthropathie, ein seborrhoisches Ekzem perioral, psychosomatische Störungen und einen Tinnitus diagnostiziert. Die Colitis-Erkrankung und die psychosomatischen Beschwerden seien mit einem Einzel-GdB von 20, das Raynaud-Syndrom und die Psoriasis-Erkrankung jeweils mit einem solchen von 10 zu bewerten. Insg. sei ein GdB von 40 angemessen.
Der Kläger ist der gutachterlichen Einschätzung unter Vorlage ärztlicher Stellungnahmen von Dr. D. vom 17.07.2012 und Dr. Will vom 08.08.2012 entgegen getreten.
Das SG hat sodann Dr. H., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 25.01.2013 hat Dr. H. beim Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, selbstunsicher-depressiven und ängstlich-vermeidenden Anteilen sowie mit Somatisierungsneigung, eine psychophysische Erschöpfung bzw. ein neurasthenisches Syndrom und eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und den GdB hierfür insg. mit 30 eingeschätzt. Den GdB des Klägers hat er mit 50 bewertet.
Nachdem ihm das Gutachten von Dr. H. vorgelegt wurde, hat der Beklagte, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Götz vom 16.04.2013 unter dem 18.04.2013 ein Vergleichsangebot unterbreitet, den GdB des Klägers ab dem 17.06.2010 mit 40 festzustellen. Der Kläger ist dem Vergleichsvorschlag nicht beigetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2013 hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB des Klägers ab dem 17.06.2010 mit 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die psychische Erkrankung des Klägers, die in Einklang mit der Einschätzung von Dr. H. mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei, werde durch die Auswirkungen der Colitis- Erkrankung, der ein Einzel-GdB von 20 beizumessen sei, auf insg. 40 erhöht. Das Raynaud-Syndrom und die bestehenden Hauterkrankungen seien jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigten, führten jedoch nicht dazu, dass der GdB insg. auf 50 zu erhöhen sei.
Mit Bescheid vom 15.10.2013 hat das LRA den GdB des Klägers in Ausführung des Gerichtsbescheides mit 40 ab dem 17.06.2010 festgestellt.
Gegen den ihm am 29.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.09.2013, einem Montag, Berufung eingelegt. Er bringt vor, aus dem Gutachten von Dr. G. gehe hervor, dass er aus Angst vor abdominellen Beschwerden eine medikamentöse Therapie des Raynaud-Syndroms ablehne. Dies könne nicht zu seinen Lasten gehen. Die Psoriasis-Erkrankung sei nicht ausreichend gewürdigt, er leide momentan wieder stark hieran, insb. beim Laufen und Greifen. Seine psychische Erkrankung sei derart gravierend, dass er nunmehr Selbstmordabsichten geäußert habe. Der GdB hierfür sei mit 40 zu bewerten und werde durch die weiteren Beeinträchtigungen auf 50 erhöht. Der Kläger hat hierzu den Bericht des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit über seine dortige Behandlung am 02.07.2013 sowie den Entlassungsbericht des Rheumazentrums Oberammergau über eine dort vom 06. - 27.11.2012 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. August 2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2011 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 ab dem 17. Juni 2010 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend trägt er vor, die klägerseits angeführte Selbstmordabsicht sei zu relativieren, da im Bericht des Zentralinstituts für seelische Gesundheit ausgeführt sei, dass sich der Kläger sicher und glaubhaft hiervon distanziert habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2015 geworden sind sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und unter Heranziehung von § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 40 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ein GdB von minds. 50 festzustellen ist.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Feststellung des GdB des Klägers ist § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.01.2015 geltenden Fassung, dass soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe können die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit einem höheren GdB als 40 bewertet werden.
Die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet sind mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Nach Nr. 3.7 (S. 42) der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 – 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 – 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 – 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 – 100 zu bewerten. Nach der nachvollziehbaren und schlüssigen Einschätzung des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. H. sind die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, namentlich eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine psychophysische Erschöpfung bzw. ein neurasthenisches Syndrom und eine Somatisierungsstörung mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Die Gesundheitsstörungen führen zur Überzeugung des Senats zwar zu einer verminderten psychischen Belastbarkeit, der Senat vermag sich jedoch nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger der GdB-Rahmen für eine stärker behindernde Störung von 30 - 40 voll auszuschöpfen ist oder gar eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen vorliegt. Dr. H. hat in seinem Gutachten mitgeteilt, dass der Kläger in allen Qualitäten orientiert sei, das Konzentrations- und Gedächtnisvermögen nicht beeinträchtigt sei und formale Denkstörungen nicht vorlägen. Psychopathologisch berichtet Dr. H. ausschließlich von einer leicht beeinträchtigten Schwingungsfähigkeit und einem reduzierten Antrieb. Dies wird durch die korrespondierende Befundung bei der Untersuchung des Klägers im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit am 02.07.2013 bestätigt. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten, die u.a. zu einer affektiven Nivellierung führen, vermag der Senat in Ansehung dieser Befundlage nicht anzunehmen. Da der Kläger überdies in der Lage ist, einer regelmäßigen Tätigkeit auf geringfügiger Ebene nachzugehen, woraus ersichtlich wird, dass er auch soziale Kontakte aufrechterhalten kann, ist der Senat davon überzeugt, dass beim Kläger zwar eine stärker behindernde, nicht jedoch eine schwere psychische Beeinträchtigung besteht, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist.
Die Colitis ulcerosa-Erkrankung des Klägers ist mit einem Einzel-GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Nach Nr. 10.2 (S. 69) der VG ist der GdB bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Geht die Colitis-Erkrankung mit geringen Auswirkungen einher (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, seltene Durchfälle), ist ein Einzel-GdB von 10 - 20 einzustellen. Bestehen mittelschwere Einschränkungen (häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche auch nächtliche Durchfälle) ist ein Einzel-GdB von 30 - 40, bei schweren Auswirkungen (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche auch nächtliche Durchfälle) ein solcher von 50 - 60 und bei schwersten Auswirkungen (häufig rezidivierende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie) ein Einzel-GdB von 70 - 80 anzusetzen (Nr. 10.2.2 [S. 71] der VG). Die Erkrankung, die mit abdominellen Beschwerden und vermehrten Stuhlgängen einhergeht, hat beim Kläger bisher zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes geführt; der Kläger wog bei der Untersuchung durch den im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Prof. Dr. G. bei einer Körpergröße von 191 cm 95 kg. Auch hat sich bei der Untersuchung durch den Gutachter kein Hinweis auf eine aktive Erkrankung gezeigt. Die histologische Untersuchung hat lediglich eine gering gestörte Kryptenarchitektur und Vernarbung, jedoch keine nennenswerte Entzündung gezeigt. Überdies waren laborchemisch keine erhöhten Entzündungswerte nachweisbar. In Ansehung dieser Befunde ist dem Senat die Einschätzung von Prof. Dr. G., der einen Einzel-GdB von 20 angenommen hat, nachvollziehbar.
Das beim Kläger bestehende Raynaud-Syndrom, durch arterielle Gefäßkrämpfe bedingte Ischämiezustände (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl., 2011, S. 1752), ist in Einklang mit der Einschätzung von Prof. Dr. G. mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Zwar führt die Erkrankung beim Kläger zu Mißempfindungen und bei Kältekontakt zu weißlichen Abblassungen an den Händen, es bestehen jedoch keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der Hände und Füße. Da überdies anlässlich einer Untersuchung bei Dr. Gerlach am 17.05.2011 die Gefäße frei durchgängig waren (Bl. 98 SG-Akte), ist die Funktionsbeeinträchtigung in Anlehnung an die Beurteilung arterieller Verschlusskrankheiten nach Nr. 9.2.1. (S. 65) der VG mit einem Einzel-GdB von 10 angemessen und ausreichend berücksichtigt.
Die beim Kläger bestehende Psoriasis-Erkrankung kann gleichfalls nicht mit einem höheren GdB als 10 bewertet werden. Bei der Beurteilung des GdB von Hautkrankheiten sind grundsätzlich Art, Ausdehnung, Sitz, Auswirkungen auf den Allgemeinzustand, Begleiterscheinungen (wie Jucken, Nässen, Brennen, unangenehme und abstoßende Gerüche), die Rezidivbereitschaft bzw. die Chronizität sowie die Notwendigkeit wiederholter stationärer Behandlung zu berücksichtigen (Nr. 17 [S. 97] der VG). Ist die Psoriasis vulgaris-Erkrankung auf die Prädilektionsstellen beschränkt, ist ein Einzel-GdB von 0 - 10 anzusetzen, besteht ein ausgedehnter Befall mit erscheinungsfreien Intervallen von Monaten ist ein solcher von 20, bei einem andauernden ausgedehnten Befall oder einem stark beeinträchtigenden lokalen Befall (z. B. an den Händen) ein Einzel-GdB von 30 - 50 einzustellen. Eine außergewöhnliche Nagelbeteiligung (mit Zerstörung der Nagelplatten) sowie eine Gelenk- und Wirbelsäulenbeteiligung sind zusätzlich zu bewerten (Nr. 17.7 [S. 100] der VG). Da die Psoriasis bevorzugt an der Streckseite der Extremitäten auftritt, nach den Bekundungen von Prof. Dr. G. beim Kläger kleinere psoriasisforme Effloreszenzen am linken Unterarm, am linken Ellenbogen und am linken Knie bestehen, ist vorliegend ein Einzel-GdB von 10 angemessen und ausreichend. Ein ausgedehnter Befall, der eine höhere Bewertung eröffnen würde, besteht nicht. Da aus den Bekundungen von Prof. Dr. G. auch keine Gelenk- oder Wirbelsäulenbeteiligung ersichtlich ist und das um den Mund herum vorliegende seborrhoische Ekzem keine Erhöhung des GdB rechtfertigt, ist die Psoriasis-Erkrankung mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen.
Weitere GdB-pflichtige Funktionsbeeinträchtigungen liegen beim Kläger nicht vor. Zwar leidet der Kläger nach der Aussage von Dr. A. vom 27.06.2010 an einer leichtgradigen Hochtonschwerhörigkeit links, diese führt jedoch nach Nr. 5.2.4 (S. 52) der VG zu keinem Einzel-GdB von minds. 10. Der von Dr. A. benannte Tinnitus fließt in der Beurteilung des Funktionssystems "Psyche" ein (vgl. Nr. 5.3 [S. 54] der VG), ohne sich vorliegend erhöhend auszuwirken.
Ein Einzel-GdB für Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule ist nicht einzustellen, da funktionelle Einschränkungen (vgl. Nr. 18.9 [S. 106] der VG) des Achsenorgans nicht ersichtlich sind.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 40, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f.] Teil A der VG). Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind zur Überzeugung des Senats weder gänzlich voneinander unabhängig, noch wirken sie sich besonders nachteilig aufeinander aus. Die Auswirkungen überschneiden sich vielmehr. Insb. die im Funktionssystem "Psyche" bestehende Somatisierungsstörung verdeutlicht, dass die bestehenden körperlichen Erkrankungen (auch) maßgeblich für die psychische Verfassung des Klägers sind. Der Einschätzung von Dr. H., der die Schwerbehinderteneigenschaft bejaht, vermag sich der Senat nicht anzuschließen, da die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit den funktionellen Einschränkungen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar sind.
Das SG hat mithin die Klage, soweit ein höherer GdB als 40 begehrt wird, zu Recht abgewiesen; die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 23.08.2013 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig, insb. ob bei ihm die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festzustellen ist.
Der am 14.06.1972 geborene Kläger beantragte am 17.06.2010 beim Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises (LRA) unter Vorlage medizinischer Unterlagen einen GdB und seine Schwerbehinderung ab dem 25.01.2007 festzustellen. Er führte hierzu an, an Colitis ulcerosa, psychosomatischen Belastungen, einer Angststörung, starkem Stottern, einem Tinnitus, Rheuma, einer Schuppenflechte, einer Augenentzündung, einer Schilddrüsenunterfunktion und Allergien zu leiden. Nach versorgungsärztlicher Überprüfung durch Dr. Stevanovic, der unter dem 01.07.2010 für "Seelische Störung, Tinnitus" und "Colitis ulcerosa" jeweils einen Einzel-GdB von 20 und insg. einen GdB von 30 für angemessen erachtete, stellte das LRA den GdB des Klägers mit Bescheid vom 06.07.2010 ab dem 17.06.2010 mit 30 fest.
Hiergegen erhob der Kläger unter der Begründung, die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen seien nicht in ausreichendem Maße gewürdigt, Widerspruch. Das LRA forderte daraufhin Befundbeschreibungen behandelnder Ärzte an, führte diese einer erneuten versorgungsärztlichen Überprüfung zu, mit der als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine "Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung" mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt, der GdB jedoch insg. unverändert mit 30 bewertet wurde und wies sodann den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2011 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 28.03.2011 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Die bei ihm vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen seien, so der Kläger begründend, vom Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. B., Facharzt für Orthopädie, hat unter dem 07.06.2011 die Einschätzung vertreten, die orthopädisch-rheumatologische Bewertung der Behinderungen des Klägers führe zu einem GdB von 10. Dr. Weers, Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, führte unter dem 07.06.2011 aus, eine Beurteilung der Colitis ulcerosa-Erkrankung sei schwer, da die letzte Koloskopie im Jahr 2007 durchgeführt worden sei und der Kläger seither eine weitere Untersuchung des Dickdarms abgelehnt habe. Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. A. hat in seiner Stellungnahme vom 27.06.2011 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine leichtgradige Hochtonschwerhörigkeit li. sowie eine in ihrer Intensität schwankende Tinnitus-Erkrankung. Dr. C., Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren, hat unter dem 04.07.2011 mitgeteilt, die Auswirkungen der Colitis ulcerosa seien als schwer zu graduieren. Beim Kläger liege ferner eine Raynaud-Symptomatik und eine Skoliose vor. In seiner Stellungnahme vom 18.07.2011 hat Dr. D., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, ausgeführt, beim Kläger bestehe u.a. eine chronifizierte Anpassungsreaktion sowie eine komplexe Persönlichkeitsstörung. Dr. E., Facharzt für Allgemeinmedizin hat in seiner Stellungnahme vom 30.08.2011 ausgeführt, dass sich die Psoriasis und die Colitis-Erkrankung seit Juni 2008 gebessert hätten. Im Jahr 2009 sei eine Psoriasis arthritis hinzugetreten.
Das SG hat ferner medizinische Unterlagen aus einem Verfahren des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg vor dem SG (S 2 R 1226/11) zum Verfahren beigezogen.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. Wolf vom 21.11.2011 und von Dr. F. vom 21.01.2012 vorgelegt.
Das SG hat Prof. Dr. G., Facharzt für Innere Medizin/Gastroenterologie/Infektiologie zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem fachinternistischen Gutachten vom 19.06.2012 hat Prof. Dr. G. beim Kläger eine Colitis ulcerosa, ein Raynaud-Syndrom der Akren, eine Psoriasis vulgaris mit Psoriasisarthropathie, ein seborrhoisches Ekzem perioral, psychosomatische Störungen und einen Tinnitus diagnostiziert. Die Colitis-Erkrankung und die psychosomatischen Beschwerden seien mit einem Einzel-GdB von 20, das Raynaud-Syndrom und die Psoriasis-Erkrankung jeweils mit einem solchen von 10 zu bewerten. Insg. sei ein GdB von 40 angemessen.
Der Kläger ist der gutachterlichen Einschätzung unter Vorlage ärztlicher Stellungnahmen von Dr. D. vom 17.07.2012 und Dr. Will vom 08.08.2012 entgegen getreten.
Das SG hat sodann Dr. H., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 25.01.2013 hat Dr. H. beim Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, selbstunsicher-depressiven und ängstlich-vermeidenden Anteilen sowie mit Somatisierungsneigung, eine psychophysische Erschöpfung bzw. ein neurasthenisches Syndrom und eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und den GdB hierfür insg. mit 30 eingeschätzt. Den GdB des Klägers hat er mit 50 bewertet.
Nachdem ihm das Gutachten von Dr. H. vorgelegt wurde, hat der Beklagte, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Götz vom 16.04.2013 unter dem 18.04.2013 ein Vergleichsangebot unterbreitet, den GdB des Klägers ab dem 17.06.2010 mit 40 festzustellen. Der Kläger ist dem Vergleichsvorschlag nicht beigetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.08.2013 hat das SG den Beklagten verurteilt, den GdB des Klägers ab dem 17.06.2010 mit 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die psychische Erkrankung des Klägers, die in Einklang mit der Einschätzung von Dr. H. mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten sei, werde durch die Auswirkungen der Colitis- Erkrankung, der ein Einzel-GdB von 20 beizumessen sei, auf insg. 40 erhöht. Das Raynaud-Syndrom und die bestehenden Hauterkrankungen seien jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigten, führten jedoch nicht dazu, dass der GdB insg. auf 50 zu erhöhen sei.
Mit Bescheid vom 15.10.2013 hat das LRA den GdB des Klägers in Ausführung des Gerichtsbescheides mit 40 ab dem 17.06.2010 festgestellt.
Gegen den ihm am 29.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30.09.2013, einem Montag, Berufung eingelegt. Er bringt vor, aus dem Gutachten von Dr. G. gehe hervor, dass er aus Angst vor abdominellen Beschwerden eine medikamentöse Therapie des Raynaud-Syndroms ablehne. Dies könne nicht zu seinen Lasten gehen. Die Psoriasis-Erkrankung sei nicht ausreichend gewürdigt, er leide momentan wieder stark hieran, insb. beim Laufen und Greifen. Seine psychische Erkrankung sei derart gravierend, dass er nunmehr Selbstmordabsichten geäußert habe. Der GdB hierfür sei mit 40 zu bewerten und werde durch die weiteren Beeinträchtigungen auf 50 erhöht. Der Kläger hat hierzu den Bericht des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit über seine dortige Behandlung am 02.07.2013 sowie den Entlassungsbericht des Rheumazentrums Oberammergau über eine dort vom 06. - 27.11.2012 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 23. August 2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. März 2011 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 ab dem 17. Juni 2010 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend trägt er vor, die klägerseits angeführte Selbstmordabsicht sei zu relativieren, da im Bericht des Zentralinstituts für seelische Gesundheit ausgeführt sei, dass sich der Kläger sicher und glaubhaft hiervon distanziert habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2015 geworden sind sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und unter Heranziehung von § 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 40 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ein GdB von minds. 50 festzustellen ist.
Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Feststellung des GdB des Klägers ist § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.01.2015 geltenden Fassung, dass soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe können die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht mit einem höheren GdB als 40 bewertet werden.
Die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet sind mit einem Einzel-GdB von 30 zu berücksichtigen. Nach Nr. 3.7 (S. 42) der VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Einzel-GdB von 0 – 20, stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Schmerzstörungen) mit einem solchen von 30 – 40, schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen mit einem solchen von 50 – 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 80 – 100 zu bewerten. Nach der nachvollziehbaren und schlüssigen Einschätzung des im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Dr. H. sind die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, namentlich eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine psychophysische Erschöpfung bzw. ein neurasthenisches Syndrom und eine Somatisierungsstörung mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Die Gesundheitsstörungen führen zur Überzeugung des Senats zwar zu einer verminderten psychischen Belastbarkeit, der Senat vermag sich jedoch nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger der GdB-Rahmen für eine stärker behindernde Störung von 30 - 40 voll auszuschöpfen ist oder gar eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen vorliegt. Dr. H. hat in seinem Gutachten mitgeteilt, dass der Kläger in allen Qualitäten orientiert sei, das Konzentrations- und Gedächtnisvermögen nicht beeinträchtigt sei und formale Denkstörungen nicht vorlägen. Psychopathologisch berichtet Dr. H. ausschließlich von einer leicht beeinträchtigten Schwingungsfähigkeit und einem reduzierten Antrieb. Dies wird durch die korrespondierende Befundung bei der Untersuchung des Klägers im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit am 02.07.2013 bestätigt. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten, die u.a. zu einer affektiven Nivellierung führen, vermag der Senat in Ansehung dieser Befundlage nicht anzunehmen. Da der Kläger überdies in der Lage ist, einer regelmäßigen Tätigkeit auf geringfügiger Ebene nachzugehen, woraus ersichtlich wird, dass er auch soziale Kontakte aufrechterhalten kann, ist der Senat davon überzeugt, dass beim Kläger zwar eine stärker behindernde, nicht jedoch eine schwere psychische Beeinträchtigung besteht, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten ist.
Die Colitis ulcerosa-Erkrankung des Klägers ist mit einem Einzel-GdB von 20 angemessen und ausreichend bewertet. Nach Nr. 10.2 (S. 69) der VG ist der GdB bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Geht die Colitis-Erkrankung mit geringen Auswirkungen einher (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, seltene Durchfälle), ist ein Einzel-GdB von 10 - 20 einzustellen. Bestehen mittelschwere Einschränkungen (häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche auch nächtliche Durchfälle) ist ein Einzel-GdB von 30 - 40, bei schweren Auswirkungen (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche auch nächtliche Durchfälle) ein solcher von 50 - 60 und bei schwersten Auswirkungen (häufig rezidivierende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie) ein Einzel-GdB von 70 - 80 anzusetzen (Nr. 10.2.2 [S. 71] der VG). Die Erkrankung, die mit abdominellen Beschwerden und vermehrten Stuhlgängen einhergeht, hat beim Kläger bisher zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes geführt; der Kläger wog bei der Untersuchung durch den im erstinstanzlichen Verfahren gutachterlich gehörten Prof. Dr. G. bei einer Körpergröße von 191 cm 95 kg. Auch hat sich bei der Untersuchung durch den Gutachter kein Hinweis auf eine aktive Erkrankung gezeigt. Die histologische Untersuchung hat lediglich eine gering gestörte Kryptenarchitektur und Vernarbung, jedoch keine nennenswerte Entzündung gezeigt. Überdies waren laborchemisch keine erhöhten Entzündungswerte nachweisbar. In Ansehung dieser Befunde ist dem Senat die Einschätzung von Prof. Dr. G., der einen Einzel-GdB von 20 angenommen hat, nachvollziehbar.
Das beim Kläger bestehende Raynaud-Syndrom, durch arterielle Gefäßkrämpfe bedingte Ischämiezustände (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl., 2011, S. 1752), ist in Einklang mit der Einschätzung von Prof. Dr. G. mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Zwar führt die Erkrankung beim Kläger zu Mißempfindungen und bei Kältekontakt zu weißlichen Abblassungen an den Händen, es bestehen jedoch keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der Hände und Füße. Da überdies anlässlich einer Untersuchung bei Dr. Gerlach am 17.05.2011 die Gefäße frei durchgängig waren (Bl. 98 SG-Akte), ist die Funktionsbeeinträchtigung in Anlehnung an die Beurteilung arterieller Verschlusskrankheiten nach Nr. 9.2.1. (S. 65) der VG mit einem Einzel-GdB von 10 angemessen und ausreichend berücksichtigt.
Die beim Kläger bestehende Psoriasis-Erkrankung kann gleichfalls nicht mit einem höheren GdB als 10 bewertet werden. Bei der Beurteilung des GdB von Hautkrankheiten sind grundsätzlich Art, Ausdehnung, Sitz, Auswirkungen auf den Allgemeinzustand, Begleiterscheinungen (wie Jucken, Nässen, Brennen, unangenehme und abstoßende Gerüche), die Rezidivbereitschaft bzw. die Chronizität sowie die Notwendigkeit wiederholter stationärer Behandlung zu berücksichtigen (Nr. 17 [S. 97] der VG). Ist die Psoriasis vulgaris-Erkrankung auf die Prädilektionsstellen beschränkt, ist ein Einzel-GdB von 0 - 10 anzusetzen, besteht ein ausgedehnter Befall mit erscheinungsfreien Intervallen von Monaten ist ein solcher von 20, bei einem andauernden ausgedehnten Befall oder einem stark beeinträchtigenden lokalen Befall (z. B. an den Händen) ein Einzel-GdB von 30 - 50 einzustellen. Eine außergewöhnliche Nagelbeteiligung (mit Zerstörung der Nagelplatten) sowie eine Gelenk- und Wirbelsäulenbeteiligung sind zusätzlich zu bewerten (Nr. 17.7 [S. 100] der VG). Da die Psoriasis bevorzugt an der Streckseite der Extremitäten auftritt, nach den Bekundungen von Prof. Dr. G. beim Kläger kleinere psoriasisforme Effloreszenzen am linken Unterarm, am linken Ellenbogen und am linken Knie bestehen, ist vorliegend ein Einzel-GdB von 10 angemessen und ausreichend. Ein ausgedehnter Befall, der eine höhere Bewertung eröffnen würde, besteht nicht. Da aus den Bekundungen von Prof. Dr. G. auch keine Gelenk- oder Wirbelsäulenbeteiligung ersichtlich ist und das um den Mund herum vorliegende seborrhoische Ekzem keine Erhöhung des GdB rechtfertigt, ist die Psoriasis-Erkrankung mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen.
Weitere GdB-pflichtige Funktionsbeeinträchtigungen liegen beim Kläger nicht vor. Zwar leidet der Kläger nach der Aussage von Dr. A. vom 27.06.2010 an einer leichtgradigen Hochtonschwerhörigkeit links, diese führt jedoch nach Nr. 5.2.4 (S. 52) der VG zu keinem Einzel-GdB von minds. 10. Der von Dr. A. benannte Tinnitus fließt in der Beurteilung des Funktionssystems "Psyche" ein (vgl. Nr. 5.3 [S. 54] der VG), ohne sich vorliegend erhöhend auszuwirken.
Ein Einzel-GdB für Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule ist nicht einzustellen, da funktionelle Einschränkungen (vgl. Nr. 18.9 [S. 106] der VG) des Achsenorgans nicht ersichtlich sind.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 40, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind (vgl. Nr. 3 [S. 22 f.] Teil A der VG). Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind zur Überzeugung des Senats weder gänzlich voneinander unabhängig, noch wirken sie sich besonders nachteilig aufeinander aus. Die Auswirkungen überschneiden sich vielmehr. Insb. die im Funktionssystem "Psyche" bestehende Somatisierungsstörung verdeutlicht, dass die bestehenden körperlichen Erkrankungen (auch) maßgeblich für die psychische Verfassung des Klägers sind. Der Einschätzung von Dr. H., der die Schwerbehinderteneigenschaft bejaht, vermag sich der Senat nicht anzuschließen, da die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit den funktionellen Einschränkungen, die bei dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar sind.
Das SG hat mithin die Klage, soweit ein höherer GdB als 40 begehrt wird, zu Recht abgewiesen; die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 23.08.2013 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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