L 5 KR 1791/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3588/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1791/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18.03.2014 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 24.04.2013 und 28.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2013 verurteilt, dem Kläger eine Genehmigung für die langfristige Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango zu erteilen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Genehmigung für die langfristige Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango (Langfristgenehmigung).

Der 1961 geborene Kläger, Mitglied der Beklagten, ist aufgrund einer Little`schen Erkrankung (infantile Zerebralparese) schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Außerdem sind ihm die Merkzeichen "G", "aG", "H" und "RF" zuerkannt.

Unter dem 19.04.2013 beantragte der Kläger die Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung. Er gab an, Heilmittel erhalte er regelmäßig seit 01.09.1980. Der Kläger legte die Heilmittelverordnung des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Chirurgen Dr. M. vom 19.04.2013 für Massagen und Fango (ein- bis zweimal wöchentlich) zur Lockerung der Muskulatur vor. In der Verordnung ist der Diagnoseschlüssel (nach ICD-10) "G80.0" angegeben.

In einem an den Kläger gerichteten (nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen) Schreiben vom 24.04.2013 führte die Beklagte aus, die Erteilung einer Langfristgenehmigung für die Anwendung von Massagen und Fango sei nicht möglich. Massagen seien nicht als Dauertherapie vorgesehen. Außerhalb des Regelfalls könne maximal nochmals die für den Regelfall vorgesehene Anzahl von zehn Massagen verordnet werden.

Der Kläger erhob Einwendungen. Er stütze sein Leistungsbegehren auf § 32 Abs. 1a Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 8 Abs. 5 der Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL). Die seit Geburt bestehenden, dauerhaften und schweren funktionalen Störungen rechtfertigten eine langfristige Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango zusätzlich zur krankengymnastischen Behandlung, um seine berufliche Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). In der MDK-Stellungnahme vom 24.05.2013 (Direktberatung) ist ausgeführt, die Genehmigung einer langfristigen Anwendung von Massagen und Fango sei prinzipiell nicht möglich. Massagen außerhalb des Regelfalls seien plausibel.

Mit Bescheid vom 28.05.2013 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Genehmigung zur langfristigen Verordnung von Massagen und Fango ab. Zur Begründung führte sie aus, die Erkrankungen (Diagnosen), bei denen ein langfristiger Behandlungsbedarf bestehen könne, seien in einer seit 01.01.2013 bundesweit geltenden Indikationsliste aufgeführt. Ein langfristiger Behandlungsbedarf könne im Einzelfall auch bei vergleichbaren Erkrankungen vorliegen. Nach wie vor sei aber die HeilM-RL (mit dem zugehörigen Fragen-Antwort-Katalog: gemeint offenbar der konsentierte Fragen-/Antwortkatalog der Krankenkassenspitzenverbände und der KBV zu der HeilM-RL) maßgeblich, die Massagen für den Regelfall auf zehn Einheiten begrenze. Außerhalb des Regelfalls könnten höchstens zehn weitere Einheiten gewährt werden. Darüber hinaus seien Massagen nicht verordnungsfähig. § 8 HeilM-RL (Verordnung außerhalb des Regelfalls, insbesondere langfristige Verordnungen) gelte nur für Heilmittel ohne mengenmäßige Beschränkung außerhalb des Regelfalls. Bei mengenmäßig begrenzten Heilmitteln könne eine langfristige Verordnung nicht genehmigt werden.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, wegen seiner schweren und dauerhaften funktionalen Störungen sei die langfristige Anwendung von Massagen und Fango im beantragten Umfang notwendig. Zur Erhaltung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit, insbesondere seiner körperlichen Konstitution und der Ausdauer, müsse eine Behandlung mit zweimal wöchentlich Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage und mit einmal wöchentlich Krankengymnastik nach Vojta sowie zusätzlich mit zweimal wöchentlich Massagen und Fango durchgeführt werden. Die Massagen und die Anwendung von Fango seien erforderlich, da sein Rücken und die Schultern durch das ständige Gehen an Krücken sehr stark fehlbeansprucht würden. Die bisherige Behandlung sei erfolgreich gewesen. Trotz seiner Schwerbehinderung sei er seit Jahren an weniger als fünf Arbeitstagen arbeitsunfähig krank gewesen. Die D., bei der er vor dem Wechsel zur AOK 30 Jahre lang Mitglied gewesen sei, habe ihm die begehrte (Langzeit-)Therapie ohne weiteres gewährt.

Die Beklagte befragte erneut den MDK. Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 12.07.2013 führte Dr. L. aus, dem Kläger sei seit Jahren Krankengymnastik (KG) bzw. Krankengymnastik ZNS (KG-ZNS) verordnet und auch langfristig gewährt worden. Davon unabhängig begehre der Kläger die Genehmigung einer langfristigen Anwendung von Massagen und Fango (§ 8 Abs. 5 HeilM-RL). Bei einem Antrag auf die Genehmigung der langfristigen Verordnung von Heilmitteln seien allgemein die besondere Schwere und Langfristigkeit funktioneller/struktureller Schädigungen und der Beeinträchtigungen der Aktivitäten im Hinblick auf einen nachvollziehbaren Therapiebedarf, die Verordnungsfähigkeit der Leistung und der Umfang von mindestens einem Jahr zu bewerten. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe dazu ausgeführt, es müsse ein für einen längeren Zeitraum feststehender Behandlungsbedarf mit Heilmitteln vorliegen, z.B. bei dauerhaft behandlungsbedürftigen funktionellen bzw. strukturellen Schädigungen. Bei der Prüfung eines Antrags auf langfristige Genehmigung von Heilmitteln werde der Behandlungsbedarf der Versicherten nicht infrage gestellt. Zu beurteilen sei allein, ob eine unveränderte Leitsymptomatik und ein Bedarf für ein bestimmtes Heilsmittel auf ein Jahr im Voraus mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aus medizinischer Sicht gesehen werden könne. Insoweit lägen im Einzelfall bei spastischer Zerebralparese die medizinischen Voraussetzungen hinsichtlich Krankengymnastik und Krankengymnastik ZNS vor. Darum gehe es vorliegend aber nicht. Der Kläger begehre vielmehr die langfristige Anwendung von Massagen und Fango. Aus sozialmedizinischer Sicht könne die Bewilligung des hierauf gerichteten Antrags nicht empfohlen werden. Für die verordnete klassische Massagetherapie (hier in Verbindung mit Fango) ergebe sich zunächst im Gesamtzusammenhang eine ausreichend nachvollziehbare Notwendigkeit für die Verordnung außerhalb des Regelfalles. Prinzipiell gelte für Massagen, dass diese auch außerhalb des Regelfalles verordnet werden könnten, wenn dies im Regelfall möglich wäre, jedoch für alle Verordnungen außerhalb des Regelfalles zusammen insgesamt bis zu der für den Regelfall festgelegten Anzahl für Massagen. Somit sei eine langfristige Genehmigung von Massagen nach § 8 Abs. 5 HeilM-RL nicht möglich, da nicht richtlinienkonform, so dass ein sozialmedizinisch positives Votum ausscheide.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gem. § 8 Abs. 5 HeilM-RL entscheide die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten darüber, ob ihm wegen der sich aus der ärztlichen Begründung ergebenden besonderen Schwere und Langfristigkeit seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigung der Aktivitäten und des nachvollziehbaren Therapiebedarfs die insoweit verordnungsfähigen Leistungen in dem insoweit verordnungsfähigen Umfang langfristig genehmigt werden könnten. Die Genehmigung solle zeitlich befristet werden, aber mindestens ein Jahr umfassen. Die Verordnungsmenge und die Anzahl der Behandlungen richteten sich gem. § 7 HeilM-RL nach dem Heilmittelkatalog. Für die Verordnungsmenge sei das medizinische Erfordernis des Einzelfalls maßgeblich. Eine Begrenzung ergebe sich insoweit aber aus § 7 Abs. 10 HeilM-RL. Danach betrage die maximale Verordnungsmenge bei der ersten Folgeverordnung im Rahmen der physikalischen Therapie bis zu sechs Einheiten. Ausnahmen seien im Heilmittelkatalog benannt. Zu der Diagnosegruppe WS2 f (Wirbelsäulenerkrankungen) sehe der Heilmittelkatalog für Massagetechniken eine Gesamtverordnungsmenge von bis zu zehn Einheiten vor. Nur in begründeten Fällen könnten außerhalb des Regelfalles nochmals zehn weitere Einheiten verordnet werden. Die dauerhafte Verordnung von Massagen und Fango sehe die HeilM-RL demgegenüber nicht vor.

Am 23.10.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim. Zur Begründung trug er ergänzend vor, man müsse auch den therapeutischen Gesamtzusammenhang beachten. Die Krankengymnastik und das in Eigeninitiative ausgeführte tägliche Beweglichkeits- und Funktionstraining wirkten unter der Bedingung ständiger Schmerzen, Verspannungen und Spastik nur suboptimal. Fehle die physikalisch-medizinische Therapiekomponente - die Anwendung von Massagen und Fango - mindere sich der Erfolg der anderen Heilmittel erheblich. Er sei seit 1980 in Vollzeit berufstätig und bewältige weit über 95 % der Wegstrecken zu Fuß mit Hilfe von Unterarmgehstützen. Zur Erhaltung dieser Fähigkeiten sei die beantragte Dauertherapie, die ihm die D. zuvor ohne weiteres gewährt habe, notwendig. Die Stellungnahmen des MDK seien ohne persönliche Untersuchung angefertigt worden und in sich nicht schlüssig. Die langfristige Anwendung von Massagen und Fango solle verspannungsbedingte Schmerzen im Schulter- und Halswirbelbereich vermindern. Außerdem solle der weiteren Verschlechterung seines Gesamtzustandes entgegengewirkt werden, damit er möglichst lange berufstätig bleiben könne.

Das Sozialgericht befragte den behandelnden Chirurgen Dr. M ... Dieser führte im Bericht vom 02.12.2013 aus, der Kläger suche ihn regelmäßig in der Praxis auf, um neue Rezepte für Massagen und Krankengymnastik nach Vojta abzuholen. Trotz der ausgeprägten Spastik der Beine schleppe er sich in die Praxis, um mit ihm zu sprechen. Untersuchungen fänden nicht statt. Im Vordergrund der Therapie stünden der Erhalt der Mobilität und die Vermeidung von Gelenksteifen durch kontinuierliche Physiotherapie. Um Gelenke schmerzfrei bewegen zu können, solle die umgebende Muskulatur zunächst gelockert werden, was durch Massagen und Fango erreicht werde. Die Behandlungsfrequenz (mit Massagen und Fango) solle mindestens zweimal wöchentlich betragen, wobei die Behandlung mangels kausaler Therapie fortlaufend durchzuführen sei. Folgen einer Unterbrechung der Therapie seien mit Sicherheit Einsteifungen der Gelenke mit schmerzhaften Kontrakturen und der Verlust der Mobilität und Arbeitsfähigkeit.

Am 04.02.2014 fand eine nicht-öffentliche Erörterungsverhandlung des Sozialgerichts statt. Die Beklagte trug vor, gem. § 7 Abs. 5 HeilM-RL sei nach einer Heilmittelanwendung grundsätzlich ein behandlungsfreies Intervall von zwölf Wochen vorgesehen. § 32 Abs. 1a SGB V erweitere mit der Möglichkeit der Langfristgenehmigung den Anspruch auf Heilmittelanwendungen in der Sache nicht. Deswegen komme eine Langfristgenehmigung auch nur in Betracht, wenn aufgrund gesetzlicher Vorschriften bzw. aufgrund der Vorgaben der HeilM-RL ausnahmsweise die Einhaltung des zwölfwöchigen behandlungsfreien Intervalls nicht erforderlich sei. Das sei nach dem der HeilM-RL beigefügten Heilmittelkatalog für die Erkrankung des Klägers nicht vorgesehen. Die Diagnosegruppe WS2 f sehe für das Krankheitsbild des Klägers lediglich Krankengymnastik ZNS als Dauertherapie vor. Im Übrigen bleibe es dabei, dass die Verordnungsmenge von Massagen auch beim Krankheitsbild des Klägers auf maximal 10 zusätzliche Einheiten beschränkt sei. Die Zuordnung des jeweiligen Krankheitsbildes richte sich nach dem auf der Heilmittelverordnung angegebenen Diagnoseschlüssel (nach ICD-10), hier also G80.0.

Der Kläger gab an, beim Kassenwechsel von der D. zur Beklagten sei ihm bei einem Gespräch auf der Geschäftsstelle der Beklagten in L. von zwei (ihm noch namentlich bekannten) Mitarbeitern der Beklagten zugesichert worden, dass er auch als Mitglied der Beklagten weiterhin zweimal wöchentlich Massagen und Fango erhalten könne. Nachdem die Beklagte seinem behandelnden Arzt (durch Schreiben vom 17.11.2010) aber untersagt habe, Massagen und Fango weiterhin als Dauertherapie zu verordnen, habe er sich in einem Schreiben vom 30.11.2010 an die Beklagte gewandt und darin (u.a.) darauf hingewiesen, dass ihm die D. die in Rede stehende Behandlung dauerhaft gewährt habe. Die Mitarbeiter der Beklagten in der Geschäftsstelle L. hätten seinerzeit auf seine Nachfrage betont, der Leistungsumfang werde auch von der Beklagten so gewährleistet. Er habe die Angelegenheit sodann aber auf sich beruhen lassen.

Mit Urteil vom 18.03.2014 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, auf die Fiktion einer Genehmigung wegen Ablaufs der in § 32 Abs. 1a SGB V vorgesehenen vierwöchigen Entscheidungsfrist könne sich der Kläger nicht berufen, weil die Beklagte seinen Antrag vom 24.04.2013 bereits am 29.04.2013 abschlägig beschieden habe. § 32 Abs. 1a SGB V sehe zwar vor, dass sich Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf erforderliche Heilmittel von der Krankenkasse für einen geeigneten Zeitraum genehmigen lassen könnten, wobei das Nähere der Regelungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses anheimgegeben sei. Allerdings müsse dies im Zusammenhang mit den für die Verordnung von Heilmitteln im Übrigen geltenden Regelungen gesehen werden. § 32 Abs. 1a SGB V schaffe für die schon bislang teilweise praktizierte langfristige Verordnung von Heilmitteln eine gesetzliche Grundlage und wolle durch die Einführung einer Genehmigungsfiktion zum Bürokratieabbau beitragen. Der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit Heilmitteln sei aber in der Sache nicht erweitert worden. Die langfristige Verordnung von Heilmitteln richte sich nach wie vor nach dem bislang geltenden Recht, insbesondere nach den Vorschriften der HeilM-RL.

Die HeilM-RL unterscheide zwischen der Heilmittelverordnung im Regelfall und außerhalb des Regelfalls (§§ 7, 8 HeilM-RL). Im Regelfall sehe § 7 Abs. 2 HeilM-RL die Begrenzung der Gesamtordnungsmenge (der Anzahl der Behandlungen bzw. Einheiten) durch den der HeilM-RL beigefügten Heilmittelkatalog vor. Für das Krankheitsbild des Klägers (Diagnosegruppe WS 2 f) regele der Heilmittelkatalog für Krankengymnastik bzw. Massagen im Quartal eine Gesamtordnungsmenge von bis zu 18 Einheiten, wobei auf Massagetechniken bis zu 10 Einheiten entfallen dürften. In diesem Rahmen werde der Kläger von der Beklagten auch versorgt. Darüber hinaus ordne § 7 Abs. 4 Satz 3 HeilM-RL an, dass Heilmittelverordnungen außerhalb des Regelfalls bis auf die in der Richtlinie genannten Ausnahmen nicht zulässig seien. Hierzu enthalte § 8 HeilM-RL weitere Kriterien. Hinsichtlich des Krankheitsbilds des Klägers finde sich in der HeilM-RL aber keine Ausnahmeindikation für eine Behandlung außerhalb des Regelfalls. Deswegen habe es mit den zur Behandlung im Regelfall vorgesehenen Heilmitteln sein Bewenden. Die Erteilung einer langfristigen Genehmigung für die Verordnung von Massagen und Fango sei nicht möglich. Zwischen den einzelnen Behandlungsphasen müsse auch ein behandlungsfreies Intervall von zwölf Wochen liegen (§ 7 Abs. 5 Satz 1 HeilM-RL). Die Regeldauer der langfristigen Genehmigung betrage mindestens ein Jahr (§ 8 Abs. 5 Satz 2 HeilM-RL). Die genannten Vorschriften ließen es nicht zu, dem Begehren des Klägers zu entsprechen, auch wenn der MDK selbst eine häufigere und durchgehende Anwendung von Massagen und Fango aus medizinischen Gründen für sinnvoll, wenn nicht sogar für geboten erachte.

Der Kläger könne den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V stützen. Bei ihm liege weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung noch eine solchen Erkrankungen wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor. Unerheblich sei, dass man ihm anlässlich des Kassenwechsels zur Beklagten zugesichert habe, die bislang von der D. praktizierte Genehmigung der Heilmittelanwendung fortzuführen. Eine schriftliche Zusicherung sei dem Kläger nicht erteilt worden. Selbst wenn man die ihm seinerzeit erteilten Auskünfte als mündlichen Verwaltungsakt einstufen wollte, könnte das seinem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen. Der Kläger habe in der Folgezeit nämlich hingenommen, dass die Beklagte die in Rede stehenden Heilmittel nur noch im eingeschränkten Umfang als Sachleistung erbracht habe. Ein etwaiger Verwaltungsakt wäre daher gem. § 39 Abs. 2 SGB X gegenstandslos geworden oder aus ihm folgende Rechte des Klägers wären verwirkt.

Auf das ihm am 22.03.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.04.2014 Berufung eingelegt. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, die D., bei der er vor dem Wechsel zur Beklagten Mitglied gewesen sei, habe ihm über Jahrzehnte Krankengymnastik mit vorgeschalteter Massage und Fango gewährt. Die Beklagte habe seinem behandelnden Arzt die weitere Verordnung von Massagen und Fango untersagt, was er zunächst aufgrund einer Rücksprache mit dem Arzt akzeptiert habe. Auch nach Ansicht des MDK bestehe für die Verordnung von Massagen und Fango außerhalb des Regelfalls eine ausreichend nachvollziehbare Notwendigkeit, da die anschließende Krankengymnastik dann weniger schmerzhaft und auch effektiver sei. Die mangelnde Effektivität der Krankengymnastik bewirke, dass er zunehmend die Beweglichkeit verliere. Er müsse damit rechnen, bettlägerig zu werden. Faktisch werde ihm ohne (vorausgehende) Massage und Fango auch ein Teil der ihm (unstreitig) zustehenden Krankengymnastik verweigert. Im Hinblick auf seine schwerwiegende Behinderung seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V erfüllt. Die weitgehende Einschränkung der Beweglichkeit könne dem Verlust eines Sinnesorgans gleichgestellt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18.03.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 24.04.2013 und 28.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2013 zu verurteilen, ihm eine Genehmigung für die langfristige Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Dr. M. ergänzend befragt. Dieser hat im Bericht vom 26.02.2015 ausgeführt, zur Erhaltung der Mobilität des Klägers sei regelmäßige Physiotherapie notwendig. Der Kläger leide unter Verkürzungen der Muskulatur durch eine ausgeprägte angeborene Spastik mit Versteifung der Gelenke in Fehlstellungen. In der normalen Abfolge der Physiotherapie müsse die Muskulatur zunächst aufgewärmt werden, um sie schmerzfrei bewegen und dehnen zu können. Da beim Kläger ein Aufwärmprogramm, etwa mit Fahrradergometer, nicht erfolgen könne, seien die Massagen mit Fango absolut notwendig, da ansonsten keine Krankengymnastik durchgeführt werden könne. Damit würden die Gelenksteifen zunehmen und die Mobilität würde erheblich verschlechtert und wäre nur unter Plagen zu gewährleisten. Dies würde die sozialen Kontakte und auch die Arbeitsfähigkeit des Klägers gefährden oder sogar unmöglich machen. Einen Zeitraum hierfür zu benennen sei problematisch, da es der Kläger nicht so weit kommen lassen würde. Schrumpfungen des Kapsel-Bandapparates setzten sehr früh ein; so werde beispielsweise ein operiertes Knie schon am Tag nach der Operation bewegt. Eine Alternative zu Massagen mit Fango wäre eine Therapie im Bewegungsbad, die aber nur noch unter stationären Behandlungen vorgehalten werde und ansonsten mit sehr großem Aufwand betrieben werden müsste. Von L. (Wohnort des Klägers) aus wäre das in Bad L., Bad M. oder in Bad D. durchführbar unter freilich erheblich gesteigertem Zeit- und Kostenaufwand.

Die Beklagte hat den daraufhin unterbreiteten Vergleichsvorschlag des Senats abgelehnt und trägt ergänzend vor, der Kläger erhalte regelmäßig Krangengymnastik ZNS (überwiegend dreimal wöchentlich). Als Alternative stünde allgemeine Krankengymnastik zur Verfügung. Aufgrund der gleichen Erkrankung wäre ein weiteres vorrangiges Heilmittel nicht verordnungsfähig (§ 12 Abs. 4 HeilM-RL). Unabhängig davon sei die verordnungsfähige Höchstmenge von Massagen im Regelfall auf höchstens 10 Behandlungen begrenzt. Außerhalb des Regelfalls könne maximal nochmals die gleiche Anzahl verordnet werden. Danach sei ein behandlungsfreies Intervall vorgesehen. In der maßgeblichen Indikationsliste (des Gemeinsamen Bundesausschusses) für langfristigen Behandlungsbedarf sei bei der Erkrankung des Klägers (spastische Zerebralparese - Diagnoseschlüssel nach ICD-10 G80.0) lediglich die Langfristgenehmigung von Physiotherapie für Verordnungen zur Diagnosegruppe (des Heilmittelkatalogs) ZN1 bzw. ZN2 vorgesehen. Hier sei die Diagnosegruppe ZN2 maßgeblich. Bei dieser Diagnosegruppe dürfe nur Krankengymnastik oder Krankengymnastik ZNS verordnet werden. Die Verordnung von Massagen sei hier nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, die wiederkehrende bzw. laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG) betrifft, ist gem. §§ 143, 144 SGG statthaft und auch sonst zulässig (§ 151 SGG). Sie ist auch begründet.

Streitgegenstand ist die Erteilung einer Langfristgenehmigung für die Heilmittelbehandlung des Klägers mit Massagen und Fango zusätzlich zu der dem Kläger von der Beklagten (unstreitig) langfristig gewährten Heilmittelbehandlung durch Krankengymnastik und Krankengymnastik-ZNS. Die hierauf gerichtete Klage des Klägers ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 SGG) zulässig. Sie geht nicht deshalb ins Leere, weil der Kläger bereits über eine mündlich erteilte oder als erteilt geltende (fiktive) Langfristgenehmigung für die Behandlung mit Massagen und Fango verfügen würde (unten I.). Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Langfristgenehmigung (unten II.). Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Unrecht abgewiesen, weshalb sein Urteil im Berufungsverfahren nicht Bestand behalten kann.

I. Eine mündliche Langfristgenehmigung für die (weitere) dauerhafte Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango hat die Beklagte dem Kläger anlässlich des Wechsels von der D. zu ihr nicht erteilt. Bei dem Kassenwechsel ist dem Kläger von Mitarbeitern der Beklagten in der Geschäftsstelle in L. auf Nachfrage die Auskunft erteilt worden, der Leistungsumfang bleibe auch hinsichtlich der in Rede stehenden Heilmittelbehandlung unverändert. Dabei handelt es sich freilich nicht um eine rechtsverbindliche Zusicherung, die gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur in schriftlicher Form, nicht jedoch mündlich erteilt werden kann. Auch die Erteilung einer mündlichen Langfristgenehmigung kann nicht angenommen werden. Bei einem Kassenwechsel müssen Langfristgenehmigungen für Heilmittelbehandlungen bei derjenigen Kasse, zu der der Versicherte gewechselt hat, neu beantragt und hierüber muss neu entschieden werden. Für die Entscheidung wird regelmäßig die Prüfung von Behandlungsunterlagen, ggf. unter Einschaltung des MDK, notwendig sein. Der Kläger hat die in Rede stehenden Aussagen der Mitarbeiter der Beklagten daher auch aus seiner Sicht nicht als rechtsverbindliche Entscheidung über einen Leistungsantrag, sondern als bloße Auskunft auf eine zum Leistungsumfang gestellte Frage verstehen müssen und ersichtlich so auch verstanden. Hätte er vor dem Kassenwechsel Rechtsklarheit über die langfristige Weitergewährung der Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango herbeiführen wollen, hätte er die Erteilung einer entsprechenden Zusicherung (§ 34 SGB X) beantragen müssen, so dass die Beklagte hierüber nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen auch hätte eine Entscheidung treffen können.

Eine fiktive Genehmigung i. S. d. § 31 Abs. 1a Satz 3 SGB V liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift gilt eine beantragte Langfristgenehmigung als erteilt, wenn über den Antrag nicht binnen vier Wochen nach Antragstellung entschieden wird. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers vom 19.04.2013 aber schon unter dem 24.04.2013, also weniger als eine Woche nach Antragstellung, abgelehnt. Das Scheiben vom 24.04.2013 stellt einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X dar, auch wenn es als solcher nicht bezeichnet und nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen worden ist. Nach Maßgabe der für die Auslegung behördlicher Schreiben der in Rede stehenden Art entsprechend anzuwenden Vorschriften in §§ 133, 157 BGB hat der Kläger das genannte Schreiben, in dem ausgeführt ist, die Erteilung einer Langfristgenehmigung für die Anwendung von Massagen und Fango sei nicht möglich, nicht als bloßen Hinweis darauf, was (ohnehin) allgemein kraft Gesetzes gilt, sondern als rechtsverbindliche Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer entsprechenden Langfristgenehmigung im Einzelfall verstehen müssen; er hat das Schreiben ersichtlich auch so verstanden.

II. Der Kläger hat Anspruch auf die Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango als Ergänzung der langfristigen Heilmittelbehandlung mit Krankengymnastik bzw. Krankengymnastik ZNS. Der Leistungsanspruch folgt zwar nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. Nach Auffassung des Senats sind aber die Voraussetzungen der §§ 27 Abs. 1, 32 Abs. 1a SGB V i. V. m. den einschlägigen (verfassungs- bzw. grundrechtskonform ausgelegten) Regelungen der HeilM-RL, insbesondere in § 8 Abs. 5 HeilM-RL, erfüllt.

Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst auch die Versorgung mit Heilmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V) - wozu (unstreitig) sowohl die Massagetherapie (§ 18 HeilM-RL) wie die Thermotherapie unter Anwendung von Fango (Wärmetherapie mittels Warmpackungen Peloiden - § 24 Abs. 2 Nr. 5 HeilM-RL) gehört. Näheres zur Heilmittelbehandlung ist in § 32 SGB V und der vom Gemeinsamen Bundesausschuss auf der Grundlage der §§ 32 Abs. 1 Satz 2, 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen HeilM-RL geregelt. Die Indikationen (Diagnosegruppen), bei denen Heilmittel verordnungsfähig sind, die Art der verordnungsfähigen Heilmittel bei diesen Indikationen sowie die Menge der verordnungsfähigen Heilmittel je Diagnosegruppe und die Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen (Folgeverordnungen) regelt der Heilmittelkatalog, den der Gemeinsame Bundesausschuss auf der Grundlage des § 92 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB V als Bestandteil der HeilM-RL (als deren Zweiter Teil) erlassen hat (§ 3 Abs. 4 HeilM-RL). Im Heilmittelkatalog sind Einzeldiagnosen zu Diagnosegruppen zusammengefasst. Den Diagnosegruppen sind die jeweiligen Leitsymptomatiken (funktionellen/strukturellen Schädigungen), die Therapieziele, die einzeln verordnungsfähigen Heilmittel, Angaben zur Verordnung, die Verordnungsmenge und Empfehlungen zur Therapiefrequenz zugeordnet (§ 4 Abs. 2 HeilM-RL).

Die HeilM-RL unterscheidet grundsätzlich zwischen der Verordnung von Heilmitteln im Regelfall - durch Erst- und Folgeverordnung - (§ 7 HeilM-RL) und der Verordnung von Heilmitteln außerhalb des Regelfalls (§ 8 HeilM-RL).

Gem. § 7 Abs. 1 HeilM-RL liegt der Heilmittelverordnung nach der Richtlinie in den jeweiligen Abschnitten des Heilmittelkatalogs ein definierter Regelfall zugrunde (Satz 1). Dieser geht von der Vorstellung aus, dass mit dem der Indikation zugeordneten Heilmittel im Rahmen der Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls das angestrebte Therapieziel erreicht werden kann (Satz 2). Gem. § 7 Abs. 2 HeilM-RL ergeben sich die Gesamtverordnungsmenge und die Anzahl der Behandlungen (Einheiten) je Verordnung im Regelfall aus dem Heilmittelkatalog. Rezidive oder neue Erkrankungsphasen können die Verordnung von Heilmitteln als erneuten Regelfall auslösen, wenn nach einer Heilmittelanwendung ein behandlungsfreies Intervall von 12 Wochen abgelaufen ist (§ 7 Abs. 5 Satz 1 HeilM-RL); sofern das behandlungsfreie Intervall nicht abgelaufen ist, ist gemäß der Ausnahmeregelung nach § 8 Abs. 1 und 2 HeilM-RL (dazu sogleich) zu verfahren. Gem. § 7 Abs. 6 Nr. 1 HeilM-RL können die Heilmittel im Regelfall in der Physikalischen Therapie (wozu die Anwendung von Massagen und Fango gehört §§ 18 Abs. 2, 24 Abs. 2 Nr. 5 HeilM-RL) verordnet werden als vorrangiges, optionales oder ergänzendes Heilmittel oder als standardisierte Heilmittelkombination (im Heilmittelkatalog mit den Buchstaben A bis D bezeichnet). Hierzu bestimmt § 12 Abs. 4 Satz 1 HeilM-RL, dass zu einem vorrangigen oder optionalen Heilmittel (Buchstabe A bzw. B im Heilmittelkatalog, § 12 Abs. 3 HeilM-RL) soweit medizinisch erforderlich (nur) ein weiteres im Heilmittelkatalog (unter Buchstabe C) genanntes ergänzendes Heilmittel verordnet werden kann. Gem. § 7 Abs. 10 HeilM-RL beträgt die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen bis zum Erreichen der Gesamtverordnungsmenge jedes Regelfalls in der Physikalischen Therapie bis zu 6 Einheiten; Ausnahmen werden im Heilmittelkatalog aufgeführt.

Gem. § 8 Abs. 1 HeilM-RL sind Verordnungen außerhalb des Regelfalls möglich, wenn sich die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen lässt, Verordnungen außerhalb des Regelfalls sind insbesondere längerfristige Verordnungen (Satz 1). Solche Verordnungen bedürfen einer besonderen Begründung mit prognostischer Einschätzung (Satz 2). Dabei sind die Grundsätze der Verordnung im Regelfall anzuwenden, wobei allerdings die Vorschrift des § 7 Abs. 10 HeilM-RL über die maximale Verordnungsmenge nicht gilt und auch ein behandlungsfreies Intervall nicht beachtet werden muss (§ 8 Abs. 2 HeilM-RL). Gem. § 8 Abs. 5 HeilM-RL entscheidet die Krankenkasse auf Antrag des Versicherten darüber, ob ihm wegen der sich aus der ärztlichen Begründung ergebenden besonderen Schwere und Langfristigkeit seiner funktionellen/strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und des nachvollziehbaren Therapiebedarfs die insoweit verordnungsfähigen Leistungen in dem insoweit verordnungsfähigen Umfang langfristig genehmigt werden können. Die Genehmigung kann zeitlich befristet werden, soll aber mindestens ein Jahr umfassen. Mit § 8 Abs. 5 knüpft die HeilM-RL an die Bestimmung des § 32 Abs. 1a SGB V an. Danach haben Versicherte mit langfristigem Behandlungsbedarf die Möglichkeit, sich auf Antrag die erforderlichen Heilmittel von der Krankenkasse für einen geeigneten Zeitraum genehmigen zu lassen. Durch diese (Neu-)Regelung soll die die Heilmittelversorgung von Versicherten mit schweren dauerhaften funktionellen/strukturellen Schädigungen und dadurch bedingtem langfristigem Behandlungsbedarf verbessert werden.

Der Heilmittelkatalog sieht zur Diagnosegruppe der ZNS-Erkrankungen (Erkrankungen des zentralen Nervensystems) einschließlich des Rückenmarks nach Vollendung des 18. Lebensjahrs - wozu die beim Kläger vorliegende Erkrankung (infantile Zerebralparese) gehört - unter der Diagnosegruppe ZN2 als vorrangiges Heilmittel (A) Krankengymnastik und Krankengymnastik ZNS und als ergänzendes Heilmittel (C) die Wärme- bzw. Kältetherapie vor. Die Verordnungsmenge ist für Erst- und Folgeverordnung jeweils auf zu 10x/Verordnung begrenzt. Die Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls beträgt bis zu 30 Einheiten. Zur Diagnosegruppe der Wirbelsäulenerkrankungen mit prognostisch längerdauerndem Behandlungsbedarf - die beim Kläger ebenfalls einschlägig ist - ist für die Leitsymptomatik Schmerzen/Funktionsstörungen durch Muskelverspannungsstörungen, Verkürzung elastischer und kontraktiler Strukturen, Gewebequellungen, -verhärtungen und -verklebungen unter der Diagnosegruppe WS2 f als vorrangiges Heilmittel (A) klassische Massagetherapie vorgesehen. Die Verordnungsmenge ist für Erst- und Folgeverordnung auf bis zu 6x/Verordnung begrenzt. Die Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls beträgt bis zu 18 Einheiten, davon für Massagetechniken bis zu 10 Einheiten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Anwendung des § 32 Abs. 1a SGB V i. V. m. § 8 Abs. 5 HeilM-RL ein Merkblatt herausgegeben. Diesem ist eine Indikationsliste beigefügt. Dabei handelt es sich um die Indikationsliste, die der Gemeinsame Bundesausschuss mit dem GKV-Spitzenverband in der gem. § 84 Abs. 8 Satz 3 SGB V geschlossenen (für die vertragsarztrechtliche Wirtschaftlichkeitsprüfung bedeutsamen) Vereinbarung über Praxisbesonderheiten für Heilmittel unter Berücksichtigung des langfristigen Heilmittelbedarfs gem. § 32 Abs. 1a SGB V geschlossen hat. In dem Merkblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses ist (u.a.) ausgeführt, der neu geschaffene § 8 Abs. 5 HeilM-RL solle die Versorgung mit Physikalischer Therapie für Patientinnen und Patienten mit schweren dauerhaften funktionellen/strukturellen Schädigungen verbessern. Diese könnten in bestimmten Fällen dauerhaft Heilmittel wie (u.a.) Physikalische Therapie benötigen. Sofern die Erreichung des Therapieziels die im Heilmittelkatalog als Regel festgelegte Höchstzahl der Behandlungen nicht ausreiche, könne eine Verordnung außerhalb des Regelfalls ausgestellt werden. Werde ein langfristiger Heilmittelbedarf aufgrund einer nicht in der dem Merkblatt beigefügten Liste aufgeführten Diagnose festgestellt, komme die Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung in Betracht, wenn Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen mit den in der Anlage aufgeführten Diagnosen vergleichbar sei. Zum Diagnoseschlüssel (nach ICD-10) G80.0 (infantile Zerebralparese) sind in der dem Merkblatt beigefügten Indikationsliste unter Physiotherapie die Diagnosegruppen (des Heilmittelkatalogs) ZN1/ZN2 aufgeführt.

Die Bestimmungen der HeilM-RL einschließlich des ihr als Bestandteil beigefügten Heilmittelkatalogs sind für Vertragsärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich. Die Krankenkassen dürfen von ihnen nicht abweichen, auch wenn sie das im Einzelfall für sinnvoll erachten. Die Richtlinien-Ermächtigung in §§ 32 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1a Satz 2 bzw. 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V berechtigt den Gemeinsame Bundesausschuss aber nicht dazu, durch (untergesetzliches) Richtlinienrecht gem. § 27 Abs. 1 SGB V medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahmen von der Leistungspflicht der Krankenkassen auszunehmen (vgl. auch etwa LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 11.02.2015, - L 5 KR 10/15 B ER -). Verstoßen Bestimmungen der HeilM-RL deswegen oder aus anderen Gründen gegen höherrangiges Recht, namentlich gegen Gesetzes- oder Verfassungsrecht, sind sie nichtig (BSG, Urt. v. 26.01.2006, - B 3 KR 4/05 R -) und müssen als ungültig verworfen werden, es sei denn, ein etwaiger Konflikte mit höherrangigem Recht, insbesondere mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen, ist im Wege der - ggf. verfassungskonformen - Auslegung aufzulösen.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist bei der Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch bei der Auslegung der HeilM-RL zu beachten, dass die gesetzliche Krankenversicherung als staatliche Pflichtversicherung mit Beitragszwang ausgestaltet ist. Neben den Anforderungen des Grundrechts auf Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und der daraus folgenden Schutzpflicht des Staates sind daher auch die aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. aus dem (grundrechtlichen) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen zu wahren (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 06.12.2005, - 1 BvR 347/98 - juris Rdnrn. 49 ff.). Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 06.12.2005 (a. a. O.) unter maßgeblicher Anknüpfung an die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 GG Rechtsgrundsätze zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs entwickelt, die der Sache nach zu einem letztendlich grundrechtsfundierten Leistungsanspruch in besonderen (extremen) Fallgestaltungen, nämlich bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen führen können; der Gesetzgeber hat mit § 2 Abs. 1a SGB V einen entsprechenden Leistungstatbestand geschaffen (vgl. dazu aus der Rechtsprechung des Senats etwa Urt. v. 19.03.2014, - L 5 KR 1496/13 - (Krebsbehandlung mit dendritischen Zellen) oder Urt. v. 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 - (Behandlung mit einem für die Erkrankung des Versicherten nicht zugelassenen Arzneimittel bei Erblindungsrisiko)). Die verfassungsrechtlichen (grundrechtlichen) Anforderungen an die Leistungsgewährung der Krankenkassen sind damit freilich nicht erschöpfend festgelegt. Auch wenn es nicht um Extremsituationen i. S. d. § 2 Abs. 1a SGB V geht, muss stets der (grundrechtliche) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt bleiben. Dessen Anforderungen können einer im Einzelfall, insbesondere in atypischen Sonderfällen, zu (formalistisch) engen Auslegung (insoweit auslegungsfähiger) untergesetzlicher (Detail-)Regelungen des Leistungsrechts durch die Krankenkassen entgegenstehen und eine verfassungskonform erweiterte Handhabung entsprechender Regelwerke (unterhalb der Schwelle zum Ausnahmefall des "Systemversagens" (vgl. etwa BSG; Urt. v. 07.05.2013, - B 1 KR 44/12 R -) oder des "Seltenheitsfalls" (vgl. etwa BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 27/02 R -) und unterhalb der Schwelle zum Extremfall des § 2 Abs. 1a SGB V) gebieten.

Davon ausgehend muss die Beklagte dem Kläger eine Genehmigung zur langfristigen Heilmittelbehandlung mit Massagen und Fango erteilen, auch wenn die Voraussetzungen des in § 2 Abs. 1a SGB V festgelegten Leistungstatbestands nicht erfüllt sind. Die Erkrankung des Klägers ist unstreitig schwerwiegend, aber nicht lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufend und sie ist mit Erkrankungen dieser Art auch nicht wertungsmäßig vergleichbar; der Senat teilt insoweit die Einschätzung des Sozialgerichts. Selbst wenn die (unstreitig) dauerhaft notwendige Krankengymnastik ohne die ergänzende - vorherige - Anwendung von Massagen und Fango nur unter (auch) starker Schmerzbelastung möglich ist, sind deswegen die engen Voraussetzungen für die Anwendung des § 2 Abs. 1a SGB V, die aus der Rechtsprechung des BVerfG folgen nicht erfüllt, zumal das BVerfG das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation im Sinne einer in einem "gewissen Zeitdruck" zum Ausdruck kommenden Problematik verlangt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist (vgl. auch BSG, Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 12/06 R - sowie Senatsurteil vom 18.03.2015, - L 5 KR 3861/12 - unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 06.02.2007, - 1 BvR 3101/06 - und v. 26.03.2014, - 1 BvR 2415/13 -). Das BSG hat einen Leistungsanspruch aufgrund einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs auch bei einer chronischen Schmerzerkrankung abgelehnt (vgl. BSG, Urt. v. 27.03.2007, - B 1 KR 30/06 R - (Schmerzbehandlung mit Cannabinol)).

Nach Auffassung des Senats ist die langfristige Heilmittelbehandlung des Klägers mit Massagen und Fango aber gem. §§ 27 Abs. 1, 32 SGB V zur Krankenbehandlung medizinisch notwendig und vom Kläger daher zu beanspruchen. Die Regelungen der HeilM-RL stehen dem bei der gebotenen verfassungs- bzw. grundrechtskonformen Auslegung nicht entgegen. Der Senat kann sich insoweit der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts nicht anschließen.

Die medizinische Notwendigkeit der in Rede stehenden dauerhaften Heilmittelbehandlung ergibt sich zur Überzeugung des Senats (vor allem) aus den Feststellungen des Dr. M ... Danach muss der Kläger, der wegen der angeborenen Spastik mit Versteifung der Gelenke in Fehlstellungen als Folge der infantilen Zerebralparese unter Verkürzungen der Muskulatur leidet, dauerhaft mit Krankengymnastik therapiert werden. Andernfalls würde die Gelenksteife zunehmen und der (nach wie vor voll berufstätige) Kläger würde immer weitergehend immobil bis hin zum Verlust der Erwerbsfähigkeit. Darüber streiten die Beteiligten auch nicht. Dr. M. hat im Bericht vom 26.02.2015 außerdem überzeugend dargelegt, dass vor Anwendung der Krankengymnastik beim Kläger Massagen und Fango zur Aufwärmung der Muskulatur angewendet werden müssen. Auf andere Weise kann dies behinderungsbedingt - jedenfalls ambulant - nicht bewerkstelligt werden. Unterbleibt die Aufwärmung der Muskulatur ist die Durchführung von Krankengymnastik nach Ansicht des Dr. M. gar nicht oder jedenfalls nur unter unzumutbarer Schmerzbelastung möglich. Dr. L. ist dem im MDK-Gutachten vom 12.07.2013 in der Sache - medizinisch - nicht entgegengetreten, hat vielmehr die Sichtweise des Dr. M. im Kern untermauert und eine ausreichend nachvollziehbare (medizinische) Notwendigkeit (i. S. d. § 27 Abs. 1 SGB V) auch für die Verordnung von Massagen und Fango beim Kläger außerhalb des Regelfalls angenommen. Er hat für sein ablehnendes Votum allein auf Rechtsgründe abgestellt und die langfristige Heilmittelbehandlung des Klägers (auch) mit Massagen und Fango für nicht richtlinienkonform erachtet. Das trifft nach Auffassung des Senats aber nicht zu.

Der Senat kann den Vorschriften der HeilM-RL einschließlich der Maßgaben des Heilmittelkatalogs das von der Beklagten und vom Sozialgericht postulierte und dem Leistungsanspruch des Klägers aus §§ 27 Abs. 1, 32 SGB V entgegen gehaltene strikte und einer anderweitigen Auslegung von vornherein nicht zugängliche Verbot der langfristigen Anwendung von Massagen und Fango neben der langfristigen Anwendung von Krankengymnastik nicht entnehmen. Die Frage, ob ein solches Verbot beim vorliegenden Krankheitsbild, das wegen der dauerhaften Spastiken unstreitig die dauerhafte Behandlung mit Krankengymnastik, naturgemäß ohne unzumutbare Schmerzen, erforderlich macht, medizinisch überhaupt gerechtfertigt und damit mit höherrangigem Recht (insbesondere mit § 27 Abs. 1 SGB V) vereinbar wäre, stellt sich daher nicht.

Was die Art des Heilmittels (§ 3 Abs. 4 2. Spiegelstrich HeilM-RL) angeht, kann dem Heilmittelkatalog für die beim Kläger vorliegende Indikation entnommen werden, dass sowohl die Anwendung von Krankengymnastik und von Krankengymnastik-ZNS als auch die Anwendung von Wärmetherapie und von klassischer Massagetherapie statthaft ist. Das folgt aus den Festlegungen unter den Diagnosegruppen ZN2 b und WS2 f, die Krankengymnastik bzw. klassische Massagetherapie als vorrangiges Heilmittel (A) und die Wärmetherapie als ergänzendes Heilmittel (C) vorsehen. Die Festlegungen des Heilmittelkatalogs zur Verordnungsmenge (§ 3 Abs. 4 3. Spiegelstrich HeilM-RL) beziehen sich ausdrücklich jeweils auf den Regelfall und damit auf die Verordnung der Heilmittel nach Maßgabe des § 7 HeilM-RL; geregelt ist die "Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls" (unter den Diagnosegruppen ZN2 sowie WS2 f).

Ausdrückliche Festlegungen zur Verordnung außerhalb des Regelfalls i. S. d. § 8 HeilM-RL und damit auch zur langfristigen Verordnung nach § 8 Abs. 5 HeilM-RL kann der Senat den hier einschlägigen Bestimmungen des Heilmittelkatalogs nicht entnehmen. Das gilt namentlich für das von der Beklagten und vom Sozialgericht angenommene Verbot der Langfristanwendung von Massagen und Fango beim Krankheitsbild des Klägers. § 8 Abs. 1 Satz 1 HeilM-RL erlaubt weitere Heilmittelverordnungen vielmehr außerhalb des Regelfalls und damit (ausdrücklich) insbesondere längerfristige Verordnungen, wenn sich - was beim Kläger unstreitig der Fall ist - die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkatalogs bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen lässt. Die Regelung des § 7 Abs. 10 HeilM-RL über die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen im Regelfall gilt für die Verordnung außerhalb des Regelfalls gem. § 8 Abs. 1 Satz 3 HeilM-RL (ausdrücklich) nicht und es ist gem. § 8 Abs. 2 HeilM-RL auch ein behandlungsfreies Intervall nicht zu beachten. Ausschlaggebend ist - insoweit in Einklang mit den vorrangigen gesetzlichen Maßgaben des § 27 Abs. 1 SGB V - die medizinische Notwendigkeit. Dem trägt auch der Gemeinsame Bundesausschuss Rechnung, wenn er in seinem Merkblatt zur Genehmigung langfristiger Heilmittelanwendungen - hinsichtlich der Indikationen - die Auffassung vertritt, dass eine Langfristgenehmigung auch bei Indikationen in Betracht kommt, die in der Anlage des Merkblatts nicht aufgeführt sind, sofern Schwere und Dauerhaftigkeit der Schädigungen mit den dort aufgeführten Diagnosen vergleichbar sind (zu einem solchen Fall LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 27.05.2014, - L 11 KR 4072/13 -), und er außerdem die Heilmittelverordnung außerhalb des Regelfalls für zulässig erachtet, wenn die im Heilmittelkatalog festgelegte Höchstzahl der Behandlungen zur Erreichung des Therapieziels nicht ausreicht. Sollte sich die Beklagte für das von ihr angenommene Verbot einer Langfristbehandlung mit Massagen und Fango beim Krankheitsbild des Klägers auf eine systematisch ansetzende Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der HeilM-RL stützen wollen, wäre das von vornherein nur insoweit statthaft, wenn das Ergebnis der systematischen Auslegung den eingangs dargestellten und (ebenfalls) vorrangigen verfassungsrechtlichen Maßgaben, namentlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, gerecht wird. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kommt es aber nicht in Betracht, dem Kläger abzuverlangen, die (unstreitig) medizinisch dauerhaft notwendige Krankengymnastik jeweils unter unzumutbaren Schmerzen durchzuführen. Eine Heilmittelbehandlung dieser Art ist weder geeignet zur Krankenbehandlung noch angemessen.

Die Beklagte entnimmt die alleinige Zulässigkeit der Langfristbehandlung mit Krankengymnastik beim Krankheitsbild des Klägers offenbar der dem genannten Merkblatt des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Genehmigung langfristiger Heilmittelbehandlungen beigefügten Indikationsliste. Diese führt zur hier maßgeblichen Diagnose (nach ICD-10) G80.0 nur die Diagnosegruppen des Heilmittelkatalogs ZN1/ZN2 und als langfristige Heilmittelbehandlung die Physiotherapie auf. Die Indikationsliste ist aber nicht Bestandteil der HeilM-RL und nimmt an deren Rechtsnormqualität daher nicht teil. Die Indikationsliste ist (als Anlage 2) vielmehr Bestandteil der unter dem 12.11.2012 gem. § 84 Abs. 8 Satz 3 SGB V geschlossenen Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Gemeinsamen Bundesausschusses zu Praxisbesonderheiten in der vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung. Der Senat kann offen lassen, ob der Indikationsliste Rechtsverbindlichkeit für die Krankenkassen und die Versicherten nach Maßgabe des § 91 Abs. 6 SGB V zukommen kann, was voraussetzt, dass ihr ein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zugrunde liegt. Auch wenn das so wäre, könnte der Senat der Indikationsliste bzw. dem ihr zugrunde liegenden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht entnehmen, dass dadurch der Leistungsanspruch auf dauerhafte Heilmittelbehandlung für Versicherte, die - wie der Kläger - dauerhaft unter einer besonderes schweren Erkrankungen leiden, (hier) unter verbindlichem Ausschluss aller anderen Heilmittel abschließend und einer Auslegung insoweit nicht zugänglich auf Krankengymnastik beschränkt werden sollte. Eine Regelung dieser Art, sollte sie im Hinblick auf die Vorgaben des § 27 Abs. 1 SGB V und die dargestellten Maßgaben des Verfassungsrechts überhaupt zulässig sein, wäre in der HeilM-RL zu treffen und nicht in einem Beschluss, der eine vertragliche Vereinbarung mit dem GKV-Spitzenverband über die Durchführung der vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungen zum Gegenstand hat. Der in Rede stehenden Indikationsliste ist im Hinblick auf ihre primäre Zielsetzung lediglich zu entnehmen, dass entsprechende langfristig genehmigte Verordnungen nicht Teil der Wirtschaftlichkeitsprüfung sein sollen (vgl. § 4 Abs. 2 der genannten Vereinbarung). Die Indikationsliste bzw. ein ihr zugrunde liegender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses steht einem darüber hinausgehenden Leistungsanspruch des Versicherten aber nicht entgegen, zumal die Indikationsliste, wie zuvor dargestellt, auch aus Sicht des Gemeinsamen Bundesausschusses - jedenfalls hinsichtlich der aufgeführten Indikationen für langfristige Heilbehandlungen - nicht abschließend sein soll.

Maßgebend für den Leistungsanspruch des Klägers bleiben daher die einschlägigen gesetzlichen Regelungen und die Bestimmungen der HeilM-RL. Aus diesen ist der geltend gemachte Anspruch begründet. Daran ändert es auch nichts, dass gem. § 12 Abs. 4 Satz 1 HeilM-RL zu einem vorrangigen oder optionalen Heilmittel (Buchstabe A bzw. B im Heilmittelkatalog) soweit medizinisch erforderlich (nur) ein weiteres im Heilmittelkatalog (unter Buchstabe C) genanntes ergänzendes Heilmittel verordnet werden kann. Der Heilmittelkatalog sieht für das Erkrankungsbild des Klägers unter der Diagnosegruppe ZN2 Krankengymnastik bzw. Krankengymnastik ZNS als vorrangiges und Wärmetherapie als ergänzendes Heilmittel und unter der Diagnosegruppe WS2 f klassische Massagetherapie als vorrangiges Heilmittel und Wärmetherapie als ergänzendes Heilmittel vor. Die genannten vorrangigen Heilmittel sind unterschiedlichen - beim Kläger angesichts seines schweren Krankheitsbildes aber jeweils einschlägigen - Diagnosegruppen zugeordnet. Im Hinblick darauf ist der Reglung in § 12 Abs. 4 HeilM-RL vorliegend ein auch mit höherrangigem Recht in Einklang stehendes Verordnungsverbot der in Rede stehenden Heilmittelbehandlung nicht zu entnehmen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Entscheidung des Senats beruht auf der Anwendung der einschlägigen Vorschriften des SGB V, namentlich des § 27 Abs. 1 SGB V, und der Regelungen der HeilM-RL. Grundsätzliche Bedeutung misst der Senat der Rechtssache nicht bei.
Rechtskraft
Aus
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