L 1 U 2534/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 U 5966/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2534/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.05.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 (im Folgenden: BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankenheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Der 1951 geborene Kläger war im Laufe seines Berufslebens überwiegend als Kfz-Mechaniker und als Baumaschinenmechaniker beschäftigt, zunächst bei der Firma A. M. in W. von Oktober 1969 bis September 1971 als Lehrling, dann von Oktober 1969 bis September 1971 als Geselle. Von Oktober 1971 bis zum 20.12.1972 leistete der Kläger seinen Grundwehrdienst bei einer Instandhaltungseinheit ab. Danach übte er wieder eine Beschäftigung als Kfz-Mechanikergeselle bei der Firma A. M. im selben Umfang wie zuvor aus (bis 31.07.1973). Von Oktober 1973 bis Januar 1978 war der Kläger als Baumaschinenmechaniker bei der Firma H. in G. beschäftigt. Zu seinen Tätigkeiten gehörten die Wartung, Reparatur und Instandhaltung sämtlicher Maschinen und Geräte. Von März 1978 bis zum 15.08.1981 arbeitete der Kläger als Lagerist in einer Spedition. Dort hatte er Pakete mit einem Gewicht von 5 bis 30 kg von einem Förderband auf eine Palette umzusetzen (ca. 300 Pakete täglich mit einem durchschnittlichen Gewicht von 15 kg). Nach dem Besuch der Meisterschule (vom 16.08.1981 bis 31.12.1982) arbeitete der Kläger als mitarbeitender Kfz-Meister im A. E. (Januar 1983 bis 15.04.1986) und übte dort die branchentypischen Reparatur- und Wartungstätigkeiten aus. Vom 16.04.1986 bis 15.03.1988 war der Kläger wieder als Baumaschinenmechaniker beschäftigt (T. W., B.) und übte dann vom 16.03.1988 bis zum 31.12.1994 bei insgesamt drei Arbeitgebern wieder branchentypische Arbeiten eines Kfz-Mechanikers aus. Anschließend war der Kläger vom 01.03.1995 bis 31.12.1999 als Baumaschinenmechaniker bei der Firma H. in G. beschäftigt, zuletzt vom 01.08.2001 bis zum 30.04.2011 als Baumaschinenmechaniker bei der Firma G. in Z ...

Am 30.04.2010 ging bei der Beklagten ein schriftlicher Antrag auf Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 ein. Der Kläger gab am 12.07.2010 an, 1993 seien erstmals Beschwerden an der LWS aufgetreten. Er habe deshalb ab 1995 schwere Arbeit reduziert.

Der Hausarzt Dr. F. berichtete mit Befundschein vom 17.08.2010 (Bl. 62 Verw.-Akte der Beklagten - VA), dass er den Kläger seit 1993 wegen häufiger Rückenschmerzen mit Verspannungen und Bewegungseinschränkungen behandle. Der Kläger führe diese auf eine zu schwere Rückenbelastung bei der Arbeit zurück. Der Orthopäde Dr. E. berichtete am 03.08.2010, er behandle den Kläger seit Januar 2010. Er habe über eine Schmerzzunahme beim Arbeiten, vor allem beim Tragen schwerer Lasten, berichtet. Es bestehe ein vorbekannter Morbus Scheuermann. Im beigefügten Röntgenbefund vom Januar 2010 beschrieb er eine großbogige rechtskonvexe Seitauslenkung der LWS mit geringer Rotationskomponente, eine Minderung des Wirbelzwischenraumes L5/S1 mit insbesondere im Bereich des thorakolumbalen Übergangs ventraler spondylophytärer Randwulstbildung. Außerdem bestünden eine deutliche Osteochondrose bei L1/L2 und Facettenarthrosen betont bei L5/S1.

Im Vorerkrankungsverzeichnis der IKK Classic vom 17.08.2010 sind Zeiten der Arbeitsunfähigkeit (AU) vom 21.01. bis 30.01.1998 wegen einer akuten Lumbago, vom 03.11. bis 14.11.2008 wegen Radikulopathie im Lumbalbereich und nochmals vom 03.08.2009 bis 28.08.2009 (gleiche Diagnose) verzeichnet. Dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK S. O. vom 21.09.2010 ist eine AU-Zeit vom 26.04. bis 27.04.1999 wegen einer Halswirbelsäulen- (HWS) Blockade verzeichnet.

Wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 09.07.1975 bezieht der Kläger seit dem 01.01.1976 Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 v. H. wegen eines Funktionsverlustes des rechten Auges nach schwerer durchbohrender Verletzung mit Linsenlosigkeit und Metallfremdkörper im Augeninnern (Bescheid der Tiefbau-Berufsgenossenschaft vom 10.12.1976).

Der Kläger lehnte mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 09.08.2010 ab, der Aufforderung der Beklagten, der Kläger möge unter Verwendung ihm übersandter Formulare stellvertretend für seine früheren Arbeitgeber, die infolge Zeitablaufs keine sachdienlichen Auskünfte mehr geben könnten, Angaben zur Hebe- und Tragebelastung im Rahmen der früheren Arbeitsverhältnisse machen, nachzukommen.

Nach Beiziehung der Schwerbehindertenakte des Landratsamts E. beauftragte die Beklagte ihren beratenden Arzt Dr. B. mit der Erstattung einer beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage. Unter dem 05.05.2010 kam dieser zu dem Ergebnis, die medizinischen Voraussetzungen für eine Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 könnten nicht wahrscheinlich gemacht werden. Weitere Aufklärung der medizinischen Vorgeschichte sowie eine Expositionsermittlung und Expositionsbewertung durch den Präventionsdienst seien vorerst nicht erforderlich. Er führte aus, bei den Beschwerden im Bereich der LWS handele es sich um überwiegend harmlose dysfunktionale Störungen im lumbalen Abschnitt bei altersüblichen degenerativen Veränderungen. Entsprechend seien die objektiven klinischen Befunde gering ausgeprägt, die Wirbelsäule werde als altersentsprechend eingestuft (keine Klopfschmerzen, keine wesentliche Bewegungseinschränkung). Die orientierenden neurologischen Untersuchungen zeigten ebenfalls keine wesentlichen Auffälligkeiten. Eine ausgeprägte Verschmälerung des Bandscheibenraumes bestehe röntgenologisch nur bei L1/L2. Im Segment L5/S1 bestehe eine nur angedeutete Verschmälerung bei normaler Bandscheibenhöhe in den übrigen Segmenten. Die über die Altersnorm hinausgehenden vorderen Spondylophytenbildungen im Segment L1/L2 könnten nicht als Begleitspondylose gewertet werden. Wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren vermochte er nicht zu erkennen. Er kam zu dem Ergebnis des Vorliegens einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne einer Chondrose mindestens Grad II ausschließlich im Segment L1/2, weshalb die Konstellation C2 mit einem Bandscheibenschaden höher als L3/L4 anzunehmen sei. Bei dieser Konstellation sei ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich.

Hierauf lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Berufskrankheiten-Liste mit Bescheid vom 22.06.2011 ab. Nach den vorliegenden ärztlichen Berichten und Bildmaterialien seien im Bereich der LWS keine wesentlich vorauseilenden degenerativen Veränderungen erkennbar. Es liege kein Krankheitsbild vor, das einer Berufskrankheit entspreche. Bei einer beruflichen Verursachung müssten die Veränderungen ausschließlich am besonders belasteten unteren Lendenwirbelsäulenabschnitt oder nur dort in besonderer Ausprägung vorhanden sein, was nicht der Fall sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 29.06.2011 Widerspruch und führte im Hinblick auf die übersandten Vordrucke zur Feststellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen aus, deren Ausfüllen sei sinnlos, sofern nicht Einigkeit darüber erzielt werden könne, dass der Inhalt der ausgefüllten Fragebögen später nicht mehr streitgegenständlich sei. Auch dem Gericht müsse klargemacht werden, dass von dieser Plattform auszugehen sei. Hinsichtlich einer Erkrankung der LWS verwies er auf eine Arztauskunft des Hausarztes Dr. F. vom 02.03.2011, erstattet in einem parallel anhängigen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) in einer Schwerbehindertensache mit den Diagnosen eines exacerbierten Facettengelenksyndroms lumbosakral mit peripherer Ausstrahlung links, eines chronischen persistierenden Lumbovertebralsyndroms, einer Protrusion L4/5 und einer knöchernen Enge bei Spondylarthrose L5/S1. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers ohne weitere Ermittlungen mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2011 zurück. Beim Kläger hätten Anpassungsphänomene der Wirbelkörper (sogenannte belastungsadaptive Reaktionen) nicht festgestellt werden können, sodass kein berufsbedingtes Schadensbild im Sinne einer BK Nr. 2108 vorliege. Da schon die medizinischen Voraussetzungen fehlten, seien arbeitstechnische Erläuterungen entbehrlich.

Hiergegen hat der Kläger am 11.11.2011 Klage beim SG erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, soweit aus medizinischen Gründen die Anerkennung der Berufskrankheit abgelehnt worden sei, sei dies unzutreffend, da sich aus den übersandten Befundberichten ein anderes Bild ergebe.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit lägen nicht vor. Eine weitere Aufklärung der Arbeitsanamnese sei daher entbehrlich.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört. Prof. Dr. G., Ärztlicher Direktor der M. S.-Klinik in B. B., hat am 19.04.2012 von intermittierend auftretenden Rückenschmerzen beim Kläger berichtet; dauerhafte Ausfälle auf neurologischem Fachgebiet seien nicht feststellbar gewesen. Nach den ihm vorliegenden Unterlagen bestünden im Bereich der Wirbelsäule degenerative Veränderungen im Sinne von Abnützungserscheinungen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. F. hat mit Auskunft vom 20.04.2012 auf orthopädischem Fachgebiet die Diagnose eines chronischen LWS-Syndroms mitgeteilt und das Bestehen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS bejaht. Der Neurochirurg Dr. B. hat in seiner schriftlichen Aussage vom 02.06.2012 ausgeführt, zwar bestehe eine chronische Funktionsstörung der LWS, diese könne jedoch nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Belastung als Kfz-Mechaniker zurückgeführt werden. Neben einer diskreten Protrusion bei LWK4/5 bestehe eine mäßig ausgeprägte Protrusion in Höhe LWK5/SWK1 mit knöcherner Neuroforamenstenose resp. Rezessusstenose LWK5/SWK1 rechts ohne neuroradiologisch (myelographisch) objektivierbare Nervenwurzelkompression und ohne fokalneurologisches Defizit. Eine auffällige bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS könne im Vollbeweis nur schwerlich festgestellt werden. Zur Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität werde ein mehrsegmentaler, der Altersnorm weit vorauseilender Bandscheibenschaden verlangt, der sich in einer erheblichen belastungsadaptiven Veränderung an den Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper mit Sklerosierungsverdichtungen und belastungsadaptiv auftretenden Spondylosen und Retrospondylosen manifestiere. Außerdem werde das Vorliegen von erheblichen Einengungen (Stenosen) der Zwischenwirbelräume mit nachgewiesenen Bandscheibenvorfällen (Diskushernien) verlangt. Eine solche als "Linksverschiebung" bezeichnete Gesundheitsstörung sei im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Es liege bereits keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit chronischen oder chronisch-rezidivierenden Funktionsausfällen und Wurzelreizerscheinungen vor, sondern nur Bandscheibenprotrusionen in Höhe L4/5 und L5/S1 ohne dokumentierte oder objektivierbare neurologische Ausfallerscheinungen. Der Zustand der Wirbelsäule werde vom Beratungsarzt Dr. B. als altersentsprechend angesehen. Darüber hinaus bestehe kein belastungskonformes Schadensbild. Weder bestehe eine Begleitspondylose als Hinweis für stattgehabte Belastungen noch bestünden Sklerosierungsverdichtungen der Grund- und Deckplatten. Spondylotische Veränderungen in der oberen LWS und der unteren Brustwirbelsäule (BWS) fehlten.

Gegen den am 01.06.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.06.2013 Berufung eingelegt. Die Ausführungen des Dr. B. belegten ein Erkrankungsbild im Sinne der Nr. 2108. Für die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS sei eine Nervenwurzelkompression nicht erforderlich. Da der Kläger wegen einer Augenverletzung bereits Verletztenrente beziehe, reiche ihm eine MdE von 10 v. H., um im Übrigen eine Verletztenrente zu bekommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29.05.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 22.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung besteht sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H., hilfsweise eine Stützrente nach einer MdE von 10 v. H., zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, beim Kläger seien bandscheibenbedingte Wirbelsäulenbeschwerden (Verschmälerung des Bandscheibenraumes L1/L2 bei nur angedeuteter Verschmälerung in Segment L5/S1) bei normaler Bandscheibenhöhe in den übrigen Segmenten festgestellt worden. Die Spondylophytenbildungen im Segment L1/L2 könnten nicht als Begleitspondylose bewertet werden. Da wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren nicht erkennbar seien, eine Begleitspondylose nicht vorliege und der Bandscheibenschaden in Höhe L2/L3 lokalisiert sei, sei laut den Konsensempfehlungen von einer Konstellation C2 auszugehen. Ein belastungskonformes Schadensbild sei nicht festzustellen.

Der Senat hat sämtliche verfügbaren Röntgenbilder, MRT-Bilder und CT-Bilder samt zugehöriger Befunde bei den behandelnden Ärzten des Klägers beigezogen. Auf Veranlassung des Senats hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.07.2014 detaillierte Angaben zu seinen Berufstätigkeiten während des gesamten Berufslebens gemacht.

Der Präventionsdienst der Beklagten hat nach Auswertung der Angaben des Klägers und auf Basis eines Gesprächs vom 08.09.2014 eine Gesamtdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) von 24 x 106 Nh (Richtwert für Männer: 25,0 x 106 Nh) errechnet. Weiter hat der Mitarbeiter des Präventionsdienstes, Zipfel, in seiner Stellungnahme vom 11.09.2014 ausgeführt, dass in den Beurteilungszeiträumen von 1966 bis 1999 beim Heben oder Tragen von Lasten Druckkräfte auf L5/S1 aufgetreten seien, die den Wert von 6,0 kN erreicht bzw. überschritten hätten. Dabei sei die Hälfte des Tagesdosis-Richtwertes erreicht bzw. überschritten worden, der bei 2,75 kNh für Männer liege. Damit liege die zweite Forderung nach der B2-Konstellation vor. Das Kriterium "Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen" könne an 357 Tagen als erfüllt angesehen werden.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das radiologische Zusatzgutachten des Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. B. vom 25.03.2015, das neurologische Zusatzgutachten des Dr. O. vom 02.03.2015 und das Gutachten des Landesgewerbearztes Prof. Dr. B.-A. vom 26.03.2015 eingeholt. Dr. B. hat in seinem Gutachten angegeben, beim Kläger liege im Bereich von HWK 3/4 eine ausgeprägte Höhenminderung der Bandscheibe im Sinne einer zweitgradigen Chondrose vor, eine nicht altersuntypische zweitgradige ventrale Spondylose und eine altersuntypische erstgradige Retrospondylose. Bei HWK 4/5 bestünden eine altersuntypische dritt- bis viertgradige ventrale Spondylose und eine altersuntypische erstgradige Retrospondylose, bei HWK 5/6 bestehe eine nur geringgradige Verschmälerung des Bandscheibenfaches (erstgradige Chondrose) mit nicht altersuntypischer zweitgradiger Spondylose und altersuntypischer zweitgradiger Spondylarthrose rechts und bei HWK 6/7 eine deutlich ausgeprägte Höhenminderung der Bandscheibe im Sinne einer zweitgradigen Chondrose, eine altersuntypische, dritt- bis viertgradige ventrale Spondylose, eine altersuntypische zweitgradige Retrospondylose sowie eine altersuntypische zweitgradige Spondylose rechts. Demgegenüber bestehe im LWS-Bereich eine altersuntypische (drittgradige) Chondrose nur bei LWK 1/2, wo auch eine altersuntypische dritt- bis viertgradige ventrale Spondylose und eine ebenfalls altersuntypische erstgradige Retrospondylose bestünden. In allen übrigen Abschnitten der LWS vermochte er eine Chondrose nicht festzustellen; die erstgradige Spondylose bei LWK 2/3, zweitgradige Spondylose bei LKW 3/4 und LWK 4/5 und LWK 5/SWK 1 hat er als nicht altersuntypisch bezeichnet. Im Segment LWK 5/SWK 1 sei das rechte Neuroforamen L5 teils durch Bandscheibengewebe, teils knöchern bedingt, mittelgradig stenosiert. Bei L5 links bestehe eine geringgradige diskogene Foramenstenose. Eine Begleitspondylose bestehe nicht, wohl aber ein Morbus Scheuermann im thorakolumbalen Übergang mit einer Keilwirbelbildung von maximal 12°, ferner eine tiefe LWS-Skoliose mit Scheitel bei LWK 3/4 und einem Cobb-Winkel von 11 Grad. Er hat ausgeführt, nach der Konsensus-Arbeitsgruppe könne die tiefe Lumbalskoliose trotz ihrer geringen Ausprägung zu einer biomechanischen Überlastung der unteren Bandscheiben führen. Sowohl diese als auch der Morbus Scheuermann seien individuell zu werten. Bezogen auf den Untersuchungstag lägen an der HWS stärker ausgeprägte degenerative Veränderungen als an der LWS vor.

Der Neurologe Dr. O. hat in seinem Gutachten vom 02.03.2015 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine Lumbago in Folge degenerativer Wirbelsäulenveränderungen, welche keine neurologischen Funktionsausfälle begründeten. Zudem bestehe eine Polyneuropathie. Ein chronisches Schmerzsyndrom bestehe nicht, ebenso keine Depression. Ein sensibles oder motorisches Wurzelsyndrom hat Dr. O. nicht festzustellen vermocht.

Unter Mitberücksichtigung dieser Zusatzgutachten hat Prof. Dr. B.-A. in seinem Gutachten ausgeführt, dass sich zum Zeitpunkt der Begutachtung beim Kläger keine Hinweise für eine bandscheibenbedingte Erkrankung in Form eines lokalen Lumbalsyndroms bzw. eines lumbalen Wurzelsyndroms gefunden hätten. Es hätten sich bei der körperlichen Untersuchung keine Hinweise für einen Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz, eine Entfaltungsstörung oder einen erhöhten lumbalen Muskeltonus gefunden. Auch das Ergebnis des neurologischen Zusatzgutachtens spreche gegen ein lumbales Wurzelsyndrom. Nach dem Bericht des behandelnden Neurochirurgen habe beim Kläger zum Zeitpunkt der Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit am 01.05.2011 ebenfalls keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorgelegen. Beim Kläger bestehe eine altersuntypische Bandscheibenschädigung L1/L2 in Form einer Chondrose Grad III und eines Bandscheibenprolaps. Zwischen der Bandscheibenschädigung und der beruflichen Einwirkung nehme er einen Zusammenhang nicht mit Wahrscheinlichkeit an. Gegen den Zusammenhang spreche, dass beim Kläger eine wesentliche konkurrierende Ursache für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in Form eines thorakolumbalen Morbus Scheuermann mit Keilwirbel bestehe. Dies gelte umso mehr, als die Bandscheibenschädigung im Segment L1/L2 vorliege, d. h. unmittelbar an den thorakolumbalen Übergang angrenze. Letztlich liege eine Fallkonstellation "wie B 10" mit einem wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktor ohne Begleitspondylose vor, lediglich mit dem Unterschied, dass die Bandscheibenschädigung nicht im unteren Bereich der LWS lokalisiert sei, sondern im oberen. Diese Fallkonstellation sei betreffend die Fallkonstellationen, die mit dem Buchstaben C beginnen, von der Konsensus-Arbeitsgruppe vergessen worden.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 17.07.2015 jeweils mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen stellen keine BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV dar.

Gegenstand des Verfahrens ist zunächst eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 22.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.10.2011 die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV besteht. Diese ist zulässig, denn ein Versicherter, gegenüber dem ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf Feststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage klären lassen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils RdNr. 11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274; zuletzt BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Vorliegend hat sich der Kläger dafür entschieden, neben der erhobenen Anfechtungsklage die gerichtliche Feststellung einer BK 2108 zu beantragen; eine Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wollte er ersichtlich nicht erheben.

Da der streitbefangene Bescheid vom 22.06.2011 auch die Regelung enthält, dass ein Anspruch auf Leistungen nicht besteht, ist die auch erhobene, auf die Gewährung von Verletztenrente gerichtete, kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) ebenfalls zulässig.

Weder die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage noch die unechte Leistungsklage ist begründet. Beim Kläger besteht keine BK 2108 der Anlage 1 zur BKV.

Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar hat der Kläger angegeben, bereits seit 1993 an Rückenschmerzen zu leiden. Er hat danach aber noch mehrere Jahrzehnte – bis zum 30.04.2011 – wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen verrichtet, weshalb ein potentieller Versicherungs- und Leistungsfall zeitlich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII) liegt, so dass dessen Vorschriften Anwendung finden.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anl. 1 zur BKV, die eine Liste der BKen enthält, Gebrauch gemacht.

Für die Feststellung einer Listen-BK ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist nach der Rechtsprechung des BSG keine Voraussetzung einer Listen-BK (BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils Rn. 16 m.w.N. und - B 2 U 9/08 R = BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 BKV, jeweils Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274).

Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 2108 wie folgt: "Bandscheiben bedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGB 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils Rn. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rn. 13 ff).

Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr 4 BKV) betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann, sondern als Einwirkungskausalität. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheit(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils Rdnr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.

Zur Überzeugung des Senats sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 erfüllt. Der Kläger ist im Laufe seines Berufslebens bis auf die vom 01.10.1971 bis zum 20.12.1972 abgeleistete Grundwehrdienstzeit und den Besuch der Meisterschule vom 16.08.1981 bis zum 31.12.1982 stets versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und hatte im Rahmen der von ihm jeweils ausgeübten Berufstätigkeiten als KFZ-Mechaniker und Baumaschinenmechaniker beruflich bedingt langjährig schwere Lasten zu heben und zu tragen. Schon während der Lehrzeit zum KFZ-Mechaniker von Oktober 1969 bis September 1971 hat seine berufliche Tätigkeit im Ausbau, Einbau und Tausch von Motoren, dem Aus- und Einbau von Getrieben und Achsen, Karosseriearbeiten und der Inspektion/Wartung von Kraftfahrzeugen bestanden. Nach Abschluss der Lehre sind Arbeiten an Rädern, Reifen und Bremsen hinzugetreten. Solche Arbeiten hat der Kläger vom 01.04.1969 bis zum 30.09.1971, vom 01.01.1973 bis 31.07.1973, vom 01.01.1983 bis zum 15.04.1986 und vom 16.03.1988 bis zum 31.12.1994 ausgeübt. Von Oktober 1973 bis Januar 1978, vom 16.04.1986 bis 15.03.1988, vom 01.03.1995 bis 31.12.1999 und vom 01.08.2001 bis 30.04.2011 ist der Kläger als Baumaschinenmechaniker mit der Wartung, Reparatur und Instandhaltung sämtlicher Maschinen und Geräte betraut gewesen. Im Einzelnen hat es sich um den Austausch von Motoren, Getrieben und Achsen, Reparaturen an und der Austausch von Ketten an Baggern und Raupen, der Austausch von Schildmessern an Planierraupen, der Wechsel von Löffelzähnen an Baggerlöffeln, Reifenwechsel und Radwechsel an LKW und PKW sowie sämtliche Inspektions- und Reparaturarbeiten an LKW, Baumaschinen und Kleingeräten gehandelt. Auch während der Tätigkeit als Lagerist von März 1978 bis zum 15.08.1981 hatte der Kläger schwer zu heben und zu tragen (ca. 300 Pakete täglich mit einem durchschnittlichen Gewicht von 15kg).

Bei der Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen (Einwirkungskausalität) stützt sich der Senat auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten, der hierbei die Werte des Mainz-Dortmunder Dosismodells (MDD) zugrunde gelegt hat. Das MDD legt selber für die Belastung durch Heben und Tragen keine Mindestwerte fest, die erreicht werden müssen, damit von einem erhöhten Risiko von Bandscheibenschäden durch die berufliche Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die aufgrund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis, sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen. Von diesem Verständnis geht auch das Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur BK Nr. 2108 aus, das für eine zusammenfassende Bewertung der Wirbelsäulenbelastung auf das MDD verweist (BArbBL 2006, Heft 10, Seite 30 ff). Danach sind zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 zu bejahen, wenn die Richtwerte im Einzelfall erreicht oder überschritten werden; umgekehrt schließt aber ein Unterschreiten dieser Werte das Vorliegen der BK nicht von vornherein aus. Insofern hat das BSG in seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 4/06 –, BSGE 99, 162-170, juris, Rn. 22 ff., Urteil vom 30.11.2008 – B 2 U 14/07 R –, UV-Recht aktuell 2009, 295, bestätigt mit Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 20/14 R –, vgl. Terminbericht Nr. 13/15 vom 23.04.2015, Nrn. 2-4) Modifizierungen zur Anwendung des MDD für notwendig erachtet. Der untere Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissenstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und Bandscheiben bedingter Erkrankung des LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlung verzichtet werden kann, ist auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 x 106 Nh, also auf 12,5 x 106 Nh herabzusetzen. Darüber hinaus ist auf eine Mindesttagesdosis (zuvor für Männer 5.500 Nh) zu verzichten, da es dafür keine gesicherte Ableitung gibt und in der Begründung zum MDD diesbezüglich nur von einem "Vorschlag" gesprochen wird. Der Präventionsdienst der Beklagten hat unter Berücksichtigung dieser neueren Rechtsprechung in seiner Stellungnahme vom 11.09.2014 die berufliche Belastung des Klägers ermittelt und dabei unter Berücksichtigung sämtlicher vom Kläger im Zeitraum vom 01.04.1966 bis zum 30.04.2011 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse eine Belastungsdosis von insgesamt 24x106 Nh errechnet (96 % des Orientierungswertes nach dem MDD von 25 x106 Nh). Die nach der Rechtsprechung des BSG erforderliche Mindestbelastungsdosis von 12,5 x 106 Nh wurde daher vom Kläger deutlich überschritten. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 sind danach erfüllt.

Die genannten beruflichen Belastungen haben aber nicht zur Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung an der LWS geführt. Maßstab für die medizinische Beurteilung sowohl des Krankheitsbildes als auch des Kausalzusammenhangs, also der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen beruflich bedingten Einwirkungen und den bestehenden Erkrankungen, sind für den Senat die Konsensempfehlungen ("Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS", Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung der HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, veröffentlicht in: Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff). Weder die mit dem vorliegenden Fall befassten medizinischen Gutachter noch die Beteiligten haben einen neueren von den Konsensempfehlungen abweichenden Stand der wissenschaftlichen Diskussion zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS aufgezeigt. Diese stellen nach wie vor den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Bandscheibenerkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen dar (BSG Urteil vom 23.04.2015 – B 2 U 20/14 R –, vgl. BSG-Terminbericht Nr. 13/15 vom 23.04.2015, Nr. 2, vgl. auch Senatsurteil vom 12.06.2012 - L 1 U 1207/11). Grundvoraussetzungen für die Anerkennung eines Ursachenzusammenhangs sind danach (vgl. Konsensempfehlungen Seite 216, Spalte 2 und 3) eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Einwirkung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, was sich für den Senat aus den plausiblen Darlegungen der auf Antrag des Klägers beauftragten Gutachter Dr. B., Dr. O und Prof. Dr. B-A ergibt. Es fehlt bereits am Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Für die Klassifikation von Bandscheibenschäden als Basis einer bandscheibenbedingten Erkrankung müssen nach den Konsensempfehlungen sowohl (1.) Kriterien bildgebender Verfahren über morphologische Veränderungen als auch (2.) klinische Kriterien des Wirkungsgrades morphologischer Schäden auf Funktionen der betroffenen Bewegungssegmente sowie topographisch zuzuordnender Nervenwurzeln samt (3.) der damit zu erklärenden Schmerzausprägung erfüllt sein. Vorliegend ist zwar der bildgebende Nachweis altersuntypischer morphologischer Veränderungen erbracht, es fehlt aber am Nachweis einer damit korrelierenden klinischen Symptomatik (vgl. Konsensempfehlungen, Seite 215, Spalte 3). Ausweislich des von Dr. B erstatteten radiologischen Gutachtens bestehen im Segment LWK 1/2 eine drittgradige und damit altersuntypische Chondrose, eine ebenfalls altersuntypische dritt- bis viertgradige ventral betonte Spondylose, ein zweitgradiger und zum Teil verkalkter Bandscheibenprolaps und eine erstgradige Retrospondylose. In den Segmenten LWK 2/3, 3/4 und 4/5 haben sich bis auf eine zweitgradige Spondylarthrose bei LWS 2/3 keine altersuntypischen Veränderungen nachweisen lassen. Im Segment LWK 5/SWK 1 besteht eine nicht altersuntypische Protrusion der Bandscheibe bei fehlender Chondrose. Als altersuntypisch beschreibt Dr. B in diesem Segment lediglich die jeweils im November 2011 erstmals diagnostizierte zweitgradige Spondylarthrose, erstgradige Retrospondylose und dritt- bis viertgradige Spondylose. Nachdem im HWS-Bereich neben zwei erstgradigen Chondrosen (bei HWK 4/5 und HWK 5/6) auch zwei zweitgradige Chondrosen (bei HWK 3/4 und HWK 6/7) vorhanden seien, denen im LWS-Bereich nur eine drittgradige Chondrose bei LWK 1/2 gegenüber stehe, sei die HWS stärker degenerativ verändert als die LWS.

Demgegenüber fehlt es aber am Nachweis einer mit den morphologischen Veränderungen korrelierenden klinischen Symptomatik, wie von Dr. O. und Prof. Dr. B.-A. nachvollziehbar dargelegt. Weder ein lokales Lumbalsyndrom noch ein lumbales Wurzelsyndrom konnten beim Kläger nachgewiesen werden. Nach den Konsensempfehlungen (a.a.O., S. 216, linke Spalte) erfordert die Feststellung eines lokalen Lumbalsyndroms, dass neben altersuntypischen Höhenminderungen einer oder mehrerer Bandscheiben Bewegungsschmerzen bestehen sowie ein klinischer Segmentbefund mit provozierbarem Schmerz, eine Entfaltungsstörung der LWS und ein erhöhter Muskeltonus feststellbar sind; fakultativ kann auch pseudoradikuläre Schmerzausstrahlung hinzutreten. Prof. Dr. B.-A. hat aber im Rahmen seiner körperlichen Untersuchung vom 12.02.2015 Funktionsstörungen im Sinne eines Segmentbefundes mit provozierbarem Schmerz, einer Entfaltungsstörung der LWS oder eines erhöhten Muskeltonus nicht feststellen können. Für die positive Feststellung eines lumbalen Wurzelsyndroms bedarf es nach den Konsensempfehlungen neben einem entsprechenden radiologischen Befund (Vorfall oder Chondrose mit Bandscheibenverschmälerung mit Nervenwurzelbedrängung) auch nachgewiesenen Zeichen der Reizung bzw. Schädigung der entsprechenden Nervenwurzeln. Ein motorisches oder sensibles Wurzelsyndrom war aber bei der neurologischen Begutachtung durch Dr. O. nicht nachweisbar; neurologische Funktionsausfälle waren insgesamt nicht feststellbar.

Nur ergänzend ist hiernach auszuführen, dass die altersuntypischen morphologischen Veränderungen (drittgradige Chondrose und zweitgradiger Bandscheibenvorfall bei L 1/2) auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das langjährige Heben und Tragen als KFZ-Mechaniker, Baumaschinenmechaniker und Lagerist als wesentliche Ursache zurückzuführen sind. Auch hinsichtlich der Zusammenhangsbeurteilung schließt sich der Senat den schlüssigen Darlegungen von Prof. Dr. B.-A. an. Beim Kläger besteht eine C-Konstellation im Sinne der Konsensempfehlungen, denn die morphologischen Veränderungen (vgl. Konsensempfehlungen a.a.O., S. 218, linke Spalte: Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall) betreffen nicht die unteren beiden Segmente, sondern sind im Segment L 1/2 lokalisiert. Eine Begleitspondylose liegt nicht vor, was der Senat der Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. B. vom 05.05.2011, die er im Urkundsbeweis verwertet hat, ebenso entnommen hat wie den Gutachten von Dr. B. und Prof. Dr. B.-A ... Hiernach scheiden die Konstellationen C1, C3 und C4 aus. Je nach Bewertung des erstmals am 12.01.2010 diagnostizierten Morbus Scheuermann am thorakolumbalen Übergang mit einer Keilwirbelbildung von maximal 12° (vgl. Gutachten Dr. B., Seite 7) als wesentliche konkurrierende Ursache ergibt sich hiernach eine Einordnung unter die Konstellation C 2 (so Dr. B.) oder in eine Konstellation im C-Bereich "wie B 10" (= C 2 mit erkennbaren wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren), wie dies Prof. Dr. B.-A. vertritt. Nachdem hier der seltene Fall einer Lokalisation eines Morbus Scheuermann mit Keilwirbelbildung am thorakolumbalen Übergang von 12° (und damit mehr als 10°), vorliegt, und ausweislich der Konsensempfehlungen bei lumbaler Lokalisation eines derartigen Morbus Scheuermann mit Keilwirbelbildung plausibel erscheint, dass anlagebedingte biomechanische Überlastungen der unteren LWS an deren Bandscheiben wirksam werden, ist es für den Senat plausibel, dass Prof. Dr. B.-A. den vorliegend zwar nicht lumbal, aber am thorakolumbalen Übergang gelegenen, Morbus Scheuermann als wesentliche Konkurrenzursache für die Entstehung der drittgradigen Chondrose bei L 1/2 gewertet hat. Hiernach scheidet eine unmittelbare Heranziehung der Konstellation C 2 aus, denn diese setzt das Fehlen von Konkurrenzursachen voraus. Es handelt sich um eine Konstellation im C-Bereich "wie B 10" (d.h. wesentlich konkurrierende Ursachenfaktoren erkennbar: ja; Begleitspondylose: nein), die ausweislich Prof. Dr. B.-A., der an der Abfassung der Konsensempfehlungen maßgeblich beteiligt war, bei deren Abfassung schlicht vergessen worden ist. Ebenso wie bei der Konstellation B 10 ist, und auch insoweit folgt der Senat Prof. Dr. B.-A., eine Kausalität nicht wahrscheinlich. Das ergibt sich auch aus einem "Erst-Recht-Schluss" aus der Konstellation C2, die erfüllt wäre, würde man den Morbus Scheuermann mit Keilwirbelbildung nicht als wesentliche konkurrierende Ursache werten. Das Hinzutreten einer Konkurrenzursache zu der Konstellation C2, vermag die bereits ohne die Konkurrenzursache unwahrscheinliche Kausalität nicht wahrscheinlicher zu machen.

Hiernach besteht beim Kläger keine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV. Deshalb hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 Abs. 1 SGB VII).

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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