Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3710/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2655/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2011.
Der am 1959 geborene Kläger erlernte keinen Beruf und war nach seine Einreise aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland von 1975 bis 1977 als Maschinenbediener und danach von 1977 bis Februar 2003 als Helfer in einem Automobilzulieferbetrieb versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitsunfähig oder arbeitslos und bezieht seit Januar 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ferner erhält er Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I ab 1. August 2011. Das Landratsamt L. stellte ab 8. November 2013 beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 sowie (weiterhin) die Merkzeichen G und B fest.
Erstmals beantragte der Kläger im Dezember 2003 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach erfolgloser Durchführung eines Verwaltungs- (Bescheid vom 5. April 2004) und Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 4. August 2004) endete das im Anschluss daran vor dem SG geführte Klageverfahren (S 8 R 2660/04) mit einer Klagerücknahme. Im Mai 2006 beantragte der Kläger wiederum erfolglos die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Bescheid vom 31. Mai 2006, Widerspruchsbescheid vom 2. August 2006). In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem SG (S 1 R 3062/06) holte dieses auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Nervenfacharzt Dr. L. das Gutachten vom 5. November 2008 ein. Dr. L. führte aus, der Kläger könne zumindest leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich verrichten. Im neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 8. Oktober 2007 legte Diplompsychologe K. dar, es bestehe der dringende Verdacht auf Aggravation. Die Simulation einzelner Symptome könne nicht ausgeschlossen werden. Mit Urteil vom 25. April 2008 wies das SG die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, L 5 R 2892/08) Berufung ein. Von Amts wegen beauftragte das LSG Neurologen und Psychiater Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens sowie Diplompsychologe B. mit der Erstattung eines testpsychologischen Zusatzgutachtens. Dr. H. führte in seinem Gutachten vom 24. September 2010 aus, auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine leichte depressive Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode. Inwieweit ein psychogener Schwindel vorliege, sei schwierig zu beurteilen. Die entsprechenden Beschwerden seien im Rahmen der Untersuchung erheblich demonstrativ geprägt gewesen. Ohne Zweifel habe auch eine Tendenz zur Aggravation bestanden. Auch eine Simulation habe nicht ausgeschlossen werden können. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Mit Urteil vom 24. November 2010 wies das LSG die Berufung zurück. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (BSG, B 13 R 19/11 B) wurde mit Beschluss vom 27. April 2011 als unzulässig verworfen.
Zuletzt beantragte der Kläger bei der Beklagten am 22. Dezember 2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er halte sich seit 2003 wegen einer Herzklappenoperation, einer jetzt eingetretenen psychischen Erkrankung, einer Panikstörung und eines Schwindels für erwerbsgemindert. Ferner wies er darauf hin, dass mittlerweile Pflegestufe I zuerkannt worden, ein GdB von 80 seit Oktober 2009 anerkannt sei sowie die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B ab März 2010 vorlägen. Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg das Gutachten der Pflegefachkraft P., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 20. September 2011 (Zeitaufwand der Grundpflege 50 Minuten pro Tag, der für Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt 60 Minuten pro Tag). Ferner legte die Agentur für Arbeit L. ein nach Aktenlage erstelltes Gutachten der Dr. Ö. vom 13. Oktober 2011 vor. Unter Berücksichtigung der festgestellten Diagnosen (schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen bei rezidivierender depressiver Störung [März 2011], Marcumartherapie bei Zustand nach Aortenklappenersatz, paroxysmale Vestibulopathie, Typ II Diabetes mellitus) bestehe ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich. Anschließend veranlasste die Beklagte eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers in ihrem Sozialmedizinischen Zentrum S ... Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Bu. führte in seinem Gutachten vom 6. März 2012 (Untersuchung am 1. März 2012) aus, anamnestisch bestehe eine rezidivierende depressive Störung bei derzeit leicht bis grenzwertig mittelgradig depressiver Symptomatik. Ferner leide der Kläger an einer somatoformen Störung (nicht näher bezeichnet, mit prominenter Schwindelsymptomatik, psychogen) sowie an vordiagnostizierten paroxysmalen Schwindelattacken. Anamnestisch bestünden Hinweise für einen Lagerungsschwindel. Als weitere Diagnosen nannte er einen Aortenklappenersatz (Aortenklappenstenose 2003, laufende Marcumarisierung), anamnestisch degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne Nervenwurzelreizung oder Nervenwurzelkompressionssymptomatik, Diabetes mellitus Typ II und Übergewicht. Aktuell habe der Kläger über einen Sturz mit angegebener Prellung am linken Ellenbogen (Versorgung mit einer Ellenbogenschiene) berichtet. Unter Berücksichtigung der aus den bisherigen Verfahren vorliegenden ärztlichen Unterlagen und der vom Kläger vorgelegten Befundberichte habe auch die jetzige Begutachtung erhebliche Inkonsistenzen der während der Begutachtung gezeigten Defizite und zwischen angegebenen und objektivierbaren Einschränkungen ergeben, wie sie von den nervenärztlichen Sozialgerichtsgutachten schon vorbeschrieben worden seien. Auffällig sei insbesondere die Modifizierbarkeit des Gangbildes während beobachtetem versus vermeintlich unbeobachtetem Setting neben auch erheblichen, letztendlich nicht anders als durch Aggravation zu erklärenden Fluktuationen im Hinblick auf angegebene Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen gewesen. Inkonsistent seien auch die angegebenen erheblichen eingeschränkten Alltagsaktivitäten mit der Tatsache, dass der Kläger erst vor einem Monat eine Flugreise in die Türkei in Begleitung seines Bruders bewerkstelligt habe. Auch von drei angegebenen Psychopharmaka sei eines im Blut des Klägers überhaupt nicht nachweisbar gewesen. In der Gesamtschau hätten die Befundberichte und das aktuelle Labor keine Hinweise auf eine quantitativ leistungsrelevante Dekompensation der organischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder die kardiale Situation ergeben, wobei die Blutzuckereinstellung ambulant optimiert werden könne. Insbesondere bezüglich der kardialen Situation weise der aktuellste follow-up aus dem Robert-Bosch-Krankenhaus (August 2011) einen stabilen Verlauf aus bei unauffälligem Echobefund. Im Ergebnis gelangte Arzt Bu. zu der Auffassung, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit einfacher bis normaler geistiger Beanspruchung und ohne vermehrte Wirbelsäulenzwangshaltungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Nicht leidensgerecht seien Tätigkeiten im Akkord oder Tätigkeiten mit vermehrter Beanspruchung des Konzentrationsvermögens, Nachtschicht und gefahrgeneigte Tätigkeiten. Die letzte Tätigkeit als Arbeiter könne der Kläger noch vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 2. April 2012 wies die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Hiergegen legte der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags Widerspruch ein. Nach Einholung einer abschließenden sozialmedizinischen Stellungnahme des Arztes Bu. vom 24. September 2012 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2012 zurück. Dem Kläger seien unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen noch Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Eine medizinische Änderung zu den im Rahmen der vorangegangenen Gerichtsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten des Dr. L. und des Dr. H. sei nicht eingetreten. Es könne daher weder eine Einschränkung der sozialrechtlich relevanten Gehstrecke noch die zwingende Notwendigkeit zur Benutzung eines Rollstuhls gesehen werden. Auch die Anerkennung der Pflegestufe I beeinträchtige nicht das vom Sozialmedizinischen Dienst festgestellte quantitative Leistungsvermögen.
Hiergegen erhob der Kläger am 14. November 2012 Klage zum SG. Zur Begründung legt er dar, dass er von Ängsten psychisch stark beeinflusst sei. Er sei nahezu hilflos und auf die Pflege seiner Ehefrau sowie die Fürsorge seiner Kinder angewiesen. Er verlasse das Haus ohne Begleitung nicht mehr. Daher sei er nicht mehr wegefähig. Er sei multimorbid. Seit Jahren sei er schwer physisch und psychisch krank. In der Zwischenzeit habe er über zwei Jahre im Krankenhaus in Winnenden in der beschützten Abteilung verbracht. Dort gehe er selbst hin, wenn seine Ängste so stark würden, dass er sich davor fürchte, sich selbst umzubringen. Ferner legte er einen Arztbericht der Fachärztin für Kardiologie/Angiologie Dr. He. vom 3. April 2014 (echokardiografisch unverändert gute Funktion der Aortenklappenprothese, Beginn einer zusätzlichen anti hypersensitivem Therapie) vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E.-D. vom 24. April 2013. Unter Berücksichtigung sämtlicher vorgelegter medizinischer Unterlagen sowie der Auskünfte der sachverständigen Zeugen spreche nichts gegen die von ihr vertretene Leistungseinschätzung. Insbesondere lasse sich aus der Pflegestufe I nicht auf die berufliche Leistungsfähigkeit schließen.
Das SG zog den Befundbericht des Dr. Het., Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Schloss W., vom 15. April 2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 31. März bis 20. April 2011 (unter medikamentöser Therapie vollständige Rückbildung der psychotischen Symptome und ausreichende Stabilisierung) bei und befragte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Kardiologin Dr. Kr. legte dar (Auskunft vom 14. Januar 2013), beim Kläger bestehe ein Zustand nach Herzklappenersatz (Aortenklappenersatz). Die Aortenklappenprothesenfunktion sei regelrecht. Die letzte echokardiographische Kontrolle sei im November (2012) gewesen. Dabei sei der Kläger auch belastet, ohne dass Auffälligkeiten beim Puls- und Blutdruckverhalten erkennbar gewesen seien. Im Vordergrund stehe beim Kläger die Drehschwindelsymptomatik, unter der er seit Jahren leide, sowie eine Angststörung. Die Arbeitsfähigkeit sei beim Kläger durch die kardiale Grunderkrankung nicht beeinträchtigt. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ki. führte aus (Auskunft vom 2. Februar 2013), dass sich der Kläger seit vielen Jahren in seiner hausärztlichen Behandlung befinde. Der Kläger leide an chronischem Schwindel, einem Zustand nach Aortenklappen-Operation, Diabetes mellitus und einer schweren depressiven Verstimmung mit psychotischen Symptomen. Das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden liege auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet. Nervenfacharzt Dr. M. stellte unter dem 28. Februar 2013 fest, der Kläger leide an rezidivierenden depressiven Störungen, ohne psychotische Symptome, und an Schwindelattacken unklarer Genese. Seit 2003 sei er nach seiner Herzoperation langzeitarbeitslos. Der Kläger könne keine leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über drei Stunden täglich ausüben. Nach Angabe des Klägers seien die üblichen Wege zur Arbeitsstelle nicht mehr zu bewältigen.
Anschließend beauftragte das SG Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Psychiatrischen Zentrums N., mit der Erstattung eines Gutachtens. Unter dem 28. Januar 2014 führte er darin aus, der Kläger leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode sowie an einem somatoformen Schwindel. Gegen eine grundsätzlich zu diskutierende schwerergradige depressive Episode spreche das massive Verdeutlichungsverhalten des Klägers, das eine tatsächliche, authentisch nachvollziehbare Feststellung einer eigentlichen und gravierenden depressiven Störung nicht möglich mache. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenführer könne der Kläger nicht mehr verrichten. Aufgrund der auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen seien Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen sowie Tätigkeiten, die zu einer erhöhten psychovegetativen Stressbelastung führten, nicht mehr ausübbar. Daher könnten Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder Nachtarbeit nicht mehr verrichtet werden. Auch solche Tätigkeiten, die anhaltend hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit stellten, seien auszuschließen. Aufgrund der depressiven Symptomatik seien weiterhin solche beruflichen Tätigkeiten nicht mehr möglich, die erhöhte Anforderungen an die Fähigkeit zur zielgerichteten Gestaltung interpersoneller Interaktionen stellten. Dies gelte für Tätigkeiten mit unmittelbarem Publikumskontakt. Aufgrund des somatoformen Schwindels kämen solche Tätigkeiten nicht in Frage, die eine erhöhte Anforderung an die Standsicherheit darstellten. Auszuschließen seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten, die das regelmäßige Besteigen von Leitern und Gerüsten erforderlich machten oder jegliche Tätigkeiten mit Absturzgefahr, wegen des aktenkundigen rezidivierenden Lumbalsyndroms bei deutlichem Übergewicht weiterhin Tätigkeiten mit höheren Belastungen für die Wirbelsäule sowie körperlich schwere oder mittelschwere Tätigkeiten, Tätigkeiten unter Zwangshaltung der Wirbelsäule, häufige Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit häufigerem Bücken. Grundsätzlich möglich seien körperlich leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten bis zu fünf kg unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungsdefizite bis zu acht Stunden an fünf Tagen in der Woche. Aus den klinischen Untersuchungen, den testpsychologischen Befunden sowie den aktenkundigen Vorbefunden ergäben sich klare Hinweise auf das Vorliegen negativer Antwortverzerrungen und instruktionswidrige Anstrengungsminderleistungen. Diese seien als Hinweise auf erhebliche Aggravation oder Simulation zu verstehen. Im Rahmen der körperlich-neurologischen Untersuchung habe sich der Kläger in der Lage gezeigt, sich selbstständig ent- und anzukleiden. Trotz der immer wieder demonstrierten Funktionsuntüchtigkeit der Hände (niederfrequenter Tremor) sei es ihm das gezielte Greifen mit beiden Händen völlig problemlos gelungen. Auch sei er anders als in einem Funktionsfragebogen angegeben in der Lage gewesen, sich zu strecken. Auch sei die Wegefähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt. Zwar habe der Kläger angegeben, das Haus nicht mehr ohne Begleitung zu verlassen. Dem stünden jedoch keine Krankheitsgründe entgegen. Der Kläger habe selbst ausgeführt, mit dem Rollator 500 m gehen zu können. Sofern der Rollator, zumindest als "psychische Prothese" noch erforderlich sein sollte, sei der Kläger dazu in der Lage, mit diesem Hilfsmittel 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Öffentliche Verkehrsmittel könne der Kläger auch ohne Begleitperson gegebenenfalls mit vorübergehendem Training benutzen. Krankheitsgründe stünden jedenfalls nicht entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2014 wies das SG die Klage ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Der Schwerpunkt der Erkrankung des Klägers liege auf nervenärztlichem Fachgebiet. Es habe sich nicht davon überzeugen können, dass neurologisch-psychiatrische Erkrankungen der Verrichtung einer täglichen sechsstündigen leichten körperlichen Tätigkeit entgegenstünden. Prof. Dr. S. habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass sich hinsichtlich der Authentizität der vom Kläger angegebenen Beschwerden und der geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen verschiedene Auffälligkeiten ergeben hätten. Der Kläger habe Gedächtnisstörungen in Bezug auf wesentliche biographische Basisdaten, wie z.B. sein eigenes Geburtsdatum und das seiner Kinder beschrieben. Psychisch-funktionelle oder hirnorganische Beeinträchtigungen, die einen solchen Gedächtnisdefekt hätten erklären können, bestünden beim Kläger nicht. Weiter habe er Angaben gemacht, die nicht plausibel seien, z.B. hinsichtlich seines Schlafverhaltens, und habe undifferenzierte Extremangaben, beispielsweise hinsichtlich seines Schlafverhaltens, seiner Schmerzen und schmerzbedingten Funktionseinschränkungen gemacht. Auch in Bezug auf die vom Kläger angegebenen Beeinträchtigungen und die beobachteten Kompetenzen ergäben sich klare Diskrepanzen. So habe der Kläger angegeben, dass er bei der alltäglichen Selbstversorgung auf umfassende Hilfeleistung der Ehefrau angewiesen sei. Im Rahmen der körperlich-neurologischen Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. Dr. S. habe sich der Kläger jedoch in der Lage gezeigt, sich selbstständig ent- und anzukleiden. Weiter habe er während der Explorationsphase ein auffälliges, appellativ wirkendes Bewegungsmuster in Form eines niederfrequenten Tremors beider Hände in wechselnder Seitenbetonung gezeigt, der unter Ablenkung vollständig sistierte. Trotz der immer wieder demonstrierten Funktionsuntüchtigkeit beider Hände sei dem Kläger völlig problemlos das gezielte Greifen mit beiden Händen gelungen. Auch weitere Angaben des Klägers zu Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht in Einklang zu bringen mit den erhebbaren Befunden. So habe er berichtet, nicht in der Lage zu sein, ein Buch von einem Schrank oder Regal zu holen. Ein entsprechender Bewegungsablauf sei im Rahmen der körperlich-neurologischen Untersuchung vom Kläger völlig problemlos realisiert worden. Weitere Auffälligkeiten hätten sich aus den Ergebnissen der testpsychologischen Validierungsverfahren ergeben. Im Verfahren SFSS (Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome) habe er beispielsweise angegeben, nicht in der Lage zu sein, von 20 auf 1 zurückzuzählen und sich nicht zu erinnern, was er vor einer Stunde gemacht habe. Entsprechende Leistungen seien vom Kläger in der klinischen Exploration jedoch völlig problemlos erbracht worden. Im Beschwerdevalidierungsverfahren WMT (Word-Memory-Test) habe der Kläger extrem niedrige Ergebnisse erzielt, die weit unter den von kooperationswilligen Klägern oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Klägern gelegen hätten. Die Ergebnisse hätten auf einem Niveau gelegen, welches der Kläger auch durch ein zufälliges Antwortverhalten habe erreichen können. Eine vergleichbare Leistung habe der Kläger im sprachunabhängigen testpsychologischen Beschwerdevalidierungsverfahren TOMM (Test of Memory Malingering) gezeigt, wo er eine extrem niedrige Leistung bei einer Prüfung des visuellen Gedächtnisses gezeigt habe, die auf einem Niveau gelegen habe, die er auch durch rein zufälliges Antwortverhalten - also ohne mentale Anstrengungsleistung überhaupt - hätte erzielen werden können. Auch dieses Ergebnis spreche klar für eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung und nicht für eine tatsächliche Gedächtnisstörung. Auch der bereits im Verwaltungsverfahren tätig gewordene Gutachter Bu. habe in seinem Gutachten erhebliche Verdeutlichungstendenzen beschrieben. Gleiches gelte für die Gutachter Dr. Si. (im Verwaltungsverfahren aufgrund des Rentenantrags vom Mai 2006) und Dr. H ... Im Ergebnis sei der Kläger damit in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen der genannten Gutachter, überzeuge die angenommene Leistungsfähigkeit des Dr. M. von unter drei Stunden täglich nicht. Aus den Erkrankungen auf internistischem Gebiet ergäben sich keine quantitativen Einschränkungen. Die eingesetzte Aortenklappe funktioniere ohne Beanstandung. Dies ergebe sich aus der sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Kardiologin Dr. Kr ... Bestätigt werde dies durch den aktuellen Befundbericht der Dr. He. vom 3. April 2014, der von einer echokardiographisch unveränderten guten Funktion der Aortenklappenprothese berichtet habe. Der Diabetes mellitus werde medikamentös behandelt, sodass sich auch hier keine weiteren Leistungseinschränkungen ergäben. Den Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet könne mit qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden. Auch liege eine Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers nicht vor, da dieser nach Auskunft des Prof. Dr. S. in der Lage sei, 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel auch ohne Begleitperson zu nutzen.
Gegen den dem Kläger am 23. Mai 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 13. Juni 2014 Berufung beim SG eingelegt. Zur Begründung führt er aus, in einem multimorbiden Gesundheitszustand zu sein. Er sei insulinpflichtig. Seine Familie lasse ihn nicht alleine zu Hause, weil sie befürchte, dass er in Unterzucker und eine hilflose Lage gerate. Seine Sehfähigkeit am linken Auge habe er wegen des Diabetes fast verloren. Vor zwei Jahren habe er sich einer Prostateoperation unterziehen müssen und sei seitdem inkontinent. Prof. Dr. S. habe ihn nicht richtig eingeschätzt. Er sei kaum noch in der Lage, Texte zu lesen, geschweige denn, sie zu verstehen. Suizidale Tendenzen träten immer wieder auf. Außerdem sei wohl kaum ein Arbeitgeber vorstellbar, der einen Arbeitnehmer beschäftige, der als ungelernter Mitarbeiter mit einem Rollator in den Betrieb komme.
Auf telefonische Anfrage der Geschäftsstelle des Senats am 19. Juni 2015 hat das Büro der Prozessbevollmächtigten angegeben, ein Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. September 2015 könne wahrgenommen werden. Am 29. Juni 2015 hat der Kläger einen Antrag nach § 109 SGG mit Benennung eines Sachverständigen gestellt, woraufhin die Berichterstatterin am selben Tag die Frist zur Einzahlung eines Vorschusses bis 3. August 2015 verfügt hat. Der Kläger hat Fristverlängerung für die Zahlung des Vorschusses bis 30. September 2015 beantragt. Nicht verständlich sei, weswegen die Frist, einen Gutachter nach § 109 SGG zu hören, nicht verlängert werde. Dem Antrag auf Fristverlängerung zur Einzahlung des Vorschusses bis 30. September 2015 hat die Berichterstatterin nicht stattgegeben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Mai 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 2. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren, hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass er aus psychischen Gründen erwerbsgemindert ist, ein Sachverständigengutachten nach § 109 SGG bei Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Br., B.-straße 8, H. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.
Der Senat hat Dr. Ki. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat in seiner schriftlichen Auskunft vom 28. August 2014 ausgeführt, der Kläger befinde sich seit 2001 in seiner hausärztlichen Behandlung. Er habe angegeben, an Schwindel, Schlafstörung und depressiver Verstimmung mit Selbstmordgedanken zu leiden. Zudem hat er u.a. Arztberichte der Diabetologin Dr. W. vom 28. Juli 2014, in dem diese über die Therapie des Diabetes mellitus Typ II berichtet, und des Dr. M. vom 23. Juli 2014, der berichtet hat, dass der Kläger nicht schwingungsfähig sei, keine Wahrnehmungs- oder Denkstörungen habe und in der Stimmung gedrückt sei sowie die antidepressive Medikation angeglichen worden sei, den Arztbrief des Dr. E., Klinikum L., vom 4. November 2013, in dem der Verdacht auf eine Meiselfraktur am Ellenbogen rechts geäußert worden ist, sowie den Bericht der Dr. Kr. vom 20. Juni 2013 (regelrechte Funktion der Aortenklappenprothese) vorgelegt.
Der Senat hat bei der Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg die Akten des Klägers inklusive Pflegegutachten sowie sonstige Unterlagen über den Kläger angefordert. Vorgelegt hat diese daraufhin einen EDV-Ausdruck über ihre Leistungsdaten, das Gutachten der Pflegefachkraft P., MDK, vom 20. September 2011, die weiteren Pflegegutachten des MDK vom 1. Juni 2010 und 24. August 2010 (Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege 26 und 31 Minuten täglich; keine eingeschränkte Alltagskompetenz des Klägers), die Mitteilung vom 5. Dezember 2011 über die Absage eines geplanten Hausbesuches wegen Aufenthalt des Klägers in der Türkei auf unbestimmte Zeit sowie die sozialmedizinischen Fallberatung vom 22. Dezember 2011 (gegenüber dem Gutachten vom 20. September 2011 Verschlechterung des Allgemeinzustands und eine zunehmende Stand- und Gangunsicherheit). Die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg hat dem Kläger ab 1. August 2011 Pflegegeld nach Pflegestufe I bewilligt (Bescheid vom 27. September 2011). Dieser Bewilligung liegt das Gutachten der Pflegefachkraft P. vom 20. September 2011 zugrunde. Diese hat darin ausgeführt, es liege eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychische Erkrankung vor. Der Kläger benötige Hilfen beim Waschen des Rückens und der unteren Extremitäten, tagesformabhängig bei der Intimhygiene nach Defäktion und beim Hochziehen von Schlüpfer und Hose nach dem Toilettengang, beim An- und Auskleiden von schwierigen Kleidungsstücken über Kopf und der unteren Extremitäten sowie beim Transfer in die Badewanne zum Duschen. Tagesformabhängige Begleitung zur Toilette insbesondere in der Nacht sowie die Nachrasur seien notwendig. Der Zeitaufwand der Grundpflege betrage 50 Minuten pro Tag, der für Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt 60 Minuten pro Tag. Die Voraussetzungen für Pflegestufe I seien seit 1. August 2011 erfüllt.
Eine telefonische Rückfrage der Berichterstatterin bei der Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg vom 19. September 2014 hat ergeben, dass der Kläger bis zu diesem Tag keine Inkontinenzhilfsmittel von der Pflegekasse erhalten habe.
Ausweislich der vom Senat beigezogenen Akten im Verfahren S 9 P 528/12, in welchem der Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I auch für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 31. Juli 2011 begehrt hat, hat die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg dem Kläger aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 10. Oktober 2013 auch für den Monat Juli 2011 Pflegegeld nach der Pflegestufe I gezahlt.
Der Senat hat ferner die den Kläger betreffenden Schwerbehindertenakten des Landratsamts L. - Versorgungsangelegenheiten - sowie die Akten des SG S 9 P 528/12 und S 14 SB 468/12 beigezogen. Aus den Verwaltungsakten des Landratsamtes geht hervor, dass mit Bescheid vom 20. September 2011 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Herzleistungsminderung, künstliche Herzklappe, Depression, Schwindel degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Ohrgeräusche (Tinnitus) ab 12. Oktober 2009 ein GdB von 80 (zuvor 60) sowie (neben dem bereits früher festgestellten Merkzeichen G) das Merkzeichen B festgestellt worden ist. Nach Kenntnis des Gutachten des Prof. Dr. S. vom 28. Januar 2014 hat das Landratsamt den Kläger zunächst zu einer Herabsetzung des GdB auf 60 und einem Wegfall der festgestellten Merkzeichen an (Schreiben vom 28. Februar 2014) angehört, dann aber mit Bescheid vom 10. Juli 2014 unter Aufhebung des Bescheids vom 20. September 2011 den GdB seit 8. November 2013 auf 90 sowie weiterhin die Merkzeichen G und B festgestellt. Als weitere Funktionsbeeinträchtigungen hat es psychovegetative Störungen, Verhaltensstörungen, Diabetes mellitus und Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks angeführt. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser einen GdB von 100 begehrt hat, hat das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2015). Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage ist beim SG anhängig (S 14 SB 468/15). Dieses hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Dr. W. hat angegeben (Auskunft vom 13. April 2015), sie behandele den Kläger wegen eines Diabetes mellitus mit geringfügigem Schweregrad. Gelegentliche Hypoglykämien führten zu Schwächeanfällen mit Zittern und Schwitzen. Dr. He. und Kardiologe Dr. Sim. haben unter Beifügung von Arztbriefen berichtet (Auskunft vom 7. Mai 2015), aus kardiologischen Sicht bestehe eine mittelgradige eingeschränkte körperliche Belastbarkeit. Alltägliche leichte Belastungen (Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, langsames Gehen) seien aus kardiologischer Sicht möglich. Dr. M. (Auskunft vom 18. Mai 2015) hat als Diagnosen auf nervenärztlichem Gebiet rezidivierende depressive Episoden, gegenwärtig mittelgradig, und Schwindelattacken mit rezidivierenden Stürzen sowie die derzeitige Medikation mitgeteilt und weiter angegeben, der Kläger gebe an, im Freien nur noch mit dem Rollator und in Begleitung gehen zu können, weshalb sein Wirkungskreis sehr eingeschränkt sei. Bezüglich der Schwierigkeiten der Einsetzbarkeit verweise er auf die Gutachten, zuletzt von Prof. Dr. S ...
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten des Landratsamts L. sowie der Gerichtsakten in den genannten Klageverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung. Denn der Kläger begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 2011.
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben konnte sich der Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen beim Kläger zahlreiche gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.
aa) Gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen beim Kläger in diversen Fachgebieten.
(1) Der Kläger leidet an rezidivierenden depressiven Störungen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. und den Angaben des behandelnden Nervenarztes Dr. M ...
Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die rezidivierenden depressiven Störungen auf Dauer als schwergradig zu bewerten sind. Dr. M. codierte zwar in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 28. Februar 2013 die von ihm genannte Diagnose rezidivierende depressive Störungen ohne psychotische Symptome mit F 33.2 (Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome) und gab in seiner Auskunft vom 12. Dezember 2013 gegenüber dem Landratsamt L. an, der Kläger leide an einer schweren Depression. Diese Einschätzung ist aber nicht plausibel. Denn in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 18. Mai 2015 gegenüber dem SG im Klageverfahren S 14 SB 468/15 bezeichnete er die rezidivierenden depressiven Episoden als gegenwärtig mittelgradig. Auch reduzierte er nach Kenntnis des Gutachtens des Prof. Dr. S. die Medikation (Auskunft vom 5. Mai 2014 gegenüber dem Landratsamt L. und Arztbrief vom 23. Juli 2014). Eine auf Dauer vorliegende schwergradige depressive Erkrankung ergibt sich auch nicht aus dem Bericht des Dr. Het. vom 15. April 2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers im Zentrum für Psychiatrie Winnenden vom 31. März bis 20. April 2011, der eine schwere Episode mit psychotischen Symptomen annahm. Denn die medikamentöse Behandlung während dieser stationären Behandlung führte zu einer vollständigen Rückbildung der psychotischen Symptome und ausreichenden Stabilisierung, so dass allenfalls von einer vorübergehenden schweren Erkrankung ausgegangen werden kann. Die medikamentöse Behandlung während dieser stationären Behandlung erfolgte mit Mirtazapin, Venlafaxin und Risperdion. Die Therapie mit diesen Medikamenten erfolgt weiterhin durch Dr. M. (Arztbrief vom 23. Juli 2014 und sachverständige Zeugenauskunft vom 18. Mai 2015 gegenüber dem SG im Klageverfahren S 14 SB 468/15). Dr. W. nannte in ihrem Arztbrief vom 28. Juli 2014 zwar unter anderem die Diagnose Depression, die sie ebenfalls mit F 33.2 codierte. Die Behandlung bei ihr erfolgte allerdings allein wegen des Diabetes mellitus, so dass hinsichtlich der Diagnose der Depression eine eigene Befunderhebung nicht erfolgte. Gleiches gilt für die in den Arztbriefen der behandelnden Kardiologinnen Dr. Kr. und Dr. He. wiedergegebene Diagnose einer persistierenden depressiven Störung und Angststörung, schwere Episode mit psychotischen Symptomen, weil die dortige Behandlung wegen der Kontrolle des prothetischen Ersatzes der Aortenklappe erfolgte und die nervenärztliche Diagnose lediglich ohne eigene Befunderhebung übernommen wurde.
Dass auf Dauer keine als schwergradig einzustufende depressive Erkrankung des Klägers besteht, findet seine Bestätigung gerade auch im Gutachten des Prof. Dr. S ... Denn er legte unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde nachvollziehbar dar, dass gegen eine grundsätzlich zu diskutierende schwergradige depressive Episode das massive Verdeutlichungsverhalten des Klägers spreche, das eine tatsächliche, authentisch nachvollziehbare Feststellung einer eigentlichen und gravierenden depressiven Störung nicht möglich mache. Prof. Dr. S. beschrieb eindrucksvoll diverse Auffälligkeiten. Der Kläger gab Gedächtnisstörungen in Bezug auf wesentliche biographische Basisdaten an. So war der Kläger nicht in der Lage, sein eigenes Geburtsdatum zu benennen. Auch die Geburtsdaten der eigenen Kinder waren ihm nicht geläufig. Psychisch-funktionelle oder hirnorganische Beeinträchtigungen, die einen solchen Gedächtnisdefekt erklären könnten, vermochte Prof. Dr. S. bei dem Kläger nicht festzustellen. Weiterhin machte der Kläger Angaben, die nicht plausibel sind. Er gab an, pro Nacht zwei bis maximal drei Stunden zu schlafen, dieses seit vier bis fünf Jahren. Eine so geringe Schlafdauer ist physiologisch nach den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. S. jedoch nicht nachvollziehbar. Des Weiteren berichtete der Kläger über ungewöhnliche psychopathologische Phänomene. Auf Nachfrage von Prof. Dr. S. erklärte der Kläger, dass er auch in akuten Angstzuständen sei, nämlich dass Prof. Dr. S. oder der (bei der Untersuchung anwesende) Dolmetscher ihm etwas antun könnten. Weitere Auffälligkeiten ergaben sich aus den Ergebnissen der testpsychologischen Validierungsverfahren. Im Verfahren SFSS erzielte der Kläger 40 Wertungspunkte bei einem noch als unauffällig eingeschätzten cut-off-Wert von 16 Punkten. Dieses Ergebnis spricht für massive Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf amnestische, neurologische, affektive und psychotische Symptome. Der Kläger machte in diesem Verfahren Angaben, die so im Rahmen der klinischen Untersuchung klar auszuschließen waren. Er gab beispielsweise an, nicht in der Lage zu sein, von 20 auf 1 zurückzuzählen und sich nicht zu erinnern, was er vor einer Stunde gemacht habe. Entsprechende Leistungen wurden vom Kläger in der klinischen Exploration jedoch völlig problemlos erbracht. Im Beschwerdevalidierungsverfahren WMT erzielte der Kläger in einer verbalen Gedächtnisprüfung extrem niedrige Ergebnisse, die weit unter denen von kooperationswilligen dementen Patienten oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Patienten lagen. Die Ergebnisse lagen sogar auf einem Niveau, welches der Kläger auch durch rein zufälliges Antwortverhalten, also ohne mentale Anstrengungsleistung überhaupt, hätte erreichen können. Dieses Ergebnis spricht klar für eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung, nicht für eine tatsächliche kognitive Funktionsdefizienz. Eine analoge Leistung zeigte der Kläger im sprachunabhängigen testpsychologischen Beschwerdevalidierungsverfahren TOMM, wo er neuerlich eine extrem niedrige Leistung bei einer Prüfung des visuellen Gedächtnisses zeigte. Die vom Kläger erbrachten Leistungen lagen sehr weit unter denen von kooperativen Patienten und auch bei diesem Test auf einem Niveau, welches er eben auch durch rein zufälliges Antwortverhalten, also ohne mentale Anstrengungsleistung überhaupt, hätte erzielen können. Auch dieses Ergebnis spricht klar für eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung, nicht für eine tatsächliche Gedächtnisstörung. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich sowohl klinische als auch testpsychologische Befunde ergaben, die klar für negative Antwortverzerrungen und instruktionswidrige Anstrengungsminderleistungen sprechen. Jenseits dieser massiven Verdeutlichungstendenzen ergaben sich auch Hinweise auf klinisch relevante Auffälligkeiten. Auf Befundebene zeigte sich hier eine gedrückte Stimmungslage bei eingeengter, jedoch nicht aufgehobener emotionaler Schwingungsfähigkeit. Der Affekt war überwiegend dysphorisch, artikuliert wurden Insuffizienzgefühle und Störungen der Vitalgefühle. In kognitiver Hinsicht waren Funktionsdefizite nicht objektiv nachvollziehbar. Formalgedankliche Störungen zeigten sich hier ebenso wenig, wie Störungen des Antriebes oder des Ausdrucksverhaltens. Der Kläger berichtete Sinnestäuschungen, die als Form hypnagoger (in der Einschlafphase auftretender) akustischer Pseudohalluzination zu werten sind, wie sie bei emotionalen Belastungen jedweden Schweregrades auftreten können. Weiterhin beschrieb der Kläger Verfolgungsideen, die von Prof. Dr. S. nachvollziehbar "definitiv nicht als authentisch gewertet wurden".
Im Hinblick darauf, dass auch der im Verwaltungsverfahren tätig gewordene Gutachter Bu. sowie die in den vorangegangenen sozialgerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen Dr. L. (einschließlich des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Diplompsychologen K. vom 8. Oktober 2007) und Dr. H. über erhebliche Verdeutlichungs- und Simulationstendenzen berichteten, sah der Senat keinen Anlass, an den Feststellungen des Prof. Dr. S. zu zweifeln.
Prof. Dr. S. stufte die rezidivierende depressive Störung jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Untersuchung als leichtgradig ein. Diese Einstufung gilt auch auf Dauer. Gegen eine auf Dauer als schwergradig einzustufende depressive Erkrankung des Klägers spricht schon, dass bislang keine psychotherapeutische Behandlung erfolgte. Allein dass der Kläger türkischer Herkunft ist und möglicherweise der deutschen Sprache nicht oder nur eingeschränkt mächtig ist, ist kein Grund, eine gegebenenfalls indizierte psychotherapeutische Behandlung zu unterlassen, zumal zwischenzeitlich auch Behandler zur Verfügung stehen, die eine psychotherapeutische Behandlung in türkischer Sprache durchführen können.
Die Behauptung des Klägers, er verlasse nicht mehr alleine seine Wohnung ist jedenfalls für die Zeit bis Dezember 2011 nicht nachvollziehbar. Im Dezember 2011 reiste er noch in die Türkei und sagte deswegen einen geplanten Hausbesuch am 8. Dezember 2011 für eine Untersuchung durch den MDK ab (Mitteilung des MDK an die Pflegekasse vom 5. Dezember 2011). Anlässlich der Untersuchung durch Arzt Bu. am 1. März 2012 gab der Kläger eine Reise in die Türkei einen Monat vor der Untersuchung an.
(2) Des Weiteren besteht beim Kläger ein somatoformer Schwindel. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. S ... Auch Dr. M. berichtete über Schwindelattacken (sachverständige Zeugenauskünfte vom 28. Februar 2013 und 18. Mai 2015). Der Schwindel ist nicht als schwer einzustufen. Eine Behandlung insoweit ist nicht erkennbar. Auch insoweit ist eine Aggravation mit der Simulation einzelner Symptome nicht auszuschließen, wie dies bereits das LSG im vorangegangenen Rentenverfahren im Urteil vom 24. November 2010 unter Verweis auf das Gutachten des Prof. Dr. L. sowie auf vom Kläger gemachte unterschiedliche Schilderungen der Beschwerden feststellte (Seite 16 bis 18 des Urteils) und auch Dr. H. in seinem im vorangegangenen Berufungsverfahren erstatteten Gutachten beschrieb.
(3) Auf internistischem Fachgebiet besteht beim Kläger ein Zustand nach prothetischem Aortenklappenersatz, ein Diabetes mellitus und eine Adipositas. Dies folgt für den Senat aus der sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Kardiologin Dr. Kr. vom 14. Januar 2013 sowie dem Arztbericht der Dr. He. vom 3. April 2014 und ihrer gemeinsam mit Dr. Sim. im Klageverfahren S 14 SB 468/15 erteilten sachverständigen Zeugenauskunft vom 7. Mai 2015. Der eingesetzte Aortenklappenersatz funktioniert ohne Beanstandung, wie die letzte echokardiographische Kontrolle im November 2014 ergab (Arztbrief der Dr. He. vom 10. November 2014). Beim Belastungs-EKG im Februar 2015 erreichte der Kläger eine Belastung von 75 Watt. Eine Ausbelastung konnte nicht erreicht werden. Die Untersuchung musste wegen geringer Dyspnoe und Schwindel abgebrochen werden (Arztbrief der Dr. He. vom 26. Februar 2015). Auffälligkeiten beim Puls- oder Blutdruckverhalten waren - wie bereits bei den zuvor erfolgten entsprechenden Untersuchungen - nicht erkennbar. Dies entspricht - soweit aus den vorliegenden Arztbriefen über die kardiologischen Untersuchungen ersichtlich - dem Befund des zuletzt im November 2012 durchgeführten Belastungs-EKG, ebenfalls mit einer Belastung von 75 Watt sowie einer Kurzatmigkeit unter Belastung (Arztbrief der Dr. Kr. vom 23. November 2012).
Der Diabetes mellitus ist medikamentös behandelt und hat nur einen geringfügigen Schweregrad (sachverständige Zeugenauskunft der Dr. W. vom 13. April 2015 im Klageverfahren S 14 SB 468/15).
(4) Entgegen dem Vortrag des Klägers geht der Senat nicht davon aus, dass der Kläger an Inkontinenz leidet. Entsprechendes hatte die Ehefrau des Klägers im Rahmen der Begutachtung bei Prof. Dr. S. angegeben. Allerdings legte der Kläger ärztliche Unterlagen, die dies bestätigen, nicht vor. Entsprechende Befunde oder Diagnosen ergeben sich auch nicht aus den gerichtlicherseits durchgeführten Ermittlungen. Auch aus den Gutachten des MDK geht dies nicht hervor; vielmehr wird dort dargelegt, der Kläger sei blasen- und darmkontinent. Auf Nachfrage des Senats bei der zuständigen Pflegekasse hat diese zudem bestätigt, der Kläger beziehe keine Inkontinenzmittel. Selbst in der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers trotz ausdrücklicher Nachfrage keine weiteren Angaben gemacht.
(5) Ebenso wenig vermag der Senat festzustellen, dass der Kläger als Folge des Diabetes mellitus am linken Auge die Sehfähigkeit fast verloren hat. Auch diese Behauptung belegte der Kläger nicht, und die zu den Akten gelangten ärztlichen Unterlagen geben hierfür keine Anhaltspunkte. Insbesondere machte der Kläger dieses bei der Feststellung des GdB weder im Verwaltungsverfahren beim Landratsamt L. noch in dem anhängigen Klageverfahren S 14 SB 468/15 geltend. Auch hierzu erfolgte trotz expliziter Nachfrage im Rahmen der mündlichen Verhandlung keine weitere Information.
(6) Auf orthopädischem Fachgebiet liegt bei dem Kläger ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom vor. Hierfür legt der Senat das Gutachten des Dr. L. zu Grunde.
bb) Aus den beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Leistungseinschränkungen. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten des Dr. Si., Dr. L., Dr. H. und des Prof. Dr. S. sowie des Arztes Bu ...
So führen die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen zu einer Beeinträchtigung der Stressbelastbarkeit. Berufliche Tätigkeiten, die mit erhöhter psychovegetativer Belastung einhergehen - z.B. durch erhöhten Zeitdruck (beispielweise Akkordarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastung (z.B. Nachtarbeit) können vom Kläger nicht mehr ausgeübt werden. Auch Tätigkeiten, die anhaltende hohe Anforderung an die Aufmerksamkeit stellen - etwa Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen mit der Notwendigkeit sofortigen Intervenierens - sind auszuschließen. Aufgrund der depressiven Symptomatik sind ferner solche beruflichen Tätigkeiten auszuschließen, die erhöhte Anforderung an die Fähigkeit zur zielgerichteten Gestaltung interpersonaler Interaktionen stellen. Auszuschließen sind insofern Beschäftigungen mit unmittelbarem Publikumskontakt. Aufgrund des somatoformen Schwindels kommen solche Tätigkeiten nicht in Frage, die eine erhöhte Anforderung an die Standsicherheit darstellen. Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, sowie solche, die das regelmäßige Besteigen von Leitern und Gerüsten erforderlich machen, und Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen oder jegliche Tätigkeiten mit Absturzgefahr sind auszuschließen. Wegen eines rezidivierenden Lumbalsyndroms bei deutlichem Übergewicht sind des weiteren Tätigkeiten mit höheren Belastungen für die Wirbelsäule auszuschließen. Dies gilt für körperlich schwere oder mittelschwere Tätigkeiten, Tätigkeiten unter Zwangshaltung der Wirbelsäule, häufige Überkopfarbeiten und Tätigkeiten, die mit häufigerem Bücken einhergehen. Grundsätzlich möglich erscheinen noch körperlich leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten bis zu 5 kg unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungsdefizite.
cc) Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß führen; damit ist weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten des Dr. Si., Dr. L., Dr. H. und des Prof. Dr. S. sowie des Arztes Bu ...
Die gegenteilige Ansicht des Dr. M. sieht der Senat durch diese Gutachten als widerlegt an. Sie ist für den Senat insbesondere auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil Dr. M. die Schilderungen des Klägers nicht kritisch hinterfragt hat.
Auch im Hinblick auf die bereits oben genannten, von Prof. Dr. S. im Rahmen seiner Untersuchungssituation festgestellten Verdeutlichungstendenzen im Sinne negativer Antwortverzerrungen und instruktionswidriger Anstrengungsminderleistungen, vermochte sich der Senat nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers zu überzeugen. Insoweit sei nochmals auf den von Prof. Dr. S. als Beschwerdevalidierungsverfahren eingesetzten WMT verwiesen. Hierbei handelt es sich um eines der weltweit am besten untersuchten Verfahren zur Anstrengungsbereitschaft in Untersuchungssituationen mit hohen Sensitivitäts- und Spezifitätswerten. In einer PC-gestützten Testversion wird einem Proband dort eine nur vordergründig schwierige Lernaufgabe (Wortpaare) gestellt. Die Lernleistung wird anschließend in unterschiedlichen Aufgabenstellungen abgerufen. Die Werte in den Tests waren massiv auffällig. Die hier gezeigten Leistungen lagen weit unter denen kooperationswilliger dementer Kläger oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Klägern. Insgesamt wiesen die Testergebnisse auf eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung hin. Im Ergebnis ist nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Prof. Dr. S. davon auszugehen, dass die in den Prüfungen gezeigten Leistungen nicht den tatsächlichen Fähigkeiten des Klägers entsprachen.
dd) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R -; in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste dem Kläger nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O.). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei dem Kläger liegen zwar mehrere qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren sollte etwa jegliche Belastung durch Heben, Tragen oder Bewegen von schwereren Lasten von vornherein vermieden oder zumindest stark eingeschränkt sein. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei dem Kläger auch nur ansatzweise vorhanden.
Auch in der Zusammenschau zwischen nervenärztlichen, orthopädischen und internistischen Erkrankungen lässt sich eine zeitliche Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden täglich nicht feststellen. Der Kläger ist zweifelsohne auf Grund seiner orthopädischen, nervenärztlichen und internistischen Erkrankungen beeinträchtigt. Diese Erkrankungen wirken sich jedoch nicht der Gestalt aufeinander aus, dass sie in der Zusammenschau eine Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers auf unter sechs Stunden täglich bedingen würden.
ee) Bei folglich weiterhin erhaltener Erwerbsfähigkeit ist der Arbeitsmarkt für den Kläger aber auch nicht aus anderen Gründen verschlossen. Weder fehlt es dem Kläger an der erforderlichen Wegefähigkeit, noch bedarf er unüblicher Arbeitsbedingungen. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt nicht vor.
(1) Insbesondere vermochte sich der Senat - wie schon das SG - von einer rentenrelevanten Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers nicht zu überzeugen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit zwar auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 57/87 -, in juris). Wegefähigkeit setzt darüber hinausgehend auch voraus, dass solche Wege in noch zumutbarer Zeit bewältigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris). Das BSG hat hierzu ausgeführt, dass für die Beurteilung dieses Zeitfaktors ein generalisierender Maßstab anzuwenden ist. Dabei kann von dem nach der Rechtsprechung des BSG zum Schwerbehindertenrecht noch üblichen Zeitaufwand von 30 Minuten für zwei Kilometer ausgegangen werden, der bereits kurze Wartezeiten und Zeiten des Herumstehens einbezieht. Umgerechnet auf 500 m ergibt sich so eine normale Gehzeit von 7,5 Minuten. Der Bereich des zumutbaren wird dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 m mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten benötigt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, a.a.O.; zum Ganzen siehe zuletzt auch BSG, Urteile vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R - und B 13 R 79/11 R -, beide in juris).
Anhand dieses Maßstabs lässt sich für den Kläger eine Einschränkung der Wegefähigkeit nicht herleiten. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger aufgrund eigenanamnestischer Angaben das Haus nicht mehr ohne Begleitung verlässt. Dem stehen jedoch keine Krankheitsgründe entgegen. Durch gezieltes Training kann der Kläger zur Überzeugung des Senats die artikulierten unrealistischen Befürchtungen überwinden. Dies entnimmt der Senat den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. S ... Der Kläger führte zudem selbst gegenüber Prof. Dr. S. aus, mit dem Rollator 500 m gehen zu können. Sofern der Rollator, zumindest als "psychische Prothese" noch erforderlich sein wird, ist der Kläger - nach aus dem Gutachten des Prof. Dr. S. hervorgehenden überzeugenden Darlegungen - dazu in der Lage, mit diesem Hilfsmittel 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Dies gilt auch in Bezug auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, ggf. mit vorübergehendem Training. Auch dies folgt für den Senat aus dem Gutachten des Prof. Dr. S ...
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass ihm das Merkzeichen "G" zuerkannt ist. Dieser Zuerkennung aufgrund der im Schwerbehindertenrecht angewandten Maßstäbe ist für die Beurteilung der Wegefähigkeit im Rentenrecht nicht bindend (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006 - B 13 R 27/06 R - in juris, Rn. 23).
Auch die kardiologischen Beeinträchtigungen des Klägers stehen einer Wegefähigkeit nicht entgegen. Denn der kardiologische Befund ist seit Jahren unverändert. Dies ergibt sich aus der Verfahren S 14 SB 468/15 von Dr. He. abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft vom 7. Mai 2015. Darin bestätigt sie ausdrücklich, dass alltägliche leichte Belastungen (Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, langsames Gehen) aus kardialer Sicht möglich seien.
(2) Im Falle des Klägers resultiert ein Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auch nicht daraus, dass er wegen der Gesundheitsstörungen betriebsunübliche Arbeitsbedingungen einhalten muss, denn solche werden hierdurch nicht vorgegeben.
(3) Schließlich liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Zwar liegen bei dem Kläger auf nervenärztlichem, orthopädischem und internistischem Fachgebiet unterschiedliche qualitative Leistungseinschränkungen vor. Diese ergeben jedoch in ihrer Gesamtschau kein unerfüllbares Tätigkeitsbild, sondern vielmehr insgesamt das typische Bild einer in jeder Hinsicht leichten Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung zu verrichten ist. Der Große Senat des BSG hat hierzu ausdrücklich entschieden, dass für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch dann nicht erforderlich ist, wenn der Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig nur mit weiteren Einschränkungen verrichten kann, soweit diese nicht als ungewöhnliche Einschränkung zu bezeichnen sind (BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS2/95 - in juris). Ungewöhnliche Leistungseinschränkungen sind bei dem Kläger jedoch nicht diagnostiziert.
ff) Aus der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 90 folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14. Januar 2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15. Januar 2015 geltenden Fassung (geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 7. Januar 2015, BGBl. II, S. 15) auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verweist (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3).
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 RV-Altergrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderer Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (z. B. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -; Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R -; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04 R -, jeweils in juris). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -; Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R - jeweils in juris) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem so genannten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Innerhalb der Gruppe der angelernten Arbeiter differenziert das BSG nochmals hinsichtlich der Versicherten, die der oberen und unteren Gruppe der Angelernten angehören. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - in juris). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - in juris).
Die vom Kläger zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Helfer in einem Automobilzulieferbetrieb war keine Tätigkeit, die eine Anlern- oder Ausbildungszeit von mehr als zwölf Monaten voraussetzte. Gegenteiliges hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet und die vorliegenden Akten geben hierfür keine Anhaltspunkte.
Da der Kläger allenfalls zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehört, kann er grundsätzlich auf alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (z.B. BSG, Urteil vom 14. September 1995 - 5 RJ 50/94 - in juris; Urteil des Senats vom 23. Januar 2015 - L 4 R 5008/13 - nicht veröffentlicht).
3. Der Senat war an einer Entscheidung auch nicht durch den Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG bei Prof. Dr. Brecht gehindert. Dieser Antrag war nach § 109 Abs. 1 SGG abzulehnen. Das Gericht kann nach § 109 Abs. 1 SGG die Anhörung davon abhängig machen, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Der Kläger hat den mit gerichtlichem Schreiben vom 29. Juni 2015 angeforderten Vorschuss in Höhe von EUR 2.000,00 innerhalb der vom Senat hierfür gesetzten Frist bis 3. August 2015 nicht bezahlt. Bis heute ist keine Zahlung eingegangen.
Dem Antrag auf Fristverlängerung zur Einzahlung des Vorschusses bis 30. September 2015 war nicht stattzugeben. Der vom Kläger für die Fristverlängerung angegebene Grund, er sei nicht in der Lage innerhalb der gesetzten Frist den Vorschuss aufzubringen, rechtfertigt die Fristverlängerung nicht. Denn dies führt zu einer Verzögerung des Verfahrens. Bereits bei der Überlegung, einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen, war dem Kläger bekannt, dass er einen Vorschuss einzahlen muss. Er hätte sich damit auch rechtzeitig um die zeitnahe Aufbringung des Vorschusses kümmern müssen. Die eingeräumte fünfwöchige Frist war ausreichend. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, welche Hindernisse einer Aufbringung des Vorschusses innerhalb dieser ausreichenden Frist entgegenstanden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2011.
Der am 1959 geborene Kläger erlernte keinen Beruf und war nach seine Einreise aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland von 1975 bis 1977 als Maschinenbediener und danach von 1977 bis Februar 2003 als Helfer in einem Automobilzulieferbetrieb versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitsunfähig oder arbeitslos und bezieht seit Januar 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ferner erhält er Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I ab 1. August 2011. Das Landratsamt L. stellte ab 8. November 2013 beim Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 sowie (weiterhin) die Merkzeichen G und B fest.
Erstmals beantragte der Kläger im Dezember 2003 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach erfolgloser Durchführung eines Verwaltungs- (Bescheid vom 5. April 2004) und Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 4. August 2004) endete das im Anschluss daran vor dem SG geführte Klageverfahren (S 8 R 2660/04) mit einer Klagerücknahme. Im Mai 2006 beantragte der Kläger wiederum erfolglos die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Bescheid vom 31. Mai 2006, Widerspruchsbescheid vom 2. August 2006). In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem SG (S 1 R 3062/06) holte dieses auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Nervenfacharzt Dr. L. das Gutachten vom 5. November 2008 ein. Dr. L. führte aus, der Kläger könne zumindest leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich verrichten. Im neuropsychologischen Zusatzgutachten vom 8. Oktober 2007 legte Diplompsychologe K. dar, es bestehe der dringende Verdacht auf Aggravation. Die Simulation einzelner Symptome könne nicht ausgeschlossen werden. Mit Urteil vom 25. April 2008 wies das SG die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, L 5 R 2892/08) Berufung ein. Von Amts wegen beauftragte das LSG Neurologen und Psychiater Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens sowie Diplompsychologe B. mit der Erstattung eines testpsychologischen Zusatzgutachtens. Dr. H. führte in seinem Gutachten vom 24. September 2010 aus, auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine leichte depressive Episode im Grenzbereich zu einer mittelgradigen depressiven Episode. Inwieweit ein psychogener Schwindel vorliege, sei schwierig zu beurteilen. Die entsprechenden Beschwerden seien im Rahmen der Untersuchung erheblich demonstrativ geprägt gewesen. Ohne Zweifel habe auch eine Tendenz zur Aggravation bestanden. Auch eine Simulation habe nicht ausgeschlossen werden können. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche ausüben. Mit Urteil vom 24. November 2010 wies das LSG die Berufung zurück. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (BSG, B 13 R 19/11 B) wurde mit Beschluss vom 27. April 2011 als unzulässig verworfen.
Zuletzt beantragte der Kläger bei der Beklagten am 22. Dezember 2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er halte sich seit 2003 wegen einer Herzklappenoperation, einer jetzt eingetretenen psychischen Erkrankung, einer Panikstörung und eines Schwindels für erwerbsgemindert. Ferner wies er darauf hin, dass mittlerweile Pflegestufe I zuerkannt worden, ein GdB von 80 seit Oktober 2009 anerkannt sei sowie die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens B ab März 2010 vorlägen. Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg das Gutachten der Pflegefachkraft P., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK), vom 20. September 2011 (Zeitaufwand der Grundpflege 50 Minuten pro Tag, der für Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt 60 Minuten pro Tag). Ferner legte die Agentur für Arbeit L. ein nach Aktenlage erstelltes Gutachten der Dr. Ö. vom 13. Oktober 2011 vor. Unter Berücksichtigung der festgestellten Diagnosen (schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen bei rezidivierender depressiver Störung [März 2011], Marcumartherapie bei Zustand nach Aortenklappenersatz, paroxysmale Vestibulopathie, Typ II Diabetes mellitus) bestehe ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich. Anschließend veranlasste die Beklagte eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers in ihrem Sozialmedizinischen Zentrum S ... Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Bu. führte in seinem Gutachten vom 6. März 2012 (Untersuchung am 1. März 2012) aus, anamnestisch bestehe eine rezidivierende depressive Störung bei derzeit leicht bis grenzwertig mittelgradig depressiver Symptomatik. Ferner leide der Kläger an einer somatoformen Störung (nicht näher bezeichnet, mit prominenter Schwindelsymptomatik, psychogen) sowie an vordiagnostizierten paroxysmalen Schwindelattacken. Anamnestisch bestünden Hinweise für einen Lagerungsschwindel. Als weitere Diagnosen nannte er einen Aortenklappenersatz (Aortenklappenstenose 2003, laufende Marcumarisierung), anamnestisch degenerative Wirbelsäulenveränderungen ohne Nervenwurzelreizung oder Nervenwurzelkompressionssymptomatik, Diabetes mellitus Typ II und Übergewicht. Aktuell habe der Kläger über einen Sturz mit angegebener Prellung am linken Ellenbogen (Versorgung mit einer Ellenbogenschiene) berichtet. Unter Berücksichtigung der aus den bisherigen Verfahren vorliegenden ärztlichen Unterlagen und der vom Kläger vorgelegten Befundberichte habe auch die jetzige Begutachtung erhebliche Inkonsistenzen der während der Begutachtung gezeigten Defizite und zwischen angegebenen und objektivierbaren Einschränkungen ergeben, wie sie von den nervenärztlichen Sozialgerichtsgutachten schon vorbeschrieben worden seien. Auffällig sei insbesondere die Modifizierbarkeit des Gangbildes während beobachtetem versus vermeintlich unbeobachtetem Setting neben auch erheblichen, letztendlich nicht anders als durch Aggravation zu erklärenden Fluktuationen im Hinblick auf angegebene Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen gewesen. Inkonsistent seien auch die angegebenen erheblichen eingeschränkten Alltagsaktivitäten mit der Tatsache, dass der Kläger erst vor einem Monat eine Flugreise in die Türkei in Begleitung seines Bruders bewerkstelligt habe. Auch von drei angegebenen Psychopharmaka sei eines im Blut des Klägers überhaupt nicht nachweisbar gewesen. In der Gesamtschau hätten die Befundberichte und das aktuelle Labor keine Hinweise auf eine quantitativ leistungsrelevante Dekompensation der organischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder die kardiale Situation ergeben, wobei die Blutzuckereinstellung ambulant optimiert werden könne. Insbesondere bezüglich der kardialen Situation weise der aktuellste follow-up aus dem Robert-Bosch-Krankenhaus (August 2011) einen stabilen Verlauf aus bei unauffälligem Echobefund. Im Ergebnis gelangte Arzt Bu. zu der Auffassung, der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit einfacher bis normaler geistiger Beanspruchung und ohne vermehrte Wirbelsäulenzwangshaltungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Nicht leidensgerecht seien Tätigkeiten im Akkord oder Tätigkeiten mit vermehrter Beanspruchung des Konzentrationsvermögens, Nachtschicht und gefahrgeneigte Tätigkeiten. Die letzte Tätigkeit als Arbeiter könne der Kläger noch vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 2. April 2012 wies die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Hiergegen legte der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags Widerspruch ein. Nach Einholung einer abschließenden sozialmedizinischen Stellungnahme des Arztes Bu. vom 24. September 2012 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 2012 zurück. Dem Kläger seien unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen noch Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Eine medizinische Änderung zu den im Rahmen der vorangegangenen Gerichtsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten des Dr. L. und des Dr. H. sei nicht eingetreten. Es könne daher weder eine Einschränkung der sozialrechtlich relevanten Gehstrecke noch die zwingende Notwendigkeit zur Benutzung eines Rollstuhls gesehen werden. Auch die Anerkennung der Pflegestufe I beeinträchtige nicht das vom Sozialmedizinischen Dienst festgestellte quantitative Leistungsvermögen.
Hiergegen erhob der Kläger am 14. November 2012 Klage zum SG. Zur Begründung legt er dar, dass er von Ängsten psychisch stark beeinflusst sei. Er sei nahezu hilflos und auf die Pflege seiner Ehefrau sowie die Fürsorge seiner Kinder angewiesen. Er verlasse das Haus ohne Begleitung nicht mehr. Daher sei er nicht mehr wegefähig. Er sei multimorbid. Seit Jahren sei er schwer physisch und psychisch krank. In der Zwischenzeit habe er über zwei Jahre im Krankenhaus in Winnenden in der beschützten Abteilung verbracht. Dort gehe er selbst hin, wenn seine Ängste so stark würden, dass er sich davor fürchte, sich selbst umzubringen. Ferner legte er einen Arztbericht der Fachärztin für Kardiologie/Angiologie Dr. He. vom 3. April 2014 (echokardiografisch unverändert gute Funktion der Aortenklappenprothese, Beginn einer zusätzlichen anti hypersensitivem Therapie) vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E.-D. vom 24. April 2013. Unter Berücksichtigung sämtlicher vorgelegter medizinischer Unterlagen sowie der Auskünfte der sachverständigen Zeugen spreche nichts gegen die von ihr vertretene Leistungseinschätzung. Insbesondere lasse sich aus der Pflegestufe I nicht auf die berufliche Leistungsfähigkeit schließen.
Das SG zog den Befundbericht des Dr. Het., Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Schloss W., vom 15. April 2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers in der Zeit vom 31. März bis 20. April 2011 (unter medikamentöser Therapie vollständige Rückbildung der psychotischen Symptome und ausreichende Stabilisierung) bei und befragte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Kardiologin Dr. Kr. legte dar (Auskunft vom 14. Januar 2013), beim Kläger bestehe ein Zustand nach Herzklappenersatz (Aortenklappenersatz). Die Aortenklappenprothesenfunktion sei regelrecht. Die letzte echokardiographische Kontrolle sei im November (2012) gewesen. Dabei sei der Kläger auch belastet, ohne dass Auffälligkeiten beim Puls- und Blutdruckverhalten erkennbar gewesen seien. Im Vordergrund stehe beim Kläger die Drehschwindelsymptomatik, unter der er seit Jahren leide, sowie eine Angststörung. Die Arbeitsfähigkeit sei beim Kläger durch die kardiale Grunderkrankung nicht beeinträchtigt. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ki. führte aus (Auskunft vom 2. Februar 2013), dass sich der Kläger seit vielen Jahren in seiner hausärztlichen Behandlung befinde. Der Kläger leide an chronischem Schwindel, einem Zustand nach Aortenklappen-Operation, Diabetes mellitus und einer schweren depressiven Verstimmung mit psychotischen Symptomen. Das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgebliche Leiden liege auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet. Nervenfacharzt Dr. M. stellte unter dem 28. Februar 2013 fest, der Kläger leide an rezidivierenden depressiven Störungen, ohne psychotische Symptome, und an Schwindelattacken unklarer Genese. Seit 2003 sei er nach seiner Herzoperation langzeitarbeitslos. Der Kläger könne keine leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt über drei Stunden täglich ausüben. Nach Angabe des Klägers seien die üblichen Wege zur Arbeitsstelle nicht mehr zu bewältigen.
Anschließend beauftragte das SG Prof. Dr. S., Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Psychiatrischen Zentrums N., mit der Erstattung eines Gutachtens. Unter dem 28. Januar 2014 führte er darin aus, der Kläger leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode sowie an einem somatoformen Schwindel. Gegen eine grundsätzlich zu diskutierende schwerergradige depressive Episode spreche das massive Verdeutlichungsverhalten des Klägers, das eine tatsächliche, authentisch nachvollziehbare Feststellung einer eigentlichen und gravierenden depressiven Störung nicht möglich mache. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenführer könne der Kläger nicht mehr verrichten. Aufgrund der auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen seien Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen sowie Tätigkeiten, die zu einer erhöhten psychovegetativen Stressbelastung führten, nicht mehr ausübbar. Daher könnten Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck (z.B. Akkordarbeit) oder Nachtarbeit nicht mehr verrichtet werden. Auch solche Tätigkeiten, die anhaltend hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit stellten, seien auszuschließen. Aufgrund der depressiven Symptomatik seien weiterhin solche beruflichen Tätigkeiten nicht mehr möglich, die erhöhte Anforderungen an die Fähigkeit zur zielgerichteten Gestaltung interpersoneller Interaktionen stellten. Dies gelte für Tätigkeiten mit unmittelbarem Publikumskontakt. Aufgrund des somatoformen Schwindels kämen solche Tätigkeiten nicht in Frage, die eine erhöhte Anforderung an die Standsicherheit darstellten. Auszuschließen seien Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten, die das regelmäßige Besteigen von Leitern und Gerüsten erforderlich machten oder jegliche Tätigkeiten mit Absturzgefahr, wegen des aktenkundigen rezidivierenden Lumbalsyndroms bei deutlichem Übergewicht weiterhin Tätigkeiten mit höheren Belastungen für die Wirbelsäule sowie körperlich schwere oder mittelschwere Tätigkeiten, Tätigkeiten unter Zwangshaltung der Wirbelsäule, häufige Überkopfarbeiten und Tätigkeiten mit häufigerem Bücken. Grundsätzlich möglich seien körperlich leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten bis zu fünf kg unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungsdefizite bis zu acht Stunden an fünf Tagen in der Woche. Aus den klinischen Untersuchungen, den testpsychologischen Befunden sowie den aktenkundigen Vorbefunden ergäben sich klare Hinweise auf das Vorliegen negativer Antwortverzerrungen und instruktionswidrige Anstrengungsminderleistungen. Diese seien als Hinweise auf erhebliche Aggravation oder Simulation zu verstehen. Im Rahmen der körperlich-neurologischen Untersuchung habe sich der Kläger in der Lage gezeigt, sich selbstständig ent- und anzukleiden. Trotz der immer wieder demonstrierten Funktionsuntüchtigkeit der Hände (niederfrequenter Tremor) sei es ihm das gezielte Greifen mit beiden Händen völlig problemlos gelungen. Auch sei er anders als in einem Funktionsfragebogen angegeben in der Lage gewesen, sich zu strecken. Auch sei die Wegefähigkeit des Klägers nicht eingeschränkt. Zwar habe der Kläger angegeben, das Haus nicht mehr ohne Begleitung zu verlassen. Dem stünden jedoch keine Krankheitsgründe entgegen. Der Kläger habe selbst ausgeführt, mit dem Rollator 500 m gehen zu können. Sofern der Rollator, zumindest als "psychische Prothese" noch erforderlich sein sollte, sei der Kläger dazu in der Lage, mit diesem Hilfsmittel 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Öffentliche Verkehrsmittel könne der Kläger auch ohne Begleitperson gegebenenfalls mit vorübergehendem Training benutzen. Krankheitsgründe stünden jedenfalls nicht entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. Mai 2014 wies das SG die Klage ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Der Schwerpunkt der Erkrankung des Klägers liege auf nervenärztlichem Fachgebiet. Es habe sich nicht davon überzeugen können, dass neurologisch-psychiatrische Erkrankungen der Verrichtung einer täglichen sechsstündigen leichten körperlichen Tätigkeit entgegenstünden. Prof. Dr. S. habe in seinem Gutachten ausgeführt, dass sich hinsichtlich der Authentizität der vom Kläger angegebenen Beschwerden und der geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen verschiedene Auffälligkeiten ergeben hätten. Der Kläger habe Gedächtnisstörungen in Bezug auf wesentliche biographische Basisdaten, wie z.B. sein eigenes Geburtsdatum und das seiner Kinder beschrieben. Psychisch-funktionelle oder hirnorganische Beeinträchtigungen, die einen solchen Gedächtnisdefekt hätten erklären können, bestünden beim Kläger nicht. Weiter habe er Angaben gemacht, die nicht plausibel seien, z.B. hinsichtlich seines Schlafverhaltens, und habe undifferenzierte Extremangaben, beispielsweise hinsichtlich seines Schlafverhaltens, seiner Schmerzen und schmerzbedingten Funktionseinschränkungen gemacht. Auch in Bezug auf die vom Kläger angegebenen Beeinträchtigungen und die beobachteten Kompetenzen ergäben sich klare Diskrepanzen. So habe der Kläger angegeben, dass er bei der alltäglichen Selbstversorgung auf umfassende Hilfeleistung der Ehefrau angewiesen sei. Im Rahmen der körperlich-neurologischen Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. Dr. S. habe sich der Kläger jedoch in der Lage gezeigt, sich selbstständig ent- und anzukleiden. Weiter habe er während der Explorationsphase ein auffälliges, appellativ wirkendes Bewegungsmuster in Form eines niederfrequenten Tremors beider Hände in wechselnder Seitenbetonung gezeigt, der unter Ablenkung vollständig sistierte. Trotz der immer wieder demonstrierten Funktionsuntüchtigkeit beider Hände sei dem Kläger völlig problemlos das gezielte Greifen mit beiden Händen gelungen. Auch weitere Angaben des Klägers zu Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht in Einklang zu bringen mit den erhebbaren Befunden. So habe er berichtet, nicht in der Lage zu sein, ein Buch von einem Schrank oder Regal zu holen. Ein entsprechender Bewegungsablauf sei im Rahmen der körperlich-neurologischen Untersuchung vom Kläger völlig problemlos realisiert worden. Weitere Auffälligkeiten hätten sich aus den Ergebnissen der testpsychologischen Validierungsverfahren ergeben. Im Verfahren SFSS (Strukturierter Fragebogen Simulierter Symptome) habe er beispielsweise angegeben, nicht in der Lage zu sein, von 20 auf 1 zurückzuzählen und sich nicht zu erinnern, was er vor einer Stunde gemacht habe. Entsprechende Leistungen seien vom Kläger in der klinischen Exploration jedoch völlig problemlos erbracht worden. Im Beschwerdevalidierungsverfahren WMT (Word-Memory-Test) habe der Kläger extrem niedrige Ergebnisse erzielt, die weit unter den von kooperationswilligen Klägern oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Klägern gelegen hätten. Die Ergebnisse hätten auf einem Niveau gelegen, welches der Kläger auch durch ein zufälliges Antwortverhalten habe erreichen können. Eine vergleichbare Leistung habe der Kläger im sprachunabhängigen testpsychologischen Beschwerdevalidierungsverfahren TOMM (Test of Memory Malingering) gezeigt, wo er eine extrem niedrige Leistung bei einer Prüfung des visuellen Gedächtnisses gezeigt habe, die auf einem Niveau gelegen habe, die er auch durch rein zufälliges Antwortverhalten - also ohne mentale Anstrengungsleistung überhaupt - hätte erzielen werden können. Auch dieses Ergebnis spreche klar für eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung und nicht für eine tatsächliche Gedächtnisstörung. Auch der bereits im Verwaltungsverfahren tätig gewordene Gutachter Bu. habe in seinem Gutachten erhebliche Verdeutlichungstendenzen beschrieben. Gleiches gelte für die Gutachter Dr. Si. (im Verwaltungsverfahren aufgrund des Rentenantrags vom Mai 2006) und Dr. H ... Im Ergebnis sei der Kläger damit in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen der genannten Gutachter, überzeuge die angenommene Leistungsfähigkeit des Dr. M. von unter drei Stunden täglich nicht. Aus den Erkrankungen auf internistischem Gebiet ergäben sich keine quantitativen Einschränkungen. Die eingesetzte Aortenklappe funktioniere ohne Beanstandung. Dies ergebe sich aus der sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Kardiologin Dr. Kr ... Bestätigt werde dies durch den aktuellen Befundbericht der Dr. He. vom 3. April 2014, der von einer echokardiographisch unveränderten guten Funktion der Aortenklappenprothese berichtet habe. Der Diabetes mellitus werde medikamentös behandelt, sodass sich auch hier keine weiteren Leistungseinschränkungen ergäben. Den Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet könne mit qualitativen Einschränkungen Rechnung getragen werden. Auch liege eine Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers nicht vor, da dieser nach Auskunft des Prof. Dr. S. in der Lage sei, 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel auch ohne Begleitperson zu nutzen.
Gegen den dem Kläger am 23. Mai 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 13. Juni 2014 Berufung beim SG eingelegt. Zur Begründung führt er aus, in einem multimorbiden Gesundheitszustand zu sein. Er sei insulinpflichtig. Seine Familie lasse ihn nicht alleine zu Hause, weil sie befürchte, dass er in Unterzucker und eine hilflose Lage gerate. Seine Sehfähigkeit am linken Auge habe er wegen des Diabetes fast verloren. Vor zwei Jahren habe er sich einer Prostateoperation unterziehen müssen und sei seitdem inkontinent. Prof. Dr. S. habe ihn nicht richtig eingeschätzt. Er sei kaum noch in der Lage, Texte zu lesen, geschweige denn, sie zu verstehen. Suizidale Tendenzen träten immer wieder auf. Außerdem sei wohl kaum ein Arbeitgeber vorstellbar, der einen Arbeitnehmer beschäftige, der als ungelernter Mitarbeiter mit einem Rollator in den Betrieb komme.
Auf telefonische Anfrage der Geschäftsstelle des Senats am 19. Juni 2015 hat das Büro der Prozessbevollmächtigten angegeben, ein Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. September 2015 könne wahrgenommen werden. Am 29. Juni 2015 hat der Kläger einen Antrag nach § 109 SGG mit Benennung eines Sachverständigen gestellt, woraufhin die Berichterstatterin am selben Tag die Frist zur Einzahlung eines Vorschusses bis 3. August 2015 verfügt hat. Der Kläger hat Fristverlängerung für die Zahlung des Vorschusses bis 30. September 2015 beantragt. Nicht verständlich sei, weswegen die Frist, einen Gutachter nach § 109 SGG zu hören, nicht verlängert werde. Dem Antrag auf Fristverlängerung zur Einzahlung des Vorschusses bis 30. September 2015 hat die Berichterstatterin nicht stattgegeben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Mai 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 2. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren, hilfsweise zum Beweis der Tatsache, dass er aus psychischen Gründen erwerbsgemindert ist, ein Sachverständigengutachten nach § 109 SGG bei Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Br., B.-straße 8, H. einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.
Der Senat hat Dr. Ki. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat in seiner schriftlichen Auskunft vom 28. August 2014 ausgeführt, der Kläger befinde sich seit 2001 in seiner hausärztlichen Behandlung. Er habe angegeben, an Schwindel, Schlafstörung und depressiver Verstimmung mit Selbstmordgedanken zu leiden. Zudem hat er u.a. Arztberichte der Diabetologin Dr. W. vom 28. Juli 2014, in dem diese über die Therapie des Diabetes mellitus Typ II berichtet, und des Dr. M. vom 23. Juli 2014, der berichtet hat, dass der Kläger nicht schwingungsfähig sei, keine Wahrnehmungs- oder Denkstörungen habe und in der Stimmung gedrückt sei sowie die antidepressive Medikation angeglichen worden sei, den Arztbrief des Dr. E., Klinikum L., vom 4. November 2013, in dem der Verdacht auf eine Meiselfraktur am Ellenbogen rechts geäußert worden ist, sowie den Bericht der Dr. Kr. vom 20. Juni 2013 (regelrechte Funktion der Aortenklappenprothese) vorgelegt.
Der Senat hat bei der Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg die Akten des Klägers inklusive Pflegegutachten sowie sonstige Unterlagen über den Kläger angefordert. Vorgelegt hat diese daraufhin einen EDV-Ausdruck über ihre Leistungsdaten, das Gutachten der Pflegefachkraft P., MDK, vom 20. September 2011, die weiteren Pflegegutachten des MDK vom 1. Juni 2010 und 24. August 2010 (Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege 26 und 31 Minuten täglich; keine eingeschränkte Alltagskompetenz des Klägers), die Mitteilung vom 5. Dezember 2011 über die Absage eines geplanten Hausbesuches wegen Aufenthalt des Klägers in der Türkei auf unbestimmte Zeit sowie die sozialmedizinischen Fallberatung vom 22. Dezember 2011 (gegenüber dem Gutachten vom 20. September 2011 Verschlechterung des Allgemeinzustands und eine zunehmende Stand- und Gangunsicherheit). Die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg hat dem Kläger ab 1. August 2011 Pflegegeld nach Pflegestufe I bewilligt (Bescheid vom 27. September 2011). Dieser Bewilligung liegt das Gutachten der Pflegefachkraft P. vom 20. September 2011 zugrunde. Diese hat darin ausgeführt, es liege eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychische Erkrankung vor. Der Kläger benötige Hilfen beim Waschen des Rückens und der unteren Extremitäten, tagesformabhängig bei der Intimhygiene nach Defäktion und beim Hochziehen von Schlüpfer und Hose nach dem Toilettengang, beim An- und Auskleiden von schwierigen Kleidungsstücken über Kopf und der unteren Extremitäten sowie beim Transfer in die Badewanne zum Duschen. Tagesformabhängige Begleitung zur Toilette insbesondere in der Nacht sowie die Nachrasur seien notwendig. Der Zeitaufwand der Grundpflege betrage 50 Minuten pro Tag, der für Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt 60 Minuten pro Tag. Die Voraussetzungen für Pflegestufe I seien seit 1. August 2011 erfüllt.
Eine telefonische Rückfrage der Berichterstatterin bei der Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg vom 19. September 2014 hat ergeben, dass der Kläger bis zu diesem Tag keine Inkontinenzhilfsmittel von der Pflegekasse erhalten habe.
Ausweislich der vom Senat beigezogenen Akten im Verfahren S 9 P 528/12, in welchem der Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe I auch für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 31. Juli 2011 begehrt hat, hat die Pflegekasse bei der AOK Baden-Württemberg dem Kläger aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 10. Oktober 2013 auch für den Monat Juli 2011 Pflegegeld nach der Pflegestufe I gezahlt.
Der Senat hat ferner die den Kläger betreffenden Schwerbehindertenakten des Landratsamts L. - Versorgungsangelegenheiten - sowie die Akten des SG S 9 P 528/12 und S 14 SB 468/12 beigezogen. Aus den Verwaltungsakten des Landratsamtes geht hervor, dass mit Bescheid vom 20. September 2011 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Herzleistungsminderung, künstliche Herzklappe, Depression, Schwindel degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Ohrgeräusche (Tinnitus) ab 12. Oktober 2009 ein GdB von 80 (zuvor 60) sowie (neben dem bereits früher festgestellten Merkzeichen G) das Merkzeichen B festgestellt worden ist. Nach Kenntnis des Gutachten des Prof. Dr. S. vom 28. Januar 2014 hat das Landratsamt den Kläger zunächst zu einer Herabsetzung des GdB auf 60 und einem Wegfall der festgestellten Merkzeichen an (Schreiben vom 28. Februar 2014) angehört, dann aber mit Bescheid vom 10. Juli 2014 unter Aufhebung des Bescheids vom 20. September 2011 den GdB seit 8. November 2013 auf 90 sowie weiterhin die Merkzeichen G und B festgestellt. Als weitere Funktionsbeeinträchtigungen hat es psychovegetative Störungen, Verhaltensstörungen, Diabetes mellitus und Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks angeführt. Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser einen GdB von 100 begehrt hat, hat das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2015). Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage ist beim SG anhängig (S 14 SB 468/15). Dieses hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Dr. W. hat angegeben (Auskunft vom 13. April 2015), sie behandele den Kläger wegen eines Diabetes mellitus mit geringfügigem Schweregrad. Gelegentliche Hypoglykämien führten zu Schwächeanfällen mit Zittern und Schwitzen. Dr. He. und Kardiologe Dr. Sim. haben unter Beifügung von Arztbriefen berichtet (Auskunft vom 7. Mai 2015), aus kardiologischen Sicht bestehe eine mittelgradige eingeschränkte körperliche Belastbarkeit. Alltägliche leichte Belastungen (Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, langsames Gehen) seien aus kardiologischer Sicht möglich. Dr. M. (Auskunft vom 18. Mai 2015) hat als Diagnosen auf nervenärztlichem Gebiet rezidivierende depressive Episoden, gegenwärtig mittelgradig, und Schwindelattacken mit rezidivierenden Stürzen sowie die derzeitige Medikation mitgeteilt und weiter angegeben, der Kläger gebe an, im Freien nur noch mit dem Rollator und in Begleitung gehen zu können, weshalb sein Wirkungskreis sehr eingeschränkt sei. Bezüglich der Schwierigkeiten der Einsetzbarkeit verweise er auf die Gutachten, zuletzt von Prof. Dr. S ...
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten des Landratsamts L. sowie der Gerichtsakten in den genannten Klageverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung. Denn der Kläger begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2012 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 2011.
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach diesen Maßstäben konnte sich der Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen beim Kläger zahlreiche gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.
aa) Gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen beim Kläger in diversen Fachgebieten.
(1) Der Kläger leidet an rezidivierenden depressiven Störungen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. und den Angaben des behandelnden Nervenarztes Dr. M ...
Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die rezidivierenden depressiven Störungen auf Dauer als schwergradig zu bewerten sind. Dr. M. codierte zwar in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 28. Februar 2013 die von ihm genannte Diagnose rezidivierende depressive Störungen ohne psychotische Symptome mit F 33.2 (Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome) und gab in seiner Auskunft vom 12. Dezember 2013 gegenüber dem Landratsamt L. an, der Kläger leide an einer schweren Depression. Diese Einschätzung ist aber nicht plausibel. Denn in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 18. Mai 2015 gegenüber dem SG im Klageverfahren S 14 SB 468/15 bezeichnete er die rezidivierenden depressiven Episoden als gegenwärtig mittelgradig. Auch reduzierte er nach Kenntnis des Gutachtens des Prof. Dr. S. die Medikation (Auskunft vom 5. Mai 2014 gegenüber dem Landratsamt L. und Arztbrief vom 23. Juli 2014). Eine auf Dauer vorliegende schwergradige depressive Erkrankung ergibt sich auch nicht aus dem Bericht des Dr. Het. vom 15. April 2011 über den stationären Aufenthalt des Klägers im Zentrum für Psychiatrie Winnenden vom 31. März bis 20. April 2011, der eine schwere Episode mit psychotischen Symptomen annahm. Denn die medikamentöse Behandlung während dieser stationären Behandlung führte zu einer vollständigen Rückbildung der psychotischen Symptome und ausreichenden Stabilisierung, so dass allenfalls von einer vorübergehenden schweren Erkrankung ausgegangen werden kann. Die medikamentöse Behandlung während dieser stationären Behandlung erfolgte mit Mirtazapin, Venlafaxin und Risperdion. Die Therapie mit diesen Medikamenten erfolgt weiterhin durch Dr. M. (Arztbrief vom 23. Juli 2014 und sachverständige Zeugenauskunft vom 18. Mai 2015 gegenüber dem SG im Klageverfahren S 14 SB 468/15). Dr. W. nannte in ihrem Arztbrief vom 28. Juli 2014 zwar unter anderem die Diagnose Depression, die sie ebenfalls mit F 33.2 codierte. Die Behandlung bei ihr erfolgte allerdings allein wegen des Diabetes mellitus, so dass hinsichtlich der Diagnose der Depression eine eigene Befunderhebung nicht erfolgte. Gleiches gilt für die in den Arztbriefen der behandelnden Kardiologinnen Dr. Kr. und Dr. He. wiedergegebene Diagnose einer persistierenden depressiven Störung und Angststörung, schwere Episode mit psychotischen Symptomen, weil die dortige Behandlung wegen der Kontrolle des prothetischen Ersatzes der Aortenklappe erfolgte und die nervenärztliche Diagnose lediglich ohne eigene Befunderhebung übernommen wurde.
Dass auf Dauer keine als schwergradig einzustufende depressive Erkrankung des Klägers besteht, findet seine Bestätigung gerade auch im Gutachten des Prof. Dr. S ... Denn er legte unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen Befunde nachvollziehbar dar, dass gegen eine grundsätzlich zu diskutierende schwergradige depressive Episode das massive Verdeutlichungsverhalten des Klägers spreche, das eine tatsächliche, authentisch nachvollziehbare Feststellung einer eigentlichen und gravierenden depressiven Störung nicht möglich mache. Prof. Dr. S. beschrieb eindrucksvoll diverse Auffälligkeiten. Der Kläger gab Gedächtnisstörungen in Bezug auf wesentliche biographische Basisdaten an. So war der Kläger nicht in der Lage, sein eigenes Geburtsdatum zu benennen. Auch die Geburtsdaten der eigenen Kinder waren ihm nicht geläufig. Psychisch-funktionelle oder hirnorganische Beeinträchtigungen, die einen solchen Gedächtnisdefekt erklären könnten, vermochte Prof. Dr. S. bei dem Kläger nicht festzustellen. Weiterhin machte der Kläger Angaben, die nicht plausibel sind. Er gab an, pro Nacht zwei bis maximal drei Stunden zu schlafen, dieses seit vier bis fünf Jahren. Eine so geringe Schlafdauer ist physiologisch nach den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. S. jedoch nicht nachvollziehbar. Des Weiteren berichtete der Kläger über ungewöhnliche psychopathologische Phänomene. Auf Nachfrage von Prof. Dr. S. erklärte der Kläger, dass er auch in akuten Angstzuständen sei, nämlich dass Prof. Dr. S. oder der (bei der Untersuchung anwesende) Dolmetscher ihm etwas antun könnten. Weitere Auffälligkeiten ergaben sich aus den Ergebnissen der testpsychologischen Validierungsverfahren. Im Verfahren SFSS erzielte der Kläger 40 Wertungspunkte bei einem noch als unauffällig eingeschätzten cut-off-Wert von 16 Punkten. Dieses Ergebnis spricht für massive Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf amnestische, neurologische, affektive und psychotische Symptome. Der Kläger machte in diesem Verfahren Angaben, die so im Rahmen der klinischen Untersuchung klar auszuschließen waren. Er gab beispielsweise an, nicht in der Lage zu sein, von 20 auf 1 zurückzuzählen und sich nicht zu erinnern, was er vor einer Stunde gemacht habe. Entsprechende Leistungen wurden vom Kläger in der klinischen Exploration jedoch völlig problemlos erbracht. Im Beschwerdevalidierungsverfahren WMT erzielte der Kläger in einer verbalen Gedächtnisprüfung extrem niedrige Ergebnisse, die weit unter denen von kooperationswilligen dementen Patienten oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Patienten lagen. Die Ergebnisse lagen sogar auf einem Niveau, welches der Kläger auch durch rein zufälliges Antwortverhalten, also ohne mentale Anstrengungsleistung überhaupt, hätte erreichen können. Dieses Ergebnis spricht klar für eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung, nicht für eine tatsächliche kognitive Funktionsdefizienz. Eine analoge Leistung zeigte der Kläger im sprachunabhängigen testpsychologischen Beschwerdevalidierungsverfahren TOMM, wo er neuerlich eine extrem niedrige Leistung bei einer Prüfung des visuellen Gedächtnisses zeigte. Die vom Kläger erbrachten Leistungen lagen sehr weit unter denen von kooperativen Patienten und auch bei diesem Test auf einem Niveau, welches er eben auch durch rein zufälliges Antwortverhalten, also ohne mentale Anstrengungsleistung überhaupt, hätte erzielen können. Auch dieses Ergebnis spricht klar für eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung, nicht für eine tatsächliche Gedächtnisstörung. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich sowohl klinische als auch testpsychologische Befunde ergaben, die klar für negative Antwortverzerrungen und instruktionswidrige Anstrengungsminderleistungen sprechen. Jenseits dieser massiven Verdeutlichungstendenzen ergaben sich auch Hinweise auf klinisch relevante Auffälligkeiten. Auf Befundebene zeigte sich hier eine gedrückte Stimmungslage bei eingeengter, jedoch nicht aufgehobener emotionaler Schwingungsfähigkeit. Der Affekt war überwiegend dysphorisch, artikuliert wurden Insuffizienzgefühle und Störungen der Vitalgefühle. In kognitiver Hinsicht waren Funktionsdefizite nicht objektiv nachvollziehbar. Formalgedankliche Störungen zeigten sich hier ebenso wenig, wie Störungen des Antriebes oder des Ausdrucksverhaltens. Der Kläger berichtete Sinnestäuschungen, die als Form hypnagoger (in der Einschlafphase auftretender) akustischer Pseudohalluzination zu werten sind, wie sie bei emotionalen Belastungen jedweden Schweregrades auftreten können. Weiterhin beschrieb der Kläger Verfolgungsideen, die von Prof. Dr. S. nachvollziehbar "definitiv nicht als authentisch gewertet wurden".
Im Hinblick darauf, dass auch der im Verwaltungsverfahren tätig gewordene Gutachter Bu. sowie die in den vorangegangenen sozialgerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen Dr. L. (einschließlich des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Diplompsychologen K. vom 8. Oktober 2007) und Dr. H. über erhebliche Verdeutlichungs- und Simulationstendenzen berichteten, sah der Senat keinen Anlass, an den Feststellungen des Prof. Dr. S. zu zweifeln.
Prof. Dr. S. stufte die rezidivierende depressive Störung jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Untersuchung als leichtgradig ein. Diese Einstufung gilt auch auf Dauer. Gegen eine auf Dauer als schwergradig einzustufende depressive Erkrankung des Klägers spricht schon, dass bislang keine psychotherapeutische Behandlung erfolgte. Allein dass der Kläger türkischer Herkunft ist und möglicherweise der deutschen Sprache nicht oder nur eingeschränkt mächtig ist, ist kein Grund, eine gegebenenfalls indizierte psychotherapeutische Behandlung zu unterlassen, zumal zwischenzeitlich auch Behandler zur Verfügung stehen, die eine psychotherapeutische Behandlung in türkischer Sprache durchführen können.
Die Behauptung des Klägers, er verlasse nicht mehr alleine seine Wohnung ist jedenfalls für die Zeit bis Dezember 2011 nicht nachvollziehbar. Im Dezember 2011 reiste er noch in die Türkei und sagte deswegen einen geplanten Hausbesuch am 8. Dezember 2011 für eine Untersuchung durch den MDK ab (Mitteilung des MDK an die Pflegekasse vom 5. Dezember 2011). Anlässlich der Untersuchung durch Arzt Bu. am 1. März 2012 gab der Kläger eine Reise in die Türkei einen Monat vor der Untersuchung an.
(2) Des Weiteren besteht beim Kläger ein somatoformer Schwindel. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. S ... Auch Dr. M. berichtete über Schwindelattacken (sachverständige Zeugenauskünfte vom 28. Februar 2013 und 18. Mai 2015). Der Schwindel ist nicht als schwer einzustufen. Eine Behandlung insoweit ist nicht erkennbar. Auch insoweit ist eine Aggravation mit der Simulation einzelner Symptome nicht auszuschließen, wie dies bereits das LSG im vorangegangenen Rentenverfahren im Urteil vom 24. November 2010 unter Verweis auf das Gutachten des Prof. Dr. L. sowie auf vom Kläger gemachte unterschiedliche Schilderungen der Beschwerden feststellte (Seite 16 bis 18 des Urteils) und auch Dr. H. in seinem im vorangegangenen Berufungsverfahren erstatteten Gutachten beschrieb.
(3) Auf internistischem Fachgebiet besteht beim Kläger ein Zustand nach prothetischem Aortenklappenersatz, ein Diabetes mellitus und eine Adipositas. Dies folgt für den Senat aus der sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Kardiologin Dr. Kr. vom 14. Januar 2013 sowie dem Arztbericht der Dr. He. vom 3. April 2014 und ihrer gemeinsam mit Dr. Sim. im Klageverfahren S 14 SB 468/15 erteilten sachverständigen Zeugenauskunft vom 7. Mai 2015. Der eingesetzte Aortenklappenersatz funktioniert ohne Beanstandung, wie die letzte echokardiographische Kontrolle im November 2014 ergab (Arztbrief der Dr. He. vom 10. November 2014). Beim Belastungs-EKG im Februar 2015 erreichte der Kläger eine Belastung von 75 Watt. Eine Ausbelastung konnte nicht erreicht werden. Die Untersuchung musste wegen geringer Dyspnoe und Schwindel abgebrochen werden (Arztbrief der Dr. He. vom 26. Februar 2015). Auffälligkeiten beim Puls- oder Blutdruckverhalten waren - wie bereits bei den zuvor erfolgten entsprechenden Untersuchungen - nicht erkennbar. Dies entspricht - soweit aus den vorliegenden Arztbriefen über die kardiologischen Untersuchungen ersichtlich - dem Befund des zuletzt im November 2012 durchgeführten Belastungs-EKG, ebenfalls mit einer Belastung von 75 Watt sowie einer Kurzatmigkeit unter Belastung (Arztbrief der Dr. Kr. vom 23. November 2012).
Der Diabetes mellitus ist medikamentös behandelt und hat nur einen geringfügigen Schweregrad (sachverständige Zeugenauskunft der Dr. W. vom 13. April 2015 im Klageverfahren S 14 SB 468/15).
(4) Entgegen dem Vortrag des Klägers geht der Senat nicht davon aus, dass der Kläger an Inkontinenz leidet. Entsprechendes hatte die Ehefrau des Klägers im Rahmen der Begutachtung bei Prof. Dr. S. angegeben. Allerdings legte der Kläger ärztliche Unterlagen, die dies bestätigen, nicht vor. Entsprechende Befunde oder Diagnosen ergeben sich auch nicht aus den gerichtlicherseits durchgeführten Ermittlungen. Auch aus den Gutachten des MDK geht dies nicht hervor; vielmehr wird dort dargelegt, der Kläger sei blasen- und darmkontinent. Auf Nachfrage des Senats bei der zuständigen Pflegekasse hat diese zudem bestätigt, der Kläger beziehe keine Inkontinenzmittel. Selbst in der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers trotz ausdrücklicher Nachfrage keine weiteren Angaben gemacht.
(5) Ebenso wenig vermag der Senat festzustellen, dass der Kläger als Folge des Diabetes mellitus am linken Auge die Sehfähigkeit fast verloren hat. Auch diese Behauptung belegte der Kläger nicht, und die zu den Akten gelangten ärztlichen Unterlagen geben hierfür keine Anhaltspunkte. Insbesondere machte der Kläger dieses bei der Feststellung des GdB weder im Verwaltungsverfahren beim Landratsamt L. noch in dem anhängigen Klageverfahren S 14 SB 468/15 geltend. Auch hierzu erfolgte trotz expliziter Nachfrage im Rahmen der mündlichen Verhandlung keine weitere Information.
(6) Auf orthopädischem Fachgebiet liegt bei dem Kläger ein chronisch rezidivierendes Lumbalsyndrom vor. Hierfür legt der Senat das Gutachten des Dr. L. zu Grunde.
bb) Aus den beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Leistungseinschränkungen. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten des Dr. Si., Dr. L., Dr. H. und des Prof. Dr. S. sowie des Arztes Bu ...
So führen die auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen zu einer Beeinträchtigung der Stressbelastbarkeit. Berufliche Tätigkeiten, die mit erhöhter psychovegetativer Belastung einhergehen - z.B. durch erhöhten Zeitdruck (beispielweise Akkordarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastung (z.B. Nachtarbeit) können vom Kläger nicht mehr ausgeübt werden. Auch Tätigkeiten, die anhaltende hohe Anforderung an die Aufmerksamkeit stellen - etwa Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen mit der Notwendigkeit sofortigen Intervenierens - sind auszuschließen. Aufgrund der depressiven Symptomatik sind ferner solche beruflichen Tätigkeiten auszuschließen, die erhöhte Anforderung an die Fähigkeit zur zielgerichteten Gestaltung interpersonaler Interaktionen stellen. Auszuschließen sind insofern Beschäftigungen mit unmittelbarem Publikumskontakt. Aufgrund des somatoformen Schwindels kommen solche Tätigkeiten nicht in Frage, die eine erhöhte Anforderung an die Standsicherheit darstellen. Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, sowie solche, die das regelmäßige Besteigen von Leitern und Gerüsten erforderlich machen, und Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen oder jegliche Tätigkeiten mit Absturzgefahr sind auszuschließen. Wegen eines rezidivierenden Lumbalsyndroms bei deutlichem Übergewicht sind des weiteren Tätigkeiten mit höheren Belastungen für die Wirbelsäule auszuschließen. Dies gilt für körperlich schwere oder mittelschwere Tätigkeiten, Tätigkeiten unter Zwangshaltung der Wirbelsäule, häufige Überkopfarbeiten und Tätigkeiten, die mit häufigerem Bücken einhergehen. Grundsätzlich möglich erscheinen noch körperlich leichte Tätigkeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten bis zu 5 kg unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungsdefizite.
cc) Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß führen; damit ist weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten des Dr. Si., Dr. L., Dr. H. und des Prof. Dr. S. sowie des Arztes Bu ...
Die gegenteilige Ansicht des Dr. M. sieht der Senat durch diese Gutachten als widerlegt an. Sie ist für den Senat insbesondere auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil Dr. M. die Schilderungen des Klägers nicht kritisch hinterfragt hat.
Auch im Hinblick auf die bereits oben genannten, von Prof. Dr. S. im Rahmen seiner Untersuchungssituation festgestellten Verdeutlichungstendenzen im Sinne negativer Antwortverzerrungen und instruktionswidriger Anstrengungsminderleistungen, vermochte sich der Senat nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers zu überzeugen. Insoweit sei nochmals auf den von Prof. Dr. S. als Beschwerdevalidierungsverfahren eingesetzten WMT verwiesen. Hierbei handelt es sich um eines der weltweit am besten untersuchten Verfahren zur Anstrengungsbereitschaft in Untersuchungssituationen mit hohen Sensitivitäts- und Spezifitätswerten. In einer PC-gestützten Testversion wird einem Proband dort eine nur vordergründig schwierige Lernaufgabe (Wortpaare) gestellt. Die Lernleistung wird anschließend in unterschiedlichen Aufgabenstellungen abgerufen. Die Werte in den Tests waren massiv auffällig. Die hier gezeigten Leistungen lagen weit unter denen kooperationswilliger dementer Kläger oder von mittelgradig bis schwer hirnverletzten Klägern. Insgesamt wiesen die Testergebnisse auf eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung hin. Im Ergebnis ist nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Prof. Dr. S. davon auszugehen, dass die in den Prüfungen gezeigten Leistungen nicht den tatsächlichen Fähigkeiten des Klägers entsprachen.
dd) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R -; in juris). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste dem Kläger nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O.). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei dem Kläger liegen zwar mehrere qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren sollte etwa jegliche Belastung durch Heben, Tragen oder Bewegen von schwereren Lasten von vornherein vermieden oder zumindest stark eingeschränkt sein. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei dem Kläger auch nur ansatzweise vorhanden.
Auch in der Zusammenschau zwischen nervenärztlichen, orthopädischen und internistischen Erkrankungen lässt sich eine zeitliche Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden täglich nicht feststellen. Der Kläger ist zweifelsohne auf Grund seiner orthopädischen, nervenärztlichen und internistischen Erkrankungen beeinträchtigt. Diese Erkrankungen wirken sich jedoch nicht der Gestalt aufeinander aus, dass sie in der Zusammenschau eine Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers auf unter sechs Stunden täglich bedingen würden.
ee) Bei folglich weiterhin erhaltener Erwerbsfähigkeit ist der Arbeitsmarkt für den Kläger aber auch nicht aus anderen Gründen verschlossen. Weder fehlt es dem Kläger an der erforderlichen Wegefähigkeit, noch bedarf er unüblicher Arbeitsbedingungen. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt nicht vor.
(1) Insbesondere vermochte sich der Senat - wie schon das SG - von einer rentenrelevanten Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers nicht zu überzeugen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit zwar auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 57/87 -, in juris). Wegefähigkeit setzt darüber hinausgehend auch voraus, dass solche Wege in noch zumutbarer Zeit bewältigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris). Das BSG hat hierzu ausgeführt, dass für die Beurteilung dieses Zeitfaktors ein generalisierender Maßstab anzuwenden ist. Dabei kann von dem nach der Rechtsprechung des BSG zum Schwerbehindertenrecht noch üblichen Zeitaufwand von 30 Minuten für zwei Kilometer ausgegangen werden, der bereits kurze Wartezeiten und Zeiten des Herumstehens einbezieht. Umgerechnet auf 500 m ergibt sich so eine normale Gehzeit von 7,5 Minuten. Der Bereich des zumutbaren wird dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 m mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten benötigt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, a.a.O.; zum Ganzen siehe zuletzt auch BSG, Urteile vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R - und B 13 R 79/11 R -, beide in juris).
Anhand dieses Maßstabs lässt sich für den Kläger eine Einschränkung der Wegefähigkeit nicht herleiten. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger aufgrund eigenanamnestischer Angaben das Haus nicht mehr ohne Begleitung verlässt. Dem stehen jedoch keine Krankheitsgründe entgegen. Durch gezieltes Training kann der Kläger zur Überzeugung des Senats die artikulierten unrealistischen Befürchtungen überwinden. Dies entnimmt der Senat den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. S ... Der Kläger führte zudem selbst gegenüber Prof. Dr. S. aus, mit dem Rollator 500 m gehen zu können. Sofern der Rollator, zumindest als "psychische Prothese" noch erforderlich sein wird, ist der Kläger - nach aus dem Gutachten des Prof. Dr. S. hervorgehenden überzeugenden Darlegungen - dazu in der Lage, mit diesem Hilfsmittel 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Dies gilt auch in Bezug auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, ggf. mit vorübergehendem Training. Auch dies folgt für den Senat aus dem Gutachten des Prof. Dr. S ...
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass ihm das Merkzeichen "G" zuerkannt ist. Dieser Zuerkennung aufgrund der im Schwerbehindertenrecht angewandten Maßstäbe ist für die Beurteilung der Wegefähigkeit im Rentenrecht nicht bindend (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006 - B 13 R 27/06 R - in juris, Rn. 23).
Auch die kardiologischen Beeinträchtigungen des Klägers stehen einer Wegefähigkeit nicht entgegen. Denn der kardiologische Befund ist seit Jahren unverändert. Dies ergibt sich aus der Verfahren S 14 SB 468/15 von Dr. He. abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft vom 7. Mai 2015. Darin bestätigt sie ausdrücklich, dass alltägliche leichte Belastungen (Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, langsames Gehen) aus kardialer Sicht möglich seien.
(2) Im Falle des Klägers resultiert ein Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auch nicht daraus, dass er wegen der Gesundheitsstörungen betriebsunübliche Arbeitsbedingungen einhalten muss, denn solche werden hierdurch nicht vorgegeben.
(3) Schließlich liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Zwar liegen bei dem Kläger auf nervenärztlichem, orthopädischem und internistischem Fachgebiet unterschiedliche qualitative Leistungseinschränkungen vor. Diese ergeben jedoch in ihrer Gesamtschau kein unerfüllbares Tätigkeitsbild, sondern vielmehr insgesamt das typische Bild einer in jeder Hinsicht leichten Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung zu verrichten ist. Der Große Senat des BSG hat hierzu ausdrücklich entschieden, dass für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch dann nicht erforderlich ist, wenn der Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig nur mit weiteren Einschränkungen verrichten kann, soweit diese nicht als ungewöhnliche Einschränkung zu bezeichnen sind (BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS2/95 - in juris). Ungewöhnliche Leistungseinschränkungen sind bei dem Kläger jedoch nicht diagnostiziert.
ff) Aus der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 90 folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14. Januar 2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15. Januar 2015 geltenden Fassung (geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 7. Januar 2015, BGBl. II, S. 15) auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verweist (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3).
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 RV-Altergrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderer Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (z. B. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -; Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R -; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04 R -, jeweils in juris). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 -; Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R - jeweils in juris) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem so genannten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Innerhalb der Gruppe der angelernten Arbeiter differenziert das BSG nochmals hinsichtlich der Versicherten, die der oberen und unteren Gruppe der Angelernten angehören. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - in juris). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - in juris).
Die vom Kläger zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Helfer in einem Automobilzulieferbetrieb war keine Tätigkeit, die eine Anlern- oder Ausbildungszeit von mehr als zwölf Monaten voraussetzte. Gegenteiliges hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet und die vorliegenden Akten geben hierfür keine Anhaltspunkte.
Da der Kläger allenfalls zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehört, kann er grundsätzlich auf alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (z.B. BSG, Urteil vom 14. September 1995 - 5 RJ 50/94 - in juris; Urteil des Senats vom 23. Januar 2015 - L 4 R 5008/13 - nicht veröffentlicht).
3. Der Senat war an einer Entscheidung auch nicht durch den Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG bei Prof. Dr. Brecht gehindert. Dieser Antrag war nach § 109 Abs. 1 SGG abzulehnen. Das Gericht kann nach § 109 Abs. 1 SGG die Anhörung davon abhängig machen, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Der Kläger hat den mit gerichtlichem Schreiben vom 29. Juni 2015 angeforderten Vorschuss in Höhe von EUR 2.000,00 innerhalb der vom Senat hierfür gesetzten Frist bis 3. August 2015 nicht bezahlt. Bis heute ist keine Zahlung eingegangen.
Dem Antrag auf Fristverlängerung zur Einzahlung des Vorschusses bis 30. September 2015 war nicht stattzugeben. Der vom Kläger für die Fristverlängerung angegebene Grund, er sei nicht in der Lage innerhalb der gesetzten Frist den Vorschuss aufzubringen, rechtfertigt die Fristverlängerung nicht. Denn dies führt zu einer Verzögerung des Verfahrens. Bereits bei der Überlegung, einen Antrag nach § 109 SGG zu stellen, war dem Kläger bekannt, dass er einen Vorschuss einzahlen muss. Er hätte sich damit auch rechtzeitig um die zeitnahe Aufbringung des Vorschusses kümmern müssen. Die eingeräumte fünfwöchige Frist war ausreichend. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, welche Hindernisse einer Aufbringung des Vorschusses innerhalb dieser ausreichenden Frist entgegenstanden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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