L 8 SB 4172/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 523/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4172/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. September 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind zuletzt noch die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.

Bei dem.1955 geborenen Kläger (französischer Staatsangehörigkeit) wurde mit Bescheid vom 06.09.1990 der GdB mit 20, mit Bescheid vom 09.05.1997 der GdB mit 40, mit Bescheid vom 05.06.2002 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.02.2003) der GdB mit 50, mit Bescheid vom 30.03.2010 der GdB mit 70 sowie das Merkzeichen "G" und zuletzt mit Bescheid des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis - Versorgungsamt - (LRA) vom 01.02.2011 wegen einer Depression, funktioneller Organbeschwerden, psychovegetativen Störungen und Migräne (GdB 40), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Spinalkanalstenose, Gelenkbeschwerden nach multiplen Frakturen und chronischem Schmerzsyndroms (GdB 40), einer Funktionsstörung durch Fußfehlform, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, des linken Sprunggelenks sowie des rechten Hüftgelenks und Polyneuropathie (GdB 40), Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen und Kopfschmerzsyndroms (GdB 20), einem Karpaltunnelsyndrom und Sulkus-ulnaris-Syndrom rechts (GdB 10), Bluthochdrucks (GdB 10), einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 10), einer Prostatavergrößerung (GdB 10) und einem Schlafapnoe-Syndrom (GdB 10) den Gesamt-GdB mit 90 festgestellt.

Am 10.07.2012 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "aG". Das LRA nahm medizinische Befundunterlagen zu den Akten (insbesondere: Berichte Dr. M. vom 23.09.2011, Diagnosen: Degeneratives LWS-Syndrom, Coxarthrose rechts, medial betonte Gonarthrose rechts, Supraspinatussyndrom rechte Schulter; Dr. Blimke vom 28.11.2011, Diagnosen: Impingementsyndrom, Bursitis-calcanea und beginnende Schultersteife jeweils Schulter rechts; Universitätsklinikum Heidelberg vom 08.06.2012, Diagnosen: Chronifiziertes Schmerzsyndrom des Bewegungsapparates, Radikulopathie im Lumbalbereich, HWS-Syndrom, Impingementsyndrom der Schulter rechts, Migräne ohne Aura, begleitende somatoforme Schmerzstörung, Z.n. Herpes Zoster; Arzt Rügner vom 20.06.2012, Diagnosen: Linksbetonte Stammvarikosis der Vena saphena parva beidseits, Seitenastvarikosis linker Unterschenkel, chronisch-venöse Insuffizienz beidseits; Radiologische Gemeinschaftspraxis Professor Dr. R. und Dr. S. vom 02.06.2012; Gesundheitszentrum Manfred S. GmbH vom 04.07.2012; Dr. Z. vom 05.07.2012, Diagnosen: Lumbale Segmentinstabilität und Bandscheibenvorfall). In der gutachtlichen Stellungnahme vom 05.08.2012 schlug der Versorgungsarzt Dr. S. - unter zusätzlicher Berücksichtigung einer chronisch-venösen Insuffizienz beidseits im Funktionssystem der unteren Gliedmaßen (GdB weiterhin 40) - den Gesamt-GdB weiterhin mit 90 vor und verneinte die Voraussetzungen für die Zuerkennung weiterer Merkzeichen. Mit Bescheid vom 14.08.2012 lehnte das LRA daraufhin eine höhere Bewertung des GdB sowie die Feststellung der Merkzeichen "aG" und "B" ab.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 20.08.2012 Widerspruch ein. Das LRA holte den Befundbericht des Dr. T. vom 10.09.2012 ein, nahm insbesondere die Berichte der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Professor Dr. R. und Dr. S. vom 30.08.2012, 12.10.2012 und 12.11.2012 zu den Akten. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2013 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Verschlimmerung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertigen könne sei nicht festzustellen und die Zuerkennung der Merkzeichen "B" und "aG" lasse sich nicht begründen.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.02.2013 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er machte einen höheren GdB geltend. Sein Zustand und die Gesamtheit der Funktionsbeeinträchtigungen hätten sich allgemein und im Lauf des Jahres 2012 erheblich verschlimmert, insbesondere der Zustand seiner Wirbelsäule, der rechten Schulter, der chronischen Schmerzen, seiner Psyche sowie der Tinnitus. Hinzu kämen Beschwerden am Gesäß, in der Kniekehle, im rechten Schienbein, im linken Oberschenkel, im Sprunggelenk. Um eine Kraftlosigkeit des linken Beines zu kompensieren, seien Beschwerden in der rechten Hüfte entstanden. Die Beschwerden erschwerten ihm das Gehen mitunter erheblich. Darüber hinaus solle entschieden werden, ob die Merkzeichen "B" und "aG" begründet werden könnten. Der Kläger legte zahlreiche medizinische Unterlagen vor.

Das SG hörte vom Kläger benannte behandelnde Ärzte - unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. S. vom 05.08.2012 - schriftlich als sachverständige Zeugen an. Die Fachärztin für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie Dr. W.-D. Universitätsklinikum H., teilte in ihrer Stellungnahme vom 08.04.2013 mit, der Kläger habe sich im Jahre 2012 nur zweimal sporadisch vorgestellt, ebenso in der Vergangenheit. Sonst habe es keine weiteren Kontakte und keine weitere Therapie im Schmerzzentrum gegeben. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. teilte in ihrer Stellungnahme vom 15.04.2013 die Behandlungsdaten, die Diagnosen und Befunde mit. Sie erachtete einen GdB von 90 als vollständig und setzte den Kläger nicht mit einem Querschnittsgelähmten gleich. Der Facharzt für Innere Medizin K. teilte in seiner Stellungnahme vom 23.04.2013 unter Vorlage von Befundberichten den Behandlungsverlauf, die Befunde und die Diagnosen mit. Auf seinem Fachgebiet sei der GdB mit 90 vollständig bezeichnet. An der Einschätzung des GdB ändere sich insgesamt nichts. Der Kläger benötige Hilfe beim Verlassen des Kraftfahrzeuges. Er könne dann mit fremder Hilfe gehen und bedürfe dazu keiner großen Anstrengung. Der Kläger könne sich durch die Behinderungen beim Ein- und Aussteigen in öffentlichen Verkehrsmitteln verletzen. Der Arzt für Unfallchirurgie, Orthopädie und Rheumatologie Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 28.05.2013 (unter Vorlage eine im Rechtsstreit des Klägers S 6 R 3199/11 dem SG erstatteten schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft vom 04.12.2011 sowie des chirurgischen Gutachtens des Professor Dr. Q.vom 24.02.2010 an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft) den Behandlungsverlauf mit. Die vom Versorgungsamt angegebenen Behinderungen seien vollständig erfasst. Auf orthopädischem Fachgebiet sei die damalige Einschätzung völlig umfassend. Eine Gleichstellung des Klägers mit Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten etc. sei nicht gegeben. Der Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. H. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.06.2013 den Behandlungsverlauf und die Befunde mit. Einschränkungen in der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln seien nicht erkennbar. Befunde, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger beim Verlassen eines Kraftfahrzeuges bereits von den ersten Schritten an dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur unter großer Anstrengung gehen könne, seien nicht erhoben worden. Auf psychiatrischem-psychotherapeutischem Gebiet seien die Behinderungen vollständig benannt; ein Teil-GdB von 40 bilde die Einschränkungen vollständig ab. Professor Dr. P., geschäftsführender Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikums H., teilte in seiner Stellungnahme vom 15.07.2013 die Diagnosen und die Befunde mit. Er stimmte der Bewertung der Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen mit einem GdB von 20 zu. Der Kläger sei bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Befunde, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger beim Verlassen des Kraftfahrzeuges bereits von den ersten Schritten an andauernd nur mit fremder Hilfe oder nur unter großer Anstrengung gehen könne, seien nicht erhoben worden.

Außerdem holte das SG das neurologisch-psychiatrische Zusatzgutachten des Professor Dr. R. vom 28.02.2014 sowie das orthopädisch-rheumatologisch-sozialmedizinische Gutachten des PD Dr. R. vom 31.03.2014 ein. Professor Dr. R. gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, beim Kläger lägen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eine leichtgradige, anhaltende somatoforme Störung und eine Dysthymia (GdB 40) sowie eine leichte Polyneuropathie (GdB 10) vor. Es sei zu einer Einschränkung der freien Kraftentfaltung der Muskulatur und zu einer Reduktion der körperlichen bzw. psychischen Belastbarkeit gekommen. Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bewertete der Sachverständige den GdB mit 40. Die weiteren neurologischen Störungen (Karpaltunnelsyndrom rechts und Sulcus ulnaris-Syndrom rechts) erhöhten diesen GdB nicht. Der Kläger sei bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt nicht auf fremde Hilfe angewiesen und könne sich auch ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen. Der jetzt festgestellte Behinderungszustand bestehe seit ca. 10 Jahren. Der Behinderungsgrad habe sich seit Februar 2011 nicht wesentlich geändert. PD Dr. R. gelangte in seinem Gutachten zu der Beurteilung, vom Kläger angegebene schwere Schmerzen und Behinderungen im Bereich der Wirbelsäule, der Schultern und Arme und beider Hände seien durch objektive Befunde nur teilweise erklärbar. Durch diesen Anteil sei der Kläger in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft mäßig bzw. gering eingeschränkt. Entsprechendes gelte für angegebene schwere Schmerzen und Behinderungen im Bereich des linken Oberschenkels und im linken Bein und Fuß. Wiederholt hätten sich Hinweise auf widersprüchliche Angaben, diskrepante Befunde, eine geringe Compliance und übermäßige Verdeutlichungstendenzen ergeben. An Funktionsbeeinträchtigungen bestünden beim Kläger im Bereich der Arme leichte Arthrosen im rechten Schultergelenk und Schultereckgelenk, ein leichter Reizzustand der Rotatorenmanschette, sehr geringe Arthrosen der Fingerendgelenk bei geringen Funktionseinschränkungen (GdB 10), mäßige degenerative Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorwölbungen ohne nachgewiesene Nervenkompressionen, Reizerscheinungen oder Schädigungen von Nervenwurzeln bei geringen bis mäßigen Funktionseinschränkungen (GdB 30), im Bereich der Beine leichte Arthrosen der Hüft- und Kniegelenke, eine Verletzung der Oberschenkelmuskulatur links 2009, ein knöchern ohne Fehlstellung verheilte alte Unterschenkel- und Fersenbeinfraktur, ein mäßiger Senk-Spreizfuß und Hallux valgus, mäßige Arthrosen der Großzehengrundgelenke bei geringen bis mäßigen Funktionseinschränkungen (GdB 30) sowie ein myofasziales Schmerzsyndrom bei geringen bis mäßigen nachweisbaren Funktionseinschränkungen (GdB 20). Der Kläger sei in der Lage, selbstständig öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht wesentlich eingeschränkt. Er könne sich ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen. Der jetzt festgestellte Behinderungszustand bestehe mindestens seit Februar 2011. Eine wesentliche Änderung sei seither nicht nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der Behinderungen auf anderen Fachgebieten schätzte PD Dr. R. den Gesamt-GdB auf 70 ein. Eine Erhöhung des festgestellten Gesamt-GdB von 90 sei nicht zu rechtfertigen.

Der Kläger verfolgte seine Klage weiter. Er sei weiterhin der Auffassung, dass seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zugenommen hätten, im Wesentlichen während dem Jahr 2012. Seit Ende des Jahres 2013 habe sich sein Zustand nochmals verändert. Der Kläger ist außerdem den Gutachten von Professor Dr. R. und PD Dr. R. entgegen getreten (Schriftsätze vom 17.04.2014, 06.05.2014 und 25.08.2014).

Mit Gerichtsbescheid vom 11.09.2014 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen für eine Anhebung des GdB lägen ebenso wenig vor wie diejenigen für eine Zuerkennung der Merkzeichen "aG" und/oder "B".

Gegen den dem Kläger am 16.09.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die von ihm am 25.09.2014 beim SG eingelegte Berufung. Er hat zur Begründung sehr ausführlich ausgeführt, seit der letzten Feststellung durch das VA habe sich sein gesamter gesundheitlicher Zustand erheblich verschlimmert. Seine Beschwerden und neu entstandene Beeinträchtigungen (insbesondere) hinsichtlich der Wirbelsäule sowie neu aufgetretene Bandscheibenschädigungen, Schmerzzustände, eine Plantarfasziitis und Arthrose des unteren Sprunggelenkes links, eine chronische Distorsion am Kniegelenk bzw. am vorderen Kreuzband ohne Rupturzeichen links, Arthrose in beiden Kniegelenken, erhebliche Beschwerden im Schulterarmgelenk rechts, Beschwerden im rechten Hüftgelenk, die Verletzung der Oberschenkelmuskulatur links mit ausgeprägter Atrophie und Hypotrophie sämtlicher Muskeln des Oberschenkels, verschiedene Frakturen in den Beinen, eine Polyneuropathie, ein Bluthochdruck, die Schlafapnoe, seine psychische Erkrankung und die psychischen Störungen, ein Vitamin-D-Mangel und etliche Erkrankungen und die damit verbundenen Funktionsstörungen seien nicht hinreichend berücksichtigt, sondern missachtet und verharmlost worden. Die vom SG eingeholten Gutachten seien nicht wissenschaftlich fundiert, sondern oberflächlich, diskriminierend und wertlos. Seine Forderung auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" sei aufgrund aller Erkrankungen sowie bestehender akuter Zustände nicht abwegig. Für ihn seien eine sehr große Benachteiligung sowie eine deutliche Abwertung und Verharmlosung seiner Erkrankungen entstanden. Das SG sei nicht fähig, objektiv zu erkennen, inwieweit er gesundheitlich tatsächlich belastet sei. Der Kläger hat sich auf die ihn kontinuierlich aktuell behandelnden Ärzte berufen. Bisher seien seine Erkrankungen deutlich aberkannt und er vom SG als Hypochonder "identifiziert" worden. Seit dem Jahr 2012 und nochmals im Laufe des Jahres 2014 seien mehrere beträchtliche Verschlechterungen eingetreten. Aktuelle Diagnosen aus dem Jahr 2014 sollten berücksichtigt werden. Nur sein Arzt K. habe bisher die Vollständigkeit seiner Erkrankungen erkannt. Dauerschäden eines im Jahr 1986 erlittenen schweren Schädel-Hirn-Traumas seien bislang nicht entsprechend berücksichtigt worden. Eine GdB von 100 sei gegeben. Der Kläger legte medizinische Unterlagen vor. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger klargestellt, dass das Merkzeichen B nicht Gegenstand seines Berufungsverfahrens ist.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. September 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 100 seit 10. Juli 2012 sowie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "aG" festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

In der nichtöffentlichen Sitzung vom 12.06.2015 ist der Kläger nicht erschienen. Er hat hierzu mitgeteilt, er werde nicht erscheinen, weil die Gesamtheit seiner Erkrankungen nicht erkannt worden seien. Zu weiteren Erörterungen werde er erst bereit sein, wenn seine Erkrankungen mit den Verschlimmerungen sowie die noch nicht berücksichtigten Erkrankungen dezidiert anerkannt worden seien. Es habe keine richtige Begutachtung stattgefunden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf zwei Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf die Feststellung des GdB mit 100 seit dem 10.07.2012 (1.) sowie auf die Feststellung der Merkzeichen "aG" (2.) zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Merkzeichen "B", wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 25.09.2015 erklärt hat. Dem entspricht auch der von ihm in der mündlichen Verhandlung gestellte Berufungsantrag.

1. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, a.a.O., RdNr 30)

Hiervon ausgehend ist zur Überzeugung des Senats im Vergleich zu dem im letzten Feststellungsbescheid vom 01.02.2011 mit einem GdB von 90 berücksichtigten Behinderungszustand des Klägers keine Änderung eingetreten, die die Feststellung des GdB mit 100 rechtfertigt, wie der Kläger geltend macht

Dass beim Kläger auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet einschließlich einer Migräne eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist bereits nicht belegt. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Professor Dr. R. in seinem Gutachten vom 28.02.2014 besteht vielmehr ein seit ca. 10 Jahren (im Wesentlichen) unveränderter Behinderungszustand des Klägers. Professor Dr. R. kommt in seinem Gutachten zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass der Behinderungszustand sich seit Februar 2011 nicht wesentlich geändert hat. Damit ist bereits eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet nicht belegt. Unabhängig davon ist der vom Beklagten berücksichtigte Einzel-GdB von 40 wegen einer Depression, psychovegetativen Störungen, funktionellen Organbeschwerden und einer Migräne nicht zu niedrig bemessen. Nach den Beschreibungen im Gutachten des Professor Dr. R. ist der Kläger in der Lage, seinen Tagesablauf hinreichend zu strukturieren. Weiter unternimmt der Kläger auch soziale Aktivitäten, indem er einen Stammtisch aufsucht, Einladungen zu Festen annimmt und mit seiner Frau, wenn auch nur selten, ein Restaurant besucht. Weiter geht der Kläger einmal im Monat in ein Thermalbad zum Schwimmen. Er hört Radio, sieht fern, liest, surft im Internet auch gemeinsam mit seiner Ehefrau und interessiert sich für deutsche oder französische Geschichte. Vormittags und am Abend führt er seinen Hund aus. Bei der psychischen Untersuchung fallen eine streckenweise Verminderung der Antriebslage, eine leichte Nervosität, ein subdepressives Stimmungsbild, eine geringfügige Einschränkung der Modulationsfähigkeit und die Angabe von gelegentlichen Todeswünsche auf. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht handelt es sich beim Kläger um eine leichtgradige ausgeprägte, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und einer zusätzlichen Dysthymia. Dem entsprechen im Wesentlichen auch die mitgeteilten Diagnosen der vom SG schriftlich als sachverständigen Zeugen gehörten Ärzte Dr. W.-D., Dr. F. des Facharztes K. und Dr. Hug, wovon auch Professor Dr. R. in seinem Gutachten ausgeht. Dabei lassen sich die funktionellen Organbeschwerden, die psychovegetativen Störungen und die Migräne unter die anhaltende somatoforme Schmerzstörung subsummieren, wie Professor Dr. R. in seinem Gutachten überzeugend ausführt. Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die nach den VG Teil B 3.7 (erst) einen GdB von 50 (oder mehr) rechtfertigen, liegen danach beim Kläger nicht vor. Es ist vielmehr von einem Einzel-GdB von (maximal) 40 auszugehen. Dem entspricht auch die Bewertungen des Professor Dr. R. in seinem Gutachten, der unter Einbeziehung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, der Dysthymia und der Polyneuropathie den GdB mit 40 bewertet hat. Auch Dr. Hug hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 21.06.2013 wegen einer Depression, funktionellen Organbeschwerden, psychovegetativen Störungen und Migräne den vom Beklagten berücksichtigten Einzel-GdB von 40 für ausreichend angesehen.

Das Wirbelsäulenleiden des Klägers rechtfertigt nach wie vor keinen höheren Einzel-GdB als 40. Nach der Rechtsprechung des Senats setzt bei Wirbelsäulenschäden ein GdB von 40 schwere Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Hiervon ist der Beklagte bereits im letzten Feststellungsbescheid ausgegangen. Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]), die nach den VG Teil B 18.9 erst einen GdB von 50 bis 70 rechtfertigen, liegen beim Kläger nicht vor. Besonders schwere Auswirkungen hat PD Dr. R. in seinem Gutachten vom 31.03.2014 nicht beschrieben, sondern lediglich geringe bis mäßige Funktionseinschränkungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, wobei PD Dr. R. wegen des Wirbelsäulenleidens des Klägers lediglich von einem Einzel-GdB von 30 ausgeht. Auch Dr. F. sowie Dr. B. haben in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen übereinstimmend für das Wirbelsäulenleiden des Klägers einschließlich eines Schmerzsyndroms den vom Beklagten zuerkannten Einzel-GdB von 40 bestätigt und damit eine wesentliche Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens des Klägers ebenfalls verneint.

Für die mit einem Einzel-GdB zu bewertende Funktionsbehinderungen der Beine / untere Gliedmaßen (vgl. VG Teil A 2e)) ist der vom Beklagten im letzten Feststellungsbescheid berücksichtigte Einzel-GdB von 40 weiterhin angemessen. Nach den VG Teil B 18.14 ist ein Einzel-GdB von 50 für Schäden der unteren Gliedmaßen zum Beispiel beim Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit der Stumpfes und der Gelenke, der Notwendigkeit der Entlastung eines Unterschenkels durch Schienbeinkopfabstützung, einer Versteifung eines Hüftgelenkes in leichter Abspreizstellung, einer Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke mittleren Grades (Streckungen/Beugung bis 0-30-90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) oder einer Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke stärkeren Grades (Streckungen/Beugung 0-30-90°) vorgesehen. Ein dem vergleichbares Schädigungsausmaß der unteren Gliedmaßen des Klägers besteht nicht. Nach den im Gutachten des PD Dr. R. beschriebenen Befunden der unteren Gliedmaßen des Klägers besteht eine Einschränkung der Hüftbeugung passiv bis 115°, das linke Hüftgelenk ist in der Beugung passiv gering eingeschränkt. Die weitere Beweglichkeit im Hüftgelenk ist nicht wesentlich eingeschränkt, endgradig mit Schmerzangaben. Die Beweglichkeit der Kniegelenke ist ohne Schmerzangaben nicht eingeschränkt. Die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk in der Fußhebung und Fußsenkung ist leicht - aktiv links mehr als rechts - eingeschränkt. Es besteht ein leichter Senk- und ein deutlicher Spreizfuß sowie Halux valgus, rechts mehr als links. Weiter beschreibt PD Dr. R. in seinem Gutachten eine Pseudoexostose rechts mit leichter Rötung und eine Pseudobursitis ohne Überwärmung, ohne akute Entzündungszeichen und ohne Druckschmerzen. Weiter bestehen leichtgradige bis mäßiggradige Einschränkungen der Muskelfunktionswerte insbesondere bei der Hüftbeugung bzw. Abspreizung und Hüftstreckung. Eine Destabilisierung des Muskelbauches der ischiocruralen Muskulatur nach Muskelverletzungen war ersichtlich. Beide Fußsohlen zeigten jedoch eine deutliche gleichseitige Beschwielung ohne Schonungszeichen. Auch eine wesentliche Störung des Gangbildes hat PD Dr. R. nicht festgestellt. Damit ist hinsichtlich der unteren Gliedmaßen des Klägers einschließlich der chronisch-venösen Insuffizienz beidseits ein Einzel GdB von 50 (oder mehr) nicht erreicht. PD Dr. R. geht in seinem Gutachten hinsichtlich der unteren Gliedmaßen des Klägers sogar lediglich von einem Einzel-GdB von 30 aus.

Auch hinsichtlich der oberen Gliedmaßen ist eine wesentliche Änderung nicht belegt. Nach dem von PD Dr. R. in seinem Gutachten hierzu beschriebenen Befunden besteht keine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit der Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke. Auch sonst beschreibt PD Dr. R. in seinem Gutachten keine krankhaften Befunde, die eine relevante Funktionsbeeinträchtigung der oberen Gliedmaßen bewirken. Ein Karpaltunnelsyndrom und Sulcus ulnaris-Syndrom jeweils rechts ist nach dem Gutachten des Professor Dr. R. nicht GdB-relevant. Der vom Beklagten für eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigte Behinderungszustand des Klägers ist damit weiterhin völlig ausreichend bemessen. Erfasst sind dabei auch vom Kläger geltend gemachte immer wieder auftretende Beschwerden im Schulterarmgelenk.

Eine Verschlimmerung der Schwerhörigkeit und insbesondere des Tinnitus, wie der Kläger geltend macht, ist nicht belegt. Zwar bestätigt Professor Dr. P. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.06.2013, dass der Kläger im Oktober/November 2012 nunmehr über einen seit fünf Monaten persistierenden Dauertinnitus geklagt hat. Nach den Ausführungen von Professor Dr. R. in seinem Gutachten spricht jedoch der psychische Befund gegen das Vorliegen eines - die psychischen Funktionen - beeinträchtigenden Ohrgeräusches. Danach ist von einem Tinnitus ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen auszugehen, der nach den VG Teil B 5.3 einen GdB von 0 bis maximal 10 rechtfertigt, was entgegen der Ansicht des Klägers die Annahme einer wesentlichen Verschlimmerung nicht rechtfertigt. Eine Verschlechterung der einseitigen geringgradigen Schallempfindungsschwerhörigkeit links hat Professor Dr. Plinkert in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage nicht angegeben. Professor Dr. R. ist vielmehr nach seinen Ausführungen im Gutachten bei der Prüfung des Hörvermögens im Rahmen eines in Zimmerlautstärke geführten Gespräches keine wesentliche Hörminderung des Klägers aufgefallen. Die vom Beklagten mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigte Schwerhörigkeit und Ohrgeräuschen ist damit weiterhin völlig ausreichend bemessen.

Dass beim Kläger zwischenzeitlich ein Bluthochdruckleiden vorliegt, das einen Einzel-GdB von wenigstens 20 rechtfertigt, ist nicht belegt. Eine Hypertonie (Bluthochdruck) führt nach Nr. 9.3 Teil B VG in leichter Form zu einem GdB von 0 bis 10. Eine leichte Form ist anzunehmen, wenn keine oder eine geringe Leistungsbeeinträchtigung und höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen aufgetreten sind. Bei einer mittelschweren Form und Organbeteiligung (fundus hypertonus I-II, Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie) leichten bis mittleren Grades, diastolischem Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung ist ein GdB von 20 bis 40 gerechtfertigt. Zwar ist beim Kläger nach dem von ihm im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht des Universitätsklinikums Heidelberg vom 27.07.2013 ein diastolischer Blutdruck von über 100 mmHg belegt (213/130 mmHg). Weiter wird im Gutachten des PD Dr. R. ein Blutdruck von 140/100 mmHg beschrieben. Ein GdB von wenigstens 20 ist nach den dargestellten Bewertungsvorgaben beim Kläger jedoch selbst dann nicht anzunehmen, wenn zu seinen Gunsten davon ausgegangen wird, dass die Voraussetzung eines diastolischen Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung vorliegt. Dem steht entgegen, dass eine Organbeteiligung durch den Bluthochdruck nicht belegt ist.

Das Schlafapnoe-Syndrom rechtfertigt keinen höheren Einzel-GdB, wie vom Beklagten bereits berücksichtigt (GdB 10). Nach den VG Teil B 8.7 beträgt der GdB bei einem durch eine Untersuchung im Schlaflabor nachgewiesenen Schlafapnoe-Syndrom ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung 0 bis 10, mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung 20 und bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung 50. Nach den von PD Dr. R. in seinem Gutachten beschriebenen Angaben des Klägers vermeidet der Kläger die Benutzung einer Atemmaske. Weiter hat Professor Dr. R. bei der Befunderhebung keine Auswirkungen einer Schlafapnoe-Symptomatik beim Kläger feststellen können, wie er in seinem Gutachten ausgeführt hat. Damit sind die Voraussetzungen der VG für einen Einzel-GdB von 20 wegen eines Schlafapnoe-Syndroms nicht gegeben.

Dass ein beim Kläger bestehender Vitamin-D-Mangel noch nicht berücksichtigte Behinderungen hervorruft, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht dargetan. Entsprechendes gilt für eine Prostataerkrankung, die vom Beklagten mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt ist.

Auch die vom Kläger geltend gemachten Schmerzen rechtfertigen nicht die Annahme einer wesentlichen Verschlimmerung. Bestehende Schmerzen sind nicht zusätzlich GdB-erhöhend zu berücksichtigen. Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Nur wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (vgl. VG Teil A 2j). Eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit, lässt sich den vorliegenden Gutachten und den zu den Akten gelangten sonstigen medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Nach den Angaben der Dr. W.-D. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 08.04.2013 hat sich der Kläger im Jahr 2012 (und in der Vergangenheit) lediglich zweimal sporatisch vorgestellt. Eine weitere Therapie ist im Schmerzzentrum nicht erfolgt. Auch Professor Dr. R. geht in seinem Gutachten davon aus, dass er die Schmerzstörung des Klägers leichtgradig ausgeprägte ist. Zudem sind die vom Kläger geklagten Schmerzen im Rahmen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bereits im Einzel-GdB von 40 auf psychiatrisch-neurologischem Gebiet berücksichtigt. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom, dass eine Erhöhung des bereits festgestellten Gesamt-GdB von 90 rechtfertigt, kann beim Kläger nicht angenommen werden.

Eine wesentliche Änderung des Behinderungszustandes des Klägers, der die Feststellung des Gesamt-GdB mit 100 seit dem 10.02.2012 rechtfertigt, ist damit im Vergleich zum letzten bindenden Feststellungsbescheid vom 01.02.2011 nicht eingetreten. Dem entsprechen auch die Bewertungen des Professor Dr. R. und PD Dr. R. in ihren vom SG eingeholten Gutachten, die übereinstimmend eine wesentliche Änderung verneint bzw. für nicht nachgewiesen erachtet haben. Der Bewertung des GdB von 20 für ein myofasziales Schmerzsyndrom misst PD Dr. R. dabei keine wesentliche Bedeutung zu. Dies wird auch durch die Angaben der vom SG schriftlich als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte bestätigt, die übereinstimmend, soweit sie sich hierzu geäußert haben, einen Gesamt-GdB von 90 für ausreichend angesehen haben, insbesondere auch der Facharzt für Innere Medizin K. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 23.04.2013, auf den sich der Kläger maßgeblich beruft. Keiner der gehörten Ärzte hat ein Gesamt-GdB von 100 für gegeben erachtet, und damit das Begehren des Klägers unterstützt.

2. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i.V.m. §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742). Danach ist das Merkzeichen "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.

Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.01.2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 10.04.2006 (BAnz S. 2968). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.

Der Kläger gehört - unstreitig - nicht zu dem ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten.

Der Kläger kann dem genannten Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der VwV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies steht für den Senat aufgrund der zu den Akten gelangten (zahlreichen) ärztlichen Unterlagen und der vom SG und Senat durchgeführten Ermittlungen fest.

Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 -, BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.

Bislang konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichen "aG" nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die VG (Teil D Ziff. 3) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten nach Auffassung des Senats weder § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis 30.06.2011 bzw. § 30 Abs. 16 BVG in der ab 01.07.2011 gültigen Fassung, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche war bislang auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich aG (und G) waren damit nach ständiger Rechtsprechung des Senats mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 L 8 SB 3119/08 und vom 14.08.2009 L 8 SB 1691/08 , beide veröff. in juris und www.sozial-gerichtsbarkeit.de; so auch der ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständige 6. Senat des LSG Baden Württemberg, vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 L 6 SB 2556/09 , unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 L 3 SB 523/12 unveröffentlicht). Rechtsgrundlage waren daher bislang allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu nach ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.

Ein Betroffener ist danach gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1 und Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R -, juris).

Maßgebend ist nur die Beeinträchtigung des Gehvermögens. Gesundheitsstörungen, die das Gehvermögen nicht oder nur peripher einschränken, sind nicht geeignet, eine außergewöhnliche Gehbehinderung zu begründen. Dies folgt unmittelbar aus den aufgeführten schwerwiegenden Gehbehinderungen der in Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO genannten Personen, mit denen eine Gleichstellung zu prüfen ist. Für die vorzunehmende Beurteilung sind folglich nur die Funktionsbeeinträchtigungen von Belang, die sich auf das Gehvermögen selbst auswirken (Urteil des erkennenden Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 -, veröffentlicht in juris und Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Zwischenzeitlich hat jedoch der Gesetzgeber mit Wirkung zum 15.01.2015 in § 70 Abs. 2 SGB IX eine Verordnungsermächtigung eingeführt und in § 159 Abs. 7 SGB IX eine Übergangsregelung getroffen (eingefügt durch Art. 1a des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015; BGBl. II S. 15).

§ 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 lautet nunmehr: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Von der Verordnungsermächtigung ist bislang kein Gebrauch gemacht worden.

Nach der ebenfalls am 15.01.2015 in Kraft getretenen Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend.

Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" geschaffen. Die so geschaffene Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" entfaltet jedoch keine Rückwirkung, sondern ist erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam (Urteil des Senats vom 22.05.2015, - L 8 SB 70/13 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Folglich stellt der Senat für die Zeit bis zum 14.01.2015 auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens "aG" entwickelten Kriterien und für die Zeit ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien ab. Vorliegend führt ein Abstellen auf die VG indes zu keinem anderen Ergebnis für den Kläger, weil die dort geregelten Kriterien jenen des Straßenverkehrsrechts entsprechen und sich eine Erweiterung bzw. Konkretisierung der gleichgestellten behinderten Menschen dort nur in Bezug auf innere Erkrankungen wie Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder wie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades findet, was beim Kläger jedoch nicht der Fall ist bzw. keine entscheidende Rolle spielt.

Bei Anlegung dieser Maßstäbe kann der Kläger dem genannten Personenkreis nicht gleichgestellt werden. Nach den von Professor Dr. R. in seinem Zusatzgutachten vom 28.02.2014 beschriebenen Angaben des Klägers ist dieser in der Lage, bei Spaziergängen eine Wegstrecke von 1 km in ca. 30 Minuten zurückzulegen. Er führt seinen Hund am Vormittag und am Abend aus, wobei er ca. 500 Meter in 10 bis 15 Minuten zurückgelegt. Nach den von PD Dr. R. in seinem Gutachten beschriebenen Angaben des Klägers muss er nach 500 Meter wegen Schmerzen eine Pause von ein bis 2 Minuten einlegen. Anschließend ist der Kläger in der Lage, unter Schmerzen die 500 Meter wieder zurückzukehren. Weiter kann der Kläger zum Erreichen seiner Wohnung ca. 50 Treppenstufen überwinden. Diese Angaben werden nach den Ausführungen von Professor Dr. R. bei einem durch eine Mitarbeiterin begleiteten Spaziergang bestätigt, wobei der Kläger vorsichtig mit kleinen Schritten geht. Weiter gelingt es dem Kläger, 38 Treppenstufen hinauf und hinunter zu gehen, bei einem benötigten Zeitaufwand von 2 Minuten. Dabei hält sich der Kläger am Geländer fest und blickt auf seine Füße. Es kommt dabei zu einer Atemnot. Bei der Gangprüfung im Untersuchungszimmer fällt kein Hinken auf. Der Kläger ist in der Lage, den Raum mit großen Schritten zu durchschreiten. Dem entsprechen im Wesentlichen auch die von PD Dr. R. in seinem Gutachten zum überprüften Gehvermögen des Klägers beschriebenen Befunde. Eine wesentliche Störung des Gangbildes haben Professor Dr. R. und PD Dr. R. nach ihren Gutachten nicht feststellen können. Professor Dr. R. und PD Dr. R. gelangen in ihrem Gutachten übereinstimmend zu der nachvollziehbaren und plausiblen Bewertung, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" beim Kläger nicht vorliegen. Dem schließt sich der Senat an. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass er bei einer akuten Lumboischialgie auf Hilfe angewiesen sei, weil er nur noch mit größter Anstrengung kurze Strecken gehen könne, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Kläger ständig und dauerhaft außergewöhnlich gehbehindert ist. Akute Zustände, die nicht dauerhaft bestehen, reichen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht aus. Dafür, dass Lumboischialgien auftreten, die mehrere Monate andauernden, wie er außerdem vorträgt, gibt es keinen Beleg. Dass der Kläger bei Fahrten mit dem Pkw Pedale kaum noch drücken kann, wie er weiter geltend macht, ist für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorliegen, ebenso wie der vom Kläger geltend gemachte Umstand, dass erhebliche Schmerzen ihm das Stehen auf einer Stelle nicht mehr ermöglichten, nicht von Bedeutung. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger geltend macht, er könne eine Person vorweisen, der das Merkzeichen "aG" vom Versorgungsamt ohne vergleichbare Behinderung zuerkannt worden sei. Denn eine Gleichbehandlung im "Unrecht" kann der Kläger nicht beanspruchen. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass den vom Kläger geltend gemachten Beeinträchtigungen beim Gehen vom Beklagten bereits mit der Zuerkennung des Merkzeichens "G" voll Rechnung getragen wurde. Die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Gehbehinderung erfüllt der Kläger nicht. Hiervon gehen auch Professor Dr. R. und PD Dr. R. in ihren Gutachten übereinstimmend aus. Entsprechendes gilt für die vom SG schriftlich als sachverständige Zeugen angehörten Ärzte, die beim Kläger das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht ausdrücklich bejaht haben. Vielmehr haben Dr. B. und Dr. H. das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung des Klägers verneint. Soweit der Facharzt für Innere Medizin K. und ähnlich Dr. F. mitgeteilt haben, der Kläger benötige beim Verlassen des Kraftfahrzeuges fremde Hilfe, rechtfertigt dies, selbst wenn es zuträfe, die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht. Allein Probleme beim Ein- bzw. Aussteigen rechtfertigen nach der Rechtsprechung des Senates die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nicht (Senatsurteil vom 21.02.2007 - L 8 SB 763/06 -, nicht veröffentlicht). Soweit der Arzt K. weiter mitgeteilt hat (nach dem Verlassen des Kraftfahrzeuges) könne der Kläger mit fremder Hilfe gehen (und bedürfe dazu nicht großer Anstrengung) ist diese Ansicht im Hinblick auf das oben Ausgeführte nicht nachvollziehbar.

3. Eine wesentliche Verschlimmerung, die eine dem Kläger günstigere Entscheidung hinsichtlich des begehrten GdB und des Merkzeichens rechtfertigt, ist auch im Verlaufe des Rechtsstreites, insbesondere nach den Untersuchungen durch Professor Dr. R. und PD Dr. R., nicht belegt. Allein das Auftreten von neuen oder die Verschlimmerung vorhandener degenerativer Veränderungen, worauf sich der Kläger beruft, rechtfertigt noch nicht die Anerkennung eines höheren Einzel-GdB (VG Teil B 18.1). Soweit der Kläger geltend macht, er leide zwischenzeitlich unter Thoraxschmerzen mit Atemnot, weshalb er insbesondere 2014 mehrfach notfallmäßig sich habe ins Krankenhaus begeben müssen, lässt sich allein hieraus auf eine dauerhafte wesentliche Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes noch nicht schließen. Eine solche Verschlimmerung lässt sich auch den vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums Heidelberg vom 27.07.2014 ist insbesondere ein Myokardinfarkt ausgeschlossen worden. Eine Einschränkung der Herz-und/oder Lungenfunktion beschreibt das Universitätsklinikum in seinem Befundbericht nicht. Auch sonst lässt sich den vorgelegten Befundberichten nichts greifbares entnehmen, das auf eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers, insbesondere auch der Wirbelsäulenschädigung, schließen lässt. Dies gilt insbesondere für die Berichte der Radiologischen Gemeinschaftspraxis vom 08.01.2015 und 05.03.2015, Dr. Z. vom 05.07.2012 und Dr. Förster vom 04.08.2014 sowie der (unvollständigen) vorgelegten Bescheinigung des Orthopädischen Praxiszentrums Rhein Neckar (ohne Datum). Insbesondere die genannten MRT-Befunde vom 08.01.2015 und 05.03.2015 der radiologischen Gemeinschaftspraxis in der A. Praxisklinik ergeben keine Beeinträchtigungen am linken Oberschenkel und linken Sprunggelenk, die einen Einzel GdB von mehr als 40 rechtfertigen. Der Befund vom 08.01.2015 über eine subtotale Ruptur der Hamstringsehnen mit fettiger Atrophie der Muskeln am Oberschenkel sowie der weiteren dort beschriebenen Weichteilbefunde, der einem Zustand nach Muskelfaserruptur entspricht, ist teilweise bereits durch MRT-Befund vom 12.10.2012 (Bl. 49 der Senatsakte) unter Ausschluss eines Muskelfaserrisses beschrieben worden und im Gutachten von PD Dr. R. (vgl. Seite 17 des Gutachtens = Bl. 193 der Senatsakte) berücksichtigt worden. Ebenso ist der Befund vom 05.03.2015 mit Zeichen einer Plantarfasziitis am kalkanearen Ansatz bei Fersensporn sowie kleinem Gelenkerguss, diffusem Weichteilödem zwischen Achillessehne und Unterschenkelmuskulatur und leichter Arthrose im unteren Sprunggelenk teilweise deckungsgleich mit dem MRT vom 12.11.2012, das PD Dr. R. ebenfalls ausgewertet hat (vgl. Seite 17 des Gutachtens = Bl. 193 der Senatsakte) und auch dem von ihm selbst erhobenen Röntgenbefund entspricht. Den im Jahr 2015 erhobenen MRT-Befunden sind daher abweichende funktionelle Auswirkungen zu den von den Sachverständigen PD Dr. R. und Prof. Dr. R. beschriebenen Beeinträchtigungen nicht zu entnehmen. Auch dass sich eine von PD. Dr. R. in seinem Gutachten berücksichtigte Kraftminderung der Muskelfunktion verschlimmert hat, lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht greifbar entnehmen.

Den vom Kläger gegen die Gutachten des Professor Dr. R. und PD Dr. R. erhobenen Einwendungen sowie seinem sonstigen Berufungsvorbringen kann nicht gefolgt werden. Die Gutachten des Professor Dr. R. und PD Dr. R. entsprechen voll dem an ein Gutachten zu stellenden wissenschaftlichen Standards. Insbesondere werden in beiden Gutachten unter Berücksichtigung der Aktenlage und der aktenkundigen medizinischen Befundunterlagen die im Rahmen der Untersuchung erhobenen Befunde ausführlich und nachvollziehbar dargelegt. Entgegen den vom Kläger zuletzt vorgetragenen Einwänden im Schreiben vom 11.09.2015 sind die vom Kläger angeführten Gesundheitsstörungen von den Sachverständigen nicht missachtet worden. PD Dr. R. hat einen ausführlichen Wirbelsäulenbefund erhoben (Seite 29 seines Gutachtens), Prof. Dr. R. beschreibt eine Muskelwulstbildung am linken Arm und eine etwas schmächtigere Beinmuskulatur links (vgl. Seite 17 seines Gutachtens). Die Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas mit Schädelbasisbruch Grad III und Bruch des Schlüsselbeins wurden entgegen der Auffassung des Klägers in beiden Gutachten gewürdigt. Prof. Dr. R. bezieht sich auf ein MRT des Schädels vom 30.08.2012 und verweist darauf, dass eine klinische Symptomatik bei seiner Untersuchung nicht abzuleiten war (vgl. Seite 36 seines Gutachtens). PD Dr. R. erwähnt eine Schlüsselbein-Osteosynthese nach Unfall sowie eine reizlose 20 cm lange Narbe im Verlauf des Schlüsselbeins an der rechten Schulter (vgl. Seite 8 und 31 seines Gutachtens), aber keine hieraus folgenden funktionellen Beeinträchtigungen. Die Gutachten geben dem Senat eine sichere Grundlage für die dem Gericht vorbehaltenen rechtliche Bewertungen des GdB sowie des Vorliegens der Voraussetzungen für das geltend gemachte Merkzeichen "aG". Konkrete Einwendungen gegen die in den Gutachten beschriebenen Befunde hat der Kläger nicht dargetan. Der Kläger setzt mit seinen Einwendungen lediglich seine eigenen subjektiven Maßstäbe der Befunderhebung und Befundbewertung sowie eigene rechtliche Bewertungsgrundsätze zur Bewertung des GdB und des Vorliegens der Voraussetzungen für das geltend gemachte Merkzeichen, denen nicht gefolgt werden kann. Soweit er rügt, seine Beschwerden und die damit verbundenen Funktionsstörungen seien nicht hinreichend berücksichtigt, sondern missachtet und verharmlost worden, lässt er unberücksichtigt, dass seine Erkrankungen und die damit verbundenen Funktionsstörungen vom Beklagten mit einem GdB von 90 bewertet sind und ihm das Merkzeichen "G" zuerkannt ist. Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind nach den VG Teil B 2 h) beim GdB nicht zu berücksichtigen. Dies gilt erst recht, wenn lediglich die Möglichkeit besteht. Weiter ist der GdB nach den VG Teil B 2a) final und nicht kausal zu bewerten. Darauf, worauf bestehende Beschwerden zurückzuführen sind (Ursachen), kommt es für die Bewertung des GdB nicht an. Allein das Vorliegen bestehender Gesundheitsstörungen und Verletzungsfolgen, wie sie der Kläger geltend macht, lässt für sich noch nicht auf ein Ausmaß der Behinderung schließen, die eine Bewertung des GdB erlaubt. Entsprechendes gilt für durch radiologische Untersuchungen nachgewiesene degenerative Veränderungen (VG Teil B 18.1). Maßgeblich für die Beurteilung des GdB ist nach den VG Teil B 2a) vielmehr, das Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Dies gilt auch für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung von Merkzeichen. Soweit der Kläger einwendet, ein bei einem Unfall am 25.08.1986 erlittenes schweres Schädel-Herrn-Trauma und dessen Dauerfolgen seien vom Beklagten bis heute nicht berücksichtigt worden, wendet sich der Kläger gegen die Feststellung des GdB in früheren Bescheiden. Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist aber nur, ob beim Kläger im Vergleich zur letzten bestandskräftigen Feststellung des GdB mit 90 eine Verschlimmerung eingetreten ist, die es rechtfertigt, nunmehr den GdB mit 100 festzustellen. Nur hierüber ist im Berufungsverfahren - neben der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" - zu befinden. Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist, ob in früheren Bescheiden, insbesondere im letzten bindenden Feststellungsbescheid vom 01.02.2011, der GdB zu niedrig festgestellt worden ist. Dass hinsichtlich der Dauerfolgen des geltend gemachten Schädel-Herrn-Traumas eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich, Dies räumt der Kläger im Ergebnis auch ein, der die Dauerfolgen ebenfalls als nicht neu ansieht.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die von der Beklagten sowie vom SG durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten zahlreichen medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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