L 9 R 38/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3741/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 38/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Erwerbsminderungsrente streitig.

Der 1968 geborene Kläger begann im Jahr 1985 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser, die er jedoch nach einem Jahr ohne Abschluss abbrach. In den Jahren 1986 und 1987 war er als Elektriker versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1989 an übte er eine Tätigkeit als Arbeiter in einer Gießerei aus. Nach einem Verkehrsunfall als Fahrer eines Kfz im August 2004, bei dem er unter anderem eine Thoraxprellung und erstgradige Verbrennungen an beiden Armen erlitt, war er zunächst arbeitsunfähig und ab 01.11.2005 arbeitslos. Zu diesem Zeitpunkt nahm er eine selbstständige Tätigkeit als Autohändler auf, die er im Mai 2006 wieder aufgab. Seitdem ist der Kläger arbeitslos.

Im Zeitraum vom 14.03.2005 bis 15.04.2005 sowie im Zeitraum vom 29.11.2006 bis 10.01.2007 führte der Kläger stationäre Rehabilitationsbehandlungen in der S. Bad B. (2005) sowie in der Fachklinik für psychische Erkrankungen O. (2006/2007) durch. Im Entlassungsbericht der S. Bad B. vom 19.04.2005 sind als Diagnosen vorrangig eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion sowie eine posttraumatische Belastungsstörung genannt. Der Entlassungsbericht der Klinik O. vom 16.01.2007 gibt als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, mit somatischem Syndrom und eine posttraumatische Belastungsstörung an. Beide Berichte führen aus, dass der Kläger in seinem Beruf als Gießereiarbeiter bzw. als Handelsvertreter für Autos nur noch unter sechs Stunden täglich leistungsfähig sei. Das Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wurde dagegen übereinstimmend mit mindestens sechs Stunden täglich angegeben.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger eine Maßnahme zur Arbeitserprobung und Berufsfindung, die dieser im Zeitraum vom 13.06.2007 bis 25.07.2007 im Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum K. durchführte. Im Ärztlichen Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vom 20.08.2007 führte dieser Verständnisprobleme des Klägers sowie eine eingeschränkte Konzentrations- und Merkfähigkeit an. Derzeit bestünde bei ihm weder Ausbildungs- noch Arbeitsfähigkeit.

Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.02.2008 bis 31.07.2009. Auf seinen Weitergewährungsantrag verlängerte die Beklagte die Rentengewährung bis 31.08.2011.

Mit Schreiben vom 03.05.2011 beantragte der Kläger die Weitergewährung seiner Erwerbsminderungsrente über den 31.08.2011 hinaus.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S., die den Kläger am 07.06.2011 untersuchte. In ihrem Gutachten vom 27.07.2011 kam die Ärztin zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger aktuell eine Dysthymia und Übergewicht vorliege. Symptome klarer Art einer posttraumatischen Belastungsstörung habe sie nicht feststellen können. Während seiner Berentung sei er ohne psychiatrische Behandlung gut ausgekommen. Die Behandlung sei nur kurz aktiviert worden wegen auslaufender Zeitberentung. Der Kläger sei noch in der Lage, eine mittelschwere Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden oder mehr täglich zu verrichten.

Mit Bescheid vom 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Bezugnahme auf ihre medizinischen Ermittlungen ab.

Hiergegen hat der Kläger am 27.12.2011 Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers, die Fachärzte für Allgemeinmedizin H. und Dr. W., den Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. H. und den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie S. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. W. in T. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dr. H. hat keine Bedenken gegen die Verrichtung einer mindestens sechsstündigen Tätigkeit des Klägers geäußert. Der Arzt S. hat in seiner Stellungnahme auf kognitive Einschränkungen verwiesen, die einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich entgegenstünden. Die behandelnden Hausärzte haben als im Vordergrund stehende Diagnosen eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Somatisierungsstörung angegeben und mitgeteilt, dass sie eine sechsstündige Tätigkeit des Klägers selbst für leichte Arbeiten nicht für möglich hielten. Prof. Dr. W. hat in ihrem Gutachten vom 03.05.2013 bei dem Kläger eine nicht organische Insomnie (möglicherweise in Folge eines aktuell unbehandelten Schlafapnoesyndroms), einen essenziellen Tremor und eine chronische Lumbalgie ohne radikuläre Ausfälle diagnostiziert. Sie habe keinen Anhaltspunkt gefunden, warum der Kläger nicht einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Das SG hat außerdem die den Kläger seit April 2013 behandelnde Psychologische Psychotherapeutin K. zu den von ihr durchgeführten psychologischen Testuntersuchungen befragt und diese der Sachverständigen Prof. Dr. W. zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt. Während des Klageverfahrens hat der Kläger vom 18.02.2014 bis 18.03.2014 eine weitere stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der S.-Klinik in A. durchgeführt. Der Entlassungsbericht vom 01.04.2014 gibt als Diagnosen eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Anpassungsstörungen, eine essentielle Hypertonie, Adipositas und Lähmung des dritten Hirnnerves an. Das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird im Bericht auf mindestens sechs Stunden täglich eingeschätzt.

Mit Urteil vom 05.11.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsfähigkeit lägen nicht vor. Hinsichtlich der Feststellungen zu den Gesundheitsstörungen und des Leistungsvermögens hat sich das SG auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. W. gestützt. Nach deren Beurteilung sei der Kläger seit September 2011 wieder in der Lage, sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Zu beachten seien lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Dem psychischen Befund im Gutachten sei zu entnehmen, dass der Kläger voll orientiert und im Gespräch sehr aufmerksam und konzentriert gewesen sei. Es habe sich eine gute Auffassungsgabe gezeigt. Gedächtnisstörungen seien nicht aufgefallen. Die Sachverständige habe in der Beurteilung der Fähigkeits- und Teilhabestörungen keine deutlichen Defizite festgestellt und somit die vom Arzt S. beschriebenen kognitiven Symptome nicht bestätigt. Die bei dem Kläger vorliegenden wechselnden "Ausfälle" sprächen nicht für eine organische kognitive Störung, sondern für eine psychisch bedingte Symptomatik. Hierdurch sei eine längerfristige Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit nicht mit ausreichender Sicherheit belegt. Auch die behandelnde Psychotherapeutin K. sei zum Ergebnis einer zwar gefährdeten, aber noch erhaltenen beruflichen Leistungsfähigkeit gekommen. Ebenso liege nach dem Entlassungsbericht über die zuletzt durchgeführte medizinische Rehabilitation ein vollschichtiges Leistungsbild vor.

Gegen das dem Klägerbevollmächtigten am 03.12.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.01.2015 bei dem Landessozialgericht (LSG) Stuttgart Berufung eingelegt.

Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger vom 12.05.2015 bis 14.07.2015 eine weitere medizinische Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken S., Abteilung Psychotherapeutische Neurologie, in G., durchgeführt. Der Entlassungsbericht vom 28.07.2015 schätzt das Leistungsvermögen des Klägers unter Berücksichtigung der Diagnosen subcorticale t2-hyperintense Marklagerveränderungen, komplexe Anpassungsstörung mit Zügen einer PTBS, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Adipositas sowie arterielle Hypertonie auf mindestens sechs Stunden täglich für körperlich leichte Arbeiten ein.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung vorgetragen, dass den Ausführungen der behandelnden Psychotherapeutin K. nicht die erforderliche Bedeutung zugemessen worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn das SG aus ihrem Bericht keine schweren kognitiven Defizite herleite, obwohl die Therapeutin eine beginnende vaskuläre Enzephalopathie festgestellt habe. Das SG hätte die Therapeutin abschließend zur Leistungsfähigkeit befragen müssen. Auch der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. W. habe eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit bestätigt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2011 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, über den 31. August 2011 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie erwidert, die Sachverständige Prof. Dr. W. habe den Bewertungen der Psychotherapeutin K. nachvollziehbar widersprochen. Auch aus den Entlassungsberichten über die jeweiligen Reha-Aufenthalte ergebe sich keine quantitative Beeinträchtigung der Belastbarkeit im Berufsleben.

Mit den Beteiligten ist am 13.08.2015 ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Insofern wird auf die Niederschrift über den Termin Bezug genommen.

Das LSG hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch Beschluss vom 12.08.2015 abgelehnt.

Unter dem 04.12.2015 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 05.11.2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2011 sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf (Weiter-)Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.07.2011 hinaus hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (siehe hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger nach Gesamtwürdigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen keinen Anspruch auf die begehrte Rente. Zu dieser Überzeugung kommt der Senat insbesondere aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. W. und der Ärztin S., das im Wege des Urkundsbeweis verwertet worden ist, sowie der Einschätzung und Befunde in den Entlassungsberichten über die seit dem Jahr 2011 durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitationsleistungen.

Danach steht fest, dass der Kläger zumindest seit September 2011 an einer nicht organischen Insomnie, einem essenziellen Tremor und einer chronischen Lumbalgie ohne radikuläre Ausfälle leidet. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich bei dem Kläger etwa seit dem Jahr 2012 eine somatoforme Schmerzstörung entwickelt hat, wie sich aus dem Entlassungsbericht der Kliniken S. ergibt. Zwar führt die Sachverständige Prof. Dr. W. in ihrem Gutachten diese Erkrankung nicht an. Es ist aber davon auszugehen, dass sich die Krankheit des Klägers zum Zeitpunkt dieser Untersuchung noch im Anfangsstadium befand, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Schmerzen am Rücken und in den Beinen äußerte, wohingegen der Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 28.07.15 zunehmende Schmerzen am ganzen Körper beschreibt. Des Weiteren besteht bei dem Kläger eine wiederkehrende depressive Störung mit einzelnen depressiven Episoden. Von einem dauerhaft oder mehr als sechs Monate anhaltenden depressiven Zustand ist dagegen nicht auszugehen. Prof. Dr. W. ist in ihrem Gutachten nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die ehemals bestehende depressive Episode zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung im April 2013 fast vollständig abgeklungen war und sich lediglich noch Restsymptome gezeigt haben. Diese Einschätzung stimmt mit den von ihr erhobenen Befunden überein. So beobachtete die Sachverständige bei dem Kläger zwar eine gewisse Traurigkeit und Anspannung. Sie vermerkte jedoch ebenfalls eine über weite Strecken bestehende Heiterkeit und Lockerheit und schilderte einen hohen Rededrang des Klägers bei lebhafter und teilweiser dramatischer Darstellung seiner Lebensgeschichte. Auch während des Reha-Aufenthaltes im Jahre 2014 konnten bei dem Kläger, wie sich aus dem psychischen Untersuchungsbefund im Entlassungsbericht ergibt, zwar ein geminderter Antrieb und eine Grübelneigung, jedoch eine unauffällige affektive Schwingungsfähigkeit festgestellt werden. Gegen Ende des Aufenthaltes waren die depressiven Beschwerden deutlich weniger ausgeprägt als bei der Aufnahme. Während des Aufenthaltes in den Kliniken S. im Jahr 2015 wird dann bei einer untergedrückten Stimmung mit Angaben von Lustlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und fehlender Freude im Leben bei hohem Leidensdruck eine depressive Erkrankung mittelgradiger Ausprägung angenommen, die im Entlassungsbericht in Übereinstimmung mit der Einschätzung von Prof. Dr. W. als einzelne depressive Episode eingeordnet wird. Eine länger als sechs Monate bestehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit lässt sich dadurch jedoch nicht begründen. Dieses Ergebnis wird auch gestützt durch die Angaben des Klägers bei der Untersuchung durch Prof. Dr. W., er liebe Computer und führe auf einer türkischen Internetseite Backgammon und andere Spiele aus, durch die intakte Sozialanbindung an seine Familie und der noch erhaltenen Freudefähigkeit.

Insoweit ist die Sachverständige Prof. Dr. W., jeweils gestützt durch die aktuellen Entlassungsberichte, schlüssig von einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen. Den Erkrankungen des Klägers kann hinreichend durch Berücksichtigung qualitativer Leistungseinbußen begegnet werden. So sind ihm aufgrund seiner Schmerzen insbesondere am Rücken und an den Beinen keine mittelschweren oder schweren Arbeiten mehr zumutbar und ferner Arbeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen zu vermeiden. Aufgrund des Tremors sind des Weiteren keine feinmotorischen Tätigkeiten mehr leidensgerecht. Wie sich dem Entlassungsbericht der Kliniken S. entnehmen lässt, sind außerdem Arbeiten mit hohen Anforderungen an das Arbeitstempo dem Kläger gesundheitlich nicht mehr zumutbar. Eine quantitative Leistungseinschränkung lässt sich durch die zumindest seit September 2011 bestehenden Gesundheitsstörungen des Klägers nicht belegen. Die Leistungseinschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. W. wird auch durch die berufliche Leistungsbewertung des Klägers durch die Ärztin S. in ihrem Gutachten vom 27.07.2011 bestätigt.

Nicht anschließen vermochte sich der Senat den Angaben der behandelnden Hausärzte sowie des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin S. über das Vorliegen einer weiterhin bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung mit kognitiven Defiziten. Diese ließen sich bei der Begutachtung durch Prof. Dr. W. nicht nachweisen. Die Sachverständige stellte sogar bei dem Kläger eine sehr gute Aufmerksamkeitsleistung und Konzentrationsfähigkeit fest. Ihr Befund stimmt auch mit den Befunderhebungen der letzten beiden Reha-Aufenthalte des Klägers überein. Bei der in der S.-Klinik durchgeführten internen und externen Belastungserprobung fielen im kognitiven Bereich keinerlei Defizite auf. Aus dem Entlassungsbericht der Kliniken S. ergibt sich zwar, dass der Kläger in Teilbereichen (Lern- und Behaltensleistung) nur defizitäre Leistungen erbrachte. Im Klinikalltag bezüglich normaler Alltagsgeschehnisse war der Kläger in seinen Gedächtnisleistungen unauffällig. Insgesamt geht jedoch auch dieser Entlassungsbericht von einer erhaltenen zeitlichen Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus, auch wenn darauf hingewiesen wird, dass eine langfristige Arbeitstrainingsmaßnahme notwendig erscheint, um das aktuelle Leistungsvermögen zu stabilisieren, und somit wohl eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit angenommen wird. Zu einem abweichenden Ergebnis ist der Senat auch nicht aufgrund der durch die Psychotherapeutin K. durchgeführte psychologische Testuntersuchung gekommen. Nach den Angaben der den Kläger von April bis September 2013 behandelnden Therapeutin habe die Testung bei dem Kläger eine deutliche Störung der Aufnahmekapazität, den Verdacht auf eine Gedächtnisstörung im Alltag sowie leichte Störungen der visuell-räumlichen Wahrnehmung ergeben. Diese Testergebnisse sind jedoch durch das klinische Bild des Klägers nicht bestätigt worden. Zudem waren bei der im Entlassungsbericht der S.-Klinik vom 01.04.2014 vermerkten klinikinternen testpsychologischen Untersuchung Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit nicht erkennbar. Prof. Dr. W. hat außerdem überzeugend darauf hingewiesen, dass einige von der Therapeutin K. durchgeführte Tests (Turm von Hanoi, TAP Gonogo) unauffällige Befunde ergaben und zudem nicht klar ist, vor welchem Hintergrund die Testerhebung erfolgte. Unbeachtlich ist daher auch, ob bei dem Kläger tatsächlich eine Enzephalopathie vorliegt. Denn diese geht nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. W. nicht zwingend mit kognitiven Beeinträchtigungen einher. Darüber hinaus verneinte der Kläger bei seiner Befragung durch Prof. Dr. W. typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung wie Flash-Backs oder ein verkehrsbezogenes Vermeidungsverhalten. So gab der Kläger ihr gegenüber beispielsweise an, er könne sich grundsätzlich vorstellen, als Taxifahrer zu arbeiten. Zutreffend haben Prof. Dr. W. und auch die Ärztin S. darauf hingewiesen, dass der Kläger erst im September 2011, somit nach Ablehnung seines Antrags durch die Beklagte, die lange Zeit unterbrochene Behandlung durch den Facharzt wieder aufgenommen hat.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes oder wegen eingeschränkter Wegefähigkeit beeinträchtigt ist, liegen nicht vor.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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