Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 6773/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3999/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. September 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.
Der 1964 geborene Kläger ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Sohn. Ein weiteres Kind aus einer ihrer früheren Beziehungen lebt ebenfalls im Haushalt. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte der Kläger eine Lehre als Fahrzeuglackierer. Nach mehreren wechselnden Beschäftigungsverhältnissen wurde das letzte Arbeitsverhältnis wegen mehrfacher krankheitsbedingter Fehlzeiten mit Ablauf des Jahres 2007 durch Aufhebungsvertrag beendet. Auch anschließend war er arbeitsunfähig erkrankt, bevor Zeiten der Arbeitslosigkeit folgten. Seit 2013 bezieht er eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Bereits am 16. Januar 2012 beantragte der Kläger die Feststellung des GdB nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Im Antragsformular gab er an, er leide an einer mittelschweren Depression, sozialem Rückzug, Anpassungs- und Schlafstörungen. Sein Tagesablauf sei gestört. Ferner liege bei ihm eine chronische Müdigkeit, eine Fibromyalgie und eine schwere Ganzkörperschmerzerkrankung vor. Hinzu kämen Kopfschmerzen und Migräne sowie Funktionsbehinderungen wegen einer Osteoporose, eine Einschränkung der Gehfähigkeit und Verspannungen. Ferner leide er an Schwindel beziehungsweise Gleichgewichtsstörungen. Überdies sei sein Sehfeld beeinträchtigt.
Der Beklagte zog verschiedene medizinische Befundunterlagen bei. Nach dem Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. von Dezember 2011 wurden der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung und eine leicht-mittelgradige depressive Störung diagnostiziert. Der Kläger leide unter Schmerz- und Schwindelgefühlen. Er befinde sich seit Mitte 2007 in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. M. in Stuttgart.
Priv.-Doz. Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Schlossklinik Bad Buchau, berichtete über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 6. bis 11. Februar 2012, den dieser vorzeitig mit ärztlichem Einverständnis beendete, es seien eine chronifizierte Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0), eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1) und der Verdacht auf eine Medikamentenabhängigkeit (ICD-10 F11.2) diagnostiziert worden. Aus psychologischer Sicht ordne er die vom Kläger geschilderten Symptome und Beschwerden, unter Einbeziehung der Vorbefunde, des Krankheitsverlaufes und des aktuellen psychopathologischen Befundes, diagnostisch als chronifizierte Somatisierungsstörung ein. Bei dieser seien, als Vollbild somatoformer Störungen, multiple, wiederholt auftretende und wechselnde körperliche Symptome charakteristisch und in Verbindung mit sozialen, interpersonalen und familiären Belastungen zu bringen. Früher sei beim Kläger indes eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden. Im Juli 2006 sei dieser nach eigenen Angaben bei der Arbeit zusammengebrochen. Er habe sich dort absolut müde, kraftlos und erschöpft gefühlt. Im Jahre 2006 und im Folgejahr habe er immer wieder versucht, an den Arbeitsplatz zurückzukehren, also etwa alle sechs Wochen, wobei er maximal jeweils drei bis fünf Tage durchgehalten habe. Dann sei es wegen Schwindelanfällen, Kraftlosigkeit und Schmerzbeschwerden nicht mehr gegangen. Nach eigenen Angaben treibe der Kläger dreimal in der Woche Sport, er laufe oder fahre Rad. An Medikamenten nehme er das stark wirkende Opioid Oxygesic (früherer Markenname: Oxycodon), 20 mg (1-1-1) und das Antidepressivum Trevilor (Arzneistoff: Venlafaxin), 150 mg (1-0-0) zu sich.
Nach einem Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. von Februar 2012 habe sich beim Kläger wegen der jahrelang bestehenden somatischen Beschwerden des statischen Apparates eine therapierefraktäre somatoforme Schmerzstörung entwickelt. Wegen der Chronizität der Beschwerden sei die Prognose für eine durchgreifende Verbesserung eher ungünstig. Ohne Zweifel sei der GdB des Klägers höher als 50 einzuschätzen.
Nach der Stellungnahme der Versorgungsärztin K. von April 2012 bedingten die Funktionsbeeinträchtigungen "chronisches Schmerzsyndrom, Depression, funktionelle Organbeschwerden" einen GdB von 30. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 2012 den GdB in dieser Höhe seit 16. Januar 2012 fest.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, woraufhin der Beklagte weitere medizinische Befundunterlagen beizog. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. äußerte im Juni 2012, bei der von ihm durchgeführten ambulanten psychiatrischen Therapie habe die Behandlung der depressiven Symptomatik in Verbindung mit einer Somatisierungsstörung im Vordergrund gestanden. Ein chronisches Schmerzsyndrom sei von ihm nicht behandelt worden. Die depressive Symptomatik sei außer durch stützende psychiatrische Gespräche mit antidepressiven Medikamenten behandelt worden. Zurzeit nehme der Kläger täglich Venlafaxin, 150 mg ein. Die depressive Symptomatik sei vor allem gekennzeichnet durch eine permanente Schwäche, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Auch im privaten Bereich sei der Kläger maximal zwei Stunden belastbar, ehe er sich wieder ausruhen müsse. Er neige zu einem Rückzugsverhalten mit sozialen Ängsten. Diesbezüglich sei es mittlerweile zu einem gewissen Vermeidungsverhalten in Bezug auf soziale Kontakte gekommen. Darüber hinaus finde sich eine Somatisierungsstörung mit multiplen, wiederholt auftretenden, wechselnden körperlichen Beschwerden, die vor allem im Zusammenhang mit exogenen Stressoren aufträten.
Dr. L. ging in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2012 deswegen für die Funktionsbeeinträchtigungen "psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, Depression, funktionelle Organbeschwerden, chronisches Schmerzsyndrom, Fibromyalgiesyndrom" von einem GdB von 50 aus.
Von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, der für den Kläger zuständigen Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung, zog der Beklagte weitere medizinische Befundunterlagen bei. Die Ärztin für Anästhesie Dr. St. diagnostizierte nach ihrem Bericht von Oktober 2010 ein Fibromyalgiesyndrom aufgrund einer depressiven Grunderkrankung. Nach dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 31. Mai 2011, welches in einem Verfahren zur Feststellung eines Rechts auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG, Az. S 21 R 5888/10) eingeholt wurde, leidet der Kläger an einer mittelschweren somatoformen Schmerzstörung in Form von Somatisierungsstörungen, Angst und Depression gemischt sowie einer Persönlichkeit mit narzisstischen und emotional instabilen Zügen. Im Rentenverwaltungsverfahren sei am 19. Mai 2010 eine nervenärztliche Begutachtung bei Dr. B. veranlasst worden. Dieser habe unter anderem ein erhebliches Rentenbegehren des Klägers erkannt. Er sei klagsam, latent aggressiv und von der Stimmung moros gewesen. Es hätten sich Störungen im Hinblick auf eine emotionale Impulskontrolle und narzisstische Persönlichkeitszüge gezeigt. Eine Persönlichkeitsstörung im eigentlichen Sinne sei jedoch nicht diagnostiziert worden. Bei der gutachterlichen Untersuchung sei er deutlich depressiv herabgestimmt und in der affektiven Schwingungsfähigkeit eingeschränkt gewesen. Seinen Alltag habe er als sehr eingeschränkt geschildert. Die meiste Zeit verbringe er vor dem Fernseher. Aus dem Haus gehe er zwar kaum, aber doch noch. Er habe von einem Roller und von öffentlichen Verkehrsmitteln berichtet, mit denen er seine Therapeuten aufsuche. Auffallend sei, dass er diese relativ häufig gewechselt habe. Zu vermuten sei die chronifizierte Selbsteinschätzung des Klägers, Opfer zu sein und sich völlig im Recht zu befinden, Versorgungsleistungen über die Versichertengemeinschaft zu erhalten. Dies habe er recht offen und wiederholt erwähnt. Aufgrund seiner Art mit dysphorischem, vorwurfsvollem und latent-aggressivem Verhalten, verbunden mit einer hohen Anspruchshaltung an andere, einschließlich der Versorgungssysteme, erwecke dies durchaus negative Gefühle mit einer dementsprechend daraus resultierenden Einschätzung der Persönlichkeit des Klägers. Bei zeitlicher und emotionaler Distanz müsse gleichwohl festgehalten werden, dass bei diesem ein erheblicher Leidensdruck bestehe. Er sei relativ intensiv bemüht, therapeutische Hilfe zu erreichen. Die Diagnose "Fibromyalgie" sei für ihn ein Anker, sozusagen eine reale Grundlage für seine Beschwerden.
Das Rentenverfahren vor dem SG endete durch übereinstimmende Erledigungserklärung, der ein Vergleich zugrunde lag, wonach sich die Beteiligten einig waren, dass der Kläger, insbesondere im Falle weiterer medizinischer Erkenntnisse, nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seinen im Jahre 2009 gestellten Rentenantrag weiterverfolgen kann.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 zurückgewiesen. Nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen seien die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in vollem Umfang erfasst und unter Berücksichtigung der versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. An Funktionsbehinderungen seien ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, eine Depression, funktionelle Organbeschwerden, ein chronisches Schmerzsyndrom sowie ein Fibromyalgiesyndrom berücksichtigt worden. Im Rentenverfahren sei dem Kläger volle Leistungsfähigkeit bescheinigt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 12. Dezember 2012 beim SG Klage erhoben, welches schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. M. und dem Facharzt für Orthopädie L. eingeholt hat.
Dr. M. hat im Februar 2013 geäußert, er beziehe sich auf seinen Befundbericht von Juni 2012, den er im Verwaltungsverfahren vorgelegt habe. Darin habe er bereits wesentliche Angaben hinsichtlich der erfolgten psychiatrischen Behandlung gemacht. Er habe den Kläger seither nur zweimal, im Oktober 2012 und Januar 2013, gesehen. Auch bei diesen beiden Terminen habe die Schmerzsymptomatik ganz im Vordergrund der Beschwerdeschilderung gestanden. Zu keinem Zeitpunkt habe hingegen eine Therapie des Schmerzsyndroms stattgefunden. Die depressive Symptomatik habe sich im Vergleich zur Befundbeschreibung im Juni 2012 nicht verändert. Bei weiterer Einnahme von täglich Venlafaxin, 150 mg habe sich ein unverändertes, vorbeschriebenes depressives Syndrom gefunden, welches bei der Beurteilung der damit verbundenen Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30 ausreichend berücksichtigt sei.
Der Facharzt für Orthopädie L. hat im Februar 2013 ausgeführt, er teile die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes auf seinem Fachgebiet. Die Wirbelsäulenerkrankung sei als mittelgradig zu bewerten, betroffen sei nur die Lendenwirbelsäule.
Das SG hat Dr. Sch. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 20. Januar 2014 hat er ausgeführt, dieser habe vor allem über eine abnorme Erschöpfbarkeit geklagt, die er nur schwer überwinden könne. Daneben habe er über in den Einzelheiten funktionell getönte Schmerzen berichtet. Er nehme zweimal täglich Oxygesic zu sich. Trotz eines Entzuges im Jahre 2013 greife er wieder darauf zurück. Daneben werde er mit Trevilor behandelt. Zum Tagesablauf habe er geschildert, etwa um 9 oder 10 Uhr, manchmal auch später, aufzustehen. Er erledige den gesamten Haushalt, alles, was seine Frau früher gemacht habe. Viermal täglich müsse er den Hund ausführen. Er sei sportlich aktiv, fahre Rad, betreibe Nordic Walking und mache gymnastische Übungen, die er noch von der Rehabilitationsmaßnahme kenne. Wenn es die Zeit zulasse, gehe er in eine Werkstatt, wo er Bekannte von früher treffe. Er habe einen großen Bekanntenkreis, darunter auch enge Freunde. Etwaige Rückzugstendenzen oder Schwierigkeiten innerhalb des Freundeskreises gebe es nicht. Er habe einen Führerschein, fahre Auto und Motorroller, mit dem er zum Untersuchungstermin gekommen sei. Eine depressive Verstimmung sei anamnestisch deutlich geworden, habe aber in der aktuellen Beschwerdeschilderung nicht im Vordergrund gestanden. Der Kläger leide an einer Dysthymie (ICD-10 F34.1), einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) und einer Opiatabhängigkeit (ICD-10 F11.-). Die somatoforme Schmerzstörung und die geklagte abnorme Erschöpfbarkeit seien zurzeit jeweils geringfügig bis leicht ausgeprägt. Die depressive Symptomatik sei als geringfügig einzustufen. Eine eigenständige Berücksichtigung der Medikamentenabhängigkeit sei nicht indiziert, da erhebliche Folgeschäden nicht vorhanden seien. Der GdB liege unter Berücksichtigung der aktuellen Befunde eher bei 20. Unter Beachtung der Langzeitanamnese und der unsicheren Prognose außerhalb der zur Zeit bestehenden Belastungen, bei teilweiser Überlagerung zwischen den Einzelbefunden, sei ein GdB von 30 wie bisher hingegen noch vertretbar. Mit Wahrscheinlichkeit könne davon ausgegangen werden, dass ein vergleichbarer Befund wie derzeit bereits vor Januar 2012 vorgelegen habe.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG bei Dr. A. ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten eingeholt. Nach einer Untersuchung des Klägers am 2. Mai 2014 hat dieser eine rezidivierende depressive Störung mit aktuell leichter Krankheitsepisode (ICD-10 F33.0), eine somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) und eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (ICD-10 F62.80) diagnostiziert. Bei der Untersuchungssituation habe sich ein Beschwerdebild gezeigt, welches mit einer affektiven Beschwerdesymptomatik wechselnden Charakters einhergehe. Diese äußere sich in einer Beeinträchtigung der Antriebs- und Affektlage, in formalen Denkstörungen im Sinne von negativen Denkeinengungen sowie einer erlebten Beeinträchtigung der Durchhaltefähigkeit und der konzentrativen Belastbarkeit. Im Weiteren liege eine somatoforme Schmerzverarbeitungsstörung vor, in deren Rahmen sich seit längerem eine Persönlichkeitsänderung eingestellt habe. Diese äußere sich durch Unruhe- und Nervositätserleben, leichte Reizbarkeit unter Menschen sowie einen hiermit einhergehenden krankheitsbedingten, weitgehenden sozialen Rückzug. Im Wesentlichen pflege der Kläger nur noch innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Beziehungskontakte, ansonsten lebe er weitgehend sozial isoliert. Den Verlust seiner Belastbarkeit für eine Berufstätigkeit als Lackierer und die früher von ihm ausgeübten sportlichen Aktivitäten erlebe der Kläger als deprimierend, das Leben als an sich aussichtslos. Gegenwärtig würden dem Kläger Oxygesic, 40 mg (1-1-1) und Venlafaxin retard, 150 mg (1-0-0) verordnet. Die psychischen Störungen seien daher mit einem GdB von 50 zu bewerten. Dr. Sch. habe sich im Wesentlichen auf seinen Eindruck der aktuellen Befundsituation bezogen. Die Aussagefähigkeit seines Gutachtens sei unter anderem auch dadurch eingeschränkt, dass die psychiatrische Untersuchung nur symptomatisch erfolgt sei, was durch den unvollständigen psychischen Befund deutlich werde. Seine Einschätzung habe er folglich auf eine unzureichende psychiatrische Exploration und ausschließlich beobachtbare Merkmale wie Gestik, Mimik und Redefluss gestützt. Aspekte einer Persönlichkeitsänderung seien nicht untersucht worden.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. September 2015 abgewiesen. Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen wegen seelischer Störungen seien zur Überzeugung der Kammer mit einem GdB von 30 zutreffend bewertet. Der Sachverständige Dr. A. habe offenbar die Lebensgeschichte des Klägers und dessen Beschwerdeangaben bewertet. Eine Auseinandersetzung mit dem tatsächlich bei der Untersuchung gewonnenen Eindruck sei nicht erfolgt. Selbst wenn Dr. A. gefolgt und von einer mittelschweren psychischen Störung ausgegangen werde, rechtfertige dies nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen keinen GdB von 50. Die hierfür erforderliche schwere Störung liege beim Kläger selbst nach seinen Ausführungen im Gutachten nicht vor. Davon abgesehen seien die von ihm angegebenen mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten nicht nachvollziehbar. Nach dem Gutachten pflege der Kläger innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Beziehungskontakte. Weiter übernehme er Haushaltsarbeiten und gehe mit dem Hund spazieren. Relevante Schlafstörungen habe er überdies nicht angeführt. Der sachverständige Zeuge Dr. M. bewerte die beim Kläger auf seinen Fachgebieten vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen ebenfalls mit einem GdB von 30 als ausreichend. Soweit der sachverständige Zeuge L. in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers von mittelgradigen Auswirkungen ausgehe, seien solche nicht mit medizinischen Befunden belegt. Damit zusammenhängende Beschwerden könnten lediglich auf das chronische Schmerzsyndrom zurückgeführt werden, welches bereits im Rahmen der seelischen Störung bewertet worden sei. Davon abgesehen habe er der Einschätzung des GdB durch den Beklagten zugestimmt. Weitere für den GdB relevante Gesundheitsstörungen ließen sich den medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Insgesamt ergebe sich somit ein Gesamt-GdB von 30.
Gegen die Entscheidung des SG hat der Kläger am 21. September 2015 Berufung eingelegt.
Er trägt im Wesentlichen vor, Dr. A. verweise auf seine schwere soziale Anpassungsstörung mit sozialer Isolierung und mangelnden zwischenmenschlichen Beziehungskontakten. Deswegen und unter Berücksichtigung eines schweren chronischen Schmerzsyndroms seien die bei ihm vorhandenen Funktionseinschränkungen mit einem GdB von 50 zu bewerten. Bislang nicht berücksichtigt sei, dass bei ihm zeitweise Schwindel auftrete, der mit Gleichgewichtsstörungen verbunden sei. Darüber hinaus lägen Sehfeldstörungen vor.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. September 2015 und teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 30. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab 16. Januar 2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. Sch. und Dr. A. ergäben sich keine mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, weshalb ein höherer Gesamt-GdB als 30 nicht begründbar sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, einschließlich der Akte S 21 R 5888/10 des SG, und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässige Klage (vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung des GdB mit mindestens 50 ab 16. Januar 2012. Soweit mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung die Feststellung eines höheren GdB als 30 ab diesem Zeitpunkt abgelehnt worden ist, ist sie rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind der Gerichtsbescheid des SG vom 11. September 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012. Dem Anspruch des Klägers steht diese Verwaltungsentscheidung entgegen, weil sie das SG nicht teilweise aufgehoben hat.
Dieser Anspruch richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Eine Feststellung ist indes nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i. d. F. des Gesetzes vom 7. Januar 2015, BGBl II, S. 15). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten, Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regel-mäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern auf Grund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei dem auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab 16. Januar 2012 bis aktuell keinen höheren GdB als 30 bedingen.
Das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ist mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Insoweit leidet der Kläger an einer somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymia.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger an einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) als eine Form der somatoformen Störungen (ICD-10 F45.-) leidet, wie dies die Sachverständigen Dr. Sch. und Dr. A. nach ihren Begutachtungen im Januar und Mai 2014 diagnostiziert haben. Den Verdacht auf diese Diagnose hatte bereits Dr. B. in seinem Befundbericht von Dezember 2011 geäußert. Auf dieses Krankheitsbild hat auch der den Kläger behandelnde Hausarzt Dr. T. im Attest von Februar 2012 hingewiesen. Die Diagnosestellung von Dr. P. in seinem für das SG im Rentenverfahren (Az. S 21 R 5888/10) erstatteten Gutachten, welches als Sachverständigenbeweis verwertet worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO), ist hingegen nicht schlüssig. Er geht von einer mittelbaren somatoformen Schmerzstörung in Form von Somatisierungsstörungen aus. Bei den hierdurch umschriebenen Gesundheitsstörungen handelt es sich indes um unterschiedliche Formen einer somatoformen Störung, für die das Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 mit "F45.40" und "F45.0" unterschiedliche Schlüssel vorsieht. Seine Bewertung kann auch deshalb nicht nachvollzogen werden, da er die von ihm gestellte Diagnose nicht nach einem Diagnoseklassifikationssystem verschlüsselt hat. Soweit Priv.-Doz. Dr. M. nach einem stationären Aufenthalt des Klägers in der Schlossklinik Bad Buchau im Februar 2012 demgegenüber von einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) ausgegangen ist, hat er nach Ansicht des Senats den schon damals beim Kläger bestehenden Schmerzzustand unzureichend berücksichtigt, weshalb seine Diagnosestellung nicht schlüssig gewesen ist. Der sachverständige Zeuge Dr. M. hat die Schmerzen offenkundig unbeachtet gelassen. Denn er hat angegeben, den Kläger nicht wegen eines Schmerzsyndroms behandelt zu haben. Lediglich aus seiner Sicht ist er daher zutreffend von einer Somatisierungsstörung ausgegangen, nicht aber nach der objektiv bestehenden Befundlage.
Zudem geht der Senat davon aus, dass beim Kläger eine Dysthymia (ICD-10 F34.1) vorliegt, wie sie Dr. Sch. diagnostiziert hat. Das Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 umschreibt sie als eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F33.-) zu erfüllen. Da die depressive Verstimmung bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. Sch. anamnestisch nicht im Vordergrund stand und ihr Dr. A. ebenfalls keine herausragende Bedeutung beimaß, ist dessen Diagnosestellung einer rezidivierenden depressiven Störung mit aktuell leichter Krankheitsepisode (ICD-10 F33.0) demgegenüber nicht nachvollziehbar. Dr. A. beschreibt überdies genauso wenig wie Dr. B. und Priv.-Doz. Dr. M., die von einer leicht-mittelgradigen depressiven Störung beziehungsweise einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen sind, weder eine schwere Ausprägung dieser Erkrankung noch hinreichend anhaltende Episoden. Objektiviert ist demnach lediglich eine Dysthymia.
Die von Dr. A. gestellte Diagnose einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzzustand (ICD-10 F62.8) liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor, da die Anforderungen für diese Diagnosestellung nicht erfüllt sind. Nach ICD-10 F62.- sind Persönlichkeitsänderungen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger, anhaltender Belastung oder schweren psychiatrischen Krankheiten. Diese Diagnosen sollten nur dann gestellt werden, wenn Hinweise auf eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person vorliegen. Die Persönlichkeitsänderung sollte deutlich ausgeprägt sein und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden sein, das vor der pathogenen Erfahrung nicht bestanden hat. Die Änderung sollte nicht Ausdruck einer anderen psychischen Störung oder Residualsymptom einer vorangegangenen psychischen Störung sein. Nach den Ausführungen von Dr. A. äußert sich die Persönlichkeitsänderung des Klägers durch Unruhe- und Nervositätserleben, leichte Reizbarkeit unter Menschen sowie einem hiermit einhergehenden krankheitsbedingten, weitgehenden sozialen Rückzug. Im Wesentlichen pflege der Kläger nur noch innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Beziehungskontakte, ansonsten lebe er weitgehend sozial isoliert. Hieraus ist indes weder eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person ableitbar, geschweige denn belegt, dass sie deutlich ausgeprägt und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden ist. Die Diagnosestellung durch Dr. A. lässt zudem außer Acht, das weder nach der Anamnese noch sonst aktenkundig eine Extrembelastung oder schwere psychische Erkrankung ersichtlich ist, die aber Voraussetzung nach ICD-10 F 62 ist.
In Anlehnung an die VG, Teil B, Nr. 3.7, wonach Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdB von 80 bis 100 zu bewerten sind, rechtfertigen die wegen der somatoformen Schmerzstörung und der Dysthymia bestehenden Funktionsstörungen einen GdB von 30. Aus medizinischer Sicht halten Dr. Sch. und Dr. M. die dadurch bedingten Teilhabebeeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft ebenfalls mit diesem GdB-Wert ausreichend bewertet. Die Ausführungen von Dr. T. im Attest von Februar 2012, wonach der GdB des Klägers ohne Zweifel höher als 50 einzuschätzen sei, beinhalten keine Befundbeschreibung, die diese Bewertung stützen könnte. Die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. von Juli 2012 erfolgte einzig unter Nennung von angenommenen Krankheitsbildern, ohne dass hergeleitet worden ist, dass, und inwieweit, hieraus Funktionsbeeinträchtigungen folgen, die einen GdB von 50 nachvollziehbar erscheinen lassen könnten. Die von Dr. A. vorgenommene Einschätzung des GdB mit 50 ist bereits auf der Grundlage seiner Einlassung nicht nachvollziehbar. Er geht hierfür von Beeinträchtigungen hinsichtlich der Stimmungslage, des Antriebes, des formalen Denkens und der konzentrativen Belastbarkeit aus. Zudem lägen ein Unruhe- und Nervositätserleben sowie eine leichte Reizbarkeit mit erheblicher Verschlechterung bereits bei geringen Belastungen vor, was mit einem sozialen Rückzug verbunden sei. Im Wesentlichen pflege der Kläger nur noch innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Kontakte, ansonsten lebe er weitgehend sozial isoliert. Ausgehend hiervon sind jedoch keine schweren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten belegt, sondern allenfalls stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, für die nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen ein GdB über 40 nicht mehr für angemessen erachtet wird.
Die beim Kläger vorhandene Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist nach dem von ihm zu bewältigenden Alltag nur in einem solchen Umfang nachgewiesen, dass hierfür keinesfalls ein höherer GdB als am unteren Ende des insoweit eröffneten GdB-Rahmens von 30 bis 40 gerechtfertigt ist. So konnte der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung bei Dr. Sch. im Januar 2014 zwei Stunden zu Fuß unterwegs sein, bevor er nach Hause gehen und sich ausruhen musste. Selbst wenn ihm eine Rückkehr nach Hause nicht möglich war, konnte er unter zusätzlicher Kraftaufwendung den Weg fortsetzen. Hierzu passt seine Angabe, dass er viermal täglich mit dem Hund spazieren ging. Zudem erledigte er, wegen der Berufstätigkeit seiner Ehefrau, anstehende Tätigkeiten im Haushalt. Er war weiter sportlich aktiv. Er fuhr Fahrrad, betrieb Nordic Walking und führte die gymnastischen Übungen durch, die er während der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Schlossklinik Bad Buchau erlernt hatte. Gegenüber Dr. Sch. gab der Kläger an, einen großen Bekanntenkreis zu haben, darunter auch enge Freunde. Er betonte ausdrücklich, dass etwaige Rückzugstendenzen oder Schwierigkeiten innerhalb des Freundeskreises nicht bestanden. Gelegentlich suchte er eine Autowerkstatt auf, wo er frühere Bekannte traf. Zur Untersuchung bei Dr. Sch. kam er mit dem Motorroller. Soweit Dr. A. den Kläger überhaupt zum Tagesablauf befragte, ergab sich im Mai 2014 gegenüber den Angaben etwa vier Monate zuvor nur ein geringfügiger Unterschied. Denn auch gegenüber Dr. A. berichtete der Kläger auf Nachfrage zum Tagesablauf, mehrmals mit dem Hund spazieren zu gehen. Bis auf das Wäsche waschen erledige er den Haushalt. Mehr in den Vordergrund rückte gegenüber der bei Dr. Sch. geschilderten Tagesstruktur, dass er mangels Interesse die Hausaufgaben des gemeinsamen Sohnes nicht betreuen könne, sowie ihm beim Fernsehen schauen und bei der Internetnutzung die Ruhe und Konzentration fehle. Der Kläger gab darüber hinaus zwar von sich aus gegenüber Dr. A. an, früher eine andere Person und viel unterwegs gewesen zu sein, also agil, interessiert, mit Freude am Leben und viel Sport treibend, was sich deutlich verändert habe. Zudem verbleibe ihm, bei lediglich vereinzelt übrig gebliebenen Kontakten zu früheren Freunden, nur noch die Familie. Da er hingegen weiter vorbrachte, dieser Zustand habe sich bereits seit acht Jahren entwickelt, hält der Senat diese Angaben nicht für glaubhaft, da er etwa vier Monate zuvor gegenüber Dr. Sch. eine völlig andere Situation beschrieben und Einwände gegen das ihm mit gerichtlichem Schreiben des SG vom 31. Januar 2014 übersandte Gutachten nicht vorgebracht hat. Zudem gab er gegenüber Priv.-Doz. Dr. M. Anfang Februar 2012 ebenfalls an, dreimal in der Woche Sport zu treiben. Er laufe oder fahre Rad. Dr. A. hat seiner gutachterlichen Bewertung im Wesentlichen die Schilderung des Klägers zugrunde gelegt, ohne das ein damit in Einklang stehender psychopathologischer Befund erhoben worden ist, auf dessen Grundlage die Einschätzung des GdB mit 50 hätte nachvollzogen werden können. Soweit Dr. A. zur Begutachtung durch Dr. Sch. eingewendet hat, dieser habe eine unvollständige psychiatrische Exploration durchgeführt, zielt dies im Kern darauf ab, Aspekte einer Persönlichkeitsänderung nicht untersucht zu haben. Demgegenüber stellt sich für den Senat die Situation nach dem Gutachten so dar, dass Dr. Sch. eine ausreichende Exploration durchgeführt und einen umfassenden psychopathologischen Befund erhoben hat, indes, für den Senat überzeugend und zutreffend, eine Persönlichkeitsänderung nicht hat vorfinden können; wie im Übrigen auch Dr. P., der ausdrücklich erwähnt hat, dass eine Persönlichkeitsstörung im eigentlichen Sinne nicht diagnostiziert werden konnte. Es fanden sich lediglich Störungen im Hinblick auf eine emotionale Impulskontrolle und narzisstische Persönlichkeitszüge. Ein höherer GdB als 30 kommt daher nicht in Betracht.
Dr. Sch. hat zwar wegen der Einnahme des stark wirkenden Opioids Oxygesic, welches der Kläger trotz Entzuges im Jahre 2013 wieder einnimmt, eine Opiatabhängigkeit diagnostiziert, wobei diese, er hat es mit "F11.-" offengelassen, wohl dem Diagnoseschlüssel "F11.2" zuzuordnen ist. Nach seinen schlüssigen Ausführungen sind bislang indes trotz des Gebrauches dieser psychotropen Substanz keine erheblichen Folgeschäden eingetreten, weshalb unter Berücksichtigung der VG, Teil B, Nr. 3.8 hierdurch der GdB von 30 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" nicht zu erhöhen ist.
Der vom Kläger beschriebene Schwindel, der zwar mit Gleichgewichtsstörungen verbunden sei, aber nur zeitweilig auftrete, nimmt bereits nach seinem Vorbringen kein solches Ausmaß ein, dass, mangels unklarer Genese unterstellt, das Krankheitsbild ist überhaupt dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen, hieraus Funktionsbeeinträchtigungen resultieren können, die geeignet wären, den GdB für dieses Funktionssystem zu erhöhen. Gleiches gilt hinsichtlich der im Erstantragsformular gegenüber dem Beklagten angegebenen Kopfschmerzen und der Migräne. Ohnehin sind sowohl der Schwindel wie auch die Kopfschmerzen und die Migräne zuletzt vom Kläger, insbesondere bei den Anamnesen durch Dr. Sch. und Dr. A., nicht mehr angeführt worden.
Das Funktionssystem "Rumpf" hat keinen GdB messbaren Ausmaßes zur Folge. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 haben Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Der sachverständige Zeuge L. ist von einem mittelschweren Grad der Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich ausgegangen und hat sich hierbei auf die von ihm gestellte Diagnose einer Osteoponie unklarer Genese gestützt, also erst einer Vorstufe der vom Kläger im Erstantragsformular dem Beklagten gegenüber angeführten Osteoporose. Eine Abnahme der Knochendichte an der Lendenwirbelsäule wird zwar durch den vorgelegten Befundbericht von Dr. B. von Mai 2012 bestätigt. Hingegen hat der sachverständige Zeuge L. weder bestehende Funktionseinschränkungen dargelegt noch Parameter von Funktionsprüfungen mitgeteilt, anhand derer solche nachvollzogen werden könnten. Folglich sind nicht wenigstens geringe funktionelle Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule nachgewiesen, die überhaupt einen GdB stützen könnten. Die Fibromyalgie ist zwar im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen (VG, Teil B, Nr. 18.4). Solche sind indes nicht objektiviert. Dr. St., die diese Diagnose Anfang Oktober 2010 gestellt hat, hat lediglich angegeben, dem Kläger deswegen Oxycodon verschrieben zu haben, ohne dass damit verbundene Funktionsbehinderungen konkretisiert worden sind.
Sonst sind keine mit einem höheren GdB als 10 zu bewertende behinderungsbedingte Funktionseinschränkungen objektiviert, insbesondere nicht wegen der vom Kläger angeführten Sehfeldstörung, die er zwar bereits im Erstantragsformular gegenüber dem Beklagten angegeben hat, derentwegen er sich bislang aber offenbar nicht in fachärztliche Behandlung hat begeben müssen. Angaben hierzu hat er jedenfalls nicht gemacht.
Insgesamt bestehen beim Kläger daher seit Mitte Januar 2012 bis aktuell Funktionsbeeinträchtigungen, die mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet sind.
Die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. von Juli 2012, wonach die beim Kläger vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 50 zu bewerten sind, stellt nach dem objektiven Empfängerhorizont keine Zusage dar, den GdB in dieser Höhe festzustellen. Dadurch hat der Beklagte, dem diese Stellungnahme lediglich als medizinische Grundlage für die rechtliche Bewertung des GdB dienen sollte, keine Zusicherung gemäß § 34 SGB X erteilt, die es ihm verwehrte ("dolo agit-Einwand", vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 17/12 R -, juris, Rz. 15), einen geringeren GdB festzusetzen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.
Der 1964 geborene Kläger ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Sohn. Ein weiteres Kind aus einer ihrer früheren Beziehungen lebt ebenfalls im Haushalt. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte der Kläger eine Lehre als Fahrzeuglackierer. Nach mehreren wechselnden Beschäftigungsverhältnissen wurde das letzte Arbeitsverhältnis wegen mehrfacher krankheitsbedingter Fehlzeiten mit Ablauf des Jahres 2007 durch Aufhebungsvertrag beendet. Auch anschließend war er arbeitsunfähig erkrankt, bevor Zeiten der Arbeitslosigkeit folgten. Seit 2013 bezieht er eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Bereits am 16. Januar 2012 beantragte der Kläger die Feststellung des GdB nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Im Antragsformular gab er an, er leide an einer mittelschweren Depression, sozialem Rückzug, Anpassungs- und Schlafstörungen. Sein Tagesablauf sei gestört. Ferner liege bei ihm eine chronische Müdigkeit, eine Fibromyalgie und eine schwere Ganzkörperschmerzerkrankung vor. Hinzu kämen Kopfschmerzen und Migräne sowie Funktionsbehinderungen wegen einer Osteoporose, eine Einschränkung der Gehfähigkeit und Verspannungen. Ferner leide er an Schwindel beziehungsweise Gleichgewichtsstörungen. Überdies sei sein Sehfeld beeinträchtigt.
Der Beklagte zog verschiedene medizinische Befundunterlagen bei. Nach dem Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. von Dezember 2011 wurden der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung und eine leicht-mittelgradige depressive Störung diagnostiziert. Der Kläger leide unter Schmerz- und Schwindelgefühlen. Er befinde sich seit Mitte 2007 in nervenärztlicher Behandlung bei Dr. M. in Stuttgart.
Priv.-Doz. Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Schlossklinik Bad Buchau, berichtete über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 6. bis 11. Februar 2012, den dieser vorzeitig mit ärztlichem Einverständnis beendete, es seien eine chronifizierte Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0), eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1) und der Verdacht auf eine Medikamentenabhängigkeit (ICD-10 F11.2) diagnostiziert worden. Aus psychologischer Sicht ordne er die vom Kläger geschilderten Symptome und Beschwerden, unter Einbeziehung der Vorbefunde, des Krankheitsverlaufes und des aktuellen psychopathologischen Befundes, diagnostisch als chronifizierte Somatisierungsstörung ein. Bei dieser seien, als Vollbild somatoformer Störungen, multiple, wiederholt auftretende und wechselnde körperliche Symptome charakteristisch und in Verbindung mit sozialen, interpersonalen und familiären Belastungen zu bringen. Früher sei beim Kläger indes eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert worden. Im Juli 2006 sei dieser nach eigenen Angaben bei der Arbeit zusammengebrochen. Er habe sich dort absolut müde, kraftlos und erschöpft gefühlt. Im Jahre 2006 und im Folgejahr habe er immer wieder versucht, an den Arbeitsplatz zurückzukehren, also etwa alle sechs Wochen, wobei er maximal jeweils drei bis fünf Tage durchgehalten habe. Dann sei es wegen Schwindelanfällen, Kraftlosigkeit und Schmerzbeschwerden nicht mehr gegangen. Nach eigenen Angaben treibe der Kläger dreimal in der Woche Sport, er laufe oder fahre Rad. An Medikamenten nehme er das stark wirkende Opioid Oxygesic (früherer Markenname: Oxycodon), 20 mg (1-1-1) und das Antidepressivum Trevilor (Arzneistoff: Venlafaxin), 150 mg (1-0-0) zu sich.
Nach einem Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. T. von Februar 2012 habe sich beim Kläger wegen der jahrelang bestehenden somatischen Beschwerden des statischen Apparates eine therapierefraktäre somatoforme Schmerzstörung entwickelt. Wegen der Chronizität der Beschwerden sei die Prognose für eine durchgreifende Verbesserung eher ungünstig. Ohne Zweifel sei der GdB des Klägers höher als 50 einzuschätzen.
Nach der Stellungnahme der Versorgungsärztin K. von April 2012 bedingten die Funktionsbeeinträchtigungen "chronisches Schmerzsyndrom, Depression, funktionelle Organbeschwerden" einen GdB von 30. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 2012 den GdB in dieser Höhe seit 16. Januar 2012 fest.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, woraufhin der Beklagte weitere medizinische Befundunterlagen beizog. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. äußerte im Juni 2012, bei der von ihm durchgeführten ambulanten psychiatrischen Therapie habe die Behandlung der depressiven Symptomatik in Verbindung mit einer Somatisierungsstörung im Vordergrund gestanden. Ein chronisches Schmerzsyndrom sei von ihm nicht behandelt worden. Die depressive Symptomatik sei außer durch stützende psychiatrische Gespräche mit antidepressiven Medikamenten behandelt worden. Zurzeit nehme der Kläger täglich Venlafaxin, 150 mg ein. Die depressive Symptomatik sei vor allem gekennzeichnet durch eine permanente Schwäche, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Auch im privaten Bereich sei der Kläger maximal zwei Stunden belastbar, ehe er sich wieder ausruhen müsse. Er neige zu einem Rückzugsverhalten mit sozialen Ängsten. Diesbezüglich sei es mittlerweile zu einem gewissen Vermeidungsverhalten in Bezug auf soziale Kontakte gekommen. Darüber hinaus finde sich eine Somatisierungsstörung mit multiplen, wiederholt auftretenden, wechselnden körperlichen Beschwerden, die vor allem im Zusammenhang mit exogenen Stressoren aufträten.
Dr. L. ging in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Juli 2012 deswegen für die Funktionsbeeinträchtigungen "psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, Depression, funktionelle Organbeschwerden, chronisches Schmerzsyndrom, Fibromyalgiesyndrom" von einem GdB von 50 aus.
Von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, der für den Kläger zuständigen Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung, zog der Beklagte weitere medizinische Befundunterlagen bei. Die Ärztin für Anästhesie Dr. St. diagnostizierte nach ihrem Bericht von Oktober 2010 ein Fibromyalgiesyndrom aufgrund einer depressiven Grunderkrankung. Nach dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 31. Mai 2011, welches in einem Verfahren zur Feststellung eines Rechts auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG, Az. S 21 R 5888/10) eingeholt wurde, leidet der Kläger an einer mittelschweren somatoformen Schmerzstörung in Form von Somatisierungsstörungen, Angst und Depression gemischt sowie einer Persönlichkeit mit narzisstischen und emotional instabilen Zügen. Im Rentenverwaltungsverfahren sei am 19. Mai 2010 eine nervenärztliche Begutachtung bei Dr. B. veranlasst worden. Dieser habe unter anderem ein erhebliches Rentenbegehren des Klägers erkannt. Er sei klagsam, latent aggressiv und von der Stimmung moros gewesen. Es hätten sich Störungen im Hinblick auf eine emotionale Impulskontrolle und narzisstische Persönlichkeitszüge gezeigt. Eine Persönlichkeitsstörung im eigentlichen Sinne sei jedoch nicht diagnostiziert worden. Bei der gutachterlichen Untersuchung sei er deutlich depressiv herabgestimmt und in der affektiven Schwingungsfähigkeit eingeschränkt gewesen. Seinen Alltag habe er als sehr eingeschränkt geschildert. Die meiste Zeit verbringe er vor dem Fernseher. Aus dem Haus gehe er zwar kaum, aber doch noch. Er habe von einem Roller und von öffentlichen Verkehrsmitteln berichtet, mit denen er seine Therapeuten aufsuche. Auffallend sei, dass er diese relativ häufig gewechselt habe. Zu vermuten sei die chronifizierte Selbsteinschätzung des Klägers, Opfer zu sein und sich völlig im Recht zu befinden, Versorgungsleistungen über die Versichertengemeinschaft zu erhalten. Dies habe er recht offen und wiederholt erwähnt. Aufgrund seiner Art mit dysphorischem, vorwurfsvollem und latent-aggressivem Verhalten, verbunden mit einer hohen Anspruchshaltung an andere, einschließlich der Versorgungssysteme, erwecke dies durchaus negative Gefühle mit einer dementsprechend daraus resultierenden Einschätzung der Persönlichkeit des Klägers. Bei zeitlicher und emotionaler Distanz müsse gleichwohl festgehalten werden, dass bei diesem ein erheblicher Leidensdruck bestehe. Er sei relativ intensiv bemüht, therapeutische Hilfe zu erreichen. Die Diagnose "Fibromyalgie" sei für ihn ein Anker, sozusagen eine reale Grundlage für seine Beschwerden.
Das Rentenverfahren vor dem SG endete durch übereinstimmende Erledigungserklärung, der ein Vergleich zugrunde lag, wonach sich die Beteiligten einig waren, dass der Kläger, insbesondere im Falle weiterer medizinischer Erkenntnisse, nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seinen im Jahre 2009 gestellten Rentenantrag weiterverfolgen kann.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 zurückgewiesen. Nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen seien die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in vollem Umfang erfasst und unter Berücksichtigung der versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. An Funktionsbehinderungen seien ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, eine Depression, funktionelle Organbeschwerden, ein chronisches Schmerzsyndrom sowie ein Fibromyalgiesyndrom berücksichtigt worden. Im Rentenverfahren sei dem Kläger volle Leistungsfähigkeit bescheinigt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 12. Dezember 2012 beim SG Klage erhoben, welches schriftliche sachverständige Zeugenaussagen bei Dr. M. und dem Facharzt für Orthopädie L. eingeholt hat.
Dr. M. hat im Februar 2013 geäußert, er beziehe sich auf seinen Befundbericht von Juni 2012, den er im Verwaltungsverfahren vorgelegt habe. Darin habe er bereits wesentliche Angaben hinsichtlich der erfolgten psychiatrischen Behandlung gemacht. Er habe den Kläger seither nur zweimal, im Oktober 2012 und Januar 2013, gesehen. Auch bei diesen beiden Terminen habe die Schmerzsymptomatik ganz im Vordergrund der Beschwerdeschilderung gestanden. Zu keinem Zeitpunkt habe hingegen eine Therapie des Schmerzsyndroms stattgefunden. Die depressive Symptomatik habe sich im Vergleich zur Befundbeschreibung im Juni 2012 nicht verändert. Bei weiterer Einnahme von täglich Venlafaxin, 150 mg habe sich ein unverändertes, vorbeschriebenes depressives Syndrom gefunden, welches bei der Beurteilung der damit verbundenen Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30 ausreichend berücksichtigt sei.
Der Facharzt für Orthopädie L. hat im Februar 2013 ausgeführt, er teile die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes auf seinem Fachgebiet. Die Wirbelsäulenerkrankung sei als mittelgradig zu bewerten, betroffen sei nur die Lendenwirbelsäule.
Das SG hat Dr. Sch. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 20. Januar 2014 hat er ausgeführt, dieser habe vor allem über eine abnorme Erschöpfbarkeit geklagt, die er nur schwer überwinden könne. Daneben habe er über in den Einzelheiten funktionell getönte Schmerzen berichtet. Er nehme zweimal täglich Oxygesic zu sich. Trotz eines Entzuges im Jahre 2013 greife er wieder darauf zurück. Daneben werde er mit Trevilor behandelt. Zum Tagesablauf habe er geschildert, etwa um 9 oder 10 Uhr, manchmal auch später, aufzustehen. Er erledige den gesamten Haushalt, alles, was seine Frau früher gemacht habe. Viermal täglich müsse er den Hund ausführen. Er sei sportlich aktiv, fahre Rad, betreibe Nordic Walking und mache gymnastische Übungen, die er noch von der Rehabilitationsmaßnahme kenne. Wenn es die Zeit zulasse, gehe er in eine Werkstatt, wo er Bekannte von früher treffe. Er habe einen großen Bekanntenkreis, darunter auch enge Freunde. Etwaige Rückzugstendenzen oder Schwierigkeiten innerhalb des Freundeskreises gebe es nicht. Er habe einen Führerschein, fahre Auto und Motorroller, mit dem er zum Untersuchungstermin gekommen sei. Eine depressive Verstimmung sei anamnestisch deutlich geworden, habe aber in der aktuellen Beschwerdeschilderung nicht im Vordergrund gestanden. Der Kläger leide an einer Dysthymie (ICD-10 F34.1), einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) und einer Opiatabhängigkeit (ICD-10 F11.-). Die somatoforme Schmerzstörung und die geklagte abnorme Erschöpfbarkeit seien zurzeit jeweils geringfügig bis leicht ausgeprägt. Die depressive Symptomatik sei als geringfügig einzustufen. Eine eigenständige Berücksichtigung der Medikamentenabhängigkeit sei nicht indiziert, da erhebliche Folgeschäden nicht vorhanden seien. Der GdB liege unter Berücksichtigung der aktuellen Befunde eher bei 20. Unter Beachtung der Langzeitanamnese und der unsicheren Prognose außerhalb der zur Zeit bestehenden Belastungen, bei teilweiser Überlagerung zwischen den Einzelbefunden, sei ein GdB von 30 wie bisher hingegen noch vertretbar. Mit Wahrscheinlichkeit könne davon ausgegangen werden, dass ein vergleichbarer Befund wie derzeit bereits vor Januar 2012 vorgelegen habe.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG bei Dr. A. ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten eingeholt. Nach einer Untersuchung des Klägers am 2. Mai 2014 hat dieser eine rezidivierende depressive Störung mit aktuell leichter Krankheitsepisode (ICD-10 F33.0), eine somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) und eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (ICD-10 F62.80) diagnostiziert. Bei der Untersuchungssituation habe sich ein Beschwerdebild gezeigt, welches mit einer affektiven Beschwerdesymptomatik wechselnden Charakters einhergehe. Diese äußere sich in einer Beeinträchtigung der Antriebs- und Affektlage, in formalen Denkstörungen im Sinne von negativen Denkeinengungen sowie einer erlebten Beeinträchtigung der Durchhaltefähigkeit und der konzentrativen Belastbarkeit. Im Weiteren liege eine somatoforme Schmerzverarbeitungsstörung vor, in deren Rahmen sich seit längerem eine Persönlichkeitsänderung eingestellt habe. Diese äußere sich durch Unruhe- und Nervositätserleben, leichte Reizbarkeit unter Menschen sowie einen hiermit einhergehenden krankheitsbedingten, weitgehenden sozialen Rückzug. Im Wesentlichen pflege der Kläger nur noch innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Beziehungskontakte, ansonsten lebe er weitgehend sozial isoliert. Den Verlust seiner Belastbarkeit für eine Berufstätigkeit als Lackierer und die früher von ihm ausgeübten sportlichen Aktivitäten erlebe der Kläger als deprimierend, das Leben als an sich aussichtslos. Gegenwärtig würden dem Kläger Oxygesic, 40 mg (1-1-1) und Venlafaxin retard, 150 mg (1-0-0) verordnet. Die psychischen Störungen seien daher mit einem GdB von 50 zu bewerten. Dr. Sch. habe sich im Wesentlichen auf seinen Eindruck der aktuellen Befundsituation bezogen. Die Aussagefähigkeit seines Gutachtens sei unter anderem auch dadurch eingeschränkt, dass die psychiatrische Untersuchung nur symptomatisch erfolgt sei, was durch den unvollständigen psychischen Befund deutlich werde. Seine Einschätzung habe er folglich auf eine unzureichende psychiatrische Exploration und ausschließlich beobachtbare Merkmale wie Gestik, Mimik und Redefluss gestützt. Aspekte einer Persönlichkeitsänderung seien nicht untersucht worden.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. September 2015 abgewiesen. Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen wegen seelischer Störungen seien zur Überzeugung der Kammer mit einem GdB von 30 zutreffend bewertet. Der Sachverständige Dr. A. habe offenbar die Lebensgeschichte des Klägers und dessen Beschwerdeangaben bewertet. Eine Auseinandersetzung mit dem tatsächlich bei der Untersuchung gewonnenen Eindruck sei nicht erfolgt. Selbst wenn Dr. A. gefolgt und von einer mittelschweren psychischen Störung ausgegangen werde, rechtfertige dies nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen keinen GdB von 50. Die hierfür erforderliche schwere Störung liege beim Kläger selbst nach seinen Ausführungen im Gutachten nicht vor. Davon abgesehen seien die von ihm angegebenen mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten nicht nachvollziehbar. Nach dem Gutachten pflege der Kläger innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Beziehungskontakte. Weiter übernehme er Haushaltsarbeiten und gehe mit dem Hund spazieren. Relevante Schlafstörungen habe er überdies nicht angeführt. Der sachverständige Zeuge Dr. M. bewerte die beim Kläger auf seinen Fachgebieten vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen ebenfalls mit einem GdB von 30 als ausreichend. Soweit der sachverständige Zeuge L. in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers von mittelgradigen Auswirkungen ausgehe, seien solche nicht mit medizinischen Befunden belegt. Damit zusammenhängende Beschwerden könnten lediglich auf das chronische Schmerzsyndrom zurückgeführt werden, welches bereits im Rahmen der seelischen Störung bewertet worden sei. Davon abgesehen habe er der Einschätzung des GdB durch den Beklagten zugestimmt. Weitere für den GdB relevante Gesundheitsstörungen ließen sich den medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Insgesamt ergebe sich somit ein Gesamt-GdB von 30.
Gegen die Entscheidung des SG hat der Kläger am 21. September 2015 Berufung eingelegt.
Er trägt im Wesentlichen vor, Dr. A. verweise auf seine schwere soziale Anpassungsstörung mit sozialer Isolierung und mangelnden zwischenmenschlichen Beziehungskontakten. Deswegen und unter Berücksichtigung eines schweren chronischen Schmerzsyndroms seien die bei ihm vorhandenen Funktionseinschränkungen mit einem GdB von 50 zu bewerten. Bislang nicht berücksichtigt sei, dass bei ihm zeitweise Schwindel auftrete, der mit Gleichgewichtsstörungen verbunden sei. Darüber hinaus lägen Sehfeldstörungen vor.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. September 2015 und teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 30. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 ab 16. Januar 2012 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. Sch. und Dr. A. ergäben sich keine mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, weshalb ein höherer Gesamt-GdB als 30 nicht begründbar sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, einschließlich der Akte S 21 R 5888/10 des SG, und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässige Klage (vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung des GdB mit mindestens 50 ab 16. Januar 2012. Soweit mit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung die Feststellung eines höheren GdB als 30 ab diesem Zeitpunkt abgelehnt worden ist, ist sie rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind der Gerichtsbescheid des SG vom 11. September 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012. Dem Anspruch des Klägers steht diese Verwaltungsentscheidung entgegen, weil sie das SG nicht teilweise aufgehoben hat.
Dieser Anspruch richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Eine Feststellung ist indes nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX i. d. F. des Gesetzes vom 7. Januar 2015, BGBl II, S. 15). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten, Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig ihrer Ursache, also final, bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regel-mäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern auf Grund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei dem auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer (unbenannten) Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab 16. Januar 2012 bis aktuell keinen höheren GdB als 30 bedingen.
Das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ist mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Insoweit leidet der Kläger an einer somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymia.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger an einer somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) als eine Form der somatoformen Störungen (ICD-10 F45.-) leidet, wie dies die Sachverständigen Dr. Sch. und Dr. A. nach ihren Begutachtungen im Januar und Mai 2014 diagnostiziert haben. Den Verdacht auf diese Diagnose hatte bereits Dr. B. in seinem Befundbericht von Dezember 2011 geäußert. Auf dieses Krankheitsbild hat auch der den Kläger behandelnde Hausarzt Dr. T. im Attest von Februar 2012 hingewiesen. Die Diagnosestellung von Dr. P. in seinem für das SG im Rentenverfahren (Az. S 21 R 5888/10) erstatteten Gutachten, welches als Sachverständigenbeweis verwertet worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO), ist hingegen nicht schlüssig. Er geht von einer mittelbaren somatoformen Schmerzstörung in Form von Somatisierungsstörungen aus. Bei den hierdurch umschriebenen Gesundheitsstörungen handelt es sich indes um unterschiedliche Formen einer somatoformen Störung, für die das Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 mit "F45.40" und "F45.0" unterschiedliche Schlüssel vorsieht. Seine Bewertung kann auch deshalb nicht nachvollzogen werden, da er die von ihm gestellte Diagnose nicht nach einem Diagnoseklassifikationssystem verschlüsselt hat. Soweit Priv.-Doz. Dr. M. nach einem stationären Aufenthalt des Klägers in der Schlossklinik Bad Buchau im Februar 2012 demgegenüber von einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) ausgegangen ist, hat er nach Ansicht des Senats den schon damals beim Kläger bestehenden Schmerzzustand unzureichend berücksichtigt, weshalb seine Diagnosestellung nicht schlüssig gewesen ist. Der sachverständige Zeuge Dr. M. hat die Schmerzen offenkundig unbeachtet gelassen. Denn er hat angegeben, den Kläger nicht wegen eines Schmerzsyndroms behandelt zu haben. Lediglich aus seiner Sicht ist er daher zutreffend von einer Somatisierungsstörung ausgegangen, nicht aber nach der objektiv bestehenden Befundlage.
Zudem geht der Senat davon aus, dass beim Kläger eine Dysthymia (ICD-10 F34.1) vorliegt, wie sie Dr. Sch. diagnostiziert hat. Das Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 umschreibt sie als eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10 F33.-) zu erfüllen. Da die depressive Verstimmung bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. Sch. anamnestisch nicht im Vordergrund stand und ihr Dr. A. ebenfalls keine herausragende Bedeutung beimaß, ist dessen Diagnosestellung einer rezidivierenden depressiven Störung mit aktuell leichter Krankheitsepisode (ICD-10 F33.0) demgegenüber nicht nachvollziehbar. Dr. A. beschreibt überdies genauso wenig wie Dr. B. und Priv.-Doz. Dr. M., die von einer leicht-mittelgradigen depressiven Störung beziehungsweise einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen sind, weder eine schwere Ausprägung dieser Erkrankung noch hinreichend anhaltende Episoden. Objektiviert ist demnach lediglich eine Dysthymia.
Die von Dr. A. gestellte Diagnose einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzzustand (ICD-10 F62.8) liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor, da die Anforderungen für diese Diagnosestellung nicht erfüllt sind. Nach ICD-10 F62.- sind Persönlichkeitsänderungen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger, anhaltender Belastung oder schweren psychiatrischen Krankheiten. Diese Diagnosen sollten nur dann gestellt werden, wenn Hinweise auf eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person vorliegen. Die Persönlichkeitsänderung sollte deutlich ausgeprägt sein und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden sein, das vor der pathogenen Erfahrung nicht bestanden hat. Die Änderung sollte nicht Ausdruck einer anderen psychischen Störung oder Residualsymptom einer vorangegangenen psychischen Störung sein. Nach den Ausführungen von Dr. A. äußert sich die Persönlichkeitsänderung des Klägers durch Unruhe- und Nervositätserleben, leichte Reizbarkeit unter Menschen sowie einem hiermit einhergehenden krankheitsbedingten, weitgehenden sozialen Rückzug. Im Wesentlichen pflege der Kläger nur noch innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Beziehungskontakte, ansonsten lebe er weitgehend sozial isoliert. Hieraus ist indes weder eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person ableitbar, geschweige denn belegt, dass sie deutlich ausgeprägt und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden ist. Die Diagnosestellung durch Dr. A. lässt zudem außer Acht, das weder nach der Anamnese noch sonst aktenkundig eine Extrembelastung oder schwere psychische Erkrankung ersichtlich ist, die aber Voraussetzung nach ICD-10 F 62 ist.
In Anlehnung an die VG, Teil B, Nr. 3.7, wonach Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdB von 80 bis 100 zu bewerten sind, rechtfertigen die wegen der somatoformen Schmerzstörung und der Dysthymia bestehenden Funktionsstörungen einen GdB von 30. Aus medizinischer Sicht halten Dr. Sch. und Dr. M. die dadurch bedingten Teilhabebeeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft ebenfalls mit diesem GdB-Wert ausreichend bewertet. Die Ausführungen von Dr. T. im Attest von Februar 2012, wonach der GdB des Klägers ohne Zweifel höher als 50 einzuschätzen sei, beinhalten keine Befundbeschreibung, die diese Bewertung stützen könnte. Die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. von Juli 2012 erfolgte einzig unter Nennung von angenommenen Krankheitsbildern, ohne dass hergeleitet worden ist, dass, und inwieweit, hieraus Funktionsbeeinträchtigungen folgen, die einen GdB von 50 nachvollziehbar erscheinen lassen könnten. Die von Dr. A. vorgenommene Einschätzung des GdB mit 50 ist bereits auf der Grundlage seiner Einlassung nicht nachvollziehbar. Er geht hierfür von Beeinträchtigungen hinsichtlich der Stimmungslage, des Antriebes, des formalen Denkens und der konzentrativen Belastbarkeit aus. Zudem lägen ein Unruhe- und Nervositätserleben sowie eine leichte Reizbarkeit mit erheblicher Verschlechterung bereits bei geringen Belastungen vor, was mit einem sozialen Rückzug verbunden sei. Im Wesentlichen pflege der Kläger nur noch innerhalb seiner Familie zwischenmenschliche Kontakte, ansonsten lebe er weitgehend sozial isoliert. Ausgehend hiervon sind jedoch keine schweren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten belegt, sondern allenfalls stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, für die nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen ein GdB über 40 nicht mehr für angemessen erachtet wird.
Die beim Kläger vorhandene Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist nach dem von ihm zu bewältigenden Alltag nur in einem solchen Umfang nachgewiesen, dass hierfür keinesfalls ein höherer GdB als am unteren Ende des insoweit eröffneten GdB-Rahmens von 30 bis 40 gerechtfertigt ist. So konnte der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung bei Dr. Sch. im Januar 2014 zwei Stunden zu Fuß unterwegs sein, bevor er nach Hause gehen und sich ausruhen musste. Selbst wenn ihm eine Rückkehr nach Hause nicht möglich war, konnte er unter zusätzlicher Kraftaufwendung den Weg fortsetzen. Hierzu passt seine Angabe, dass er viermal täglich mit dem Hund spazieren ging. Zudem erledigte er, wegen der Berufstätigkeit seiner Ehefrau, anstehende Tätigkeiten im Haushalt. Er war weiter sportlich aktiv. Er fuhr Fahrrad, betrieb Nordic Walking und führte die gymnastischen Übungen durch, die er während der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Schlossklinik Bad Buchau erlernt hatte. Gegenüber Dr. Sch. gab der Kläger an, einen großen Bekanntenkreis zu haben, darunter auch enge Freunde. Er betonte ausdrücklich, dass etwaige Rückzugstendenzen oder Schwierigkeiten innerhalb des Freundeskreises nicht bestanden. Gelegentlich suchte er eine Autowerkstatt auf, wo er frühere Bekannte traf. Zur Untersuchung bei Dr. Sch. kam er mit dem Motorroller. Soweit Dr. A. den Kläger überhaupt zum Tagesablauf befragte, ergab sich im Mai 2014 gegenüber den Angaben etwa vier Monate zuvor nur ein geringfügiger Unterschied. Denn auch gegenüber Dr. A. berichtete der Kläger auf Nachfrage zum Tagesablauf, mehrmals mit dem Hund spazieren zu gehen. Bis auf das Wäsche waschen erledige er den Haushalt. Mehr in den Vordergrund rückte gegenüber der bei Dr. Sch. geschilderten Tagesstruktur, dass er mangels Interesse die Hausaufgaben des gemeinsamen Sohnes nicht betreuen könne, sowie ihm beim Fernsehen schauen und bei der Internetnutzung die Ruhe und Konzentration fehle. Der Kläger gab darüber hinaus zwar von sich aus gegenüber Dr. A. an, früher eine andere Person und viel unterwegs gewesen zu sein, also agil, interessiert, mit Freude am Leben und viel Sport treibend, was sich deutlich verändert habe. Zudem verbleibe ihm, bei lediglich vereinzelt übrig gebliebenen Kontakten zu früheren Freunden, nur noch die Familie. Da er hingegen weiter vorbrachte, dieser Zustand habe sich bereits seit acht Jahren entwickelt, hält der Senat diese Angaben nicht für glaubhaft, da er etwa vier Monate zuvor gegenüber Dr. Sch. eine völlig andere Situation beschrieben und Einwände gegen das ihm mit gerichtlichem Schreiben des SG vom 31. Januar 2014 übersandte Gutachten nicht vorgebracht hat. Zudem gab er gegenüber Priv.-Doz. Dr. M. Anfang Februar 2012 ebenfalls an, dreimal in der Woche Sport zu treiben. Er laufe oder fahre Rad. Dr. A. hat seiner gutachterlichen Bewertung im Wesentlichen die Schilderung des Klägers zugrunde gelegt, ohne das ein damit in Einklang stehender psychopathologischer Befund erhoben worden ist, auf dessen Grundlage die Einschätzung des GdB mit 50 hätte nachvollzogen werden können. Soweit Dr. A. zur Begutachtung durch Dr. Sch. eingewendet hat, dieser habe eine unvollständige psychiatrische Exploration durchgeführt, zielt dies im Kern darauf ab, Aspekte einer Persönlichkeitsänderung nicht untersucht zu haben. Demgegenüber stellt sich für den Senat die Situation nach dem Gutachten so dar, dass Dr. Sch. eine ausreichende Exploration durchgeführt und einen umfassenden psychopathologischen Befund erhoben hat, indes, für den Senat überzeugend und zutreffend, eine Persönlichkeitsänderung nicht hat vorfinden können; wie im Übrigen auch Dr. P., der ausdrücklich erwähnt hat, dass eine Persönlichkeitsstörung im eigentlichen Sinne nicht diagnostiziert werden konnte. Es fanden sich lediglich Störungen im Hinblick auf eine emotionale Impulskontrolle und narzisstische Persönlichkeitszüge. Ein höherer GdB als 30 kommt daher nicht in Betracht.
Dr. Sch. hat zwar wegen der Einnahme des stark wirkenden Opioids Oxygesic, welches der Kläger trotz Entzuges im Jahre 2013 wieder einnimmt, eine Opiatabhängigkeit diagnostiziert, wobei diese, er hat es mit "F11.-" offengelassen, wohl dem Diagnoseschlüssel "F11.2" zuzuordnen ist. Nach seinen schlüssigen Ausführungen sind bislang indes trotz des Gebrauches dieser psychotropen Substanz keine erheblichen Folgeschäden eingetreten, weshalb unter Berücksichtigung der VG, Teil B, Nr. 3.8 hierdurch der GdB von 30 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" nicht zu erhöhen ist.
Der vom Kläger beschriebene Schwindel, der zwar mit Gleichgewichtsstörungen verbunden sei, aber nur zeitweilig auftrete, nimmt bereits nach seinem Vorbringen kein solches Ausmaß ein, dass, mangels unklarer Genese unterstellt, das Krankheitsbild ist überhaupt dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zuzuordnen, hieraus Funktionsbeeinträchtigungen resultieren können, die geeignet wären, den GdB für dieses Funktionssystem zu erhöhen. Gleiches gilt hinsichtlich der im Erstantragsformular gegenüber dem Beklagten angegebenen Kopfschmerzen und der Migräne. Ohnehin sind sowohl der Schwindel wie auch die Kopfschmerzen und die Migräne zuletzt vom Kläger, insbesondere bei den Anamnesen durch Dr. Sch. und Dr. A., nicht mehr angeführt worden.
Das Funktionssystem "Rumpf" hat keinen GdB messbaren Ausmaßes zur Folge. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 haben Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.
Der sachverständige Zeuge L. ist von einem mittelschweren Grad der Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich ausgegangen und hat sich hierbei auf die von ihm gestellte Diagnose einer Osteoponie unklarer Genese gestützt, also erst einer Vorstufe der vom Kläger im Erstantragsformular dem Beklagten gegenüber angeführten Osteoporose. Eine Abnahme der Knochendichte an der Lendenwirbelsäule wird zwar durch den vorgelegten Befundbericht von Dr. B. von Mai 2012 bestätigt. Hingegen hat der sachverständige Zeuge L. weder bestehende Funktionseinschränkungen dargelegt noch Parameter von Funktionsprüfungen mitgeteilt, anhand derer solche nachvollzogen werden könnten. Folglich sind nicht wenigstens geringe funktionelle Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule nachgewiesen, die überhaupt einen GdB stützen könnten. Die Fibromyalgie ist zwar im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen (VG, Teil B, Nr. 18.4). Solche sind indes nicht objektiviert. Dr. St., die diese Diagnose Anfang Oktober 2010 gestellt hat, hat lediglich angegeben, dem Kläger deswegen Oxycodon verschrieben zu haben, ohne dass damit verbundene Funktionsbehinderungen konkretisiert worden sind.
Sonst sind keine mit einem höheren GdB als 10 zu bewertende behinderungsbedingte Funktionseinschränkungen objektiviert, insbesondere nicht wegen der vom Kläger angeführten Sehfeldstörung, die er zwar bereits im Erstantragsformular gegenüber dem Beklagten angegeben hat, derentwegen er sich bislang aber offenbar nicht in fachärztliche Behandlung hat begeben müssen. Angaben hierzu hat er jedenfalls nicht gemacht.
Insgesamt bestehen beim Kläger daher seit Mitte Januar 2012 bis aktuell Funktionsbeeinträchtigungen, die mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet sind.
Die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. von Juli 2012, wonach die beim Kläger vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 50 zu bewerten sind, stellt nach dem objektiven Empfängerhorizont keine Zusage dar, den GdB in dieser Höhe festzustellen. Dadurch hat der Beklagte, dem diese Stellungnahme lediglich als medizinische Grundlage für die rechtliche Bewertung des GdB dienen sollte, keine Zusicherung gemäß § 34 SGB X erteilt, die es ihm verwehrte ("dolo agit-Einwand", vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 17/12 R -, juris, Rz. 15), einen geringeren GdB festzusetzen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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