Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 3019/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 4681/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Haben die nicht verheirateten Eltern nach § 1626a BGB die gemeinsame Übernahme der elterlichen Sorge erklärt, dann vermögen private Vereinbarungen über die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts keinen Anspruch eines Elternteils auf ein mehr als zwölfmonatiges Elterngeld nach Maßgabe des § 4 Abs 3 S 4 BEEG zu begründen (Anschluss an LSG Niedersachsen-Bremen 30.04.2013, L 2 EG 2/13, juris).
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Bestandteil der Personensorge ist von einer Wohnsitzbestimmung iSd § 11 BGB zu unterscheiden (Anschluss an Hamburgisches OVG 27.08.2015, 1 Bs 159/14, juris).
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Bestandteil der Personensorge ist von einer Wohnsitzbestimmung iSd § 11 BGB zu unterscheiden (Anschluss an Hamburgisches OVG 27.08.2015, 1 Bs 159/14, juris).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.10.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über weiteres Elterngeld.
Die 1979 geborene ledige Klägerin ist die Mutter des am 2013 geborenen Kindes L. V. H ... Die Klägerin lebt mit ihrem Kind in einem gemeinsamen Haushalt, der Vater des Kindes lebt in der Schweiz. Das Sorgerecht steht den Eltern aufgrund von Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs 1 Nr 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gemeinsam zu.
Am 18.09.2013 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. bis 14. Lebensmonat des Kindes. Mit Bescheid vom 18.10.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 1.097,32 EUR monatlich. Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Alleinerziehende, die nicht mit dem anderen Elternteil in einer Wohnung leben, könnten nur dann einen Anspruch auf Elterngeld bis zu 14 Monaten haben, wenn ihnen die alleinige elterliche Sorge oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zustehe.
Mit Schreiben vom 31.03.2014 beantragte die Klägerin erneut Elterngeld für 14 statt lediglich 12 Monate. Zur Begründung nahm sie Bezug auf § 4 Abs 3 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Die gesetzlichen Voraussetzungen träfen bei ihr voll und ganz zu.
Mit "Änderungsbescheid" vom 02.04.2014 lehnte die Beklagte diesen Antrag sinngemäß ab und teilte der Klägerin mit, der Anspruch für den 13. und 14. Lebensmonat könne neu überprüft werden, sofern die Klägerin eine Bescheinigung des Jugendamts über die elterliche Sorge sowie eine aktuelle Meldebescheinigung der Familie vorlege.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 28.04.2014 Widerspruch. Zur Begründung brachte der Bevollmächtigte vor, aus dem Umstand, dass die Klägerin mit ihrem Kind alleine in W. lebe, der Vater des Kindes aber in der Schweiz lebe und arbeite, ergebe sich, dass die Klägerin das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht habe. Mit Schreiben vom 21.05.2014 legte der Bevollmächtigte eine aktuelle Meldebestätigung der Stadt W. für die Klägerin und ihren Sohn sowie eine schriftliche Erklärung des Vaters vom 19.05.2014 vor. Dieser bestätigt darin, dass er gemeinsam mit der Klägerin das gemeinsame Sorgerecht habe, aber getrennte Wohnungen bestünden. Aufgrund dieser Situation habe er auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht verzichtet. Dieses werde allein von der Kindesmutter ausgeübt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die alleinige elterliche Sorge oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht sei eine der Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch. Nach Aktenlage bestehe ein gemeinsames Sorgerecht mit dem Vater des Kindes. Nachweise, dass der Klägerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht rechtswirksam übertragen worden sei, habe die Klägerin nicht vorgelegt. Sie habe daher lediglich Anspruch auf Elterngeld für 12 Lebensmonate. Eine neue Überprüfung des Anspruchs sei möglich, sofern die Klägerin Nachweise des Familiengerichts oder des Jugendamts über das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht vorlege.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.07.2014 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Ihr Sohn lebe ausschließlich bei ihr und werde von ihr betreut. Der Kindsvater sehe das Kind durchschnittlich dreimal monatlich, hauptsächlich am Wochenende. Sie habe seit 01.08.2014 auch die Steuerklasse 2 für Alleinerziehende. Faktisch übe sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine aus. Der Kindsvater habe auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht verzichtet. Sie hat sich auf ein Urteil des SG Lübeck vom 05.03.2013 (Az S 1 EG 1/11) berufen, wonach eine einfache Verzichtserklärung des anderen Elternteils gegenüber der Elterngeldstelle ausreiche, um von einem alleinigen Zustehen des Aufenthaltsbestimmungsrechts auszugehen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Sie ist der Auffassung, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 4 Abs 3 BEEG werde zumindest die vorläufige Übertragung der elterlichen Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind durch einstweilige Anordnung vorausgesetzt. Hieraus ergebe sich, dass nur eine gerichtliche Entscheidung über das Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht maßgebend sei. Eine außergerichtliche Vereinbarung der Eltern sei dagegen nicht ausreichend. Die gegenteilige Auffassung des SG Lübeck sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat ein Urteil des SG Ulm vom 19.09.2011 vorgelegt (Az S 12 EG 3056/08). Hierin werde bei vergleichbarer Konstellation ihre Rechtsauffassung bestätigt.
Mit Urteil vom 01.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes. § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 BEEG aF stelle seinem Wortlaut nach nicht auf die tatsächliche Ausübung von elterlicher Sorge oder Aufenthaltsbestimmungsrecht ab. Entscheidend sei, wer objektiv Rechtsinhaber der elterlichen Sorge oder des von ihr regelmäßig umfassten Aufenthaltsbestimmungsrechts (§ 1626 Abs 1 BGB) sei. Die Vorschrift knüpfe an familienrechtliche Vorgaben an. Vorliegend habe aufgrund der von den Eltern gegenüber dem Jugendamt abgegebenen Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs 1 Nr 1 BGB die elterliche Sorge für L. V. einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts beiden Eltern gemeinsam zugestanden. Eine rechtsverbindliche Abänderung dieses Rechtszustands hätte eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1671 BGB vorausgesetzt; rechtsgeschäftliche Erklärungen der Eltern wie vorliegend die schriftliche Verzichtserklärung des Vaters ersetzten diese nicht.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 12.10.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 09.11.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe das Gesetz fehlerhaft und zu Lasten der Klägerin ausgelegt. § 1671 BGB könne nicht entnommen werden, dass die Eltern nicht frei über das Aufenthaltsbestimmungsrecht disponieren könnten. Die Auffassung des SG Lübeck sei zutreffend. Ein missbräuchliches Verhalten sei nicht erkennbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.10.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheids vom 18.10.2013 Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes L. V. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG Bezug.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Ein weiterer Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonats des Kindes besteht nicht. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Bereits mit dem Bescheid vom 18.10.2013 hat die Beklagte es zu Recht abgelehnt, weiteres Elterngeld zu bewilligen. Dieser bestandskräftige Bescheid war daher nicht nach § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch teilweise zurückzunehmen, da weder das Recht unrichtig angewendet noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden ist.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 4 Abs 3 S 1 BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des G v 10.09.2012 (BGBl I 1878). Danach kann ein Elternteil höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen (zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfG 19.08.2011, 1 BvL 15/11, BVerfGK 19, 33, FamRZ 2011, 1645; Hessisches LSG 24.10.2011, L 6 EG 16/08). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drs 16/1889, 15) ging der Gesetzgeber bei dem vierzehnmonatigen Maximalzeitraum von einer zwölfmonatigen Kernzeit und zwei zusätzlichen Partnermonaten aus, die als Bonus für einen aktiven Beitrag des anderen Elternteils zur Kindererziehung gewährt werden. Die Regelung verfolgte das Ziel, für Männer die Chancen zu verbessern, aktive Väter zu sein, und Frauen die Rückkehr in das Berufsleben zu erleichtern. Zugleich wurde deutlich gemacht, dass das Gesetz keine Aufgabenverteilung in den Familien festlegen, sondern unterschiedliche Präferenzen für Beruf und Familie im Sinne eines Beitrags für die Gleichstellung der Geschlechter unterstützen wolle. Dementsprechend ist weiter in der Begründung zum Gesetzentwurf ausdrücklich ausgeführt (BT-Drs 16/1889, 16, 23), dass ein Elternteil das Elterngeld grundsätzlich nur bis zu 12 Monate erhalten könne und zwei weitere Monate (Partnermonate) dem anderen Elternteil vorbehalten seien. Hierdurch werde zum einen eine Anreizwirkung erreicht, sich bis zum Ablauf des auf 12 Monate begrenzten Bezugszeitraums um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur eigenständigen Sicherung der Lebensgrundlage zu bemühen. Zum anderen werde eine partnerschaftliche Teilung von Erwerbs- und Familienarbeit erleichtert.
Den Anspruch aus § 4 Abs 3 S 1 BEEG hat die Klägerin durch die Bewilligung von Elterngeld für den 3. bis 12. Lebensmonat sowie die nach § 4 Abs 3 S 2 BEEG anzurechnenden Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges im 1. und 2. Lebensmonat des Kindes ausgeschöpft.
Bei der Klägerin liegt auch keiner der Ausnahmefälle vor, in denen ein Elternteil abweichend vom Grundsatz des § 4 Abs 3 S 1 BEEG Elterngeld für 14 Lebensmonate beanspruchen kann. Dies gilt einmal für den Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 3 S 3 BEEG, wonach ein Elternteil für 14 Monate Elterngeld beziehen kann, wenn eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und mit der Betreuung durch den anderen Elternteil eine Gefährdung des Kindeswohls iS von § 1666 Abs 1 und 2 BGB verbunden wäre oder die Betreuung durch den anderen Elternteil unmöglich ist, insbesondere weil er wegen einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung sein Kind nicht betreuen kann. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung treffen auf die Klägerin nicht zu. Für eine Kindeswohlgefährdung bei Betreuung durch den anderen Elternteil oder die Unmöglichkeit der Betreuung durch den Vater, etwa wegen Schwerbehinderung oder schwerer Krankheit, bestehen keine Anhaltspunkte. Dergleichen hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass auch der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 3 S 4 BEEG nicht erfüllt ist. Dies würde nämlich nach Nr 1 der genannten Bestimmung voraussetzen, dass der Klägerin im streitigen Bezugszeitraum die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zustand oder sie eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit der ihr die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden ist. Hiervon ist die 2. Alternative (einstweilige Anordnung) von vorneherein und unstreitig ausgeschlossen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 Alt 1 BEEG liegen nicht vor. Der Klägerin stand im streitbetroffenen 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes weder die elterliche Sorge noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu. § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 BEEG stellt nach seinem Wortlaut ("zusteht") nicht auf die tatsächliche Ausübung von elterlicher Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts ab. Dabei ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu unterscheiden von der Wohnsitzbestimmung des § 11 BGB. Sind bei gemeinsamer Personensorge beide Elternteile darüber einig, dass das Kind auf Dauer bei einem Elternteil bleiben soll, hat das Kind nur bei diesem seinen Wohnsitz (Hamburgisches OVG 27.08.2015, 1 Bs 159/14, juris). Die von der Klägerin vorgelegte Meldebestätigung der Stadt W. vom 21.05.2014 und die schriftliche Erklärung des Vaters vom 19.05.2014 sind daher für die Frage, wem das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht, ohne Bedeutung. Entscheidend ist, wer objektiv Rechtsinhaber der elterlichen Sorge oder des von ihr regelmäßig umfassten Aufenthaltsbestimmungsrechts (§ 1626 Abs 1 Satz 2 iVm § 1631 Abs 1 BGB) ist (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen 30.04.2013, L 2 EG 2/13). Die Vorschrift knüpft damit an familienrechtliche Vorgaben an.
Vorliegend stand aufgrund der unstreitig von den Eltern gegenüber dem Jugendamt abgegebenen Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs 1 Nr 1 BGB die elterliche Sorge für den Sohn einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts beiden Eltern gemeinsam zu (zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf das Eltern-Kind-Verhältnis vgl Art 21 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)). Eine rechtsverbindliche Abänderung dieses Rechtszustands setzt eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1671 BGB voraus (LSG Niedersachsen-Bremen 30.04.2013, L 2 EG 2/13; Buchner/Becker, MuSchG, BEEG, 8. Aufl 2008 § 4 BEEG Rn 20; Pauli in Hambüchen, BEEG, EStG, BKKG, § 4 BEEG Rn 11). Das ergibt sich aus dem familienrechtlichen Grundsatz der Unverzichtbarkeit und Unübertragbarkeit der elterlichen Sorge (Huber in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 1626 Rn 13 jeweils mwN). Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck des § 4 Abs 3 BEEG. Denn bei der Formulierung von dessen S 4 wurde bewusst davon abgesehen, einem Elternteil die Möglichkeit zu einem Leistungsbezug für mehr als 12 Monate durch privatrechtliche, aber familienrechtlich unverbindliche Vereinbarungen zu eröffnen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich außerdem, dass durch die Anknüpfung an eine Entscheidung des Familiengerichts, zumindest in Form einer einstweiligen Anordnung, Missbrauch vorgebeugt werden solle (BT-Drs 16/1889, 23 f).
Nicht zu folgen ist der Auffassung, wonach auch eine einfache privatrechtliche Vereinbarung der Eltern genüge (SG Lübeck 05.03.2013, S 1 EG 1/11; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, BEEG, § 4 BEEG Rn 53). Dabei wird verkannt, dass der objektiven familienrechtlichen Rechtslage zuwiderlaufende außergerichtliche Vereinbarungen der Eltern rechtlich regelmäßig nicht verbindlich sind. Damit in den Fällen nach familienrechtlichen Grundsätzen gemeinsamer elterlicher Sorge bzw. gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts eines dieser Rechte einem Elternteil allein zusteht, bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung nach § 1671 BGB. Die Bedeutung der 2. Alt von § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 BEEG besteht entgegen dem SG Lübeck nicht darin, die familiengerichtliche Entscheidung alternativ neben die (familienrechtlich unbeachtliche) Vereinbarung der Eltern zu stellen. Vielmehr setzt 1. Alt der Norm eine gerichtliche (Hauptsache-)entscheidung voraus; die 2. Alt der Vorschrift lässt hiervon abweichend eine einstweilige Anordnung genügen (vgl zur Systematik Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, BEEG, § 4 BEEG Rn 53). Im Interesse der im vorliegenden Zusammenhang namentlich auch im Hinblick auf das Kindeswohl eine besondere Bedeutung aufweisenden Rechtssicherheit und -klarheit hat der Gesetzgeber davon abgesehen, für eine Abänderung der zunächst rechtswirksam begründeten gemeinsamen elterlichen Sorge privatrechtliche Vereinbarungen genügen zu lassen. Rechtlich verbindliche Sorgerechtsregelungen setzen auch bei Einvernehmen der Eltern eine gerichtliche Entscheidung voraus. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Rechtssinne kann durch eine Vereinbarung der Eltern nicht erfolgen, da das Sorgerecht und Teile des Sorgerechts für Eltern nicht disponibel sind (OLG Stuttgart 04.03.2014, 11 UF 42/14, FamRZ 2014, 1653; Schleswig-Holsteinisches OLG 04.10.2013, 13 WF 119/13, NJW 2014, 477; OLG Köln, 31.01.2013, 4 UF 233/12 ua, FamRZ 2013, 1591; Palandt/Götz, 75 Aufl 2016, § 1671 Rn 1). An diese familienrechtlichen Vorgaben knüpfen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 3 Satz 4 BEEG an. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, bereits anknüpfend an privatrechtliche (familienrechtlich ohnehin nicht rechtsverbindliche) Vereinbarungen einem Elternteil die Möglichkeit zu einem Leistungsbezug für mehr als zwölf Monate zu eröffnen (ebenso bereits LSG Niedersachsen-Bremen 30.04.2013, L 2 EG 2/13 unter Hinweis auf BT-Drs 16/1889, 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über weiteres Elterngeld.
Die 1979 geborene ledige Klägerin ist die Mutter des am 2013 geborenen Kindes L. V. H ... Die Klägerin lebt mit ihrem Kind in einem gemeinsamen Haushalt, der Vater des Kindes lebt in der Schweiz. Das Sorgerecht steht den Eltern aufgrund von Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs 1 Nr 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gemeinsam zu.
Am 18.09.2013 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 1. bis 14. Lebensmonat des Kindes. Mit Bescheid vom 18.10.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den 3. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 1.097,32 EUR monatlich. Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Alleinerziehende, die nicht mit dem anderen Elternteil in einer Wohnung leben, könnten nur dann einen Anspruch auf Elterngeld bis zu 14 Monaten haben, wenn ihnen die alleinige elterliche Sorge oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zustehe.
Mit Schreiben vom 31.03.2014 beantragte die Klägerin erneut Elterngeld für 14 statt lediglich 12 Monate. Zur Begründung nahm sie Bezug auf § 4 Abs 3 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Die gesetzlichen Voraussetzungen träfen bei ihr voll und ganz zu.
Mit "Änderungsbescheid" vom 02.04.2014 lehnte die Beklagte diesen Antrag sinngemäß ab und teilte der Klägerin mit, der Anspruch für den 13. und 14. Lebensmonat könne neu überprüft werden, sofern die Klägerin eine Bescheinigung des Jugendamts über die elterliche Sorge sowie eine aktuelle Meldebescheinigung der Familie vorlege.
Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 28.04.2014 Widerspruch. Zur Begründung brachte der Bevollmächtigte vor, aus dem Umstand, dass die Klägerin mit ihrem Kind alleine in W. lebe, der Vater des Kindes aber in der Schweiz lebe und arbeite, ergebe sich, dass die Klägerin das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht habe. Mit Schreiben vom 21.05.2014 legte der Bevollmächtigte eine aktuelle Meldebestätigung der Stadt W. für die Klägerin und ihren Sohn sowie eine schriftliche Erklärung des Vaters vom 19.05.2014 vor. Dieser bestätigt darin, dass er gemeinsam mit der Klägerin das gemeinsame Sorgerecht habe, aber getrennte Wohnungen bestünden. Aufgrund dieser Situation habe er auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht verzichtet. Dieses werde allein von der Kindesmutter ausgeübt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die alleinige elterliche Sorge oder zumindest das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht sei eine der Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch. Nach Aktenlage bestehe ein gemeinsames Sorgerecht mit dem Vater des Kindes. Nachweise, dass der Klägerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht rechtswirksam übertragen worden sei, habe die Klägerin nicht vorgelegt. Sie habe daher lediglich Anspruch auf Elterngeld für 12 Lebensmonate. Eine neue Überprüfung des Anspruchs sei möglich, sofern die Klägerin Nachweise des Familiengerichts oder des Jugendamts über das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht vorlege.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.07.2014 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Ihr Sohn lebe ausschließlich bei ihr und werde von ihr betreut. Der Kindsvater sehe das Kind durchschnittlich dreimal monatlich, hauptsächlich am Wochenende. Sie habe seit 01.08.2014 auch die Steuerklasse 2 für Alleinerziehende. Faktisch übe sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht alleine aus. Der Kindsvater habe auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht verzichtet. Sie hat sich auf ein Urteil des SG Lübeck vom 05.03.2013 (Az S 1 EG 1/11) berufen, wonach eine einfache Verzichtserklärung des anderen Elternteils gegenüber der Elterngeldstelle ausreiche, um von einem alleinigen Zustehen des Aufenthaltsbestimmungsrechts auszugehen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Sie ist der Auffassung, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 4 Abs 3 BEEG werde zumindest die vorläufige Übertragung der elterlichen Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind durch einstweilige Anordnung vorausgesetzt. Hieraus ergebe sich, dass nur eine gerichtliche Entscheidung über das Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht maßgebend sei. Eine außergerichtliche Vereinbarung der Eltern sei dagegen nicht ausreichend. Die gegenteilige Auffassung des SG Lübeck sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat ein Urteil des SG Ulm vom 19.09.2011 vorgelegt (Az S 12 EG 3056/08). Hierin werde bei vergleichbarer Konstellation ihre Rechtsauffassung bestätigt.
Mit Urteil vom 01.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes. § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 BEEG aF stelle seinem Wortlaut nach nicht auf die tatsächliche Ausübung von elterlicher Sorge oder Aufenthaltsbestimmungsrecht ab. Entscheidend sei, wer objektiv Rechtsinhaber der elterlichen Sorge oder des von ihr regelmäßig umfassten Aufenthaltsbestimmungsrechts (§ 1626 Abs 1 BGB) sei. Die Vorschrift knüpfe an familienrechtliche Vorgaben an. Vorliegend habe aufgrund der von den Eltern gegenüber dem Jugendamt abgegebenen Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs 1 Nr 1 BGB die elterliche Sorge für L. V. einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts beiden Eltern gemeinsam zugestanden. Eine rechtsverbindliche Abänderung dieses Rechtszustands hätte eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1671 BGB vorausgesetzt; rechtsgeschäftliche Erklärungen der Eltern wie vorliegend die schriftliche Verzichtserklärung des Vaters ersetzten diese nicht.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 12.10.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 09.11.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Das SG habe das Gesetz fehlerhaft und zu Lasten der Klägerin ausgelegt. § 1671 BGB könne nicht entnommen werden, dass die Eltern nicht frei über das Aufenthaltsbestimmungsrecht disponieren könnten. Die Auffassung des SG Lübeck sei zutreffend. Ein missbräuchliches Verhalten sei nicht erkennbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.10.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Abänderung des Bescheids vom 18.10.2013 Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes L. V. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG Bezug.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Ein weiterer Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonats des Kindes besteht nicht. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Bereits mit dem Bescheid vom 18.10.2013 hat die Beklagte es zu Recht abgelehnt, weiteres Elterngeld zu bewilligen. Dieser bestandskräftige Bescheid war daher nicht nach § 44 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch teilweise zurückzunehmen, da weder das Recht unrichtig angewendet noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden ist.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 4 Abs 3 S 1 BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des G v 10.09.2012 (BGBl I 1878). Danach kann ein Elternteil höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen (zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfG 19.08.2011, 1 BvL 15/11, BVerfGK 19, 33, FamRZ 2011, 1645; Hessisches LSG 24.10.2011, L 6 EG 16/08). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drs 16/1889, 15) ging der Gesetzgeber bei dem vierzehnmonatigen Maximalzeitraum von einer zwölfmonatigen Kernzeit und zwei zusätzlichen Partnermonaten aus, die als Bonus für einen aktiven Beitrag des anderen Elternteils zur Kindererziehung gewährt werden. Die Regelung verfolgte das Ziel, für Männer die Chancen zu verbessern, aktive Väter zu sein, und Frauen die Rückkehr in das Berufsleben zu erleichtern. Zugleich wurde deutlich gemacht, dass das Gesetz keine Aufgabenverteilung in den Familien festlegen, sondern unterschiedliche Präferenzen für Beruf und Familie im Sinne eines Beitrags für die Gleichstellung der Geschlechter unterstützen wolle. Dementsprechend ist weiter in der Begründung zum Gesetzentwurf ausdrücklich ausgeführt (BT-Drs 16/1889, 16, 23), dass ein Elternteil das Elterngeld grundsätzlich nur bis zu 12 Monate erhalten könne und zwei weitere Monate (Partnermonate) dem anderen Elternteil vorbehalten seien. Hierdurch werde zum einen eine Anreizwirkung erreicht, sich bis zum Ablauf des auf 12 Monate begrenzten Bezugszeitraums um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur eigenständigen Sicherung der Lebensgrundlage zu bemühen. Zum anderen werde eine partnerschaftliche Teilung von Erwerbs- und Familienarbeit erleichtert.
Den Anspruch aus § 4 Abs 3 S 1 BEEG hat die Klägerin durch die Bewilligung von Elterngeld für den 3. bis 12. Lebensmonat sowie die nach § 4 Abs 3 S 2 BEEG anzurechnenden Zeiten des Mutterschaftsgeldbezuges im 1. und 2. Lebensmonat des Kindes ausgeschöpft.
Bei der Klägerin liegt auch keiner der Ausnahmefälle vor, in denen ein Elternteil abweichend vom Grundsatz des § 4 Abs 3 S 1 BEEG Elterngeld für 14 Lebensmonate beanspruchen kann. Dies gilt einmal für den Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 3 S 3 BEEG, wonach ein Elternteil für 14 Monate Elterngeld beziehen kann, wenn eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt und mit der Betreuung durch den anderen Elternteil eine Gefährdung des Kindeswohls iS von § 1666 Abs 1 und 2 BGB verbunden wäre oder die Betreuung durch den anderen Elternteil unmöglich ist, insbesondere weil er wegen einer schweren Krankheit oder Schwerbehinderung sein Kind nicht betreuen kann. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung treffen auf die Klägerin nicht zu. Für eine Kindeswohlgefährdung bei Betreuung durch den anderen Elternteil oder die Unmöglichkeit der Betreuung durch den Vater, etwa wegen Schwerbehinderung oder schwerer Krankheit, bestehen keine Anhaltspunkte. Dergleichen hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.
Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass auch der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs 3 S 4 BEEG nicht erfüllt ist. Dies würde nämlich nach Nr 1 der genannten Bestimmung voraussetzen, dass der Klägerin im streitigen Bezugszeitraum die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zustand oder sie eine einstweilige Anordnung erwirkt hat, mit der ihr die elterliche Sorge oder zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorläufig übertragen worden ist. Hiervon ist die 2. Alternative (einstweilige Anordnung) von vorneherein und unstreitig ausgeschlossen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 Alt 1 BEEG liegen nicht vor. Der Klägerin stand im streitbetroffenen 13. und 14. Lebensmonat ihres Kindes weder die elterliche Sorge noch das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu. § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 BEEG stellt nach seinem Wortlaut ("zusteht") nicht auf die tatsächliche Ausübung von elterlicher Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts ab. Dabei ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu unterscheiden von der Wohnsitzbestimmung des § 11 BGB. Sind bei gemeinsamer Personensorge beide Elternteile darüber einig, dass das Kind auf Dauer bei einem Elternteil bleiben soll, hat das Kind nur bei diesem seinen Wohnsitz (Hamburgisches OVG 27.08.2015, 1 Bs 159/14, juris). Die von der Klägerin vorgelegte Meldebestätigung der Stadt W. vom 21.05.2014 und die schriftliche Erklärung des Vaters vom 19.05.2014 sind daher für die Frage, wem das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht, ohne Bedeutung. Entscheidend ist, wer objektiv Rechtsinhaber der elterlichen Sorge oder des von ihr regelmäßig umfassten Aufenthaltsbestimmungsrechts (§ 1626 Abs 1 Satz 2 iVm § 1631 Abs 1 BGB) ist (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen 30.04.2013, L 2 EG 2/13). Die Vorschrift knüpft damit an familienrechtliche Vorgaben an.
Vorliegend stand aufgrund der unstreitig von den Eltern gegenüber dem Jugendamt abgegebenen Sorgeerklärungen gemäß § 1626a Abs 1 Nr 1 BGB die elterliche Sorge für den Sohn einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts beiden Eltern gemeinsam zu (zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf das Eltern-Kind-Verhältnis vgl Art 21 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)). Eine rechtsverbindliche Abänderung dieses Rechtszustands setzt eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1671 BGB voraus (LSG Niedersachsen-Bremen 30.04.2013, L 2 EG 2/13; Buchner/Becker, MuSchG, BEEG, 8. Aufl 2008 § 4 BEEG Rn 20; Pauli in Hambüchen, BEEG, EStG, BKKG, § 4 BEEG Rn 11). Das ergibt sich aus dem familienrechtlichen Grundsatz der Unverzichtbarkeit und Unübertragbarkeit der elterlichen Sorge (Huber in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 1626 Rn 13 jeweils mwN). Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck des § 4 Abs 3 BEEG. Denn bei der Formulierung von dessen S 4 wurde bewusst davon abgesehen, einem Elternteil die Möglichkeit zu einem Leistungsbezug für mehr als 12 Monate durch privatrechtliche, aber familienrechtlich unverbindliche Vereinbarungen zu eröffnen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich außerdem, dass durch die Anknüpfung an eine Entscheidung des Familiengerichts, zumindest in Form einer einstweiligen Anordnung, Missbrauch vorgebeugt werden solle (BT-Drs 16/1889, 23 f).
Nicht zu folgen ist der Auffassung, wonach auch eine einfache privatrechtliche Vereinbarung der Eltern genüge (SG Lübeck 05.03.2013, S 1 EG 1/11; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, BEEG, § 4 BEEG Rn 53). Dabei wird verkannt, dass der objektiven familienrechtlichen Rechtslage zuwiderlaufende außergerichtliche Vereinbarungen der Eltern rechtlich regelmäßig nicht verbindlich sind. Damit in den Fällen nach familienrechtlichen Grundsätzen gemeinsamer elterlicher Sorge bzw. gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts eines dieser Rechte einem Elternteil allein zusteht, bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung nach § 1671 BGB. Die Bedeutung der 2. Alt von § 4 Abs 3 S 4 Nr 1 BEEG besteht entgegen dem SG Lübeck nicht darin, die familiengerichtliche Entscheidung alternativ neben die (familienrechtlich unbeachtliche) Vereinbarung der Eltern zu stellen. Vielmehr setzt 1. Alt der Norm eine gerichtliche (Hauptsache-)entscheidung voraus; die 2. Alt der Vorschrift lässt hiervon abweichend eine einstweilige Anordnung genügen (vgl zur Systematik Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, BEEG, § 4 BEEG Rn 53). Im Interesse der im vorliegenden Zusammenhang namentlich auch im Hinblick auf das Kindeswohl eine besondere Bedeutung aufweisenden Rechtssicherheit und -klarheit hat der Gesetzgeber davon abgesehen, für eine Abänderung der zunächst rechtswirksam begründeten gemeinsamen elterlichen Sorge privatrechtliche Vereinbarungen genügen zu lassen. Rechtlich verbindliche Sorgerechtsregelungen setzen auch bei Einvernehmen der Eltern eine gerichtliche Entscheidung voraus. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Rechtssinne kann durch eine Vereinbarung der Eltern nicht erfolgen, da das Sorgerecht und Teile des Sorgerechts für Eltern nicht disponibel sind (OLG Stuttgart 04.03.2014, 11 UF 42/14, FamRZ 2014, 1653; Schleswig-Holsteinisches OLG 04.10.2013, 13 WF 119/13, NJW 2014, 477; OLG Köln, 31.01.2013, 4 UF 233/12 ua, FamRZ 2013, 1591; Palandt/Götz, 75 Aufl 2016, § 1671 Rn 1). An diese familienrechtlichen Vorgaben knüpfen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 3 Satz 4 BEEG an. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, bereits anknüpfend an privatrechtliche (familienrechtlich ohnehin nicht rechtsverbindliche) Vereinbarungen einem Elternteil die Möglichkeit zu einem Leistungsbezug für mehr als zwölf Monate zu eröffnen (ebenso bereits LSG Niedersachsen-Bremen 30.04.2013, L 2 EG 2/13 unter Hinweis auf BT-Drs 16/1889, 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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