L 8 U 2905/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3864/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2905/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.

Dem Kläger werden Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 225,00 EUR auferlegt. Der Kläger hat der Beklagten die Hälfte der Pauschgebühr in Höhe von 112,50 EUR zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Feststellung einer Verschlimmerung der Folgen des Arbeitsunfalles vom 11.10.1983 bzw. von anhaltenden Kniebeschwerden als weitere Folge dieses Arbeitsunfalles zusteht.

Der 1953 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger, erlitt in den Jahren 1970 (offene Unterschenkeltrümmerfraktur links im Rahmen eines Verkehrsunfalles mit konsekutiver Beinverkürzung link und Spitzfußstellung, vgl. Blatt 3, 4, 69 der Beklagtenakte) und 1971 (Refrakturierung linker Unterschenkel, vgl. Blatt 69 der Beklagtenakte) Frakturen des linken Unterschenkels. Am 11.10.1983 erlitt er im Rahmen eines bei der Beklagten versicherten Unfalles eine Patellafraktur links. Mit Bescheid vom 25.02.1992 (Blatt 77 der Beklagtenakte) gewährte die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE von 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalles wurde anerkannt: "Ein Teil der Bewegungseinschränkung des li. Kniegelenks u. ein Teil der posttraumatischen Panarthrose des li. Kniegelenkes, subjektive Beschwerden." Nicht als Unfallfolge wurden anerkannt: "Zustand nach offenem Unterschenkeltrümmerbruch li. u. Refraktur li. Unterschenkel, Zustand nach mehrfachen Hauttransplantationen."

Mit Bescheid vom 25.04.1995 (Blatt 209 der Beklagtenakte) wurde auf Antrag des Klägers die Dauerente mit einem Betrag von 132.617,74 DM abgefunden.

Nachdem sich der Kläger seit dem Jahr 2001 immer wieder wegen Beschwerden des linken Knies im C.-Krankenhaus B. M. (Dr. M. bzw. Prof. Dr. E.) bzw. der BG-Klinik T. vorgestellt hatte (zu den Nachschau- bzw. Zwischenberichten vgl. Blatt 240 ff der Beklagtenakte) wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 28.01.2014, bei der Beklagten am 29.01.2014 eingegangen (Blatt 280 der Beklagtenakte), an diese und bat wegen Problemen am linken Knie um die Einholung eines Gutachtens. Er fragte auch wegen einer Heilkur an.

Im Zwischenbericht vom 03.02.2014 (Blatt 283 der Beklagtenakte) gibt Prof. Dr. E. eine Pangonarthrose linkes Kniegelenk, eine konsolidierte Patellafraktur (bg-liches Trauma 1983), einen Zustand nach Arthroskopie und offenem lateralem Release 2003 und eine in Valgusfehlstellung verheilte Unterschenkelfraktur 1970 und Refraktur 1971 (kassenärztlich) an. Der Kläger berichte weiterhin über intermittierende Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes, auch aus völliger Ruhe heraus im Sitzen, dazwischen phasenweise Beschwerdefreiheit, gelegentliche Schwellneigung. Der Kläger berichte, dass er nach Arthroskopie und dem offenen lateralen Release 2003 bis vor wenigen Wochen völlig beschwerdefrei gewesen sei. Auf den im Dezember 2013 gefertigten Röntgenbildern zeige sich eine Pangonarthrose links, lateral betont, sowie Zeichen der beginnenden Retropatellararthrose gezeigt. Prof. Dr. E. teilte weiterhin mit, dass die Arthrose wohl größtenteils auf die Valgusfehlstellung im linken Unterschenkel nach zweimaliger Unterschenkelfraktur im jugendlichen Alter zurückzuführen sei. Der Kläger führe jedoch immer wieder das stattgehabte Patellatrauma an und führe die Beschwerden im linken Kniegelenk auf diesen Arbeitsunfall zurück. Er würde deswegen dringend die Durchführung eines Zusammenhangsgutachten empfehlen, da in Zukunft sicherlich die Implantation einer Knie-TEP anstehe, wozu die Zuständigkeit der BG oder der Krankenkasse zu klären sei.

Im Auftrag der Beklagten erstellte Prof. Dr. C., Ärztlicher Direktor der V. Klinik, Orthopädie und Chirurgie, am 30.06.2014 (Blatt 288/295 der Beklagtenakte) ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten. Er führte u.a. aus, die im Vordergrund stehenden Gesundheitsstörungen (posttraumatische, laterale Gonarthrose links bei in Valgusfehlstellung konsolidierter Unterschenkelfraktur links 1970 mit Re-Fraktur und Osteomyelitis) seien nicht auf den Unfall vom 11.10.1983 zurückzuführen. Die diskret beginnende Retropatellararthrose links sei dagegen auf den versicherten Unfall vom 11.10.1983 zurückzuführen. Die vom Kläger beklagten Beschwerden würden alleinig durch die laterale Gonarthrose links hervorgerufen. Ursächlich für diese laterale Gonarthrose sei die Valgusfehlstellung bei Zustand nach Unterschenkelfraktur und somit hieraus resultierender Überlastung des lateralen Kompartimentes. Die Valgusfehlstellung sei ausschließlich durch die in Fehlstellung verheilten Unterschenkelfrakturen 1970/71 verursacht. Die unverschobene Patellafraktur links aus dem Jahre 1983 sei dagegen nicht ursächlich für die beklagten Beschwerden. Röntgenologisch sei in diesem Gelenkskompartiment der Gelenkspalt sehr gut erhalten. Die mittelfristig in Erwägung zu ziehende Implantation einer Knie-TEP werde alleinig auf Grund der Valgusfehlstellung und der lateral betonten Gonarthrose nötig sein.

Mit Schreiben vom 25.06.2014 (Blatt 299 der Beklagtenakte) übersandte die Beklagte Prof. Dr. E. das Gutachten des Prof. Dr. C. und teilte mit, die Valgusfehlstellung und die Gonarthrose seien durch die in Fehlstellung verheilten Unterschenkelfrakturen 1970/1971 verursacht. Somit sei die Implantation der Knie-TEP links zu Lasten der Krankenkasse durchzuführen. Die aufgeführte Schmerztherapie und die krankengymnastische Übungsbehandlung sollten aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalles vom 11.10.1983 (Patellafraktur links) verordnet werden.

Dem Kläger übersandte die Beklagte dieses an Prof. Dr. E. gerichtete Schreiben und das Gutachten von Prof. Dr. C. (Schreiben an den Kläger vom 25.06.2014, Blatt 300 der Beklagtenakte).

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 17.07.2014, bei der Beklagten am 21.07.2014 eingegangen (Blatt 303 der Beklagtenakte), Widerspruch "gegen das Gutachten". Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22.07.2014 (Blatt 304 der Beklagtenakte) mit, dass ein Widerspruch gegen das Gutachten nicht möglich sei. Widerspruch sei nur gegen die an Prof. Dr. E. gerichteten Ausführungen vom 25.06.2014 möglich. Der Kläger wurde aufgefordert, mitzuteilen, ob er den Widerspruch aufrechterhalte.

Nachdem sich der Kläger nicht mehr meldete, wies die Beklagte den " Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 25.06.2014 (Schreiben an Herrn Prof. Dr. E., B. M.)" zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.10.2014, Blatt 313/314 der Beklagtenakte). Der form- und fristgemäß erhobene Widerspruch sei zulässig, habe aber in der Sache selbst keinen Erfolg. Die Widerspruchsstelle habe die Sach- und Rechtslage erörtert und halte den Widerspruch auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Widerspruchsschrift vom 17.07.2014 für unbegründet. Das Schreiben vom 17.07.2014 enthalte keine Gesichtspunkte, die bei der Entscheidung vom 25.06.2014 nicht berücksichtigt worden seien. Für eine weitere Sachaufklärung bestehe keine Notwendigkeit.

Der Kläger hat am 30.10.2014 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erhoben zu deren Begründung er ausführte, dass es nicht sein könne, dass seine starken Beschwerden vom 11.10.19983 (Arbeitsunfall) auf seine früheren privaten Unfälle zurückzuführen seien, zumal die Beklagte damals voll anerkannt habe. Seine Beschwerden könnten nicht mit den früheren Unfällen zusammenhängen, da die Arthrose immer schlimmer werde.

Das SG hat das C.-Krankenhaus, Dr. L., die BG-Klinik T. die V.-Klinik, Dr. S. und die Beklagte wegen Röntgenbilder angegangen (zu den Auskünften vgl. Blatt 23, 24, 25, 28 der SG-Akte sowie die zur Anlage der SG-Akte genommenen CDs), bei der AOK H.-F. ein Erkrankungsverzeichnis eingeholt (zur Auskunft vgl. Blatt 25/27 der SG-Akte). und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. T ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 16.04.2015 (Blatt 34/52 der SG-Akte) angegeben, als Folge des Ereignisses vom 11.10.1983 sei die nicht dislozierte Patellafraktur anzusehen. In der aktuellem radiologischen Untersuchung bestünde auf beiden Seiten eine beginnende degenerative Verschleißerkrankung des Kniescheibenrückenflächengelenkes. Dieses sei links allenfalls minimal stärker ausgeprägt als auf der rechten Seite. Zusätzlich bestünde am lateralen Kniegelenkskompartiment eine mittelgradig ausgeprägte posttraumatische Verschleißerkrankung des linken Kniegelenkes. Diese Verschleißerkrankung sei jedoch nicht Folge des Unfalles vom 11.10.1983 sondern Folge der 1970 und 1971 erlittenen Unterschenkeltrümmerfraktur mit mehrfachen operativen Therapien. Die posttraumatische Verschleißerkrankung des lateralen Kniegelenkkompartimentes auf der linken Seite stelle keine Folge der ehemals am 11.10.1983 erlittenen nicht dislozierten Patellafraktur links dar. Das laterale Kniegelenkkompartiment sei von der ehemaligen Kniescheibenfraktur nicht betroffen gewesen. Der Kläger habe 1970 eine offene Unterschenkelfraktur auf der linken Seite im Rahmen eines privaten Verkehrsunfalles sowie 1971 eine Refraktur des linken Unterschenkels erlitten. Posttraumatisch habe sich ein komplexer Verlauf mit 15 Eingriffen entwickelt. Dieser komplexe Verlauf infolge der beiden Unterschenkelfrakturen sei Ursache für die nunmehr bestehende posttraumatische Verschleißerkrankung am lateralen Kniegelenkkompartiment. Die ehemalig nicht dislozierte Kniescheibenfraktur auf er linken Seite vom 11.10.1983 sei nach konservativer Therapie ohne messbare MdE ausgeheilt. Die bestehenden Funktionseinschränkungen am linken oberen und unteren Sprunggelenk seien ebenfalls als Folge der erlittenen Unterschenkelfraktur von 1970 und 1971 anzusehen und seien keine Unfallfolge des Arbeitsunfalles vom 11.10.1983. Aufgrund der erlittenen Kniescheibenfraktur ließe sich eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von maximal drei Monaten begründen, eine unfallbedingte MdE habe aufgrund der erlittenen nicht dislozierten Kniescheibenfraktur auf der linken Seite nicht bestanden.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 15.06.2015 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Anerkennung der weiteren anhaltenden Kniebeschwerden als Folge des Ereignisses vom 11.10.1983. Die beim Kläger bestehenden anhaltenden Kniebeschwerden ließen sich nicht auf den Arbeitsunfall vom 11.10.1983 zurückführen. Hierauf lasse sich eine nicht dislozierte Patellafraktur zurückführen, die nach konservativer Therapie ohne messbare MdE ausgeheilt sei. Die posttraumatische Verschleißerkrankung des lateralen Kniegelenkkompartimentes auf der linken Seite sei keine Folge der am 11.10.1983 erlittenen nicht dislozierten Patellafraktur links. Das laterale Kniegelenkkompartiment sei von der Kniescheibenfraktur nicht betroffen. Vielmehr sei der komplexe Verlauf infolge der beiden Unterschenkelfrakturen 1970 und 1971 Ursache für die nunmehr bestehende posttraumatische Verschleißerkrankung am lateralen Kniegelenkkompartiment.

Gegen den ihm am 20.06.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.07.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Es könne nicht sein, dass der Unfall vom 11.10.1983 zuerst voll anerkannt werde und er eine Rente (später Abfindung) erhalten habe und jetzt seine Beschwerden auf frühere Unfälle 1970 und 1971 zurückzuführen seien. Das könne er überhaupt nicht nachvollziehen, denn die Knieprobleme habe er erst nach dem Unfall vom 11.10.1983 bekommen.

Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, begehrt aber sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2014 zu verurteilen, die über die als Folgen des Unfalls am 11.10.1993 anerkannten Funktionsminderungen hinausgehenden Knorpelschäden mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im linken Knie als weitere Folgen des Arbeitsunfalls festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger habe aufgrund seines Unfalls vom 11.10.1983 zwar eine Partellafraktur erlitten, diese sei aber folgenlos ausgeheilt. Die Gutachter Dr. C. und Herr Dr. T. seien der Auffassung, dass die derzeit bestehenden Beschwerden auf eine degenerative Verschleißerkrankung der Kniegelenke zurückzuführen seien, die allerdings nicht mit dem Unfall von 1983 in Verbindung zu bringen seien. Da sich die Arthrose am Kniescheibenrückenflächengelenk gebildet habe, kann sie nicht durch den Partellabruch hervorgerufen worden sein, sondern sei auf die Unterschenkelfrakturen von 1970/1971 zurückzuführen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, Spezielle Unfallchirurgie, Dr. med. Dipl. biol. D ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 25.11.2015 (Blatt 17/35 der Senatsakte) u.a. angegeben, der Kläger habe 1970 und 1971 knöcherne Verletzungen des linken Unterschenkels und 1983 einen nicht verschobenen Kniescheibenbruch links erlitten. Aufgrund der Unterschenkelfrakturen links sei es zu der dokumentierten Fehlstellung im linken Unterschenkel gekommen, die zu einer Lateralisation (Außenlage) der mechanischen Tragachse des Beines geführt habe. Ferner habe diese Achsfehlstellung zu rezidivierenden Ausrenkungen der Kniescheibe und den damit entsprechenden Knorpelschäden an der Gelenkfläche der Kniescheibe geführt. Infolge der abgelaufenen knöchernen Verletzungen des linken Unterschenkels aus dem Jahre 1970 und 1971 lägen zweit- bis drittgradige Knorpelschäden sowohl im inneren als auch im äußeren Kniegelenksspalt vor ("Chondromalazie II. bis lll.gradig im Bereich des Tibeaplateaus sowie der Femurcondyle ... im lateralen Gelenksspalt ähnliche Verhältnisse mit einer Chondromalazie iL bis lll.gradig."). Aufgrund der nach außen verlagerten Mikulicz-Linie (infolge der fehlverheilten Unterschenkelfrakturen) sei es infolge der vermehrten biomechanischen Belastung des äußeren Kniegelenkskompartiments zu einer zunehmenden Knorpelschädigung (Arthrose) im äußeren Kniegelenkskompartiment gekommen. Neben den rezidivierenden (immer wiederkehrenden) Kniescheiben-Luxationen links aufgrund der Achsfehlstellung des linken Beines (vermehrte Außenlage der Kniescheibe) sei es aufgrund gesicherter unfallchirurgisch-orthopädischer Erfahrung zu Knorpelschäden an der Kniescheibe gekommen. Es sei deshalb der nach außen wirkende Zug der Kniegelenkskapsel reduziert worden, indem man die äußere Gelenkkapsel längs gespalten habe (laterales Release). Zweifelsohne könne ein Kniescheibenbruch zu einer zusätzlichen Knorpelschädigung des Knorpelbelags an der Kniescheibe führen, allerdings sei diese unfallbedingte Knorpelschädigung wiederum aufgrund gesicherter unfallchirurgischer Erfahrung bei einem nicht verschobenen Kniescheibenbruch signifikant geringer als durch die rezidivierenden Kniescheiben-Verrenkungen. Die vergleichende Inspektion der Kniescheibengelenksflächen in den seitlichen Aufnahmen zeigten eine deutlicher ausgeprägte subchondrale Sklerosierungszone der Kniescheibengelenksfläche links. Die wesentliche Teilursache dieser verstärkten Arthrose sei jedoch auf die abgelaufenen Kniescheiben-Verrenkungen zurückzuführen. Bei der klinischen Untersuchung des linken Kniegelenks habe der Kläger über Schmerzen im Retropatellargelenk, aber auch über Schmerzen im innen und außen gelegenen Kniegelenkskompartiment geklagt. Damit könne keinesfalls die geschilderte Schmerzsymptomatik ausschließlich auf die Knorpelschäden im Retropatellargelenk (Gelenk zwischen körperfernem Oberschenkelknochen und Kniescheibe) zurückgeführt werden, auch die Knorpelschädigung sei für die Schmerzsymptomatik verantwortlich.

Zuletzt hat sich der Kläger mit Schreiben vom 07.03.2016 (Blatt 42 der Senatsakte) geäußert und an seiner Ansicht festgehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers entscheiden, denn dieser war ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens im Termin entschieden werden kann.

Der Senat hat das Begehren des Klägers im Hinblick auf das von ihm verfolgte Ziel, wegen der seit dem Jahr 2014 berichteten Schmerzen im linken Kniegelenk Leistungen der Beklagten zu erhalten, dahingehend ausgelegt, dass er sinngemäß eine Verschlimmerung der Folgen des Unfalles vom 11.10.1983 bzw. ein Hinzutreten weiterer Unfallfolgen geltend macht und diese festgestellt haben möchte. Der Senat ist an dieser Auslegung des Begehrens des Klägers nicht durch die abweichend formulierte Antragstellung beim SG gehindert, denn der Kläger hat dort keinen Antrag gestellt. Der im Gerichtsbescheid wiedergegebene Antrag beruht auf einer Interpretation des Klagebegehrens durch das SG, das jedoch den Senat im Hinblick auf die vom Kläger bereits im Klageverfahren mitgeteilten Umstände nicht bindet.

Die Klage war daher als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 SGG) zu verstehen. Voraussetzung einer solchen Klage ist das Vorliegen eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X. Dies hat das SG nicht geprüft, jedoch angenommen, das an Prof. Dr. E. gerichtete Schreiben, das dem Kläger in Mehrfertigung übersandt worden war, sei ein Verwaltungsakt. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 Satz 1 SGB X). Dieser müsste um gegenüber dem Kläger Wirksamkeit erlangt zu haben, ihm bekannt gegeben worden sein (§ 39 Abs. 1 SGB X).

Vorliegend konnte der Senat unter Ausnutzung des Auslegungsspielraumes hinsichtlich des an den Kläger gerichteten Schreibens der Beklagten vom 25.06.2014 (Blatt 300 der Beklagtenakte), mit dem sie dem Kläger neben dem Gutachten von Prof. Dr. C. auch das an Prof. Dr. E. gerichtete Schreiben vom 25.06.2014, mit dem ein Unfallzusammenhang zwischen den bestehenden Beschwerden/Schmerzen und dem Unfall vom 11.10.1983 und Ansprüche auf Leistungen hinsichtlich einer Knie-TEP verneint wurden, zur Kenntnisnahme übersandte, darin nicht eine bloße Mitteilung sondern eine gegenüber dem Kläger gewollte Regelung erblicken. Dies folgt für den Senat auch aus dem Verfahrensgang, wonach der Kläger mit Schreiben vom 29.01.2014 sinngemäß die Feststellung von weiteren Unfallfolgen beantragt hatte. Mit der Übersendung des Gutachtens und des Schreibens an den behandelnden Arzt ist die Entscheidung über diesen Antrag getroffen worden. Eine Anfrage, ob über die Mitteilung des Verfahrensstands und der Sachbeurteilung durch die Beklagte hinaus auch ein rechtsbehelffähiger Bescheid ergehen soll, als Indiz für eine noch nicht getroffene verbindliche Regelung, ist gerade nicht erfolgt. Die Übersendung dieser Unterlagen ist als Verfahrensvorgang dahingehend verstehen, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger entscheiden wollte, dass ein Unfallzusammenhang zwischen seinen Beschwerden am Knie und dem Unfall vom 11.10.1983 nicht besteht und Behandlungen, insbesondere eine Knie-TEP, - mit Ausnahme einer Schmerztherapie und krankengymnastischen Übungsbehandlungen wegen einer Patellarfraktur links - nicht gewährt werden, weil diese nicht Folge des Unfalles vom 11.10.1983 seien. Damit hat die Beklagte im Über-/Unterordnungsverhältnis eine konkrete, auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtete Regelung des Einzelfalles getroffen. Diese war auch dem Kläger bekannt gegeben worden, als die Beklagte diese – zwar gegenüber Prof. Dr. E. mitgeteilte - Entscheidung dem Kläger mit Schreiben vom 25.06.2014 mit Wissen und Wollen bekannt gegeben hat. Der Senat sieht sich in seiner Auslegung der Erklärungen der Beklagten aus den Schreiben vom 25.06.2014 durch den Kläger bestätigt. Dieser hat das ihm übermittelte Schreiben der Beklagten nämlich genauso als Ablehnung von konkreten Behandlungsmaßnamen und eine Verneinung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den bei ihm bestehenden Beschwerden des linken Knies und seinem Unfall vom 11.01.1983 verstanden. Diese Auslegung des an den Kläger gerichteten Schreibens der Beklagten vom 25.06.2014 samt seiner Anlagen entspricht im vorliegenden Fall einer nach § 133 BGB gebotenen Auslegung nach dem wirklichen Willen und nicht nach dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks unter Zugrundelegung eines objektivierten, neutralen Empfängerhorizontes. Mithin liegt – in diesem konkreten Einzelfall – ein mit Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt vor. Über den Widerspruch des Klägers durfte die Beklagte daher sachlich entscheiden, was sie mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2014 auch getan hat. Damit war die Anfechtungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Dem Kläger steht auch i.S.d. § 55 SGG ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der von ihm begehrten Umstände des Rechtsverhältnisses zwischen ihm und der Beklagten zu. Auch die übrigen Voraussetzungen einer zulässigen Klage liegen vor.

Die insoweit zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Denn es ist weder eine Verschlimmerung der Folgen des Unfalles vom 11.10.1983 eingetreten noch sind weitere, bisher nicht berücksichtigte Unfallfolgen hinzugetreten.

Prof. Dr. C., Dr. T. und Dr. D. konnten in ihren jeweiligen Gutachten für den Senat überzeugend darlegen, weshalb die geklagten Beschwerden am linken Knie, die auf einer Arthrose des äußeren Kniegelenkskompartimentes beruhen, nicht auf den Kniescheibenbruch im Jahr 1983 zurückzuführen sind. Gerade diese Arthrose im äußeren Kniescheibenkompartiment ist auf die in Achsfehlstellung (Valgusfehlstellung) verheilten Brüche der Unterschenkel in den Jahren 1970 und 1971 zurückzuführen, die zu Kniescheibenluxationen geführt haben, die wiederum zur Arthrose im äußeren Kniegelenkskompartiment führte. Zwar hat Dr. D. ausgeführt, dass ein Kniescheibenbruch zu einer zusätzlichen Knorpelschädigung des Knorpelbelags an der Kniescheibe führen könne. Doch konnte der Senat feststellen, dass die vom Kläger im lateralen Kniegelenkskompartiment geklagten Beschwerden alleine auf die Valgusfehlstellung des linken Unterschenkels zurückzuführen sind. Sofern dem Kniescheibenbruch – was Prof. Dr. C. und Dr. T. nicht angenommen haben – eine Mitursächlichkeit zukäme, so wäre diese im Hinblick auf die Ausführungen von Dr. D. jedenfalls als nicht wesentlich anzunehmen. Insoweit folgt der Senat den schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. C., Dr. T. und Dr. D ... Damit konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden im linken Kniegelenk mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf den Unfall vom 11.10.1983 zurückzuführen sind. Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass die vom Kläger beklagten Gesundheitsstörungen als weitere, bisher nicht berücksichtigte gesundheitliche Folgen des Unfalles vom 11.10.1983 anzuerkennen sind.

Dass der Kläger – zutreffend – angibt, die Beschwerden seien doch erst nach dem Unfall 1983 aufgetreten, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn bei einer Arthrose handelt es sich um eine sich nach und nach entwickelnde Erkrankung, deren Ursachen nicht immer in einem zeitnächsten Ereignis liegen müssen. Außerdem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Kniescheibenfraktur weder verschoben (disloziert) war, was das Auftreten der Arthrose an anderer Stelle erklären könnte, noch den Bereich des Knies betroffen hat, der jetzt für die Beschwerden des Klägers verantwortlich ist.

Auch kann der Kläger aus dem Rentenbescheid vom 25.02.1992 nichts weitergehendes ableiten. Denn dort war – auch wenn die Verwendung des Begriffs der Panarthrose darauf hindeuten könnte - gerade nicht eine allgemeine oder vollständige Arthrose als Unfallfolge anerkannt worden, sondern lediglich "ein Teil der posttraumatischen Panarthrose" des linken Kniegelenks. Damit hatte schon damals die Beklagte deutlich gemacht, dass eine Arthrose im Kniegelenk vorliegt, die über die auf die Unfallschädigung 1983 zurückzuführenden Folgen hinausgeht. Auch kann angesichts des mit den Gutachten Prof. Dr. C., Dr. T. und Dr. D. eindeutig abgrenzbaren Verursachungsanteils der Unterschenkelfrakturen nicht angenommen werden, die Kniegelenksarthrose sei als gesamtes dem Unfallgeschehen von 1983 zuzurechnen. Verändert sich – wie vorliegend - insoweit die unfallunabhängige (Vor-)Erkrankung und kann deren Umfang eindeutig festgestellt werden, so kann diese unfallunabhängige Veränderung nicht der versicherten Unfallfolge angelastet werden. Dass aber gerade der Unfall von 1983 die Folgen der vorbestehenden Gesundheitsstörungen verschlechtert hätte, konnte keiner der Gutachter feststellen.

Der Senat konnte aber auch nicht feststellen, dass sich beim Kläger die anerkannten Unfallfolgen verschlechtert hätten. Denn ausgehend von einer Beweglichkeit des linken Kniegelenks von - 0/10/110 bei der Begutachtung durch Prof. Dr. S. am 19.11.1991 (Blatt 69 der Beklagtenakte), - 0/10/95 bei der Untersuchung durch Prof. Der. C. am 28.05.2014 (Blatt 291 der Beklagtenakte), - 0/0/100 bei der Untersuchung durch Dr. T. am 10.04.2015 (Blatt 52 der SG-Akte) und - 0/0/100 bei der Untersuchung bei Dr. D. am 21.10.2015 (Blatt 27 der Senatsakte), fehlender akuter Reizsymptomatik (vgl. Dr. T., Blatt 46 der SG-Akte = Seite 13 des Gutachtens), fehlender Ergussbildung (vgl. Dr. D.; Blatt 21 der Senatsakte = Seite 5 des Gutachtens), fehlender Lockerung des Bandapparates oder Instabilitäten (Dr. T., Blatt 45 der SG-Akte = Seite 12 des Gutachtens; ebenso Prof. Dr. C., Blatt 290 der Beklagtenakte) konnte der Senat eine Verschlechterung der durch den Unfall vom 11.10.1983 bedingten Gesundheitsstörungen durch einen Vergleich der nunmehr vorliegenden Gesundheitsstörungen mit den zum Zeitpunkt des Bescheids vom 25.02.1992 vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht feststellen. Vielmehr ist eine Verschlechterung der auf die Vorschädigung aus den Jahren 1970 und 1971 zurückzuführenden Gesundheitsstörungen eingetreten, diese führen jedoch nicht zu einer Leistungspflicht der Beklagten.

Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Darüber hinaus werden dem Kläger nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG Kosten i.H.v. 225,00 EUR auferlegt. Der Kläger war durch einen entsprechenden schriftlichen und ihm zugestellten Hinweis des Vorsitzenden – auf die Missbräuchlichkeit der Prozessführung hingewiesen worden. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 Abs. 2 BVerfGG ist ein Missbrauch dann gegeben, wenn eine Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (BVerfG 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Die Prozessführung des Klägers ist vorliegend missbräuchlich, da es - nachdem alle drei Gutachter und auch sein behandelnder Arzt Prof. Dr. E. (vgl. Blatt 278 der Beklagtenbakte) einen Zusammenhang zwischen den vom Kläger angegebenen Beschwerden und dem Unfallgeschehen von 1983 nicht feststellen konnten - jedem selbst einfach denkenden Beteiligten klar geworden war, dass der Rechtsstreit keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Das war auch dem Kläger nach seinen geistigen Fähigkeiten erkennbar. Er hat sich jedoch dieser Erkenntnis bewusst verschlossen, sodass ein Fall der missbräuchlichen Fortführung des Verfahrens vorliegt, weshalb der Senat ihm unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens Kosten i.H.d. Mindestbetrages von 225,00 EUR auferlegt hat. Daneben hat der Kläger die Hälfte der von Gesetzes wegen durch die Beklagte zu entrichtenden Pauschgebühr zu erstatten, denn nach § 186 Satz 1 SGG wäre die Pauschgebühr als regelmäßig anfallende Gerichtskosten bei einer Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil auf die Hälfte ermäßigt worden. Bei verständigem Handeln des Klägers wäre auch dieser Gerichtskostenanteil daher vermeidbar gewesen. Er ist somit durch den Kläger in dieser Höhe der Beklagten zu erstatten (vgl. BSG 27.04.1994 - 10 Rar 10/93 - juris; LSG Baden-Württemberg 29.04.2010 - L 12 AL 5449/09 - juris; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, § 192 RdNr. 13, 15). § 192 SGG i.d.F. ab 02.01.2002 ist eine Sonderregelung zu §§ 193 Abs. 4, 186 Abs. 1 SGG und begründet auch einen Erstattungsanspruch des anderen Beteiligten (h.M., vgl. Leitherer, a.a.O. RdNr 1a, 13 m.w.N.).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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