L 6 SB 3273/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 6392/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3273/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.

Der 1959 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Anfang der 1970er Jahre reiste er erstmals mit seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ein. Nach zwei Jahren, während der er die Schule besuchte, kehrte er nach Griechenland zurück, wo er unter anderem eine Ausbildung als Elektriker absolvierte und den Militärdienst ableistete. Im Alter von 23 Jahren kam er wieder in die BRD und arbeitete bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG. 1989 begab er sich erneut nach Griechenland, wo er als Lastkraftwagenfahrer beschäftigt war. 1999 siedelte er ganz in die BRD über und arbeitete seither bei der Lear Corporation GmbH und Co. KG in Besigheim, welche Autoersatzteile und -zubehör herstellt. Nach einem betrieblichen Unfall Ende September 2009 nahm er eine Beschäftigung als Maler auf. Derzeit ist er als Hausmeister in Vollzeit tätig.

Er ist seit 2004 in zweiter Ehe verheiratet. Aus der ersten stammt eine Tochter, die in Griechenland lebt und bereits Mutter ist. Zu ihr hält er telefonischen Kontakt. Seine zweite Frau brachte einen Sohn mit in die Ehe, welcher im gemeinsamen Haushalt lebt. Mit einer in der BRD lebenden Schwester trifft er sich regelmäßig, den in Griechenland lebenden Bruder sieht er demgegenüber selten. Er ist Eigentümer eines Hauses in Drama in Nordgriechenland, wo er nach eigenen Angaben zuletzt im Sommer 2013 war.

In dem beim Sozialgericht Stuttgart (SG) geführten Verfahren S 20 SB 3486/11 schlossen der Kläger und der Beklagte Anfang April 2012 einen Vergleich, wonach der GdB mit 40 seit 24. Juni 2011 festgestellt wurde. Hierzu erging der Ausführungsbescheid vom 21. Mai 2012. Der Beklagte nahm Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, des rechten Ellenbogengelenkes und beider Schultergelenke, eine Gebrauchseinschränkung des rechten Armes, ein chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden, eine Depression sowie eine Herzleistungsminderung an.

Am 28. Februar 2013 verfolgte der Kläger die Neufeststellung des GdB. Verschlimmert habe sich der Zustand nach einem Unfall bei der Arbeit Ende September 2009, als er an einer Eisenstange kräftig gezogen habe, wodurch es zu einer Bewegungseinschränkung und einem regionalen Schmerzsyndrom im rechten Ellenbogen gekommen sei. Anfang Januar 2010 sei rechts darüber hinaus eine Ruptur der rechten Bizepssehne aufgetreten. Er leide zudem an Nervosität, einem Tremor, einer Schwerhörigkeit, einer Otitis media, einer Anämie, einem Zustand nach einer Tonsillektomie und einem chronischen Schmerzsyndrom.

Nachdem der Beklagte medizinische Unterlagen beigezogen hatte, bewertete der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. F. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Mai 2013 den Gesamt-GdB weiterhin mit 40. Das chronische Schmerzsyndrom, die funktionellen Organbeschwerden und die Depression einerseits sowie die Herzleistungsminderung und Blutarmut andererseits seien, wie auch die Gebrauchseinschränkung beider Arme, jeweils mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die chronische Mittelohrentzündung und das Nierensteinleiden bedingten jeweils nur einen Teil-GdB von 10. Die Folgen nach der Tonsillektomie führten nicht zu einer Funktionsbeeinträchtigung.

Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung des GdB mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Mai 2013 ab. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2013 zurückgewiesen. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. von September 2013 sei der Gesamt-GdB mit 40 zu bewerten, auch wenn eine Schwerhörigkeit zusätzlich zu berücksichtigen sei. Die sich aus den medizinischen Unterlagen ergebende Vergrößerung und chronische Entzündung der Prostata, die Nierenfunktionseinschränkung sowie die Magen-Darm-Störung hätten jeweils keinen Teil-GdB von wenigstens 10 zur Folge.

Hiergegen hat der Kläger am 12. November 2013 beim SG Klage erhoben, mit der er die Feststellung des GdB mit mindestens 50 verfolgt hat. Das erstinstanzliche Gericht hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. A., dem Orthopäden und Unfallchirurgen B., dem Neurologen und Psychiater Dr. G., dem Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. B. sowie dem Arzt für Urologie K. eingeholt, welche im Dezember 2013 und im Folgemonat vorgelegt worden sind.

Dr. A. hat mitgeteilt, vom Beklagten unterbewertet worden seien die Depression und die Schwerhörigkeit. Die chronischen Schluckbeschwerden mit unwillkürlichem Flüssigkeitsverlust durch den Mund und die Nase als Folge einer missglückten Operation seien nicht erwähnt worden. Gerechtfertigt sei ein Gesamt-GdB von 50.

Nach dem von Dr. A. vorgelegten Befundbericht des Internisten und Kardiologen Dr. Th. nach einer Untersuchung des Klägers am 17. Dezember 2013 hat sich kein Hinweis für eine rezidivierende Perimyokarditis oder Rechtsherzinsuffizienz gefunden. Die Beinödeme seien vorwiegend venös bedingt gewesen, weshalb eine Therapie mit einem Kompressionsstrumpf sinnvoll sei. Bezüglich der epigastrischen, also auf den Oberbauch bezogenen Beschwerden sei die Einnahme von Pantozol sinnvoll.

Der Orthopäde und Unfallchirurg B. hat ausgeführt, er teile die Einschätzung der Gesundheitsschäden auf seinem Fachgebiet. Eine wesentliche Veränderung sei insoweit nicht eingetreten. Die Gesundheitsschäden des Klägers an der Wirbelsäule seien eher als geringgradig zu bewerten und hätten allenfalls einen GdB von 10 zur Folge. Die Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk sei bei weitestgehend freier Unterarmdrehbeweglichkeit mit keinem höheren GdB als 10 zu bewerten. Hinsichtlich einer Gesundheitsstörung der Schultergelenke habe der Kläger ihm gegenüber keine Angaben gemacht. Eine Versteifung sei ihm nicht bekannt. Auf seinem Fachgebiet sei ein Gesamt-GdB von 20 angebracht.

Dr. G. hat nach Untersuchungen und Behandlungen des Klägers von Mitte November 2011 bis Ende November 2013 eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F33.2) diagnostiziert, für die er einen Teil-GdB von 30 für gerechtfertigt erachtet hat. Der Kläger sei antriebsvermindert und depressiv niedergestimmt gewesen. Er habe über Schlaflosigkeit geklagt. Eine innere Unruhe und gesteigerte Reizerregbarkeit seien zu erkennen gewesen. Eine ausgeprägte Selbstwertproblematik habe vorgelegen. Der Kläger habe an Beschämungsängsten gelitten. Vorgelegen hätten eine Anergie und Anhedonie. Der Gedankengang sei indes formal und inhaltlich nicht gestört gewesen. Ein Hinweis auf eine Psychose habe nicht bestanden. Vorgelegen hätten daher Symptome im Sinne einer sozialen Phobie, die insbesondere die außerfamiliäre soziale Integration wegen der Beschämungsängste beeinträchtigten. Wegen der Depression sei es zu einem psychosozialen Rückzug mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gekommen. Nach dem beigefügten Befundbericht über die Untersuchung Ende November 2013 stellte Dr. G. an den distalen Unterarmen einen feinschlägigen Haltetremor fest, welcher leichtgradig gewesen sei.

Dr. B. hat kundgetan, Mitte Mai 2013 habe ohrmikroskopisch eine abgeheilte Otitis externa ohne weiteren pathologischen Befund festgestellt werden können. Bereits früher sei eine Schwerhörigkeit mit Hörgeräteversorgung diagnostiziert worden. Eine Audiometrie sei von ihm bislang nicht durchgeführt worden.

Der Urologe K. hat als Diagnosen neben einem unerfüllten Kinderwunsch rezidivierende Atherome am Hodensack, eine Prostatahyperplasie und eine Prostatitis diagnostiziert. Der Kläger habe angegeben, bis 1989 immer wieder teils entzündlich veränderte Atherome im Bereich der Hoden gehabt zu haben, oft verbunden mit Kratzspuren bei nächtlichem Juckreiz. Mitte November 2013 sei der Restharn nach Blasenentleerung sonographisch mit etwa 40 ml bestimmt worden. Den GdB schätze er für die Erkrankungen auf urologischem Fachgebiet auf 10.

Im Auftrag des SG hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. ein Gutachten erstattet. Nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 30. Juni 2014, zu der ein Dolmetscher für die griechische Sprache hinzugezogen worden ist, einschließlich einer elektrophysiologischen Zusatzuntersuchung, hat er ausgeführt, der Kläger habe einen sehr nervösen, hektischen und äußerst agitierten Eindruck gemacht. Es habe sich eine ständige psychomotorische Unruhe gezeigt. Auffallend gewesen sei eine vegetative Tremorsymptomatik, insbesondere im Bereich der während der Untersuchung "stillgelegten" oberen rechten Extremität. Eine starke Betroffenheit im Rahmen der gesundheitlichen und psychosozialen Situation sei nicht zu übersehen gewesen. Eine gewisse Ausgestaltung im Sinne einer Verdeutlichungstendenz habe nicht vorgelegen, insbesondere nicht in Bezug auf die als völlig passiv und zurückgezogen geschilderten Alltagsaktivitäten. Gleichwohl seien dem Kläger jährliche Urlaubsaufenthalte in Griechenland möglich, wo er ein Haus besitze. Offensichtlich wahre er dort soziale Kontakte. Trotz längerer, immer wiederkehrender Arbeitsunfähigkeit sei es ihm offenbar möglich, auf einem Schonarbeitsplatz weiter beruflich tätig zu sein. Insgesamt sei von einem etwas akzentuierten Beschwerdevortrag auszugehen, allerdings nicht im Sinne einer Simulation. Auf neurologischem Fachgebiet hätten sich keine wesentlichen Ausfälle ergeben, auch nicht wegen der Ruptur der rechten Bizepssehne. Die angegebenen Sensibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris und weniger im Nervus medianus rechts seien sowohl klinisch als auch elektrophysiologisch nicht ganz nachvollziehbar gewesen, zumal sich auch keine motorischen und neurologischen Ausfälle hätten feststellen lassen. Dies stünde im Einklang mit den sich in der Akte enthaltenen Befundberichten. Ganz im Vordergrund stünden die psychischen Störungen. Es seien depressive Anpassungsstörungen bei psychosozialer Belastungssituation sowie eine somatoforme Schmerzstörung in Form einer Somatisierungs- und Krankheitsverarbeitungsstörung diagnostiziert worden. Die hierdurch bedingten Funktionseinschränkungen rechtfertigten einen GdB von 30. Insgesamt ergebe sich unverändert ein Gesamt-GdB von 40. Mitte Juli 2014 hat Dr. P. ergänzt, zwischenzeitlich sei noch ein Medikamentenspiegel erstellt worden. Offensichtlich würden sämtliche vom Kläger angegebenen Medikamente wie etwa Lyrica, 75 bis 150 mg (1-0-0), Opipramol, 50 mg, Voltaren, Resinat und Dispers (1-1-1) und Novaminsulfon, 25 Tropfen nicht eingenommen. Der Befund stütze die Tenorierung, wie er sie im Gutachten angegeben habe.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24. Juli 2015 abgewiesen. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers hätten sich gegenüber der letzten maßgeblichen Feststellung mit Bescheid vom 21. Mai 2012 nicht wesentlich verschlimmert. Sie bedingten keinen höheren Gesamt-GdB als 40. Einzig das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" bedinge mit einem Teil-GdB von 30 einen höheren als 10, weshalb unter keinen Umständen ein Gesamt-GdB von 50 erreicht sei.

Hiergegen hat der Kläger am 3. August 2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und im laufenden Verfahren den Entlassungsbericht von Dr. T., Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des K.-O. Krankenhauses in Stuttgart über seinen stationären Aufenthalt vom 29. September bis 1. Oktober 2015 übersandt. Danach ist wegen einer schmerzhaften posttraumatischen Kontraktur der Bizepssehne im Ellenbogenbereich rechts mit Vernarbungen zum Nervus medianus und dessen Irritation bei Bewegung im Ellenbogen eine Revision mit Verlängerung der Bizepssehne mittels Z-Plastik, Lösung der Vernarbungen am Nervus medianus und Neurolyse des Nerven in der Ellenbeuge vorgenommen worden. Bei der Aufnahme habe sich im rechten Ellenbogen ein Streckdefizit von 30° gezeigt. Nach dem Aufenthalt solle mit passiver Krankengymnastik begonnen werden. Der weitere Verlauf sei insoweit abhängig vom Befund. Bewegungsübungen der freien Gelenke sollten umgehend erfolgen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. ein Gutachten erstattet. Nach einer ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers durchgeführten ambulanten Untersuchung des Klägers am 20. November 2015 hat er eine rezidivierende depressive Störung mit aktuell mittelschwerer Krankheitsepisode (ICD-10 F33.1), eine somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.40) und eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (ICD-10 F62.80) diagnostiziert. Der Kläger habe ihm gegenüber als bestehende Beschwerden unter anderem eine Hörminderung mit Schwindel, eine Herzleistungsminderung und eine operativ versorgte Katarakt auf beiden Augen angeführt. Dieser leide zudem unter erheblichen Schlafstörungen, weswegen er manchmal bereits gegen 3 Uhr wach werde. Vormittags habe er Termine zur Krankengymnastik. Sonst sitze und denke er die ganze Zeit in der Wohnung. Nebenbei laufe gelegentlich das Fernsehgerät. Wenn er spazieren gehe, werde er von anderen wegen seiner krankheitsbedingten Armhaltung angesprochen. Abends nehme er nicht regelmäßig am Essen teil, sehe mitunter ein wenig fern. Er nehme bei Bedarf Voltaren und Lyrica, jeweils 75 mg ein. Werde die biographische Anamnese betrachtet, habe der Kläger instabil entwickelte Aspekte des Selbst im Rahmen einer erlebten Eigenwirksamkeit primär über seine berufliche Tätigkeit und auch die Fürsorge für seine Familie teilweise stabilisieren und balancieren können. Die diesbezüglich eng geschnittenen Bewältigungsmöglichkeiten seien insuffizient geworden, als der Kläger zunehmend eine Schmerzsymptomatik entwickelt habe. Ein relevanter Einschnitt sei im Jahr 2009 die Ruptur der Bizepssehne gewesen. Hiervon ausgehend habe sich eine affektive Beschwerdesymptomatik und auch eine somatoforme Schmerzstörung entwickeln können. Problematisch erscheine insbesondere die Entwicklung einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom. Konflikterlebnisweisen mit der Ehefrau und dem Vorgesetzten als übrig gebliebene Kontaktpersonen seien von ihm nicht mehr bewältigbar gewesen. Bei seiner Untersuchung habe sich ihm ein Zustandsbild gezeigt, welches mit einer Störung der Stimmungslage und des Antriebes sowie negativen Denkeinengungen im Sinne einer affektiven Erkrankung einhergegangen sei. Es habe eine somatoforme Schmerzstörung im Sinne einer Verarbeitungsstörung vorgelegen, in deren Zusammenhang sich in den vergangenen Jahren zunehmend eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom entwickelt habe. Hierdurch sei es beim Kläger zu einem Unruhe- und Nervositätserleben, weitreichendem sozialen Rückzug wie auch subjektiven Erlebnisweisen gekommen. So lachten und redeten andere über ihn. Aus dem sich ihm gezeigten Beschwerdebild sei leicht nachvollziehbar, dass Beeinträchtigungen in Bezug auf Stimmungs- und Antriebslage, formalem Denken sowie der konzentrativen Belastbarkeit bestünden. Krankheitsbedingt sei es zu einem weitreichenden sozialen Rückzug gekommen. Frühere Kontakte habe der Kläger weitgehend verloren. Würden ausschließlich der affektive Teil der Störung und die somatoforme Schmerzstörung betrachtet, erscheine die bisherige Einschätzung eines Teil-GdB von 30 für die psychischen Störungen angemessen. Hierbei seien aber das Ausmaß der Persönlichkeitsänderung und deren Auswirkungen auf die soziale Anpassungsfähigkeit nicht berücksichtigt. Diesbezüglich komme es beim Kläger zu Abwehrprozessen. Die Beschwerdesymptomatik sei insoweit nur erschwert reflektierbar und erheblich schambesetzt gewesen. Hieraus resultierten Beeinträchtigen der sozialen Anpassung in Interferenz mit den anderen psychischen Störungsfaktoren und bedingten letztendlich einen Teil-GdB von 50. Gelegentliche Besuche bei Dr. G. hätten letztlich lediglich die affektive Störung und auch die somatoforme Schmerzstörung offenlegen können. Es sei davon auszugehen, dass seit der letzten Begutachtung durch Dr. P. eine wesentliche Befundverschlechterung eingetreten sei. Daher sei davon auszugehen, dass etwa seit Oktober 2014 ein Teil-GdB von 50 bezüglich der psychischen Störungen vorliege.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, der Sachverständige Dr. A. stütze den von ihm begehrten GdB von 50.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juli 2015 und den Bescheid vom 29. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2013 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihm unter Abänderung des Bescheides vom 21. Mai 2012 den Grad der Behinderung mit mindestens 50 ab 28. Februar 2013 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, nach den vorliegenden Befunden lasse sich, gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. von Februar 2016, ein höherer Gesamt-GdB als 40 nicht begründen. Der von Dr. A. geschätzte Teil-GdB von 50 für die rezidivierende depressive Störung, die somatoforme Schmerzstörung und die Persönlichkeitsänderung sei nicht nachvollziehbar. Eine engmaschige fachpsychiatrische Behandlung sei nicht dokumentiert. Vorstellungen bei Dr. G. erfolgten durchschnittlich dreimal jährlich. Eine medikamentöse antidepressive Behandlung werde nun nicht mehr angegeben, wobei ohnehin nach dem von Dr. P. in Auftrag gegebenen Medikamentenspiegel nicht nachgewiesen sei, dass diese Arzneimittel überhaupt eingenommen worden seien. Selbst bei zusätzlicher Berücksichtigung einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom sei der Ausprägungsgrad nicht mit einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten in allen Lebensbereichen vergleichbar. Die berufliche Tätigkeit werde weiterhin vollschichtig ausgeführt. Krankheitsbedingte erhebliche Probleme im familiären Bereich seien nicht belegt. Eine Erhebung der gesamten Lebenssituation mit kritischer Hinterfragung der anamnestischen Angaben auch zu Rückzugstendenzen, wie in dem Gutachten von Dr. P., seien in der Expertise von Dr. A. nicht ausreichend erkennbar. Eine kontinuierliche spezielle schmerztherapeutische Behandlung sei nicht erfolgt. Für die seelische Beeinträchtigung und das chronische Schmerzsyndrom sei daher kein höherer Teil-GdB als 30 gerechtfertigt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung des GdB mit mindestens 50 verfolgt worden ist. Der Kläger hat ab dem 28. Februar 2013, also dem Tag, an dem er den Antrag auf Neufeststellung des GdB stellte, keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, wie ihn der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Mai 2012 bereits zuerkannt hat. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gegenstand der Klage ist ein Anspruch des Klägers auf Neufeststellung des GdB mit mindestens 50 ab 28. Februar 2013 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, der dem bestandskräftigen Bescheid vom 21. Mai 2012 zugrunde lag. Diesem Anspruch steht der Bescheid vom 29. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2013 entgegen, da ihn das SG nicht zumindest teilweise aufgehoben hat. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, BSGE 79, 223 (225) zum selben Beurteilungszeitpunkt bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung).

Grundlage für den Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem Bescheid vom 21. Mai 2012 über die Feststellung des GdB mit 40 seit 24. Juni 2011, der in Ausführung des gerichtlichen Vergleiches beim SG im Verfahren S 20 SB 3486/11 erging, handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). Eine Regelung im Sinne des § 31 SGB X ist nach der Rechtsprechung des Senats auch darin zu sehen, dass der Ausführungsbescheid den gerichtlichen Vergleich richtig umsetzt; mit der Folge, dass jeder Ausführungsbescheid Regelungscharakter hat. Haben die Parteien einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, so entspricht es zudem regelmäßig ihrem Willen, dass sie nur eine Einigung über den Gesundheitszustand im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses erzielen, aber keine Regelung für die Zukunft treffen und sich insbesondere nicht des Rechts begeben wollen, auf Änderungen etwa durch Herabsetzungen oder eine Neufeststellung zu reagieren (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 29. April 2014 - L 6 VK 934/12 -, juris, Rz. 20). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 21. Mai 2012 vorlagen, ist indes keine wesentliche Änderung eingetreten. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers bedingen ab 28. Februar 2013 weiterhin keinen höheren Gesamt-GdB als 40.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers auch nach dem 27. Februar 2013 keinen höheren als den bereits mit Bescheid vom 12. Mai 2012 festgestellten GdB von 40 begründen.

Das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ist mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten.

Insoweit leidet der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung und einer somatoformen Schmerzstörung. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass er an einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10-GM-2016 F33.-) leidet, wie dies der sachverständige Zeuge Dr. G. nach Untersuchungen und Behandlungen von Mitte November 2011 bis Ende November 2013 sowie der Sachverständige Dr. A. nach einer gutachterlichen Untersuchung am 20. November 2015 diagnostiziert haben. Nach dem von Dr. G. erhobenen psychopathologischen Befund war diese Erkrankung bis Ende 2013 mit einer schweren Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10-GM-2016 F33.2) verbunden. Mit dem im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. A. erhobenen Befund ist ab Ende November 2015 indes lediglich noch eine mittelgradige Episode (ICD-10-GM-2016 F33.1) objektiviert worden. Die von dem Sachverständigen Dr. P. diagnostizierten depressiven Anpassungsstörungen bei psychosozialer Belastungssituation können demgegenüber bereits deshalb nicht nachvollzogen werden, da er diese Krankheit nicht nach einem Diagnoseklassifikationssystem verschlüsselt hat (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 - L 6 VS 2234/15 -, juris, Rz. 33). Zudem geht der Senat davon aus, dass beim Kläger eine somatoforme Schmerzstörung (ICD-10-GM-2016 F45.40) als eine Form der somatoformen Störungen (ICD-10 F45.-) vorliegt, wie sie Dr. A. nachvollziehbar diagnostiziert und Dr. P., wenn auch ohne diagnostische Verschlüsselung, angeführt haben.

Die von Dr. A. gestellte Diagnose einer Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzzustand (ICD-10-GM-2016 F62.80) liegt zur Überzeugung des Senats demgegenüber nicht vor, da die Anforderungen für diese Diagnosestellung nicht erfüllt sind. Nach ICD-10-GM-2016 F62.- sind Persönlichkeitsänderungen Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßiger, anhaltender Belastung oder schweren psychiatrischen Krankheiten. Diese Diagnosen sollten nur dann gestellt werden, wenn Hinweise auf eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person gegeben sind. Die Persönlichkeitsänderung sollte deutlich ausgeprägt sein und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden sein, das vor der pathogenen Erfahrung nicht bestanden hat. Die Änderung sollte nicht Ausdruck einer anderen psychischen Störung oder Residualsymptom einer vorangegangenen psychischen Störung sein. Nach den Ausführungen von Dr. A. äußert sich die Persönlichkeitsänderung des Klägers durch Unruhe- und Nervositätserleben, leichte Reizbarkeit unter Menschen sowie einem hiermit einhergehenden krankheitsbedingten, weitreichenden sozialen Rückzug. Er habe frühere Kontakte weitgehend verloren. Hieraus ist indes weder eine eindeutige und andauernde Veränderung in der Wahrnehmung sowie im Verhalten und Denken bezüglich der Umwelt und der eigenen Person ableitbar, geschweige denn belegt, dass sie deutlich ausgeprägt und mit einem unflexiblen und fehlangepassten Verhalten verbunden ist.

In Anlehnung an die VG, Teil B, Nr. 3.7, wonach Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdB von 80 bis 100 zu bewerten sind, rechtfertigen die wegen der rezidivierenden depressiven Störung und der somatoformen Schmerzstörung bestehenden Funktionsstörungen einen GdB von 30. Aus medizinischer Sicht hält Dr. A. die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen wegen der Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, ohne das von ihm angenommene Ausmaß der Persönlichkeitsänderung, welche der Senat für nicht nachgewiesen hält, ebenfalls mit diesem GdB-Wert angemessen bewertet. Denn er hat ausgeführt, dass die bisherige Einschätzung des GdB mit 30 für die psychischen Störungen angemessen ist, wenn ausschließlich der affektive Teil der Störung und die somatoforme Schmerzstörung betrachtet werden. Die Annahme des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. A., dem behandelnden Hausarzt des Klägers, die Depression sei unterbewertet, wird durch keine eigene Befundbeschreibung untermauert, welche insoweit einen höheren GdB als 30 stützen könnte. Die beim Kläger vorhandene Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist nach dem von ihm zu bewältigenden Alltag nur in einem solchen Umfang nachgewiesen, dass hierfür keinesfalls ein höherer GdB als am unteren Ende des insoweit eröffneten GdB-Rahmens von 30 bis 40 gerechtfertigt ist. Der Kläger ist Eigentümer eines Hauses in Drama in Nordgriechenland, wo er jedenfalls noch im Jahre 2013 gewesen ist, wie er gegenüber Dr. P. Ende Juni 2014 kundtat. Er hält nicht nur zu seiner in der BRD lebenden Schwester regelmäßig Kontakt, sondern telefonisch auch zu seiner Tochter aus erster Ehe und seinem Enkel, welche in Griechenland leben. Gegenüber Dr. P. gab der Kläger zwar an, die Medikamente Lyrica, 75 bis 150 mg (1-0-0), Opipramol, 50 mg, Voltaren, Resinat und Dispers (1-1-1) und Novaminsulfon, 25 Tropfen einzunehmen. Mittels eines von diesem veranlassten Medikamentenspiegels ist jedoch belegt, dass der Kläger diese Arzneimittel nicht regelmäßig eingenommen hat, also offensichtlich der psychische Leidensdruck nicht derart ausgeprägt gewesen ist, dass angenommen werden könnte, die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei weitgehend eingeschränkt. Damit in Einklang steht, dass der Kläger gegenüber Dr. A. eineinhalb Jahre später angab, Voltaren und mit Lyrica den Arzneistoff Pregabalin, jeweils 75 mg, nur bei Bedarf einzunehmen. Soweit Dr. A. den Kläger überhaupt zum Tagesablauf befragte, ergab sich im November 2015 gegenüber den Angaben etwa eineinhalb Jahre zuvor nur ein geringfügiger Unterschied. Der Kläger hat weiter die Tätigkeit als Hausmeister in Vollzeit ausgeübt. Ihm ist es ferner möglich gewesen, Spaziergänge zu unternehmen und Termine zur Krankengymnastik wahrzunehmen, also nicht nur beruflich bedingt, sondern auch in der Freizeit den häuslichen Bereich zu verlassen. Die von Dr. A. angenommene wesentliche Befundverschlechterung seit der Begutachtung durch Dr. P. ist daher weder durch den von ihm erhobenen psychopathologischen Befund belegt noch anhand der dem Kläger noch möglichen Tagesstruktur nachvollziehbar. Selbst Dr. G. hat trotz Ende 2013 festgestellter rezidivierender depressiver Störung mit schwerer Episode ohne psychotische Symptome einen GdB von 30 für ausreichend erachtet, der vor dem Hintergrund des von ihm erhobenen psychopathologischen Befundes nachvollziehbar ist. So hatte die Antriebsminderung und die Unfähigkeit, Freude und Lust zu empfinden, die außerfamiliäre soziale Integration wegen der Ängste vor Beschämung zwar beeinträchtigt, aber noch nicht unmöglich gemacht. Der innerfamiliäre Kontakt wurde damals wie heute vom Kläger gepflegt. Eine engmaschige fachärztliche Behandlung hat durch Dr. G. nicht stattgefunden, worauf der Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

Die beim Kläger wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen führen nicht zu einem höheren Gesamt-GdB als 30, wie er sich aus dem Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ergibt. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen.

Der GdB bei Gliedmaßenschäden ergibt sich nach den VG, Teil B, Nr. 18.11 aus dem Vergleich mit dem GdB für entsprechende Gliedverluste. Trotz erhaltener Extremität kann der Zustand gelegentlich ungünstiger sein als der Verlust. Die aufgeführten GdB für Gliedmaßenverluste gehen, soweit nichts anderes erwähnt ist, von günstigen Verhältnissen des Stumpfes und der benachbarten Gelenke aus. Bei ausgesprochen ungünstigen Stumpfverhältnissen, bei nicht nur vorübergehenden Stumpfkrankheiten sowie bei nicht unwesentlicher Funktionsbeeinträchtigung des benachbarten Gelenkes sind diese Sätze im allgemeinen um 10 zu erhöhen, unabhängig davon, ob Körperersatzstücke getragen werden oder nicht. Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel mindern bei Verlust und Funktionsstörungen der Gliedmaßen sowie bei Funktionseinschränkungen des Rumpfes die Auswirkungen der Behinderung, ohne dass dadurch der durch den Schaden allein bedingte GdB eine Änderung erfährt. Bei der Bewertung des GdB von Pseudarthrosen ist zu berücksichtigen, dass straffe günstiger sind als schlaffe. Bei habituellen Luxationen richtet sich die Höhe des GdB außer nach der Funktionsbeeinträchtigung der Gliedmaße auch nach der Häufigkeit der Ausrenkungen.

Das Funktionssystem "Arme" bedingt einen Teil-GdB von 10.

Für eine Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk geringen Grades (Streckung/Beugung bis 0-30-120° bei freier Unterarmdrehbeweglichkeit) ist nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 ein GdB bis 10 vorgesehen. Nach einer unfallbedingten distalen Ruptur der Bizepssehne rechts im September 2009 wurde die Beweglichkeit des rechten Ellenbogens von dem sachverständigen Zeugen B. nach seiner schriftlichen Zeugenaussage von Januar 2014 zuletzt mit 0-30-120° gemessen, bei weitestgehend freier Unterarmdrehbeweglichkeit. Ende September und Anfang Oktober 2015 erfolgte zwar ein dreitägiger stationärer Aufenthalt im K.-O. Krankenhaus in Stuttgart, wo wegen einer schmerzhaften posttraumatischen Kontraktur der Bizepssehne im Ellenbogenbereich rechts mit Vernarbungen zum Nervus medianus und dessen Irritation bei Bewegung im Ellenbogen eine Revision mit Verlängerung der Bizepssehne mittels Z-Plastik, Lösung der Vernarbungen am Nervus medianus und Neurolyse des Nerven in der Ellenbeuge vorgenommen wurden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war die körperliche Funktion in diesem Bereich indes gleichbleibend mit einem Streckdefizit von 30° eingeschränkt. In der Zeit nach dem Klinikaufenthalt erfolgten passive Krankengymnastik und Bewegungsübungen der freien Gelenke, wodurch das Streckdefizit sogar rasch und nachhaltig beseitigt werden konnte. Denn bereits bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. A. Ende November 2015 führte der Kläger, auf die Nachfrage nach vorhandenen Beschwerden, ein Streckdefizit im Bereich des rechten Ellenbogens nicht mehr als Beeinträchtigung an. Neben der somatoformen Schmerzstörung sind außer mit dem Zustand nach der Ruptur der Bizepssehne rechts üblicherweise verbundene Schmerzen keine weiteren Beschwerden objektiviert; insbesondere keine außergewöhnlichen Schmerzen, derentwegen vorliegend allein ein höherer GdB angenommen werden könnte (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Wie bereits zuvor ausgeführt, nimmt der Kläger deswegen lediglich bei Bedarf Voltaren und mit Lyrica den Arzneistoff Pregabalin, jeweils 75 mg ein. Eine Gesundheitsstörung im Bereich der Schultergelenke hat der Kläger gegenüber dem Orthopäden und Unfallchirurgen B. nicht angeführt. Den feinschlägigen Haltetremor an den distalen Armabschnitten, der von Dr. P. als vegetative Tremorsymptomatik umschrieben worden ist, hat Dr. G. als leichtgradig eingestuft, weshalb hiermit keine weiteren, für den GdB relevante Funktionsbehinderungen verbunden sind.

Das Funktionssystem "Rumpf" hat allenfalls einen Teil-GdB von 10 zur Folge.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen. Der Senat folgt der medizinischen Einschätzung des Orthopäden und Unfallchirurgen B., welcher die Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule als geringgradig einstuft und diese mit einem GdB von 10 als angemessen bewertet erachtet. Der Finger-Boden-Abstand hat bei seiner Untersuchung 20 cm betragen. Die Reklination ist lediglich endgradig schmerzhaft eingeschränkt gewesen. Weder haben sensomotorische Ausfälle vorgelegen noch hat ein Dehnungsschmerz im Bereich der Spinalwurzeln der unteren Rückenmarksegmente festgestellt werden können. So sind sowohl das Lasègue- als auch das Bragard-Zeichen (vgl. Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln, 5. Aufl. 2012, S. 62 f. und 66 f.) negativ gewesen. Im Bereich der Hüften, welche zum Rumpf zählen, liegen wegen der beginnenden Coxarthrose keine maßgeblichen weiteren Funktionsbehinderungen vor. So hat der Orthopäde und Unfallchirurg B. die Außen- und Innenrotation zwar mit 20-0-10° gemessen, ohne allerdings darzulegen, ob bei gestrecktem Hüftgelenk in Bauchlage oder bei gebeugtem Hüftgelenk in Rückenlage (Referenzwerte: 40 bis 50-0-30 bis 40° im einen und 30 bis 45-0-50 bis 60° im anderen Fall; vgl. hierzu Buckup, a. a. O., S. 209), bei schmerzhafter Innenrotation und Schmerzausstrahlung in das rechte Knie. Eine für den GdB relevante Bewegungseinschränkung bei der Beugung oder Streckung (vgl. VG, Teil B, Nr. 18.14) wurde indes nicht festgestellt. Hieraus resultieren geringgradige Funktionsstörungen, die nicht geeignet sind, den Teil-GdB für das Funktionssystem "Rumpf" bereits auf 20 zu erhöhen.

Das Funktionssystem "Herz-Kreislauf" bedingt einen Teil-GdB von maximal 10.

Nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 9 ist für die Bemessung des GdB weniger die Art einer Herz- oder Kreislaufkrankheit maßgeblich als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Ergometerdaten und andere Parameter stellen Richtwerte dar, die das klinische Bild ergänzen. Elektrokardiographische Abweichungen allein gestatten keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße. Ab Ende Februar 2013 ist eine Einschränkung der Herzleistung wegen einer Krankheit des Herzens nicht mehr nachgewiesen. Bei einer Untersuchung Mitte Januar 2013 durch Dr. Th. fand sich kein Hinweis auf ein Rezidiv nach einer früheren Perimyokarditis und kein Nachweis für eine koronare Herzkrankheit. Echokardiographisch zeigte sich eine gute linksventrikuläre Funktion und keine Hypokinesie, Hypertrophie oder ein Perikarderguss. Mitte Dezember 2013 wurde wiederum keine rezidivierende Perimyokarditis oder Rechtsherzinsuffizienz festgestellt. Eine Hypertonie hat der Internist und Kardiologe Dr. Th. trotz der von ihm mit 140/90 mmHg gemessenen Werte nicht diagnostiziert. Mangels Hinweis auf eine Organbeteiligung wäre ein höherer Teil-GdB als 10 nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 bei fehlenden mehrfachen diastolischen Blutdruckwerten über 100 mmHg trotz Behandlung, die sich den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen lassen, ohnehin nicht gerechtfertigt. Für das Funktionssystem "Herz-Kreislauf" ist somit kein höherer Teil-GdB als 10 begründbar.

Das Funktionssystem "Harnorgane" hat einen Teil-GdB von 10 zur Folge.

Die Beurteilung des GdB bei Schäden der Harnorgane richtet sich nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 12 nach dem Ausmaß der Störungen der inkretorischen und exkretorischen Nierenfunktion und/oder des Harntransportes, das durch spezielle Untersuchungen zu erfassen ist. Daneben sind die Beteiligung anderer Organe (z. B. Herz/Kreislauf, Zentralnervensystem, Skelettsystem), die Aktivität eines Entzündungsprozesses, die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die notwendige Beschränkung in der Lebensführung zu berücksichtigen. Nach den VG, Teil B, Nr. 12.2.2 sind bei Entleerungsstörungen der Blase (auch durch Harnröhrenverengung) Begleiterscheinungen (z. B. Hautschäden, Harnwegsentzündungen) gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen. Der Urologe K. hat rezidivierende Scrotumatherome, eine Prostatahyperplasie und eine Prostatitis beschrieben. Die hierdurch bedingten Funktionsstörungen sind mit keinem höheren GdB als 10 zu bewerten. Die benignen, also gutartigen Atherome am Hodensack sind seit 1990 beschwerdefrei, jedenfalls hat der Kläger gegenüber dem Urologen K. nur über einen bis zum Jahr davor vorhandenen Juckreiz berichtet, derentwegen er sich kratzte. Bei der sonographischen Untersuchung Mitte November 2013 stellte sich die Restharnmenge nach Blasenentleerung mit etwa 40 ml als nicht pathologisch dar. Denn nach Sökeland/Schulze/Rübben, Urologie, 12. Aufl. 2001, S. 377 ist eine Restharnmenge unter 50 ml normal. Die Prostata war bei der Untersuchung Ende März 2012 nur mäßig vergrößert und nicht wesentlich druckschmerzhaft. Malignomverdächtige Indurationen, also Gewebeverhärtungen, waren nicht tastbar. Eine Nierenfunktionseinschränkung, wie vom Kläger zur Begründung des Antrages auf Neufeststellung des GdB Ende Februar 2013 angeführt, ist von dem Urologen K. nicht festgestellt worden. Allein die Beschwerden wegen der rezidivierenden Prostatitis führen daher ab diesem Zeitpunkt zu Funktionsstörungen. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist deswegen allerdings nicht gerechtfertigt.

Das Funktionssystem "Ohren" bedingt keinesfalls einen Teil-GdB von 40, der vorliegend, da einzig mit einem Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ein höherer Teil-GdB als 10 vorliegt, erforderlich wäre, um die Schwerbehinderteneigenschaft begründen zu können.

Maßgebend für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 5 die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der sachverständige Zeuge Dr. B. hat zwar eine vor seiner Erstbehandlung des Klägers Anfang Mai 2012 diagnostizierte Schwerhörigkeit angeführt, weswegen diesem Hörgeräte verordnet worden sind. Eine sprach- oder auch nur tonaudiometrische Untersuchung ist durch Dr. B. bislang allerdings nicht erfolgt, weshalb das Ausmaß der Hörstörung nicht feststeht. Um einen höheren Gesamt-GdB als 40 zu erreichen, wäre im Falle des Klägers für das Funktionssystem "Ohren" ein Teil-GdB von 40 erforderlich, um vorliegend die Schwerbehinderteneigenschaft zu erreichen. Nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.4 müsste hierfür auf einem Ohr eine mittelgradige Schwerhörigkeit und auf dem anderen eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegen, wofür kein Hinweis vorhanden ist. Weder hat dies der Kläger behauptet noch liegt wegen der Hörgeräteversorgung ein Anhaltspunkt hierfür vor. Denn für die beidohrige Versorgung mit Hörgeräten, wie sie der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B. zu entnehmen ist, ist nach § 21 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung in der Neufassung vom 21. Dezember 2011/15. März 2012 (BAnz AT vom 10. April 2012) Voraussetzung, dass der tonaudiometrische Hörverlust (DIN ISO 8253-1) auf dem besseren Ohr mindestens 30 dB in mindestens einer der Prüffrequenzen zwischen 500 und 4.000 Hz sowie sprachaudiometrisch die Verstehensquote auf dem besseren Ohr mit Kopfhörern (DIN ISO 8253-3) bei Verwendung des Freiburger Einsilbertests bei 65 dB nicht mehr als 80 % beträgt. Die Voraussetzungen können indes bereits bei einer weniger als mittelgradigen Schwerhörigkeit vorliegen (vgl. VG, Teil B, Nrn. 5.2.2 und 5.2.4), weshalb auch die Versorgung mit Hörgeräten keinen Umstand darstellt, weshalb sich der Senat hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen von Amts wegen anzustellen und das genaue Ausmaß des Hörverlustes zu ergründen. Die Otitis externa ist Mitte Mai 2013 bereits abgeheilt gewesen, ein pathologischer Befund hat nicht mehr vorgelegen, was der Senat der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. B. entnimmt. Der vom Kläger gegenüber Dr. A. angeführte Schwindel, welcher mit der Hörminderung einhergehe, ist nicht in einem solchen Ausmaß nachgewiesen, dass er überhaupt für den GdB relevant ist.

Auch sonst sind mit dem Zustand nach einer Tonsillektomie, der Magen-Darm-Störung beziehungsweise der epigastrischen, auf den Oberbauch bezogenen Beschwerden, den Beinödemen, welche vorwiegend venös bedingt und einer Behandlung mittels eines Kompressionsstrumpfes zugänglich sind, sowie der operativ versorgten Katarakt auf beiden Augen keine Gesundheitsstörungen nachgewiesen, derentwegen einem Funktionssystem zuzuordnende Einschränkungen vorliegen, welche überhaupt erst geeignet wären, den Gesamt-GdB zu erhöhen. Genauso verhält es sich mangels Behinderung der Nahrungsaufnahme wegen der von Dr. A. beschriebenen chronischen Schluckbeschwerden mit unwillkürlichem Flüssigkeitsverlust durch den Mund und die Nase (vgl. VG, Teil B, Nr. 7.7) sowie ob des von dem Urologen K. benannten unterfüllten Kinderwunsches (vgl. VG, Teil B, Nr. 13.2); insoweit ist bereits weder der Verlust oder Schwund beider Nebenhoden noch die Zeugungsunfähigkeit (Impotentia gererandi) objektiviert.

Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB beträgt dieser auch nach dem 27. Februar 2013 nicht mehr als 40.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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