L 6 SB 4793/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 5074/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4793/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit mindestens 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.

Die verheiratete Klägerin wurde 1955 geboren. Nach dem Abitur begann sie das Studium der Fachrichtung Informatik, welches sie abbrach. Anschließend schloss sie eine Ausbildung im gehobenen nichttechnischen Dienst als Diplom-Verwaltungswirtin (FH) ab. Ab 1980 arbeitete sie bei der Stadt Stuttgart im Rechnungsprüfungsamt. Nach der Geburt ihres Ende der 1980er-Jahre geborenen Sohnes arbeitete sie sieben Jahre in Teilzeit zu 70 %. Nach krankheitsbedingter Beschäftigungslosigkeit ab Mitte der 1990er-Jahre nahm sie im Jahre 2000 die berufliche Tätigkeit W.er in Teilzeit zu 50 % auf. Ab Januar 2012 war sie in Vollzeit tätig, im Oktober danach erkrankte sie arbeitsunfähig. Im März 2014 wurde sie aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt. Deswegen ist ein gerichtliches Verfahren anhängig, in dem ein amtsärztliches Gutachten eingeholt wurde, wonach sie nach eigenen Angaben als W.ereingliederungsfähig eingeschätzt wurde. Im H. 2015 erfolgte ein W.ereingliederungsversuch, den die Klägerin nach kurzer Zeit abbrach.

Bei der Klägerin war zuletzt mit (Teilabhilfe-)Bescheid vom 15. Januar 2008 wegen Funktionsbeeinträchtigungen durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Kopfschmerzsyndrom, Schwindel und eine Polyarthrose (beginnende Coxarthrose beidseits), welche von der Versorgungsärztin Dr. M. Anfang Januar 2008 mit einem Teil-GdB von 30 bewertet wurden, der GdB mit 30 seit 6. September 2007 festgestellt worden. Die Funktionsstörungen infolge eines "postthrombotischen Syndroms", "Ohrgeräuschen (Tinnitus)" und einer "Refluxkrankheit der Speiseröhre", die sie mit einem Teil-GdB von jeweils 10 einschätzte, wurden nicht als für den GdB relevant angesehen.

Am 29. November 2010 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB. Sie wies darauf hin, dass sich die Migräne, der Tinnitus und der Schwindel massiv verschlimmert hätten. Als weitere Gesundheitsstörungen hinzugekommen seien ein Schlafapnoe-Syndrom und eine Depression.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie F. berichtete Mitte März 2010, die Klägerin habe über Sehstörungen geklagt. Sie habe leuchtende Sterne, Funkeln und Blitzen oder einfache geometrische Figuren wahrgenommen. Diese zögen sich durch ihr Gesichtsfeld und beeinträchtigten sie massiv. Bei dieser Symptomatologie handele es sich um eine so genannte "ophthalmische Migräne", welche die Klägerin durch eine intensive Lichtempfindlichkeit (Helligkeit oder Dunkelheit) beeinträchtige. In diesem Zusammenhang sei auch eine Lärmempfindlichkeit zu berücksichtigen. Daher werde die Klägerin durch Licht- und Lärmverhältnisse an ihrem Arbeitsplatz stark beeinträchtigt.

Der Facharzt für Neurologie Dr. H. diagnostizierte nach seinem Befundbericht von Mitte März 2010 eine Belastungsreaktion und eine Migräne mit Aura. Es bestehe eine akute Belastungsreaktion als Folge einer beruflichen Konfliktsituation. Um eine weitere Zuspitzung zu vermeiden, habe er eine emotional-harmonisierende Behandlung mit Opipramol verordnet und eine längerfristige psychiatrische Betreuung eingeleitet. Wegen der Migräne rate er bei künftigen Attacken zur Einnahme von Ibuprofen oder Sumatriptan.

Der in einer Berufsausübungsgemeinschaft von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie tätige Assistentsarzt M. F. diagnostizierte nach einer Untersuchung der Klägerin im Oktober 2010 eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2). Er habe Opipramol, 50 mg (0-0-1) verordnet und ihr dringend zu einer ambulanten Psychotherapie geraten. Sie sei affektlabil und ihre Stimmungslage gedrückt gewesen.

Der Arzt für Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin Dr. H. diagnostizierte bei der Klägerin nach dem Befundbericht von Juli 2009 ein leichtgradiges obstruktives Schlafap¬noe-Syndrom, weswegen er die Klägerin zur weiteren ambulanten Behandlung in das Marienhospital Stuttgart überwies. Dr. G., Leitender Arzt des dortigen Zentrums für Innere Medizin II (u. a. Pneumologie und Schlafmedizin) diagnostizierte nach Untersuchungen im August 2010 ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom bei einer Kombination aus REM und Rückenlage. Polysomnographisch habe sich, wie auch im Screening zu vermuten gewesen sei, ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom gefunden. Die Apnoen und Hypopnoen seien nur in Kombination von REM und Rückenlage aufgetreten. Dabei hätten sich Atempausen bis zu einer Länge von 46,5 s gefunden. Die Minimalsättigung habe dann bei 76 % gelegen. Der Klägerin sei geraten worden, in Seitenlage zu schlafen. Da diese bereits eine Bruxismusschiene habe, sei alternativ noch das Anpassen einer progenierenden Schiene durch einen diesbezüglich erfahrenen Zahnarzt oder Kieferorthopäden möglich.

Der Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. W. berichtete Ende Dezember 2010 unter Vorlage eines Tonaudiogramms vom 16. Oktober 2008, es habe sich eine mäßiggradige, rein innenohrbedingte Schwerhörigkeit beidseits mit einem errechneten Hörverlust von 14 % für Töne rechts und 7 % links ergeben. Seit 1989 befinde sich die Klägerin wegen rezidivierender sinubronchialer Infekte, einem Tinnitus und einer Rhonchopathie bei ihm in ambulanter Behandlung. Bei der letztmaligen Vorstellung Ende Oktober 2010 habe die Klägerin an einer eitrigen Sinubronchitis gelitten, welche sich unter entsprechend antibiotisch-sekretolytischer Behandlung rasch zurückgebildet habe.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2011 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin, gestützt auf die versorgungsärztliche Einschätzung des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. F. von Anfang Februar 2011, ab. Hiergegen erhob sie Widerspruch und legte im Widerspruchsverfahren den Befundbericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. K. nach ambulanten Untersuchungen am Ende Juli und Mitte September 2009 vor. Diese diagnostizierte jeweils den Verdacht auf eine Migräne mit Aura und eine Posterior-Transitorische ischämische Attacke (TIA). Der neurologische Untersuchungsbefund sei regelrecht und ohne Anhalt für eine zerebrale Herdsymptomatik oder ein Hirnstammsyndrom gewesen. Die Symptomatik habe an eine Aura-Symptomatik einer Migräne denken lassen. Differentialdiagnostisch sei auch eine TIA im Stromgebiet der Aorta cerebri posterior in Betracht gekommen. Das Elektroenzephalogramm (EEG) habe jedoch keinen Nachweis einer allgemeinen oder umschriebenen Hirnfunktionsstörung oder eine erhöhte zerebrale Erregbarkeit ergeben. Eine extrakranielle Dopplersonographie und ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des Kopfes zum Ausschluss einer Gefäßmalformation seien geplant.

Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. von Juli 2011 seien in den nun vorgelegten nervenärztlichen Befundberichten Schwindel und rezidivierende Kopfschmerzen erwähnt. Über Ohrgeräusche würde darin nicht berichtet. Bei der Klägerin überlagerten sich alle Gesundheitsstörungen. Nunmehr sei ein Teil-GdB von 30 für die psychischen Störungen zugrunde zu legen. Eine entsprechende Verschiebung der relevanten Störung werde daher vorgeschlagen. Die Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule seien demgegenüber geringfügig, es handele sich lediglich um muskuläre Verspannungen. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2011 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 30. August 2011 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, welches schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K., der Oberärztin V., Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Diakonie-Klinikums Stuttgart, des Facharztes für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. L., Dr. H., Dr. W. und dem Arzt für Orthopädie Dr. H. eingeholt hat.

Dr. K. hat im Dezember 2011 und August 2014 ausgeführt, die Klägerin habe sich erstmals im Juli 2010 in der Berufsausbildungspraxis, in der sie wie auch der Assistenzarzt F. tätig gewesen sei, vorgestellt. Bei dieser sei es infolge eines länger dauernden Arbeitsplatzkonfliktes zu einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik gekommen. Sie befinde sich in psychotherapeutischer Behandlung und werde medikamentös behandelt. Zunächst sei Paroxetin zum Einsatz gekommen, mittlerweile würde wegen aufgetretener Nebenwirkungen Seroquel verordnet. Außerdem bestehe eine Migräne mit Aura mit wechselnder Frequenz, aber immer mit bis zu drei Attacken im Monat. Einen GdB von 30 für die Depression und Migräne halte sie für zu gering. Die soziale Integration am derzeitigen Arbeitsplatz sei durch den Konflikt sicher eingeschränkt. Die lebenspraktischen Fertigkeiten hinsichtlich einer selbstständigen Lebensführung und die familiäre Integration seien demgegenüber nicht beeinträchtigt. Die außerfamiliäre soziale Integration sei wegen der depressiven Symptomatik gewiss eingeschränkt. Die Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik habe zuletzt mindestens fünf Jahre angedauert.

Die Oberärztin V. hat nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin Anfang Januar 2012 eine Angst und Depression gemischt (ICD-10 F41.2) diagnostiziert. Die Klägerin habe im Rahmen der Belastungen an ihrem Arbeitsplatz eine ängstliche und depressive Symptomatik entwickelt. Dennoch habe sie weiterhin regulär ihrer Arbeit nachgehen können, da diese ihr auch eine Stabilität geboten habe. Aktuell bestünden keine Eigenmotivation und nur eine geringe Bereitschaft zu medizinisch sinnvollen Maßnahmen. Die Klägerin möchte sich zunächst um einen ambulanten Psychotherapieplatz bemühen.

Dr. L., von dem die Klägerin ab Ende Oktober 2012 hausärztlich betreut worden ist, hat im August 2013 angegeben, im Vordergrund stünde eine depressive Anpassungsstörung vor dem Hintergrund eines massiven Kränkungserlebens am Arbeitsplatz. Durch die Herausnahme von der Arbeitssituation habe sich die psychische Situation gebessert. Nach wie vor sei jedoch die Belastungs- und Leistungsfähigkeit so stark eingeschränkt, dass weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestehe. Aus psychosomatischer Sicht sei die Anpassungsstörung als schwer einzustufen. Einen GdB von 60 erachte er für angemessen. Er hat den Entlassungsbericht von Dr. G., Leitender Arzt der Fachklinik für Psychosomatik, Psychotherapie und Innere Medizin der Rehaklinik Glotterbad in Glottertal nach einem stationären Heilverfahren der Klägerin vom 10. September bis 19. Oktober 2012 vorgelegt. Danach wurden eine depressive Anpassungsstörung vor dem Hintergrund massiven Kränkungserlebens bei Arbeitsplatzkonflikt etwa 2010 (ICD-10 F43.2), ein Zustand nach einem Bandscheibenprolaps im Bereich C3/4 im Jahre 2009 (ICD-10 M51.9), ein funktionell-statisches Wirbelsäulensyndrom, vorwiegend im Bereich der Halswirbelsäule, welches länger als sechs Jahre zurückliege (ICD-10 M54.9) und ein seit mehr als zehn Jahre bestehendes Migräneleiden (ICD-10 G43.0) diagnostiziert. Hintergrund des Arbeitsplatzkonfliktes sei gewesen, dass die Situation mit dem Vorgesetzten eskaliert sei. Die Klägerin habe sich massiv entwertet gefühlt und dadurch eine maximale Kränkung erfahren. Allein bei dem Gedanken an diese Person setzten Zittern, Hyperventilation, Schweißbildung, unregelmäßiger Atem und innere Unruhe ein. Die Klägerin habe sich zum Ende des Heilverfahrens psychisch stabiler und W.er belastbarer gefühlt. Die depressive Symptomatik sei zunehmend der Beachtung eigener Ressourcen und Veränderungsmöglichkeiten gewichen. Sie habe bei anfänglich deutlicher Vulnerabilität im Kontext äußerer und innerer Anforderungen verbunden mit Überforderungs- und Verunsicherungsgefühlen sukzessive eine Distanzierungsfähigkeit zum Arbeitsplatzkonflikt gewonnen. Sie habe sich Strategien für eine konstruktive Interaktion erarbeitet. Dadurch sei das Selbstwertgefühl gestärkt worden.

Dr. H. hat im Dezember 2011 kundgetan, die Klägerin sei zuletzt im Juli 2009 bei ihm in Behandlung gewesen, als er sie in ein Schlaflabor überwiesen habe. Seither habe er sie nicht mehr gesehen.

Dr. W. hat Mitte Dezember 2011 geäußert, bei der Klägerin liege eine geringfügige Schwerhörigkeit mit begleitendem Tinnitus vor. Die Beeinträchtigung sei geringgradig. Ein Sprachaudiogramm habe er nicht erstellt. Im März 2011 sei die Klägerin wegen einer akuten Laryngotracheitis, im Folgemonat wegen trockener Schleimhäute, im Juli 2011 wegen eines Tinnitus und Zervikalsyndroms sowie von Mitte Oktober bis Mitte November 2011 wegen einer akuten sinubronchialen Infektion bei ihm in Behandlung gewesen.

Dr. H. hat im Dezember 2011 mitgeteilt, die Klägerin seit Juni 2009 behandelt zu haben. Ab 2010 sei sie durch seine Kollegin K. untersucht und behandelt worden. Diagnostiziert worden seien eine Zervikozephalgie mit Muskelhartspann und rezidivierendem Schwindel sowie eine zervikale Osteochondrose. Die Rotation der Halswirbelsäule sei nach der Neutral-0-Methode mit 60-0-60° festgestellt worden. Die Wirbelsäulenveränderung sei leichtgradig, aber nicht geringfügig gewesen. Zudem habe eine Funktionsstörung mit Einschränkung der Drehfähigkeit der Halswirbelsäule bestanden, weshalb ein GdB von 10 gerechtfertigt, ein höherer aber nicht begründbar sei.

Das SG hat Dr. Sch. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Nach einer ambulanten klinischen Untersuchung der Klägerin am 18. Dezember 2012 hat dieser ausgeführt, bei ihr liege eine länger dauernde Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) und eine klassische Migräne (ICD-10 G43.1) vor. Ein Wirbelsäulensyndrom im Bereich C7 links sei abgelaufen. Durch die ängstlich-depressive Verstimmung im Rahmen einer Anpassungsstörung komme es zu inneren Unruhegefühlen, vermehrter Anspannung, Ängsten, Rückzugstendenzen und einer Beeinträchtigung der Fähigkeit, mit Misshelligkeiten am Arbeitsplatz oder auch außerhalb der Arbeit ausreichend umgehen zu können. Daneben stünden die teilweise funktionell akzentuierten körperlichen Beschwerden, insbesondere thorakale Oppressionsgefühle und Verspannungen im Rückenbereich mit der psychiatrischen Symptomatik in Zusammenhang. Eine vergleichsweise geringere Beeinträchtigung stellten die typischen Migräneanfälle dar. Die ängstlich-depressive Symptomatik sei leicht ausgeprägt. Die Klägerin leide an Migräne und sehe mit dem rechten Auge nicht richtig. Attacken seien früher einmal im Monat, in der letzten Zeit wöchentlich aufgetreten. Es handele sich um einen dumpfen Schmerz über Stunden bis maximal zwei Tage. Auf Nachfrage seien typische Fortifikationsspektren berichtet worden. Sie gingen mit Übelkeit und Erbrechen einher. An Schmerzmittel nehme sie Ibuprofen und Aspirin ein, daneben Paroxetin, 20 mg. Die körperlichen Beschwerden seien geringfügig bis leicht. Der GdB allein für die psychiatrische Symptomatik sei mit 20 anzusetzen. Für Kopfschmerzen, Migräneanfälle und funktionell überlagerte Körperbeschwerden erscheine zusammen ebenfalls ein solcher GdB angemessen. Für die Wirbelsäulenbeschwerden beziehungsweise die abgelaufene Wurzelreizsymptomatik sei allein aus nervenärztlicher Sicht ein GdB von 10 ausreichend. Der Gesamt-GdB auf seinem Fachgebiet könne mit 30 veranschlagt werden. Im Gegensatz zur versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. L. sei weiterhin ein GdB von insgesamt 30 als zutreffend anzusehen, auch wenn sich die diagnostische Zuordnung mittlerweile anders darstelle. Im Rahmen der Anamnese habe die Klägerin angegeben, vor allem die üblichen Haushaltsaufgaben zu erledigen. Sie mache Yoga und Chi-Gong. Einmal in der Woche passe sie bei der Nachbarin auf deren Kinder auf. Sie lese viel, hierfür reiche die Konzentration schon aus. Sie mache Spaziergänge und gehe regelmäßig zur Krankengymnastik. Ihr Bekanntenkreis sei relativ groß, mit engen Kontakten. Zu ihren Hobbys gehörten Laufen, Lesen, Gartenarbeit und Klavierspielen. Ein Führerschein sei vorhanden, sie fahre auch, obwohl sie manchmal schon Sorge habe, ob sie schnell genug und richtig reagieren könne. Es gehe ihr vor allem um die berufliche Situation, andere Aspekte seien vergleichsweise nachrangig.

Den Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), von Priv.-Doz. Dr. H. ein Sachverständigengutachten einzuholen, hat die Klägerin Ende Mai 2013 zurückgenommen.

In der mündlichen Verhandlung am 30. September 2014, zu der die Klägerin nicht erschienen ist, hat der Beklagte eine Erklärung abgegeben, wonach er sich verpflichtet hat, bei dieser den GdB mit 40 ab 29. November 2010 festzustellen und ihre außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu einem Drittel zu erstatten. Das SG hat daraufhin den Beklagten auf sein "Teilanerkenntnis" hin verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klägerin leide an einer seelischen Störung, wofür ein Teil-GdB von 30 gerechtfertigt sei. Des Weiteren habe sie Migräne und Schwindel, wofür ein GdB von 20 zu berücksichtigen sei. Alle sonstigen Gesundheitsstörungen, an denen die Klägerin leide, bedingten keinen höheren Teil-GdB als 10. Daraus folge ein Gesamt-GdB von 40, wie vom Beklagten anerkannt; für einen höheren fehle es an einer hinreichenden medizinischen Grundlage.

Gegen die der Klägerin am 25. Oktober 2014 zugestellte Entscheidung hat diese am 19. November 2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und im Berufungsverfahren verschiedene medizinische Befundunterlagen überreicht.

Nach einem weiteren stationären Heilverfahren der Klägerin in der Rehaklinik Glotterbad vom 23. September bis 5. November 2014 hat Dr. G. als Diagnosen eine "mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F33.1)", eine Hashimoto-Thyreoiditis (ICD-10 E06.3), eine Migräne (ICD-10 G43.0), einen Zustand nach symptomatischem Harnwegsinfekt, antibiotisch behandelt (ICD-10 N39.0) und eine gemischte Hyperlipidämie (ICD-10 E78.2) angeführt. Nach dem ersten stationären Heilverfahren vor zwei Jahren sei es der Klägerin psychisch kurze Zeit sehr gut gegangen, bis der geplante und ärztlich angeratene Zimmerwechsel am Arbeitsplatz nicht erfolgt sei. Seither sei sie krankgeschrieben. Sie habe aktuell angegeben, sie fühle sich von ihrem Vorgesetzten schikaniert. Trotz ärztlicher Atteste und einer amtsärztlichen Empfehlung nehme er auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen, etwa wegen der Migräne, keine Rücksicht. Sie habe sich sozial zurückgezogen und meide bestimmte Situationen. Mit einer Freundin mache sie allerdings regelmäßig Walking. Sie spiele Klavier. Die Betreuung der Kinder der Nachbarin bereite ihr viel Freude. Zu Arbeitskolleginnen, die sie verstünden und unterstützten, habe sie einen guten Kontakt. Sie sei im Affekt depressiv herabgestimmt gewesen. Sie habe psychisch angespannt und innerlich unruhig gewirkt. Der formale Gedanke sei auf den Arbeitsplatzkonflikt eingeengt gewesen. Es hätten deutliche Hinweise auf ein Hyperarousal vorgelegen. Der Appetit sei vermindert gewesen. Es hätten Durchschlafstörungen bestanden, die sie jedoch nicht als störend empfunden habe. Sie habe sich morgens ausgeschlafen gefühlt. Es seien weder Atemnot noch Herzbeschwerden aufgetreten. Die Klägerin habe sich am Ende des Heilverfahrens psychisch stabiler und W.er belastbar gefühlt, nachdem intensiv und insgesamt an den vereinbarten Rehabilitationszielen gearbeitet worden sei. Sie habe ihre Symptomatik besser einordnen und verstehen können sowie ihre Bewältigungsfähigkeiten erweitert. Die Ressourcen seien aktiviert und das Selbstvertrauen gestärkt worden. Strategien im Umgang mit ihrer Unsicherheit und Anspannung hätten ihr geholfen, das Vermeidungsverhalten abzubauen. Die depressive Symptomatik habe deutlich reduziert werden können. Die Klägerin habe positive Aktivitäten aufgebaut sowie gute Kontakte zu den Mitpatientinnen und -patienten gepflegt. Sie habe berichtet, nur noch wenig an den Arbeitsplatzkonflikt zu denken.

Die Orthopädin K., welche in der Gemeinschaftspraxis Dr. H. und Kollegen angestellt ist, hat nach dem Befundbericht von Anfang Dezember 2014 einen zervikalen Bandscheibenschaden mit Radikulopathie diagnostiziert. Die Klägerin habe vermehrt Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule geäußert. Es habe weiterhin eine eingeschränkte Rotation in diesem Wirbelsäulenabschnitt bestanden, vor allem links. Dabei sei es zu einer Ausstrahlung in den linken Zeigefinger gekommen, welcher sich pelzig angefühlt habe. Die Rotation der Halswirbelsäule sei nach der Neutral-0-Methode, rechts/links, mit 50-0-40° gemessen worden. Es habe eine Dysästhesie im Bereich des Fingers D2 links festgestellt werden können. Die Kraft sei gut gewesen. Es hätten schmerzhafte Myogelosen im Bereich des Musculus trapezius beidseits vorgelegen. Weiter sei ein deutlicher paravertebraler Hartspann festgestellt worden.

Als makroskopischen Befund des Mitte Juni 2013 im oberen Gastrointestinaltrakt entnommenen Materials haben die Ärzte für Pathologie Prof. Dr. R. und andere festgestellt, es habe eine minimale chronische, nicht aktive Gastritis im Antrum und Corpus, im Corpus oberflächlich akzentuiert und mit einzelnen Lymphozytenaggregaten, vorgelegen. Der Nachweis eines Helicobacter pylori sei nicht zu erbringen gewesen. Die Veränderungen seien einer chronischen Gastritis oder, sollte eine entsprechende Anamnese vorliegen, einer abgelaufenen Helicobacter pylori-Gastritis zuzuordnen.

Nach dem Befundbericht der Fachärztinnen für HNO-Heilkunde Dr. B./P. von Ende Januar 2015 ist ein Vertigo (ICD-10 R42) diagnostiziert worden.

Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Pf. hat nach einer Untersuchung der Klägerin Mitte Februar 2015 eine kraniomandibuläre Dysfunktion (ICD-10 M99.90), eine Kiefergelenksdysfunktion (ICD-10 K10.8) sowie einen zervikalen Tinnitus und Schwindel (ICD-10 H93.1) diagnostiziert. Es habe eine deutlich schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach allen Richtungen festgestellt werden können. Muskuläre Verspannungen hätten im Bereich der Halswirbelsäule und der Nackenmuskulatur vorgelegen. Ein Hinweis für ein zervikales Wurzelreizsyndrom sei nicht vorhanden gewesen. Dysfunktionen in den kleinen Wirbelgelenken C1 rechts und C2 links hätten festgestellt werden können. Dr. Pf. hat nach einer Untersuchung Mitte Februar 2016 einen Morbus Forestier-Ott (ICD-10 M48.1), multisegmentale Bandscheibenprotrusionen (ICD-10 M42.92) mit Facettenreizung im Bereich der Halswirbelsäule (ICD-10 M47.22), eine Unkarthrose mit Spondylarthrose im Bereich der Halswirbelsäule (ICD-10 M47.82), eine kraniomandibuläre Dysfunktion (ICD-10 G24.4) und eine Arthralgie der Kiefergelenke diagnostiziert. Im Vergleich zur früheren Befunderhebung sei keine Änderung festzustellen gewesen. Insbesondere hätten keine neurologischen Ausfälle vorgelegen.

Nach einer Untersuchung der Klägerin Mitte März 2015 hat die Fachärztin für Neurologie Dr. R. ein Wirbelsäulensyndrom im Bereich C7 links bei Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelkörper 6/7 diagnostiziert. Für eine Vestibulopathie habe sich klinisch kein Hinweis gefunden. Ein kranielles MRT habe bereits keinen erklärenden Befund gezeigt.

Dr. H. hat im Befundbericht von Mitte März 2015 ausgeführt, bei der ambulanten Polygraphie habe sich erneut ein therapiebedürftiges Schlafapnoe-Syndrom gezeigt, betont wohl im REM-Schlaf. Das zeige einerseits die erhaltene Schlafarchitektur, andererseits die Therapieindikation wegen der doch recht eindrucksvollen Entsättigungen bis minimal 74 %. Da eine Intoleranz gegen eine CPAP-Therapie bestehe, sei der Einsatz einer progenierenden Schiene bevorzugt worden. In einer Bescheinigung von Ende August 2015 zur Vorlage bei der Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der Gewährung eines solchen Hilfsmittels hat Dr. H. weiter ausgeführt, es bestehe nach dem Apnoe-Hypopnoe-Index rein formal eine leicht- bis mittelgradige Schlafapnoe. Im REM-Schlaf komme es allerdings zu sehr langen Atemstillständen bis etwa 46,5 s mit erheblichen Sauerstoffentsättigungen bis 74 %. Die Sauerstoffsättigungskurve sei insgesamt nach rechts verschoben gewesen, so dass der Schweregrad höher einzuschätzen sei. Es habe eine Indikation für eine CPAP-Therapie bestanden, welche dementsprechend auch im Schlaflabor versucht worden sei. Daher habe aus schlafmedizinischer Sicht eine eindeutige Indikation zur Applikation einer progenierenden Schiene vorgelegen, um durch eine hierdurch erreichbare Absenkung des Apnoe-Hypopnoe-Indexes und Milderung der Sauerstoffentsättigungen die ansonsten bei Schlafapnoe eingeschränkte Prognose bezüglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Lebenserwartung zu verbessern. Wegen Pressen und Neigung zum Bruxismus in der Nacht könne die Anpassung einer Schiene allerdings schwierig sein und solle daher von einem kieferorthopädischen Spezialisten durchgeführt werden.

Nach dem Bericht der Dipl.-Psych. Sch., Psychologische Psychotherapeutin im Anschluss an probatorische Sitzungen im Januar 2015 diagnostizierte sie eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1) als Anpassungsstörung im Sinne einer posttraumatischen Verbitterungsstörung, eine Migräne (ICD-10 G43.0) und Kontaktanlässe mit Bezug auf das Berufsleben (ICD-10 Z56). Der Therapieverlauf, welcher zu Beginn stark von Beziehungsarbeit geprägt gewesen sei, habe sich als schwierig dargestellt. Die Klägerin sei im März 2014 als Beamtin gegen ihren Willen in den Ruhestand versetzt worden. Begonnen habe aus deren Sicht alles im Jahre 2009, als sie das Büro habe wechseln müssen. Sie sei zunächst in ihrem Denken und Fühlen sehr stark auf ihr Wertlosigkeitsgefühl und die damit verbundenen starken Selbstzweifel sowie den Ärger auf ihren Vorgesetzten eingeengt gewesen. Im Sommer 2014 sei es zu einer erneuten amtsärztlichen Begutachtung gekommen, woraufhin sie nunmehr als dienstfähig eingestuft worden sei. Zeitgleich sei der ehemalige Behördenleiter altersbedingt in den Ruhestand versetzt worden. Wegen dieser beiden Umstände sei es zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik gekommen. Die berufliche W.ereingliederung habe aus unterschiedlichen Gründen, deren Ursache nicht bei der Klägerin liege, bislang allerdings noch nicht stattfinden können. Dies habe zu einer erneuten Destabilisierung des Zustandes geführt. Sie habe gleichwohl mittlerweile Fortschritte im Umgang mit ihren Gefühlen gemacht. Sie sei sich mittlerweile selbst nicht mehr sicher, ob sie überhaupt nochmal in den Beruf zurückkehren oder ihre restliche Lebenszeit nicht lieber mit anderen Dingen verbringen wolle.

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. St. hat nach seinem Attest von Oktober 2015 bei der Klägerin eine Autoimmunthyreoiditis Hashimoto diagnostiziert. Als Basistherapie werden neben einer Substitutionstherapie mit L-Thyroxin eine immunmodulierende Therapie mit Vitamin D und Selen durchgeführt. Hierbei handele es sich um Therapeutika, nicht um Nahrungsergänzungsmittel.

Nach einer Untersuchung der Klägerin Ende Januar 2016 hat die Oberärztin Dr. R., Klinik für HNO-Heilkunde des M.-Hospitals Stuttgart, eine rezidivierende Aspiration und ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom diagnostiziert. Eine Schlafmaske habe die Klägerin in der Vergangenheit nicht vertragen. Daher sei sie nun mit einer Zahnschiene versorgt worden, womit sie gut eingestellt sei. Sie habe über rezidivierende Schluckbeschwerden mit Aspiration berichtet. Logopädie sei bereits in Anspruch genommen worden. Bei der enoralen Inspektion hätten sich keine Auffälligkeiten gezeigt. Das Zungenbändchen sei deutlich verkürzt, weswegen die Zunge vorne wenig mobil sei.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat Prof. Dr. W. ein nervenärztliches Gutachten erstattet. Nach deren ambulanter klinischer Untersuchung am 2. Dezember 2015 hat die Sachverständige ausgeführt, an Diagnosen lägen eine Angst und depressive Störung, gemischt (ICD-10 F41.2), eine rezidivierende depressive Störung in der Vorgeschichte (ICD-10 F33.4), eine Schmerzstörung unklarer Genese mit Verdacht auf Myelopathie (Schädigung des Rückenmarks) bei bekannten Bandscheibenvorfällen im Bereich der Halswirbelsäule mit C 6/7-Syndrom links oder im Bereich der Brustwirbelsäule, möglicherweise auch eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.41), eine Migräne mit Aura (ICD-10 G43.1), eine Sensibilitätsstörung im Gebiet des Nervus cutaneus femoralis lateralis links (ICD-10 R20.1), ein multifaktorieller Schwindel mit Verdacht auf einen leichten benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel, Schwindel im Rahmen einer Migräne oder Angstsymptomatik (ICD-10 R42), ein Tinnitus (ICD-10 H93.1) und ein Schlafapnoe-Syndrom (ICD-10 G47.3) vor. Die in den Akten erwähnte posttR.matische Belastungsstörung solle demgegenüber nicht diagnostiziert werden. Die Klägerin habe angegeben, zwei Bandscheibenvorfälle im Bereich der Halswirbelsäule gehabt zu haben. Im Bereich der Brustwirbelsäule fehle eine Bandscheibe. Ihr seelischer Zustand sei sehr schlecht geworden. Sie leide unter einem Tinnitus und einer phasenweisen Verschlechterung des Gehörs. Begonnen habe alles mit einem Umzug des Rechnungsprüfungsamtes. Danach habe sie in einem dunklen Zimmer sitzen müssen. In einer solchen Umgebung bekomme sie Migräne. Dies sei dem Behördenleiter egal gewesen. Sie habe die Situation drei Jahre lang ausgehalten. Dann habe sie zwar in ein anders Zimmer umziehen dürfen. Dieses sei allerdings nicht nur ebenfalls dunkel gewesen, sie habe es sich mit einer Kollegin teilen müssen. Diese sei geistig und körperlich behindert gewesen, habe deswegen unkontrolliert geschrien und gesungen sowie sich wegen eines Ekzems teilweise blutig gekratzt, was sie emotional sehr belastet habe. Ihr sei ein weiterer R.m angeboten worden, welcher jedoch nicht als Arbeitszimmer vorgesehen gewesen sei. Ihr Vorgesetzter habe sich über sie beschwert und sie als verhaltensauffällig bezeichnet. Sie schicke ihren Mann zum Einkaufen von Lebensmitteln. Denn sie halte sich ungern an Orten auf, wo viele Menschen sind. Eine Buchhandlung könne sie demgegenüber aufsuchen. Sie laufe gerne, auch alleine. Wochenweise gehe es ihr gut, aktuell aber schlecht. Die Libido habe etwas nachgelassen. Die Migräne habe sie seit der Jugend. Im letzten Jahr habe sie viele kurze, also weniger als zwei Tage andauernde Attacken gehabt, etwa zwei- bis dreimal im Monat. Dabei träten Übelkeit, Schwindel, eine visuelle Aura und manchmal, etwa einmal im Monat, Kopfschmerzen auf. Sie nehme bei Bedarf Aspirin. Werde es nicht besser, greife sie auf Rizatriptan, 10 mg zurück. Diesen Arzneistoff benötige sie etwa einmal im Monat. Sie habe Schmerzen im Bereich des gesamten Oberkörpers sowie besonders im Bereich des Nackens, der Schultern und der Brustwirbelsäule. Im Theater könne sie nicht so sitzen, dass sie nach links schauen müsse. Dann trete Schwindel auf. Mit dem Theaterbesuch sei es wie mit dem Einkaufen. Es störe sie, wenn zu viele Menschen anwesend seien. Sie brauche jemanden, der sie dorthin mitnehme und letztendlich überrede. Dann sei es aber sehr schön. Zuletzt sei sie vor zwei Wochen essen gegangen. Aktuell mache sie deswegen keine Therapie. Sie nehme lediglich Logopädie in Anspruch, da sie sich häufig an ihrem eigenen Speichel verschlucke. Unter dem Schwindel leide sie seit zehn Jahren, vor allem bei der Kopfdrehung nach links. Manchmal wache sie morgens damit auf. Dann bewegten sich die Augen hin und her, was beim Hinlegen oder Aufstehen fünf Minuten anhalte. Nach dem Bücken könne es auch ab und an über zwei Stunden bis zwei Tage andauern. Dann komme auch Übelkeit hinzu. Nach Lagerungsübungen sei es nicht mehr so schlimm gewesen. Sie habe je nach Nahrungsaufnahme Probleme mit einem Magenreflux. Deswegen nehme sie manchmal zwei Wochen lang Omeprazol ein. Urinabgang habe sie, wenn die Blase voll sei, ein wenig beim Niesen oder Husten. An Medikamenten nehme sie insbesondere das Psychopharmakon Quetiapin, 25 mg sowie die Schmerzmittel Aspirin, zweimal im Monat, Ibuprofen, 400 mg, zwei- bis dreimal im Monat, und Rizatriptan, 10 mg. Den GdB wegen der Störung mit Angst und Depression bewerte sie mit 30. Die Klägerin habe vor allem eine Beeinträchtigung durch ein Vermeidungsverhalten, wie etwa in Bezug auf das Autofahren, beschrieben. Dies habe wohl dazu geführt, dass Angstgefühle nicht im Vordergrund stünden. Offensichtlich träten bei ihr Fluktuationen des Zustandes auf. Die psychische Störung mit ängstlichen und depressiven Symptomen sei nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen über den gesamten Zeitverlauf seit 2009 betrachtet als eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einzuordnen. Immerhin habe die Beeinträchtigung eine Therapie erforderlich gemacht und zur Versetzung in den Ruhestand beigetragen. In ihrem Alltagsleben sei die Klägerin demgegenüber vergleichsweise wenig beeinträchtigt gewesen. Sie sei auch weiterhin motiviert gewesen, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, nachdem sie im Juli 2015 amtsärztlich als W.ereingliederungsfähig eingestuft worden sei. Für die Schmerzsymptomatik sei ein GdB von 20 sowie für die Migräne, den Schwindel, den Tinnitus und das Schlafapnoe-Syndrom jeweils ein solcher von 10 angemessen. Insgesamt ergebe sich daraus ein Gesamt-GdB von 40. Es bestehe eine Abweichung zu der Einschätzung durch Dr. Sch., welcher die psychiatrische Symptomatik mit einem Teil-GdB von 20 für ausreichend erachtet habe. Inzwischen seien jedoch weitere drei Jahre vergangen, in denen die psychische Symptomatik trotz weiterer Behandlungen (Rehabilitationen, erneute Psychotherapie) angehalten habe. Die psychische Symptomatik habe sich also eher verfestigt und habe inzwischen erhebliche soziale Konsequenzen nach sich gezogen. Unter Berücksichtigung dieses Verlaufes bewerte sie die psychische Symptomatik als schwerwiegender. Ebenso stufe sie die Wirbelsäulenbeschwerden als etwas schwerer ein als Dr. Sch ... Dr. L. habe wegen der von ihm angenommenen Anpassungsstörung einen GdB von 60 für angemessen erachtet. Nach dem Diagnosesystem ICD-10 könne aber eigentlich keine Anpassungsstörung mehr diagnostiziert werden. Außerdem sei ein Teil-GdB von 60 nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht adäquat.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, in nervenärztlich-psychiatrischer Hinsicht werde ein Teil-GdB von 30 ihren Leiden nicht gerecht. Das Gutachten von Dr. Sch. sei unzureichend. Sie habe zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung von dem, was um sie herum geschehen sei, fast nichts mitbekommen. Fernsehsendungen habe sie nicht mehr folgen können. Sie habe massiv an Konzentrationsstörungen und Gedächtnisproblemen gelitten. Sie habe zeitweise vergessen, die Wasserhähne zuzudrehen. Die Schlafstörungen seien erheblich gewesen. Sie sei nachts zwischen 2 Uhr und 3 Uhr wachgelegen und habe nicht mehr einschlafen können. Es hätten Tagesschwankungen bestanden, abends sei es schlimmer gewesen. Sie habe nicht im eigentlichen Sinne auf die Kinder der Nachbarin aufgepasst, sondern sei dorthin gegangen, um sich abzulenken. Sie habe nur kurze Geschichten und Sachtexte lesen können. Spaziergänge habe sie unternommen, indem sie die Straße vor ihrem Haus hoch und runter gegangen sei. Die gegenüber Dr. Sch. erwähnten Hobbys habe sie nicht mehr ausgeübt. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. W. ergebe sich hierfür ein Teil-GdB von mindestens 40, nachdem auch diese von einem sozialen Rückzug und einer Beeinträchtigung des Gedächtnisses sowie einem leichten bis mäßigen Vermeidungsverhalten ausgehe. Nicht hinreichend beachtet worden sei zudem, dass sie durch die Techniker Krankenkasse, bei der sie gegen Krankheit gesetzlich versichert sei, in ein Spezialprogramm für psychisch Kranke eingebunden worden sei. Ferner seien die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bislang nur unzureichend bewertet worden. Denn Dr. Pf. habe deutlich schmerzhafte Bewegungseinschränkungen nach allen Richtungen im Bereich der Halswirbelsäule sowie muskuläre Verspannungen dort und in der Nackenmuskulatur beschrieben. Daneben liege eine Dysfunktion zweier kleiner Wirbelgelenke vor. Nach dem radiologischen Befundbericht von Dr. M. von Ende Januar 2016 habe sich darüber hinaus eine deutlich gestörte Statik der Halswirbelsäule bei flacher Kyphosierung ergeben. Das Antragsrecht nach § 109 SGG sei durch die Einholung des Gutachtens bei Prof. Dr. W. nicht verbraucht. Der Wortlaut dieser Vorschrift enthalte kein Zahlwort, sondern einen unbestimmten Artikel. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats führe zu einer Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Personen wie sie, welche erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen auf mehreren ärztlichen Fachgebieten hätten. Davon abgesehen stützten sämtliche vorliegenden medizinischen Befundunterlagen mindestens einen Gesamt-GdB von 50.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. September 2014 teilweise aufzuheben und den Bescheid vom 24. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2011 weiter aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihr unter weiterer Abänderung des Bescheides vom 15. Januar 2008 den Grad der Behinderung mit mindestens 50 ab 29. November 2010 festzustellen, hilfsweise Dr. F. V., Diakonie-Klinikum Stuttgart, R.-Str. 38, 70176 Stuttgart nach § 109 Sozialgerichtsgesetz gutachterlich dazu zu hören, dass ihr Gesundheitszustand auf orthopädischem Fachgebiet zu Funktionseinschränkungen geführt hat, die einen Gesamt-GdB von mindestens 50 stützen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die vorliegenden medizinischen Befundunterlagen stützten keinen höheren Gesamt-GdB als 40. Ebenso hielten die Sachverständigen Dr. Sch. und Prof. Dr. W. einen Gesamt-GdB in dieser Höhe für ausreichend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr über die Verurteilung des Beklagten auf sein in der mündlichen Verhandlung am 30. September 2014 abgegebenes Teilanerkenntnis des GdB mit 40 ab 29. November 2010 hinaus (vgl. zu einer solchen prozessualen Erklärung BSG, Urteil vom 22. April 1998 - B 9 SB 3/97 R - und Beschluss vom 16. Februar 2012 - B 9 SB 48/11 B -, jeweils juris) dessen Verpflichtung zur Feststellung des GdB mit 50 ab diesem Datum verfolgt worden ist. Die Klägerin hat ab diesem Tag keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40, wie er vom SG ausgeurteilt worden ist. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt diese nicht in ihren Rechten, soweit die Feststellung eines höheren GdB als 40 abgelehnt worden ist.

Gegenstand der Klage ist ein Anspruch der Klägerin auf Neufeststellung des GdB mit 50 ab 29. November 2010 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, der dem bestandskräftigen Bescheid vom 15. Januar 2008 zugrunde lag. Diesem Anspruch steht der Bescheid vom 24. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2011 entgegen, da ihn das SG in Bezug auf die Ablehnung der Feststellung eines GdB von 50 nicht aufgehoben hat. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34; vgl. auch BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, BSGE 79, 223 (225) zum selben Beurteilungszeitpunkt bei der isolierten Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung).

Grundlage für den Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voR.s (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem Bescheid vom 15. Januar 2008 über die Feststellung des GdB mit 30 seit 6. September 2007 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieses Bescheides vorlagen, ist indes eine wesentliche Änderung lediglich insoweit eingetreten, als die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin ab 29. November 2010 einen Gesamt-GdB von 40 bedingen.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales GebR.ch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen W.ergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen der Klägerin nach dem 28. November 2010 keinen höheren GdB als 40 begründen.

Das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" hat einen Teil-GdB von 30 zur Folge.

Zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraumes ab 29. November 2010 litt die Klägerin in Bezug auf dieses Funktionssystem an einer Anpassungsstörung (ICD-10-GM-2016 F43.2), wie sie der Assistenzarzt F. bereits im Monat davor diagnostizierte und von der in derselben Berufsausübungsgemeinschaft tätigen sachverständigen Zeugin Dr. K. Ende Dezember 2011 bestätigt wurde. Dr. G. stellte nach einem stationären Aufenthalt der Klägerin in der Fachklinik für Psychosomatik, Psychotherapie und Innere Medizin der Rehaklinik Glotterbad von Mitte September bis Mitte Oktober 2012 ebenfalls diese Diagnose. Nach ICD-10-GM-2016 F43.2 sind Anpassungsstörungen Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz der Betroffenen (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht) beschädigt haben. Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein. Hervorstechendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein. Als solch ein Zustand von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung ist der im Jahre 2010 aufgetretene Konflikt am Arbeitsplatz gewesen. Dieser begann nach dem im Jahr davor erfolgten Umzug des Rechnungsprüfungsamtes der Stadt Stuttgart, wo die Klägerin beschäftigt war. Danach arbeitete sie in einem aus ihrer Sicht zu dunklen Zimmer, was bei ihr das Auftreten der Migräne begünstigt habe. Dies sei dem Behördenleiter egal gewesen. Trotz ärztlicher Atteste und einer amtsärztlichen Empfehlung habe er auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen, etwa wegen der Migräne, keine Rücksicht genommen. Sie habe die Situation drei Jahre lang ausgehalten. Dann habe sie zwar in ein anders Zimmer umziehen dürfen. Dieses sei allerdings nicht nur ebenfalls dunkel gewesen, sie habe es sich zudem mit einer Kollegin teilen müssen. Diese sei geistig und körperlich behindert gewesen, habe deswegen unkontrolliert geschrien und gesungen sowie sich wegen eines Ekzems teilweise blutig gekratzt, was sie emotional sehr belastet habe. Der Amtsleiter habe keine Lösung gefunden, sondern sich stattdessen über sie beschwert und als verhaltensauffällig bezeichnet. Die Klägerin fühlte sich hierdurch massiv entwertet und war gekränkt. Allein bei dem Gedanken an ihren damaligen Vorgesetzten setzten Zittern, Hyperventilation, Schweißbildung, unregelmäßiger Atem und innere Unruhe ein, was der Senat den Entlassungsberichten von Dr. G. über die stationären Heilverfahren in den Jahren 2012 und 2014 entnimmt.

Diese Anpassungsstörung, welche der Sachverständige Dr. Sch. noch im Dezember 2012 diagnostizierte, ist im weiteren Verlauf von einer mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10-GM-2016 F32.1) abgelöst worden, welche die Dipl.-Psych. Sch. im Januar 2015 diagnostizierte. Dr. G. hat zwar zuvor nach dem zweiten stationären Aufenthalt der Klägerin in der Rehaklinik Glotterbad von Ende September bis Anfang November 2014 den Diagnoseschlüssel "ICD-10 F33.1" angeführt, der für eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode steht. Indes hat er hinter dem Schlüssel lediglich eine "mittelgradige depressive Episode" angegeben und auch keine sich W.erholende depressive Episode benannt, wie es hingegen für eine rezidivierende, also W.erkehrende Erkrankung Voraussetzung ist. Soweit von der Sachverständigen Prof. Dr. W. als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung in der Vorgeschichte (ICD-10-GM-2016 F33.4) aufgelistet worden ist, hat sie ersichtlich an den Entlassungsbericht von Dr. G. über den stationären Aufenthalt der Klägerin in der Rehaklinik Glotterbad im Jahre 2014 angeknüpft. Diesem kann jedoch keine mehrmals aufgetretene depressive Episode entnommen werden. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. L. hat zwar noch in seiner schriftlichen Zeugenauskunft von August 2013 eine depressive Anpassungsstörung vor dem Hintergrund eines massiven Kränkungserlebens angegeben. Wegen der fachfremden Diagnosestellung und mangels Verschlüsselung nach einem Diagnoseklassifikationssystem kann dies indes bereits nicht nachvollzogen werden (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 - L 6 VS 2234/15 -, juris, Rz. 33). Doch selbst wenn diese Umschreibung dem Schlüssel ICD-10-GM-2016 F43.2 zugeordnet werden würde, ist die von Dr. L. angenommene Krankheit ob der nicht erfüllten notwendigen Kriterien nicht nachgewiesen, worauf auch Prof. Dr. W. hingewiesen hat. Auf der Grundlage ihrer gutachterlichen Untersuchung Ende 2015 hat sie eine Angst und depressive Störung, gemischt (ICD-10-GM-2016 F41.2) diagnostiziert, wie bereits zwischenzeitlich die sachverständige Zeugin V. im Januar 2012. Diese Kategorie soll nach den Diagnosekriterien bei gleichzeitigem Bestehen von Angst und Depression Verwendung finden, jedoch nur, wenn keine der beiden Störungen eindeutig vorherrscht und keine für sich genommen eine eigenständige Diagnose rechtfertigt. Treten ängstliche und depressive Symptome in so starker Ausprägung auf, dass sie einzelne Diagnosen rechtfertigen, sollen beide Diagnosen gestellt und auf diese Kategorie verzichtet werden. Diese Diagnosestellung ist für den Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W. schlüssig. Denn sie hat ausgeführt, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt vor allem durch ein Vermeidungsverhalten in Bezug auf das Autofahren geprägt war und Angstgefühle der Form, dass etwas Schlimmes passiere, zwar nicht im Vordergrund standen, aber doch vorhanden waren. Für den Senat war dies vor dem Hintergrund, dass Prof. Dr. W. sogar eine eher leicht gesteigerte Resonanzfähigkeit bei normalem Antrieb beobachten konnte, nachvollziehbar, da jedenfalls die typischen Symptome einer schweren Depression damit bei der Klägerin fehlen. Die in der Vergangenheit von anderen sachkundigen Personen gestellten Diagnosen hat die Sachverständige überdies nicht in Frage gestellt. Denn sie ist von Schwankungen im Gesundheitszustand ausgegangen, was sie mit Fluktuationen umschrieben hat. Eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10-GM-2016 F45.41) hat sie lediglich als möglich erachtet, weshalb diese Gesundheitsstörung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegt. Die in den Akten erwähnte posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10-GM-2016 F43.1) beziehungsweise die von der Dipl.-Psych. Sch. erwähnte posttraumatische Verbitterungsstörung ist nicht objektiviert worden, nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. W. ist diese Diagnose bei der Klägerin nicht zu stellen gewesen, da es hierfür bereits an dem dafür erforderlichen adäquaten Trauma fehlt.

In Anlehnung an die VG, Teil B, Nr. 3.7, wonach Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB von 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdB von 80 bis 100 zu bewerten sind, rechtfertigen die wegen der Anpassungsstörung, der mittelgradigen depressiven Episode sowie der Angst und depressiven Störung, gemischt bestehenden Funktionsstörungen ab 29. November 2010 zwar einen GdB von 20, stützen allerdings keinen höheren. Prof. Dr. W. als zuletzt begutachtende Sachverständige ist in der Rückbetrachtung für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass der psychische Gesundheitszustand der Klägerin Schwankungen unterlegen hat. Nach den VG, Teil A, Nr. 2 f ist solchen bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen.

Insoweit ist der GdB mit 20 angemessen und ausreichend bewertet, da durch die psychischen Erkrankungen ab Ende November 2009 keine Funktionsstörungen hervorgerufen worden sind, die durchgängig die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt haben. Die soziale Integration der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz ist durch den Konflikt Ende 2010 nach den schlüssigen Ausführungen der sachverständigen Zeugin Dr. K. zwar eingeschränkt gewesen. Die lebenspraktischen Fertigkeiten hinsichtlich einer selbstständigen Lebensführung und die familiäre Integration sind demgegenüber nicht beeinträchtigt gewesen. Sie hat zwar vermutet, dass die außerfamiliäre soziale Integration wegen der depressiven Symptomatik eingeschränkt gewesen ist, was sich allerdings nicht hat belegen lassen. Zum Ende des stationären Heilverfahrens in der Rehaklinik Glotterbad Mitte Oktober 2012 fühlte sich die Klägerin psychisch stabiler und wieder belastbarer. Die depressive Symptomatik war zunehmend der Beachtung eigener Ressourcen und Veränderungsmöglichkeiten gewichen. Sie gewann bei anfänglich deutlicher Vulnerabilität im Kontext äußerer und innerer Anforderungen verbunden mit Überforderungs- und Verunsicherungsgefühlen sukzessive eine Distanzierungsfähigkeit zum Arbeitsplatzkonflikt. Sie erarbeitete sich Strategien für eine konstruktive Interaktion. Dadurch war das Selbstwertgefühl W.er gestärkt. Dies entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht von Dr. G. über dieses erste stationäre Heilverfahren. Im Bericht von ihm über das zweite Heilverfahren ist zwar beschrieben, dass es der Klägerin nach dem ersten Aufenthalt psychisch nur kurze Zeit gut ging. Dieser Zustand hielt an, bis klar war, dass der geplante und ärztlich angeratene Zimmerwechsel am Arbeitsplatz nicht erfolgte. Gleichwohl war die Tagesstruktur zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Sch. Mitte Dezember 2012 noch so erhalten, dass hieraus keine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ableitbar war. Unter Berücksichtigung ihrer Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. Sch. war es ihr gleichwohl möglich, die üblichen Haushaltsaufgaben zu erledigen. Sie ging regelmäßig zum Yoga und machte Chi-Gong, wie sie es in der Rehaklinik Glotterbad erlernt hatte. Einmal in der Woche passte sie auf die Kinder der Nachbarin auf. Soweit sie hiergegen vorgebracht hat, dass es ihr darum ging, sich abzulenken, hat sie unerwähnt gelassen, dass ihr diese Ablenkung viel Freude bereitete. Dies entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht von Dr. G. über das zweite stationäre Heilverfahren im Jahre 2014. Sie las, wenn auch wegen vorhandener Konzentrationsstörungen und Gedächtnisproblemen nur kurze Geschichten und Sachtexte. Spaziergänge unternahm sie in der Nähe ihres Hauses, konnte also den geschützten Wohnbereich durchaus verlassen. Ihr Bekanntenkreis war relativ groß, mit engen Kontakten. So traf sie sich etwa regelmäßig mit einer Freundin zum Walking. Auch zu den Arbeitskolleginnen, die sie ihrer Meinung nach verstanden und unterstützten, hatte sie weiterhin einen guten Kontakt. Sie hatte, entgegen ihrem Einwand gegen das Gutachten von Dr. Sch., auch nicht sämtliche Hobbys aufgegeben, sondern weiterhin Klavier gespielt. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Entlassungsbericht von Dr. G. über den späteren stationären Aufenthalt in der Rehaklinik Glotterbad. Hiernach fühlte sie sich darüber hinaus psychisch stabiler und wieder belastbar, nachdem intensiv und insgesamt an den vereinbarten Rehabilitationszielen gearbeitet wurde. Sie konnte ihre Symptomatik besser einordnen und verstehen und hatte ihre Bewältigungsfähigkeiten erweitert. Die Ressourcen wurden aktiviert und das Selbstvertrauen gestärkt. Strategien im Umgang mit ihrer Unsicherheit und Anspannung halfen ihr, das Vermeidungsverhalten abzubauen. Die depressive Symptomatik konnte deutlich reduziert werden. Die Klägerin baute positive Aktivitäten auf und pflegte gute Kontakte zu den Mitpatientinnen und -patienten. Sie dachte nur noch wenig an den Arbeitsplatzkonflikt. Damit in Einklang steht, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung Ende 2015 durch Prof. Dr. W. in ihrem Alltagsleben vergleichsweise wenig beeinträchtigt war. Sie mied zwar Einkaufsmärkte und schickte ihren Ehemann zum Einkaufen von Lebensmitteln, da sie sich ungern an Orten aufhielt, wo viele Menschen sind. Eine Buchhandlung konnte sie demgegenüber genauso aufsuchen wie ab und zu das Theater. Dort störte sie zwar, wenn viele Menschen anwesend waren. Wenn sie jedoch von einer anderen Person überredet und mitgenommen wurde, war ihr dessen Besuch möglich. Sie lief weiterhin gerne, auch alleine. Obwohl sie zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W. angeblich psychisch sehr krank war, war es ihr davor wochenweise gut gegangen. Der Sexualtrieb ließ nur etwas nach. Zudem war sie noch im Dezember 2015 weiterhin motiviert, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Zwar lagen infolge des Arbeitsplatzkonfliktes psychoreaktive Störungen in Form von Zittern, Hyperventilation, Schweißbildung, unregelmäßigem Atem und innerer Unruhe allein bei dem Gedanken an ihren Vorsitzenden in einem solchen Ausmaß vor, dass sich der Assistenzarzt F. dazu veranlasst sah, der Klägerin dringend zu einer ambulanten Psychotherapie zu raten. In Bezug darauf äußerte sie zwar Anfang Januar 2012 gegenüber der sachverständigen Zeugin V., sich um einen ambulanten Psychotherapieplatz bemühen zu wollen. Sie nahm allerdings erst im Januar 2015 probatorische Sitzungen bei der Dipl.-Psych. Sch., Psychologische Psychotherapeutin wahr. Zuvor war sie lediglich bei der sachverständigen Zeugin Dr. K. in psychotherapeutischer Behandlung und wurde zunächst mit den Arzneistoffen Opipramol, 50 mg (0-0-1) und Paroxetin, 20 mg sowie später, wegen aufgetretener Nebenwirkungen in Bezug auf die Migräne, mit dem Arzneistoff Quetiapin, 25 mg, welcher in dem Medikament Seroquel enthalten ist, versorgt. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen (VG, Teil A, Nr. 2 i) sind daher erst ab dem Jahre 2015 belegt. Anders als mit ihren Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. Sch., wonach die Schlafstörungen erheblich seien, berichtete sie gegenüber Dr. G. im H. 2014, dass zwar Durchschlafstörungen bestanden. Diese beeinträchtigten sie indes nicht, sie fühlte sich morgens ausgeschlafen. Es hatten zwar deutliche Hinweise auf ein Hyperarousal vorgelegen und der Appetit war vermindert. Atemnot oder Herzbeschwerden ließen sich jedoch nicht feststellen. Anders als die Klägerin zwischenzeitlich im Verfahren vorgetragen hat, ist eine zirkadiane Verlaufsschwankung von keinem der behandelnden Ärzte oder den Sachverständigen objektiviert worden. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit lässt sich auch aus den von Dr. Sch. und Prof. Dr. W. erhobenen psychopathologischen Befunden nicht ableiten. Im Dezember 2012 hat sie im Ausdrucksverhalten nur leicht verstimmt gewirkt. Eine wesentliche Verlangsamung oder eine ausgeprägte Veränderung der Mimik hat nicht vorgelegen. Demgegenüber hat bei Dr. Sch. der Eindruck. bestanden, dass sie streckenweise dazu neigt, zu überkompensieren und verdrängen. Eine solche leichte depressive Symptomatik wurde auch drei Jahre später von Prof. Dr. W. festgestellt. Es bestand ein gutes Aufmerksamkeitsniveau, die Klägerin konnte dem Gespräch konzentriert folgen. Es fielen weder Kurz- noch Langzeitgedächtnisstörungen auf, obwohl die Klägerin angab, das Gedächtnis sei weg. Der formale Denkablauf war ungestört, sie war lediglich inhaltlich sehr auf ihre Symptome und die Äußerungen der sie behandelnden Ärzte fokussiert. Lediglich die Stimmung war, bei lebhafter Ausdruckweise, wechselnd. Die affektive Resonanzfähigkeit war eher leicht gesteigert. Als Durchschnittswert des schwankenden Gesundheitszustandes ist nach alledem kein höherer GdB als 20 begründbar, wie ihn Dr. Sch. im Dezember 2012 aus medizinischer Sicht nachvollziehbar einschätzte. Der Bewertung durch Prof. Dr. W., wonach der GdB wegen der Störung mit Angst und Depression 30 beträgt, folgt der Senat mangels schlüssiger Herleitung nicht. Sie hat ihn dieser Höhe im Wesentlichen deshalb für begründet erachtet, da sich die psychische Symptomatik eher verfestigt und inzwischen erhebliche soziale Konsequenzen nach sich gezogen habe. Die bloße Verfestigung stützt indes allenfalls, dass der GdB in der bisherigen Höhe weiter vorliegt, erklärt aber noch keine Verschlimmerung der Funktionseinschränkungen. Die von ihr angeführten erheblichen sozialen Konsequenzen liegen nicht in einem solchen Ausmaß vor, dass nach der Durchschnittsbetrachtung bereits der GdB-Rahmen von 30 bis 40 eröffnet wäre. Dass die Klägerin bei der Techniker Krankenkasse, bei der sie gegen Krankheit gesetzlich versichert ist, in ein "Spezialprogramm" für psychisch Kranke eingebunden worden ist, besagt in Bezug auf die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen nichts.

Wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen durch die von Dr. Sch. und Prof. Dr. W. jeweils diagnostizierte Migräne mit Aura (ICD-10-GM-2016 G43.1) und nicht ohne neurologische Ausfälle, wie von Dr. L., Dr. G. und der Dipl.-Psych. Sch. angenommen, worauf bereits Dr. K. Mitte 2009 den Verdacht äußerte, der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie F. wegen der von der Klägerin beschriebenen Symptomatologie als ophtalmische Migräne bezeichnete und welche sowohl Dr. K. als auch Dr. H. ebenfalls einschließlich begleitender neurologischer Ausfälle umschrieben haben, erhöht sich zwar der Teil-GdB für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" angemessen auf 30, wodurch dieses allerdings ausreichend bewertet ist. Nach den VG, Teil B, Nr. 2.3 führt die echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen in leichter Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) zu einem GdB zwischen 0 und 10. Ein GdB-Rahmen von 20 bis 40 ist bei mittelgradiger Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) eröffnet. Bei schwerer Verlaufsform (lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) beträgt der GdB zwischen 50 und 60.

Die Migräne mit Aura hat bei der Klägerin insbesondere wegen der Ausprägung der Begleiterscheinungen in Form von Kopfschmerzen, Wahrnehmungsstörungen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen einen GdB von 20 zur Folge, wodurch sich der Teil-GdB für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" angemessen auf 30 erhöht. Im Dezember 2012 litt die Klägerin, wie sie gegenüber Dr. Sch. kundtat, an wöchentlichen Migräneattacken, welche mit einem dumpfen Kopfschmerz einhergingen und über Stunden bis zu zwei Tage andauerten. Begleitet wurden sie von Fortifikationsspektren, also Wahrnehmungsstörungen während der Migräneauren. Solche Beeinträchtigungen hatte die Klägerin bereits gegenüber dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie F. in Form von leuchtenden Sternen, Funkeln und Blitzen oder einfachen geometrischen Figuren berichtet. Hierdurch war ihr Gesichtsfeld eingeschränkt und es kam zu Sehstörungen kam. Im Dezember 2015 beschrieb die Klägerin gegenüber Prof. Dr. W. Migräneanfälle, welche mit weniger als zwei Tage andauernden Attacken einhergingen und nun lediglich noch etwa zwei- bis dreimal im Monat auftraten. Deswegen griff sie im Bedarfsfall vorrangig auf Aspirin und etwa einmal im Monat auf Rizatriptan, 10 mg zurück. Neben diesen Begleiterscheinungen ist noch ein Schwindel hinzugetreten, welcher von den Fachärztinnen für HNO-Heilkunde Dr. B./P. Ende Januar 2015 als Vertigo und von Prof. Dr. W. als multifaktorieller Schwindel mit Verdacht auf einen leichten benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel, Schwindel im Rahmen einer Migräne oder Angstsymptomatik, jeweils nach ICD-10 als "R42" verschlüsselt ("Schwindel und Taumel"), diagnostiziert wurde. Nach den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. W. enthält der Schwindel eine Komponente eines benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels, da die Klägerin auf Nachfrage mitteilte, dass es nicht mehr so schlimm ist seit sie Lagerungsübungen gemacht hat. Ohnehin sind die Beeinträchtigungen hierdurch bislang selten aufgetreten, wie Prof. Dr. W. kundgetan hat. Hieraus lässt sich, auch wegen der damit einhergehenden Übelkeit und dem begleitenden Erbrechen, über die medizinische Einschätzung von Prof. Dr. W. hinaus, eine mittelgradige Verlaufsform ableiten, die am unteren Ende des eröffneten GdB-Rahmens anzusiedeln ist. Dieser GdB von 20 führt zu einem Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche".

Das Funktionssystem "Atmung" ist mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten.

Bei chronischen Krankheiten der Bronchien und des Lungenparenchyms sowie bei Brustfellschwarten richtet sich der GdB nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 8 vor allem nach der klinischen Symptomatik mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand. Außerdem sind die Einschränkung der Lungenfunktion, die Folgeerscheinungen an anderen Organsystemen (z. B. Cor pulmonale) und bei allergisch bedingten Krankheiten auch die Vermeidbarkeit der Allergene zu berücksichtigen. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom (Nachweis durch Untersuchung im Schlaflabor) ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung ist nach den VG, Teil B, Nr. 8.7 mit einem GdB zwischen 0 und 10 zu bewerten. Ist eine solche notwendig, beträgt der GdB 20 und ist sie nicht durchführbar, ist ein GdB von 50 vorgesehen. Das von dem Leitenden Arzt des Zentrums für Innere Medizin II (u. a. Pneumologie und Schlafmedizin) des Marienhospitals Stuttgart, Dr. G., im August 2010 diagnostizierte obstruktive Schlaf-Apnoe-Syndrom, welches bereits zuvor der sachverständige Zeuge Dr. H. festgestellt hatte, von dem die Klägerin in ein Schlaflabor überwiesen wurde, erfordert nach den Ausführungen von Dr. H. im Befundbericht von März 2015 und in der Bescheinigung von August 2015 zur Vorlage bei der Techniker Krankenkasse, bei der die Klägerin gegen Krankheit gesetzlich versichert ist, an sich eine CPAP-Therapie, also eine Überdruckbeatmung, die nach Kenntnis des Senats vorwiegend als nicht-invasive Beatmung über eine Beatmungsmaske durchgeführt wird. Da die Klägerin diese allerdings, ohne Nachweis, dass sie bei ihr tatsächlich nicht durchführbar ist, subjektiv nicht toleriert, ist sie vor dem Hintergrund, dass sie bereits eines Bruxismusschiene verwendete, mit einer progenierenden Schiene versorgt worden, welche den Unterkiefer nach vorne schiebt. Hiermit ist sie gut eingestellt, was der Senat den Ausführungen von Dr. R. von Ende Januar 2016 entnimmt. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom ist daher anders als vom Beklagten und der sachkundigen Personen, welche sich hierzu geäußert haben, nicht nur mit einem GdB von 10 zu bewerten, sondern mit einem solchen von 20.

Verletzungs- und Erkrankungsfolgen an den Kiefern, Kiefergelenken und Weichteilen der Mundhöhle, einschließlich Zunge und der Speicheldrüsen, welche ebenfalls zum Funktionssystem "Atmung" gehören, sind nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 7 nach dem Grad ihrer Auswirkung auf Sprech-, Kau- und Schluckvermögen zu beurteilen. Eine Gesichtsentstellung ist gesondert zu berücksichtigen. Dr. Pf. hat zwar eine kraniomandibuläre Dysfunktion beziehungsweise eine Kiefergelenksdysfunktion diagnostiziert, welche er nach ICD-10 mit "M99.90" und "K10.8" verschlüsselt hat. Auswirkungen auf das Sprech-, Kau- oder Schluckvermögen sind von ihm indes nicht festgestellt worden. Dr. R. hat Ende Januar 2016 rezidivierende Schluckbeschwerden mit Aspiration, also das unabsichtliche Einatmen von Fremdkörpern, festgestellt, weswegen die Klägerin Logopädie in Anspruch genommen hat. Diese nehmen jedoch kein solches Ausmaß ein, dass deswegen der Teil-GdB für das Funktionssystem "Atmung" zu erhöhen wäre. Das von ihr beschriebene deutlich verkürzte Zungenbändchen führt zwar zu einer hier allein maßgeblichen eingeschränkten Beweglichkeit der Zunge, allerdings nicht zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung des Sprech-, Kau- oder Schluckvermögens. Bei der Inspektion der Mundhöhle haben sich überdies keine Auffälligkeiten gezeigt.

Die von dem sachverständigen Zeugen Dr. W. festgestellten Erkrankungen Sinubronchitis, die sich unter entsprechend antibiotisch-sekretolytischer Behandlung rasch zurückbildete, und Laryngotracheitis, welche nach Diagnosestellung im März 2011 nach der Untersuchung im Folgemonat im Befundbericht keine Erwähnung mehr gefunden hat, und die zeitweise aufgetretene trockene Schleimhaut im Rachenbereich waren Gesundheitsstörungen von vorübergehender Natur und daher wegen § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX für den GdB nicht von Bedeutung (VG, Teil A, Nr. 2f). Das Funktionssystem "Atmung" ist somit mit einem Teil-GdB von 20 angemessen, aber auch ausreichend bewertet.

Das Funktionssystem "Rumpf" bedingt einen Teil-GdB von 10.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Bei der Klägerin liegen einzig im Bereich der Halswirbelsäule zu geringen funktionellen Auswirkungen führende Schäden vor, die mit einem GdB von 10 ausreichend bewertet sind. Der Hausarzt Dr. L. hat nach den ihm vorliegenden Fremdbefunden ein Zustand nach einem Bandscheibenprolaps im BeR. C3/4 im Jahre 2009 (ICD-10-GM-2016 M51.9) und ein funktionell-statisches Wirbelsäulensyndrom im Bereich der Halswirbelsäule (ICD-10-GM-2016 M54.9) diagnostiziert, wie sich seiner sachkundigen Aussage von August 2013 entnehmen lässt. Einen zervikalen Bandscheibenschaden mit Radikulopathie stellte die Orthopädin K., welche in der Gemeinschaftspraxis Dr. H. und Kollegen angestellt ist, Anfang Dezember 2014 fest, was sich aus ihrem Befundbericht über diese Untersuchung ergibt. Der sachverständige Zeuge Dr. H. hatte bereits im Dezember 2011 eine Zervikozephalgie mit Muskelhartspann und eine zervikale Osteochondrose festgestellt. Ein zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung bei Dr. Sch. abgelaufenes Wirbelsäulensyndrom im BeR. C7 links ist auch von Dr. Pf. nach Untersuchungen im Februar 2015 und ein Jahr später nicht W.er festgestellt worden. Daher ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Fachärztin für Neurologie Dr. R. nach einer Untersuchung Mitte März 2015 ein solches Syndrom in diesem Bereich feststellte. Dr. Pf. diagnostizierte, nachdem er Anfang 2015 bereits Dysfunktionen in den Wirbelgelenken C1 rechts und C2 links nachgewiesen hatte, nach der letzten Untersuchung darüber hinaus noch einen Morbus Forestier-Ott (ICD-10-GM-2016 M48.1), multisegmentale Bandscheibenprotrusionen (ICD-10-GM-2016 M42.92) mit Facettenreizung (ICD-10-GM-2016 M47.22) und eine Unkarthrose mit Spondylarthrose im Bereich der Halswirbelsäule (ICD-10-GM-2016 M47.82). Für eine Vestibulopathie, also einen Ausfall des Gleichgewichtsorganes, ließ sich klinisch bei der Untersuchung durch Dr. R. kein Hinweis finden. Von der Orthopädin Ott wurde weiter eine Dysästhesie im Bereich des Fingers D2 links festgestellt, die Kraft allerdings als gut beschrieben. Nach ihren weiteren Ausführungen lagen schmerzhafte Myogelosen im Bereich des Musculus beidseits vor. Ferner wurde ein deutlicher paravertebraler Hartspann objektiviert. Im Bereich der Halswirbelsäule lag Ende 2014 eine eingeschränkte Rotation, vor allem links, vor, welche durch die von der Orthopädin K. vorgenommene Bewegungsprüfung mittels der Neutral-0-Methode mit Werten von 50-0-40° objektiviert worden ist (Referenzwerte: 80-0-80°, vgl. Buckup, Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln, 5. Aufl. 2012, S. 23). Im Dezember 2011 hatte die Rotation im Bereich der Halswirbelsäule zu beiden Seiten noch bis 60° vorgenommen werden können, allerdings mit einer Einschränkung der Drehfähigkeit, wie Dr. H. angegeben hat. Soweit Dr. Pf. nach der Untersuchung im Februar 2015 im Befundbericht festgehalten hat, es bestünde eine deutliche Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach allen Richtungen, so steht dies damit ihn Einklang. Funktionsparameter, die eine darüber hinausgehende Bewegungseinschränkung objektivierten, enthält dieser Arztbericht nicht. Die mittels des radiologischen Befundberichtes von Dr. M. von Ende Januar 2016 objektivierte gestörte Statik der Halswirbelsäule mit flacher Kyphosierung bei normal weitem knöchernen Signalkanal führt nicht zu weiteren Funktionsbehinderungen. Solche hat die Klägerin weder vorgetragen noch rechtfertigen mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen allein die Annahme eines - höheren - GdB (VG, Teil B, Nr. 18.1). Die von der Klägerin gegenüber Dr. Sch. angeführten, seit Jahren bestehenden Abnutzungserscheinungen im Bereich der Brustwirbelsäule haben bislang zu keinen für den GdB maßgeblichen Funktionsstörungen geführt. Die von Prof. Dr. W. diagnostizierte Sensibilitätsstörung im Gebiet des Nervus cutaneus femoralis lateralis links (ICD-10-GM-2016 R20.1) ist nicht geeignet, den Teil-GdB weiter zu erhöhen. Die der Feststellung im Bescheid vom 15. Januar 2008 zugrunde gelegene Coxarthrose beidseits hat zu keinen maßgeblichen Funktionsstörungen mehr geführt, weshalb sich auch aus dem Bereich der Hüfte, welche zum Rumpf zählt, keine Funktionsstörungen haben objektivieren lassen, die für den GdB relevant wären.

Die mit den Wirbelsäulenerkrankungen der Klägerin einhergehenden Beschwerden, etwa die Schmerzen und die Ausstrahlungen in andere Körperregionen, sind übliche Begleiterscheinungen und deshalb bereits in den GdB-Tabellenwerten berücksichtigt (VG, Teil A, Nr. 2 j). Insbesondere ist ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom für dieses Funktionssystem, wodurch ein höherer GdB begründbar wäre, nicht objektiviert (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 - L 6 SB 2969/14 -, juris, Rz. 56). Die Klägerin führte gegenüber Prof. Dr. W. zwar an, dass sie Schmerzen im Bereich des gesamten Oberkörpers sowie besonders im Bereich des Nackens, der Schultern und der Brustwirbelsäule hat. Die Sachverständige hat indes lediglich eine Schmerzstörung unklarer Genese mit Verdacht auf eine Myelopathie bei bekannten Bandscheibenvorfällen im Bereich der Hals- oder Brustwirbelsäule diagnostiziert und es sogar für möglich gehalten, es handele sich um eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Ohnehin hat die Klägerin neben den Präparaten, welche sie wegen der Migräne und den damit einhergehenden Kopfschmerzen einnimmt, wegen der Schmerzen auch im Bereich des Rumpfes ausschließlich auf den Arzneistoff Ibuprofen, 400 mg zurückgegriffen und keine spezielle Schmerztherapie durchgeführt. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom ist dadurch nicht objektiviert.

Das Funktionssystem "Ohren" erR.t keinen höheren Teil-GdB als 10. Maßgebend für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen ist nach der Vorbemerkung zu den VG, Teil B, Nr. 5 die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der prozentuale Hörverlust ist von Dr. W. im Dezember 2010 nach einem von ihm etwa zwei Jahre davor erstellten Tonaudiogramm mit 14 % für Töne rechts und 7 % links festgestellt worden, was sich für den Senat nachvollziehbar unter Berücksichtigung der 4-Frequenztabelle nach Röser 1973 (VG, Teil B, Nr. 5.2.2) ergibt. Nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.4 stellt dies noch eine Normalhörigkeit dar, die einen GdB von 0 zur Folge hat. Da Ohrgeräusche (Tinnitus) ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen nach den VG, Teil B, Nr. 5.3 mit einem GdB zwischen 0 und 10 zu bewerten sind und erst erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen einen GdB von 20 stützen, von Dr. W., Dr. Pf. und Prof. Dr. W., welche diese Erkrankung diagnostiziert oder zumindest als Diagnosen erwähnt haben, solche gravierenden Auswirkungen aber nicht beschrieben worden sind, hat das Funktionssystem "Ohren keinen höheren Teil-GdB als 10 zur Folge.

Das Funktionssystem "Verdauung" ist ebenfalls mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend bewertet. Wegen der bereits vor Erlass des Bescheides vom 15. Januar 2008 vorhandenen Refluxkrankheit der Speiseröhre hat die Klägerin lediglich abhängig von der Nahrungsaufnahme Probleme mit einem Rückfluss des sauren Mageninhaltes, derentwegen sie nur manchmal über zwei Wochen hinweg den Arzneistoff Omeprazol zu sich nimmt. Nach den VG, Teil B, Nr. 10.1 eröffnen indes erst anhaltende Refluxbeschwerden je nach Ausmaß einen GdB-Rahmen zwischen 10 und 30, welche vorliegend nicht objektiviert sind. Die von den Ärzten für Pathologie Prof. Dr. R. und andere Mitte 2013 beschriebene minimale, nicht aktive Gastritis, die nicht eindeutig als chronische Gastritis zu diagnostizieren gewesen ist, sondern möglicherweise eine abgelaufene Helicobacter pylori-Gastritis dargestellt hat, ist lediglich im Magenkörper oberflächlich akzentuiert und mit einzelnen Lymphozytenaggregaten versehen gewesen, weshalb ohnehin nach den VG, Teil B, Nr. 10.2.1 insoweit kein höherer GdB als 10 in Betracht kommt. Ein höherer Teil-GdB als 10 für das Funktionssystem "Verdauung" ist daher nicht begründbar.

Das zuletzt von der Klägerin behauptete Restless-Legs-Syndrom ist nicht durch ärztliche Befunde gestützt, also keine nachgewiesene Erkrankung, wäre im Übrigen, da kein eigenes Bewertungsschema dafür vorgesehen, analog bei ihr zu dem bereits berücksichtigten Schlafapnoe-Syndrom einzuspeisen gewesen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Juni 2002 - L 6 SB 142/00 -, juris Rz. 21), welches der Senat mit einem Teil-GdB von 20 bereits im oberen Rahmen angesetzt hat. Mit den sonstigen in den medizinischen Unterlagen erwähnten Erkrankungen, der Hashimoto-Thyreoiditis (ICD-10-GM-2016 E06.3), die durch eine Substitutionstherapie mit L-Thyroxin sowie durch eine immunmodulierende Therapie mit Vitamin D und Selen behandelt worden ist (vgl. VG, Teil B, Nr. 15.6), und dem Zustand nach symptomatischem Harnwegsinfekt, welcher antibiotisch behandelt wurde (ICD-10-GM-2016 N39.0) und, wie die Klägerin gegenüber Prof. Dr. W. kundtat, Urin nur beim Niesen oder Husten und wenn die Blase gefüllt ist unkontrolliert abgeht (vgl. VG, Teil B, Nr. 12), sowie der gemischten Hyperlipidämie ohne Folgekrankheiten (vgl. VG, Teil B, Nr. 15.3), wie im Übrigen auch wegen dem postthrombotischen Syndrom, welches dem Bescheid vom 15. Januar 2008 zugrunde lag, sind vorliegend keine Gesundheitsstörungen nachgewiesen, derentwegen einem Funktionssystem zuzuordnende Einschränkungen vorliegen, welche überhaupt erst geeignet wären, den Gesamt-GdB zu erhöhen.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), begründen der Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" und der Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Atmung" ab 29. November 2010 einen Gesamt-GdB von 40, wie ihn im Übrigen die Sachverständigen Dr. Sch. und Prof. Dr. W. im Ergebnis aus medizinischer Sicht ebenfalls eingeschätzt haben.

Der nach § 109 SGG auf Erstattung eines orthopädischen Gutachtens durch Dr. V. gestellte Hilfsantrag der Klägerin war abzulehnen, da dieses Antragsrecht verbraucht ist. Es ist bereits dadurch ausgeübt worden, dass im Rahmen dieser Norm ein nervenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. W. eingeholt worden ist. Es steht indes grundsätzlich nur einmal in beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung (Urteil des Senats vom 24. Oktober 2013 - L 6 SB 5267/11 -, juris, Rz. 34 m. w. N.). Der Wortlaut des § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach ein Arzt gutachtlich gehört werden muss, ließe zwar die Einholung mehrerer Gutachten zu, da es sich bei "ein" um einen unbestimmten Artikel und nicht ein Zahlwort handelt, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat. Es entspricht jedoch bereits dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 -, juris, Rz. 16; Kolmetz, SGb 2004, S. 83 (86)). Zudem begrenzt die Regelungssystematik diese weite Auslegung. § 109 SGG als Regelung zu dem Beweismittel des Sachverständigen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 402 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) steht eng im Zusammenhang mit § 103, § 106 SGG, worin bestimmt ist, dass das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (sog. "Amtsermittlungs- oder Untersuchungsgrundsatz"; vgl. BSG, Beschluss vom 17. März 2010 - B 3 P 33/09 B -, juris, Rz. 12). Diese Vorschriften gelten gemäß § 153 Abs. 1 SGG für das Verfahren vor dem Landessozialgericht entsprechend. Darüber hinausgehend räumt § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG Versicherten, Menschen mit Behinderung, Versorgungsberechtigten und Hinterbliebenen die eng umgrenzte Möglichkeit ein, ihrerseits eine bestimmte sachverständige Person, die eine Ärztin oder ein Arzt sein muss, als Beweismittel zu benennen. Mit einem Beweismittel bewiesen werden soll jedoch eine bestimmte Behauptung, was als Beweisthema bezeichnet wird. Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich daher, auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteile vom 26. Januar 1970 - 7/2 RU 64/69 -, SozR Nr. 37 zu § 109 SGG; vom 6. Mai 1958 - 10 RV 813/56 - SozR Nr. 18 zu § 109 SGG und vom 29. November 1957 - 2 RU 241/56 -, SozR Nr. 14 zu § 109 SGG), nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Solche sind zwar in der Literatur anerkannt, wenn für einzelne Gesundheitsstörungen mehrere Facharztgruppen zuständig sind und ein Spezialist auf einem Fachgebiet gehört werden soll, dem die zuerst gehörte sachverständige Person nicht angehört (Urteil des Senats vom 24. Oktober 2013, a. a. O.). Dies kann bei eng verwandten Fachgebieten wiederum Einschränkungen unterliegen (vgl. Roller, in Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl. 2012, § 109 Rz. 10). Wegen der vorrangig gehörten Sachverständigen Prof. Dr. W., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, sowie unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Schriftsatz des klägerischen Bevollmächtigten vom 13. Februar 2015, mit dem dargetan worden ist, weshalb die behinderungsbedingten Funktionsstörungen "in nervenärztlich-psychiatrischer Hinsicht" mit einem Grad der Behinderung von 30 unzureichend bewertet seien, hat die Klägerin versucht, mit diesem Beweismittel den Nachweis zu führen, dass bei ihr Funktionseinschränkungen auf nervenärztlichem Fachgebiet vorliegen, die einen Gesamt-Grad der Behinderung von mindestens 50 zu stützen. Allein wegen dieses Beweisthemas wäre ausnahmsweise, bei Vorliegen besonderer Umstände, die im Falle der Klägerin nicht gegeben sind, eine wiederholte Antragstellung gerechtfertigt gewesen. Nicht entscheidend ist also, dass die von ihr benannte Ärztin Prof. Dr. W. und der ausgewählte Arzt Dr. V. auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten tätig sind (vgl. Urteil des Senats vom 24. Oktober 2013, a. a. O.). Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz liegt nicht vor. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 12. Oktober 2010 - 1 BvL 14/09 -, BVerfGE 127, 263 (280 m. w. N.), stRspr). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, NVwZ 2011, S. 1316 (1317 m.w.N.)). Die dargestellte Regelungssystematik des Beweisrechts ist die sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Gruppe von Personen, die wie die Klägerin Funktionsbeeinträchtigungen auf mehreren Fachgebieten haben, gegenüber Menschen, bei denen sich die Funktionsstörungen nur in einer medizinischen Fachdisziplin auswirken.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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