L 2 SO 3813/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 1826/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3813/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 6. September 2016 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers vom 25. April 2016 gegen den Bescheid vom 23. März 2016 und die Klage vor dem Sozialgericht Konstanz Az. S 8 SO 1826/16 gegen den Bescheid vom 6. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2016 aufschiebende Wirkung haben.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Rahmen des Eilrechtsschutzes die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bzw. seiner Klage. Der ist Eigentümer einer 1998 gekauften Doppelhaushälfte, die er mit Schwester und Mutter bewohnt. Er erhielt vom Antragsgegner im Hinblick auf einen im Jahr 2005 bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund gestellten Rentenantrag wegen Erwerbsminderung seit September 2005 vorschussweise bis zur Entscheidung über den Rentenantrag Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) nach dem 3. Kapitel des SGB XII. Die Leistungen umfassten die Regelleistung und die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, zuletzt bis Ende März 2016 in Höhe von 399,17 EUR unter Berücksichtigung auch von Aufwendungen für die Darlehenstilgung (Bl. 6 SG-Akte). Die Bewilligung erfolgte folgendermaßen: "Die bewilligte Leistung wird jeweils nur für einen Monat gewährt. Sie wird jedoch ohne Antrag weitergewährt, solange die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegen." Mit Bescheid vom 25.8.2014 beschied die DRV Bund schließlich den Rentenantrag und lehnte einen Anspruch des Antragstellers aus medizinischen Gründen ab, weil er nicht erwerbsgemindert sei. Der Widerspruch des Antragstellers blieb erfolglos. Dagegen ist beim Sozialgericht Konstanz ein Klageverfahren anhängig (Az S 9 R 102/15). Von der Rentenablehnung erfuhr der Antragsgegner erst durch das Schreiben der DRV Bund vom 25.11.2015 bzw. vom 25.4.2016 (Bl. 342, 354 VA). In der Folge stellte er mit Bescheid vom 6.5.2016 die Hilfe zum Lebensunterhalt zum 1.6.2016 ein. Bereits seit 1.3.2016 bezieht der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter Landratsamt B. (Bl. 7 SG-Akte; das Jobcenter hat dem Antragsgegner die Leistungen für März bis Ende Mai erstattet). Zuvor hatte der Antragsgegner mit Änderungsbescheid vom 23.3.2016 die Höhe der Leistungen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft reduziert. Er berücksichtigte nicht mehr die Aufwendungen für die Kredittilgung und reduzierte die erstattungsfähigen Kosten für Unterkunft und Heizung auf die anteiligen Betriebs- und Heizkosten sowie Zinsen für Wohneigentum in Höhe von insgesamt 177,86 EUR monatlich. Im Änderungsbescheid vom 23.3.2016 verfügte der Antragsgegner, dass die Hilfe für den Monat 4/2016 in Höhe von 754,60 EUR HLU gewährt werde und weitergewährt werde, solange die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegen (Bl. 325 VA). Gegen beide Bescheide des Antragsgegners und gegen den Bescheid des Jobcenters hat der Antragsteller Widerspruch erhoben. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 6.5.2016 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9.8.2016 zurück. Dagegen ist beim SG das Klageverfahren unter dem Az S 8 SO 1862/16 anhängig. Den Widerspruch vom 25.4.2016 gegen den Bescheid vom 23.3.2016 hat der Antragsgegner soweit aus der vorgelegten Verwaltungsakte ersichtlich noch nicht verbeschieden. Mit Fax vom 3.8.2016 hat sich der Antragsteller mit einem Gesuch um einstweiligen Rechtsschutz an das SG gewandt und begehrt:

1. die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 10.5.2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 6.5.2016 über die Einstellung von laufenden Leistungen nach dem SGB XII

2. die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 22.4.2016 mit Begründung vom 25.5.2016 gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 23.3.2016 (festzustellen)

3. die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 30.5.2016 gegen den Bescheid des Jobcenters vom 20.5.2016 über die Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB II (anzuordnen)

Den Antragsgegner betreffend hat das SG im hier zu Grunde liegenden Verfahren S 8 SO 1761/16 ER entschieden. Mit Beschluss vom 6.9.2016 hat das SG "den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung" abgelehnt. Es ist von einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ausgegangen und hat einen Anordnungsanspruch verneint.

Dagegen richtet sich die am 2.10.2016 beim SG eingegangene Beschwerde, mit der sich der Antragsteller im Wesentlichen dagegen wendet, dass er als erwerbsfähig eingestuft wird. Er begehrt sinngemäß weiterhin HLU unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von 399,17 EUR. Hinsichtlich der Entscheidung des SG über den einstweiligen Rechtsschutz den Bescheid des Jobcenters betreffend ist das Beschwerdeverfahren L 9 AS 3699/16 ER-B vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängig.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers (vgl. §§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist begründet.

Mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das SG vom 3.8.2016 wendet sich der Antragsteller sowohl gegen den Bescheid vom 6.5.2016, mit dem die HLU eingestellt wurde. Er begehrt weiterhin die Gewährung von HLU, da er sich nicht für erwerbsfähig hält. Daneben wendet er sich gegen die zuvor verfügte Kürzung der Leistungen in dem Änderungsbescheid vom 23.3.2016 ab 1.4.2016. Er begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Weitergewährung der HLU unter Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung in der Höhe wie bis Ende März - 399,17 EUR - gewährt.

Ausgehend davon richtet sich vorliegend der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht nach § 86b Abs. 2 SGG, sondern nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG analog, da es sich um eine Anfechtungssache handelt. Der Antragsgegner hat die Leistungsbewilligung für die Hilfe zum Lebensunterhalt zeitlich nicht befristet und in Form eines Dauerverwaltungsakts gewährt. Hieran ändert auch die Formulierung nichts, dass die bewilligte Leistung jeweils nur für einen Monat gewährt wird. Denn der Regelungszeitraum des Bewilligungsbescheides (Weitergewährung solange die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen) reicht über die letzte Verwaltungsentscheidung hinaus. Die Bewilligung entfaltet somit Wirkung, bis sie aufgehoben oder abgeändert wird (BSG, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 23/06 R –, BSGE 99, 262-270, SozR 4-3500 § 82 Nr 3, SozR 4-3500 § 28 Nr 4, SozR 4-3500 § 41 Nr 3, Rn. 11). Das Begehren des Antragstellers bemisst sich daher entweder an § 45 SGB X oder § 48 SGB X und ist mit einer Anfechtungsklage sowohl gegen den Änderungsbescheid vom 23.3.2016 als auch gegen den "Einstellungsbescheid" vom 6.5.2016 zu verfolgen.

Nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Ein Ausnahmefall des § 86a Abs. 2 oder Abs. 4 SGG liegt hier bei der Änderung der Bewilligung (Bescheid vom 23.3.2016) sowie bei der Aufhebung der Bewilligung von HLU (Bescheid vom 6.5.2016 in Gestalt des zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheids vom 9.8.2016) nicht vor. Insbesondere hat der Antragsgegner nicht den Sofortvollzug angeordnet (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Von daher steht von Gesetzes wegen fest, dass die vom Antragsteller eingelegten Rechtsbehelfe - Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.3.2016, Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 6.5.2016/Widerspruchsbescheid vom 9.8.2016 - aufschiebende Wirkung haben. Da sich der Antragsgegner nicht daran hält und dem Antragsteller die Leistungen dennoch nicht weiterhin gewährt, bedarf es der deklaratorischen Feststellung, dass die aufschiebende Wirkung vorliegt (vgl. Krodel, Sozialgerichtlicher Eilrechtsschutz - hier: Anwendungsbereiche der Anordnung und Feststellung der aufschiebenden Wirkung, NZS Heft 7/2015 S. 244 ff.). In dem Zusammenhang ist es auch unerheblich, dass der Antragsteller derzeit vom Jobcenter statt vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhält, weil dies im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzbegehrens nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG analog nicht in die Prüfung einzubeziehen ist. Eine weitere materielle Prüfung, insbesondere auch eine Interessenabwägung, findet nicht statt (Krodel aaO. S. 244).

Dies hat zur Folge, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragsteller die HLU unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten in Höhe von 399,17 EUR weiter zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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