L 10 R 4256/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2812/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4256/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der am 1957 geborene Kläger, der den Beruf des Werkzeugmachers erlernte, war zunächst in seinem Ausbildungsberuf, nachfolgend in verschiedenen Berufsbereichen (Fernmeldemonteur, Verkäufer, Kraftfahrer und Hausmeister) und zuletzt von 1994 bis Juli 2007 erneut als Kraftfahrer beschäftigt. Im Januar 2008 nahm er eine selbständige Tätigkeit (u.a. Hausmeistertätigkeiten, Rohrreinigung, Handelsvertretung für verschiedene Produkte) auf. Im Zuge des anhängigen Rentenverfahrens begründete der Kläger eine Antragspflichtversicherung auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im Rahmen derer er seit 01.01.2010 Pflichtbeiträge entrichtet.

Im Dezember 2006 wurde beim Kläger ein Bandscheibenvorfall im Bereich von L4/5 links operativ behandelt. Nach anfänglicher Beschwerdefreiheit und nachfolgend wechselhaftem Beschwerdebild kam es Anfang 2010 zu Lumbalgien mit Schmerzausstrahlung in den linken Oberschenkel und Kribbelmissempfindungen im linken Bein, wobei bildgebend eine epidurale Fibrose (Bedrängung der Wurzel) intraforaminal L4/5 links objektiviert wurde, ohne dass eine Operationsindikation gesehen wurde.

Im April 2010 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, worauf die Beklagte eine Begutachtung durch den Facharzt für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie Dr. P. veranlasste, der den Kläger im Juni 2010 untersuchte. Der Gutachter beschrieb Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, einen im Dezember 2006 operierten Bandscheibenvorfall L4/5 mit Narbe im linken Rezessus und wiederkehrende Nervenwurzelreizzeichen im Dermatom L4 (ohne Nervenausfallerscheinungen) sowie ein medikamentös behandeltes chronisches Schmerzsyndrom und erachtete die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Hausmeister wegen den schweren Arbeitsanteilen nicht mehr für leidensgerecht. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne häufiges Bücken, ohne Exposition gegen Nässe, Kälte und Zugluft) hielt er vollschichtig für möglich. Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 19.07.2010 zunächst mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt hatte und im Widerspruchsverfahren rückwirkend ab 01.01.2010 eine Antragspflichtversicherung begründet worden war, wies sie den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2011 mit der Begründung zurück, der Kläger sei mit einem Leistungsvermögen für leichte berufliche Tätigkeiten von sechs Stunden und mehr weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und im Hinblick auf seinen beruflichen Werdegang auch nicht berufsunfähig.

Am 21.09.2011 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, er könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes lediglich noch maximal drei Stunden täglich verrichten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat von einem chronischen Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation berichtet und sich zu einer Einschätzung des Leistungsvermögens nicht in der Lage gesehen. Die Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. K. hat von einer Lumboischialgie links und einer eingeschränkten Rotation der HWS berichtet und die Ausübung von leichten beruflichen Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich für möglich gehalten. Der Arzt für Neurochirurgie Dr. B. hat von einer Wurzelreizsymptomatik L4 links bei Vernarbungen im Operationsgebiet mit Ausstrahlung in das linke Bein und dort auftretenden Gefühlsstörungen berichtet und die Ausübung leichter beruflicher Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung lediglich noch maximal drei Stunden täglich für zumutbar erachtet. Daraufhin hat das SG ein Gutachten des Arztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. auf Grund Untersuchung des Klägers im März 2012 eingeholt. Der Sachverständige hat ein Postdiscotomiesyndrom L4/L5 links, eine knöcherne Neuroforamenstenose L4/L5 rechts, Osteochondrosen und Spondylarthrosen der unteren Lendenwirbelsäule sowie eine initiale mediale Gonarthrose rechts diagnostiziert und den Kläger für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten in Zwangshaltungen und monotonen Körperhaltungen, regelmäßige Überkopftätigkeiten, Akkord- und Fließbandtätigkeiten sowie Schichtarbeit. Die ausgeübte Tätigkeit mit Rohrreinigung und Hausmeisterservice hat er nicht für leidensgerecht erachtet. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. N. , Facharzt für Neurologie und Chefarzt der neurologischen Abteilung im V. Hospital R. , auf Grund Untersuchung des Klägers im November 2012 eingeholt. Der Sachverständige ist diagnostisch von einem Postdiskotomiesyndrom Grad II bis III (nach Kraemer) ausgegangen und hat den Kläger allenfalls noch für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten ohne gleichförmige Körperhaltungen (überwiegendes Gehen, Stehen oder Sitzen), ohne häufiges Bücken, ohne Zeitdruck (Akkord- und Fließbandarbeiten), ohne Nachtschicht und ohne Hitze-, Kälte-, Zugluft- und Nässeexposition und ohne Tätigkeiten im Freien zu verrichten. Regelmäßig könne der Kläger nur arbeiten, wenn mehr als die üblichen Pausen gewährt würden. Es müsse die Möglichkeit bestehen, dass er sich in Abhängigkeit von der erlebten Schmerzintensität zurückziehen und pausieren könne. Eine solche Tätigkeit könne der Kläger drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Die Beklagte ist dem nicht gefolgt und hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vorgelegt und auch Dr. S. hat an seiner Leistungsbeurteilung festgehalten. Das SG hat schließlich den Facharzt für Neurochirurgie/Chirotherapie Dr. H. als sachverständigen Zeugen angehört, der im November 2013 von drei Vorstellungen des Klägers seit Mitte September 2013 berichtet hat, wobei wegen den belastungsabhängigen lumboischialgieformen Schmerzen aktuell eine Therapie mit Fentanylpflaster und Novalgin durchgeführt werde. Wegen der aktuell bestehenden therapieresistenten Schmerzen hat er die Ausübung leichter Tätigkeiten nicht für möglich erachtet. Mit Urteil vom 23.09.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich nicht davon überzeugen können, dass beim Kläger entsprechend der Einschätzung des Dr. N. ein schwergradiges Schmerzsyndrom vorliege.

Am 10.10.2014 hat der Kläger dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, entsprechend der Einschätzung des Dr. N. an einem schwergradigen Postdiskotomiesyndrom zu leiden. Soweit Dr. S. den Schweregrad abweichend beurteilt habe, habe er unzutreffende Kriterien herangezogen. Er stehe auch weiterhin regelmäßig bei Dr. H. in Behandlung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.09.2014 sowie den Bescheid vom 19.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.04.2010 zu gewähren.

Die Beklage beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Dr. H. ergänzend schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Er hat von einer persistierenden Schmerzsymptomatik im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in das linke Bein berichtet. Der Senat hat sodann das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. eingeholt, der den Kläger im Mai 2016 untersucht hat. Der Sachverständige hat ein chronisches ortsständiges degenerativ bedingtes cervikales Wirbelsäulensyndrom mit Funktionsbehinderung der HWS (ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen der oberen Extremitäten), ein chronisches ortsständiges degenerativ bedingtes thorakales Wirbelsäulensyndrom (ohne Funktionsbehinderung und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen), ein chronisches, teils ortsständiges, teils gemischt pseudoradikuläres und radikuläres degenerativ bedingtes lumbales Wirbelsäulensyndrom mit Funktionsbehinderung der LWS mit funktionell unbedeutsamen Sensibilitätsstörungen am linken Fuß (ohne sonstige radikuläre Reiz- oder Ausfallserscheinungen) bei Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation L4/5 links bei mehrsegmentalem Bandscheibenschaden der LWS (Postdiscotomiesyndrom Grad I bis II nach Kraemer), eine funktionell unbedeutsame Wirbelsäulenfehlstatik mit muskulärer Dysbalance des Rückens und des Rumpfes, eine lumbosacrale Assimilationsstörung (Normvariante), einen wiederkehrenden Reizzustand des Muskel-Sehnen-Weichteil-Mantels beider Schultergelenke mit geringgradiger Funktionsbehinderung bei ACG-Arthrose beidseits, eine ohne Funktionsbehinderung verheilte Mittelhandfraktur beidseits, einen M. Dupuytren am vierten Mittelhandstrahl links (ohne Funktionsbehinderung), eine Coxalgia beidseits und eine geringgradige Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke bei initialer Coxarthrose beidseits (links betonter als rechts), eine Gonalgie beidseits ohne Funktionsbehinderung und ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen der Kniegelenke bei klinischem Verdacht auf initiale Retropatellararthrose beidseits und Zustand nach operativer Entfernung eines Überbeins am rechten Knie sowie eine Spreizfußdeformität beidseits (ohne Funktionsbehinderung) der Füße beschrieben. Er hat deshalb sämtliche mittelschweren und schweren körperlichen Tätigkeiten, Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegen von Lasten über sieben bis acht Kilogramm ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten in gebückter, vornüber geneigter oder anderweitiger Zwangshaltung des Achsorgans, Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopftätigkeiten), Arbeiten unter Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen, Arbeiten über horizontalem Schulterniveau, Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Kraftentfaltung und volle Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände, überwiegend oder ständig stehende und/oder gehende Tätigkeiten, häufig oder ständig kniende und/oder hockende Tätigkeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit häufigem Treppensteigen, auf unebenem Untergrund, Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte und/oder Zugluft, Arbeiten an gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten unter hohem Zeitdruck und hoher Stressbelastung (bspw. Akkord- und Fließbandtätigkeiten, Nachtschichttätigkeit) sowie ferner Arbeiten in Bereichen mit Zugriff auf Suchtmittel nicht mehr für leidensgerecht erachtet. Bei Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei es dem Kläger jedoch zumutbar, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkes im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Eine Notwendigkeit für zusätzliche betriebsunübliche Pausen bestehe nicht.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 19.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.09.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen nicht voll erwerbsgemindert. Ihm steht daher auch keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er ist vielmehr noch in der Lage, leichte berufliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger weder im Sinne der dargelegten Regelung voll erwerbsgemindert noch kommt volle Erwerbsminderung unter dem Gesichtspunkt der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes in Betracht. Damit kann der Senat auch offen lassen, welche Bedeutung der vom Kläger ausgeübten selbständigen Tätigkeit bei der Beurteilung beizumessen ist, ob ein solcher Verschlossenheitsfall vorliegt.

Der Kläger ist in seinem beruflichen Leistungsvermögen in erster Linie durch Erkrankungen von Seiten des orthopädischen Fachgebietes eingeschränkt, wobei ganz im Vordergrund ein chronisches lumbales Wirbelsäulenschmerzsyndrom nach Bandscheibenoperation L4/L5 links im Dezember 2006 steht, das mit Sensibilitätsstörungen einhergeht. Hierin stimmen sämtliche am Verfahren beteiligten Gutachter und Sachverständigen überein und auch die behandelnden Ärzte sehen den Kläger in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblich hierdurch eingeschränkt. Diesem beim Kläger insoweit diagnostizierten sog. Postdiskotomiesyndrom, worunter - so Dr. B. - alle anhaltenden starken Beschwerden nach offener lumbaler Bandscheibenoperation (Diskotomie), die durch Segmentinstabilität und Verwachsungen im Wirbelkanal hervorgerufen werden, zu verstehen sind, hat das SG im Ergebnis zu Recht keinen Schweregrad beigemessen, der mit der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit nicht vereinbar wäre. Es ist gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. S. vielmehr davon ausgegangen, dass die beim Kläger zu objektivierenden funktionellen Einschränkungen bei dem vorliegenden Schweregrad I bis II die Ausübung einer leichten Tätigkeit zulassen. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an. Auch der Senat teilt nicht die Auffassung des Sachverständigen Dr. N. , dass beim Kläger ein Postdiskotomiesyndrom mit dem Schweregrad II bis III vorliegt, wodurch der Kläger (allenfalls) noch leichte Tätigkeiten drei bis weniger als sechs Stunden täglich verrichten könne, wenn er die Möglichkeit habe, sich in Abhängigkeit von der erlebten Schmerzintensität zurückzuziehen und zu pausieren.

Überzeugend hat der vom Senat ergänzend hinzugezogene Sachverständige Dr. B. auf Grund seiner klinischen Untersuchung und nach Auswertung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen in Übereinstimmung mit Dr. S. vielmehr ausgeführt, dass beim Kläger allenfalls ein Schweregrad I bis II objektiviert werden kann, wodurch sich eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht begründen lässt. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass in klinischer Hinsicht begrifflich ein Postdiskotomiesyndrom nur dann vorliegt, wenn nicht nur lokale und pseudoradikuläre, sondern zumindest teilweise auch radikuläre Symptome vorliegen. Dabei liegt beim Schweregrad I ein leichter Belastungsschmerz vor, das Lasègue-Zeichen ist negativ und medikamentöse Therapie ist nur intermittierend erforderlich. Beim Schweregrad II liegt auch ein leichter Ruheschmerz vor, der Lasègue ist positiv und Medikamente sind regelmäßig zumindest in leichter Form bzw. gelegentlich in Form stärkerer Medikation nötig. Beim Schweregrad III besteht ein starker Dauerschmerz, das Lasègue-Zeichen ist bei unter 30 Grad positiv, es ist eine starke Medikation erforderlich und es werden Gehhilfen bzw. eine Hilfspersonen benötigt.

Ausgehend hiervon hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass sich ein Schweregrad II bis III nicht begründen lässt. So ist Dr. B. auf Grund seiner Untersuchung davon ausgegangen, dass beim Kläger ein teils ortsständiges und teils gemischt pseudoradikuläres und radikuläres lumbales Wirbelsäulensyndrom vorliegt, wobei aktuell mit Ausnahme einer Hypästhesie am linken Fuß sensible Störungen der linken Körperhälfte nicht zu objektivieren bzw. ätiologisch zuzuordnen gewesen sind. Motorische Ausfälle im Bereich der Beine haben nicht bestanden und auch das Lasègue-Zeichen ist - ebenso wie anlässlich der Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr. S. - negativ gewesen. Ebenso ist das Zeichen nach Wassermann negativ gewesen, womit - so Dr. B. - auch kein Femoralisdehnungsschmerz zu objektivieren gewesen ist. Der Sachverständige hat damit bis auf die funktionell unbedeutenden sensiblen Störungen am linken Fuß keine neurologischen Reiz- und Ausfallerscheinungen objektiviert und damit zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beschwerdezustand angesichts des negativen Lasègue-Zeichens bereits nicht mit einem Schweregrad II kompatibel wäre. Ein Schweregrad II bis III, wie von Dr. N. angenommen lässt sich damit erst Recht nicht begründen. Schließlich hat der Sachverständige Dr. B. auch bei der funktionellen Untersuchung keine weitreichenden Einschränkungen der Beweglichkeit gefunden. So ist an der Rumpfwirbelsäule die Beweglichkeit bezüglich der Seitneigung, die überwiegend aus der LWS erfolgt, nur mäßig eingeschränkt gewesen und die überwiegend aus der BWS erfolgende Rotation hat keine relevante Einschränkung gezeigt. Der mit einer geringen Einschränkung beim Finger-Boden-Abstand gemessene Wert von 20 cm hat sich dann anhand der Überprüfung im Langsitz relativiert, da sich beim Finger-Zehen-Abstand ein Wert von 0 cm gezeigt hat. Bei der Seitneigung der LWS hat sich dann auch wiederum lediglich ein endgradiger Bewegungsschmerz gezeigt.

Wenn auch der Kläger durch die bestehende Schmerzsymptomatik nicht nur unerheblich in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, so lässt sich hieraus gleichwohl keine quantitative Leistungsminderung herleiten. Eine solche rechtfertigt sich auch nicht im Hinblick auf die von Dr. B. im Übrigen beschriebenen Gesundheitsstörungen im Bereich des Halte- und Bewegungsapparates, von denen - wenn überhaupt - nur geringe funktionelle Einschränkungen ausgehen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Schultergelenke und der unteren Extremitäten. Von einer höhergradigen funktionellen Einschränkung, der nicht mit der Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen Rechnung getragen werden kann, ist der Sachverständige schließlich auch nicht auf Grund der Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS für die Rückneigung, Drehung und Seitneigung ausgegangen.

Die bei der Ausübung von beruflichen Tätigkeiten zu berücksichtigende Minderbelastbarkeit der Wirbelsäule des Klägers, insbesondere im Lendenwirbelsäulenbereich, führt dazu, dass mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten nicht mehr für leidensgerecht zu erachten sind, ebenso wenig Arbeiten mit Heben, Tragen und/oder Bewegung von Lasten über sieben bis acht Kilogramm ohne mechanische Hilfsmittel. Da sich Arbeiten in Zwangshaltung des Achsorgans, also bspw. Arbeiten in gebückter oder vornüber geneigter Haltung ebenso wie Arbeiten unter Einfluss vertikaler Teil- oder Ganzkörperschwingungen, überwiegend oder ständig stehende und/oder gehende Tätigkeiten sowie häufig oder ständig kniende und/oder hockende Arbeiten nachteilig auf die Beschwerdesituation auswirken, sind dem Kläger auch solche Arbeiten nicht mehr zumutbar. Entsprechendes gilt für Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit häufigem Treppensteigen, Arbeiten auf unebenem Untergrund, Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Kälte und/oder Zugluft sowie Arbeiten an gefährdenden Maschinen und unter hohem Zeitdruck und hoher Stressbelastung. Im Hinblick auf das zervikale Wirbelsäulensyndrom mit Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule sind darüber hinaus Arbeiten in Rückneigung des Kopfes (Überkopftätigkeiten) sowie über horizontalem Schulterniveau und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Kraftentfaltung und volle Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände nicht mehr leidensgerecht. Im Rahmen des so beschriebenen Leistungsbildes benötigt der Kläger - so Dr. P. , Dr. S. und Dr. B. übereinstimmend - keine betriebsunüblichen Pausen. Denn bei Ausübung einer diesen Anforderungen entsprechenden Tätigkeit ist für den Regelfall nicht damit zu rechnen, dass die Intensität von auftretenden Schmerzen es erforderlich macht, dass sich der Kläger zurückzieht und eine Pause einlegt. Dass es im Rahmen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch das Auftreten von akuten Beschwerdesituationen zu krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kommen kann, ändert hieran nichts.

Das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. N. führt zu keiner anderen Beurteilung des Senats. Denn der Senat folgt den Ausführungen von Dr. N. - wie schon das SG - nicht. Die Leistungsbeurteilung des gerichtlichen Sachverständigen, insbesondere die Annahme einer zeitlichen Einschränkung und das Erfordernis betriebsunüblicher Pausen, beruht maßgeblich darauf, dass Dr. N. von einem Postdiskotomiesyndrom mit dem Schweregrad II bis III ausgeht, bei dem - so die Ausführungen im Gutachten - in der Regel keine vollschichtige Leistungsfähigkeit mehr bestehe. Schon diese Folgerung trifft nicht zu. Nach der auch von Dr. N. herangezogenen Einteilung nach Krämer - vgl. die Darstellung im Gutachten von Dr. S. - ist erst bei einem Schweregrad III von "Erwerbsunfähigkeit" auszugehen, ein Schweregrad II schließt (nur) bandscheibenbelastende Tätigkeiten aus. Darüber hinaus liegt auch der von Dr. N. angenommene Schweregrad II bis III des Postdiskotomiesyndroms, wie oben ausführlich dargelegt, nicht vor. Entsprechend hat Dr. B. diese Beurteilung von Dr. N. auch ausdrücklich als falsch bezeichnet. Zwar hat Dr. N. im Rahmen seiner Befunderhebung ein positives Lasège-Zeichen (links bei 70°, rechts allerdings negativ) beschrieben. Indessen hat Dr. B. für die Beklagte darauf hingewiesen, dass insoweit widersprüchliche Befunde vorliegen. Denn zeitgleich hat Dr. N. auch einen Finger-Boden-Abstand von 3 cm gemessen. Darüber hinaus hat Dr. B. auch dargelegt, dass der Untersuchung des Lasège-Zeichens ein subjektives Moment anhaftet, weil es auf den Zeitpunkt der Schmerzangabe des Probanten beim Untersuchungsgang ankommt. Eine kritische Bewertung seiner Befunde, insbesondere in Bezug auf den Widerspruch zwischen positivem Lasège-Zeichen und unauffälligem Finger-Boden-Abstand, hat Dr. N. nicht vorgenommen. Darüber hinaus hat er nicht berücksichtigt, dass - hierauf hat Dr. S. in seiner Stellungnahme hingewiesen - in anderen Untersuchungen gerade kein positives Lasège-Zeichen beschrieben worden ist. So beschrieb Dr. K. im September 2010 ein negatives Lasège-Zeichen (Bl. 39 SG-Akte). Auch der Sachverständige Dr. S. hat bei der Untersuchung im März 2012 insoweit keinen positiven Befund erhoben (ebenso wie später Dr. B. im Mai 2016). Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung meint, es komme auf ein dauerhaftes bzw. ständiges Vorliegen eines positiven Lasège-Zeichens für die Annahme eines Schweregrades II bis III nicht an, trifft dies nicht zu. Dr. S. hat in seinem Gutachten und in seiner ergänzenden Stellungnahme die entsprechende Gradeinteilung nach Krämer wiedergegeben. Dort ist für den Schweregrad II gefordert, dass das Lasège-Zeichen "stets positiv" ist. Ein nur gelegentliches positives Lasège-Zeichen genügt damit gerade nicht. Im Ergebnis beruht die Leistungsbeurteilung von Dr. N. auf einer unzutreffenden Einschätzung des Schweregrades des Postdiskotomiesyndroms und überzeugt deshalb nicht.

Soweit der Kläger sich in seiner Auffassung auch durch die Beurteilungen seiner behandelnden Ärzte bestätigt sieht, überzeugen deren Leistungseinschätzungen gleichermaßen nicht. Denn sowohl Dr. K. als auch Dr. B. und ebenso Dr. H. haben ihre Leistungsbeurteilung ersichtlich auf der Grundlage der vom Kläger aktuell beklagten Beschwerdesymptomatik getroffen. Diese ist aber gerade dadurch geprägt, dass der Kläger im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit Arbeiten verrichtet, die seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht Rechnung tragen und damit nicht leidensgerecht sind. So haben sämtliche am Verfahren beteiligten Gutachter und Sachverständigen Hausmeistertätigkeiten, wie sie vom Kläger im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit verrichtet werden, nicht mehr für zumutbar erachtet. Auch zeigen die Darlegungen des Klägers im Berufungsverfahren zu seinem Arbeitsablauf, dass die beschriebenen und von ihm verrichteten Arbeiten mit dem oben dargelegten Leistungsbild nicht in Einklang stehen. Denn bei den vom Kläger beschriebenen Gartenarbeiten mit Rasenmähen, Büsche und Sträucher schneiden sowie Entsorgen des Schnittgutes handelt es sich ebenso wenig um leichte Tätigkeiten in dem oben dargelegten Sinn wie bei den Ausbesserungsarbeiten an Hausfassaden, Terrassenfugen und Fensterrahmen. Dementsprechend verrichtet der Kläger ihm an sich nicht zumutbare Tätigkeiten, wodurch die Beschwerdesituation aufrechterhalten bzw. verstärkt wird. Hierauf hat der Sachverständige Dr. B. ausdrücklich hingewiesen und deutlich gemacht, dass der Kläger seine Tätigkeit zu Lasten seiner Restgesundheit ausübt. Eine rentenrelevante Leistungsminderung lässt sich hieraus nicht herleiten. Denn bei Ausübung einer angepassten leidensgerechten Tätigkeit wäre dies nicht der Fall. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass dem Kläger eine leidensgerechte Tätigkeit gerade nicht zur Verfügung steht. Allerdings ist dies im Hinblick auf den geltend gemachten Rentenanspruch ohne Bedeutung. Denn insoweit ist es unerheblich, ob dem Versicherten ein seinem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Da der Kläger nach alledem zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. B. genannten und oben näher dargelegten qualitativen Einschränkungen, die auch jene umfassen, die Dr. P. und Dr. S. sowie - von den Pausen abgesehen - Dr. N. beschrieben haben, sechs Stunden täglich ausüben kann, ist er nicht erwerbsgemindert.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über fünf Kilogramm, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Nach alledem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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