L 8 AL 808/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 3716/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 808/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.01.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers hat die Beklagte in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Weitergewährung eines Eingliederungszuschusses nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) im Streit.

Am 29.01.2015 beantragte der Kläger, ein selbständiger Rechtsanwalt, die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für die Beschäftigung der Rechtsanwaltsfachangestellten Katharina Kuhn (zukünftig Arbeitnehmerin), welche er ab dem 01.02.2015 in Teilzeit (30 Std/Woche) in seiner Kanzlei beschäftigte. Zur Begründung der Minderleistung als Voraussetzung für die Gewährung eines Eingliederungszuschusses führte er an, dass die Arbeitnehmerin längere Zeit nicht mehr in dem Beruf tätig gewesen sei. Sie verfüge weder über Kenntnisse im Rechtsanwaltsvergütungsrecht noch im Bereich der Zwangsvollstreckung. Gleiches gelte für die von ihm verwendeten Fachprogramme. Maßnahmen zum Abbau der die Minderleistung begründenden Defizite seien Einlernen durch eine Mitarbeiterin, Seminarschulung und Literaturanschaffung.

In einem Telefongespräch am 02.02.2015 besprach die Sachbearbeiterin der Beklagten mit dem Kläger die angegebenen Gründe für die Minderleistung der Arbeitnehmerin sowie die daraus resultierende Förderdauer und -höhe.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bewilligungsbescheid vom 27.03.2015 einen Eingliederungszuschuss für die Zeit vom 01.02.2015 bis 31.05.2015 in Höhe von 864 Euro (40 % der Bemessungsgrundlage in Höhe von 2160 Euro) monatlich. Weitere Ausführungen zur Förderdauer bzw. -höhe enthielt der Bescheid nicht.

Mit Schreiben vom 13.07.2015 beantragte der Kläger die Verlängerung des Bewilligungszeitraumes. Auf die Aufforderung des Beklagten (Schreiben vom 07.08.2015) begründete der Kläger seinen Antrag im Einzelnen (Schreiben des Klägers vom 14.08.2016). Die Arbeitnehmerin weise weiterhin erhebliche Wissenslücken auf. Er habe sie daher auf eigene Kosten an einem Fortbildungsseminar teilnehmen lassen. Aufgrund der erheblichen Minderleistung erbringe die Arbeitnehmerin allenfalls 50 % der Arbeitskraft. Seinem Schreiben fügte der Kläger die Stellungnahme der Kanzleivorsteherin bei, die die Angaben bestätigte. Es wurde um Prüfung gebeten, ob eine nicht zumindest zweimonatige Verlängerung mit 30% (der Bemessungsgrundlage) erfolgen könne (Schreiben vom 05.08.2015).

Mit Bescheid vom 08.10.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die damals bewilligte Förderdauer erweise sich auch nach nochmaliger Prüfung der Unterlagen immer noch als angemessen. Gleiches gelte für die Förderhöhe. Die vom Kläger angeführten Einarbeitungspunkte zählten nur zur regulären betrieblichen Einarbeitung. Der Überprüfungsantrag werde daher abgelehnt.

Den hiergegen unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen am 23.10.2015 erhobenen Widerspruch wies die Rechtsbehelfsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2015 als unbegründet zurück. Der angegriffene Bescheid entspreche den gesetzlichen Bestimmungen.

Am 16.11.2015 erhob der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung führte er aus, es habe sich herausgestellt, dass Mängel und Lücken bei der Arbeitnehmerin überwiegend eine weitere Einarbeitung und Fortbildung erforderten. Die Ablehnung der Verlängerung, weil sie nicht vorgesehen sei, widerspreche Sinn und Zweck der Leistung. Im Rahmen der Ermessensausübung müsse die Beklagte über die Verlängerung des nicht ausreichenden Eingliederungsvorschusses entscheiden.

Mit Urteil vom 29.01.2016 verpflichtete das SG die Beklagte, unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.10.2015 über den Antrag des Klägers vom 13.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Eine Verlängerung der Bewilligung des Eingliederungszuschusses sei zwar gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen, entspreche jedoch dem Sinn und Zweck der Regelung, der sich nicht allein in der Förderung der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erschöpfe, sondern auch in deren Festigung. Eine Verlängerung der Bewilligung sei daher bis zu der sich aus § 89 SGB III ergebenden Höchstdauer möglich. Die Einarbeitung der Arbeitnehmerin gehe zur Überzeugung des Gerichts über das normale Maß hinaus, da ihr in nicht unerheblichem Maße Fachkenntnisse vermittelt werden müssten, über welche eine Rechtsanwaltsfachangestellte üblicherweise verfüge. Die Beklagte sei von einer fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen, als sie angenommen habe, zur Integration der Arbeitnehmerin sei eine reguläre Einarbeitung erforderlich.

Gegen das ihr am 08.02.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.03.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Der Kläger hat am 09.03.2016 gegen das ihm am 10.02.2016 zugestellte Urteil ebenfalls Berufung erhoben.

Die Beklagte führt zur Begründung aus, dass mit Bescheid vom 27.03.2015 bestandskräftig über die Erbringung des Eingliederungszuschusses entschieden worden sei. Der Antrag des Klägers habe daher als Antrag auf Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) betrachtet werden müssen. Die Beklagte habe jedoch bei Erlass des Bescheides vom 27.03.2015 weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Eine falsche Rechtsanwendung liege schon deshalb nicht vor, weil eine Verlängerung des Eingliederungszuschusses rechtlich nicht vorgesehen und auch vom Gesetzgeber nicht gewollt sei. Sowohl im Gesetzeswortlaut als auch in der Gesetzesbegründung komme dies klar zum Ausdruck. Ziel der Neuregelung sei es vielmehr gewesen, den Bürokratieabbau im Bereich der Arbeitsförderung weiter voranzutreiben. Auch im Übrigen sei die Entscheidung rechtsfehlerfrei ergangen. Eine fehlerhafte Prognoseentscheidung sei nicht getroffen worden. Im Laufe des Verfahrens habe sich nicht ergeben, was gegen die Richtigkeit der ursprünglichen Prognose spreche.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.01.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29.01.2016 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.10.2015 zu verpflichten, den wegen der Einstellung der Frau Kuhn gewährten Eingliederungszuschuss in Höhe von monatlich 864 Euro auch für die Zeit vom 01.06.2015 bis 30.09.2015 in gleichbleibender Höhe zu bewilligen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren. Er meint, eine Prognoseentscheidung müsse auch im Nachhinein überprüft werden können.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Beklagten und des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, sind statthaft und zulässig. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die selbstständige Berufung des Klägers ist dagegen unbegründet.

Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 13.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Neubescheidung noch auf die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für die Beschäftigung der Arbeitnehmerin über den 31.05.2015 hinaus.

Der Senat kann dabei offenlassen, ob es sich vorliegend um einen Antrag auf Überprüfung des ursprünglichen Bescheides vom 27.03.2015 gemäß § 44 SGB X mit dem Ziel der Verlängerung der Förderungsdauer oder einen (Neu-)Antrag auf Weitergewährung des Eingliederungszuschusses handelt, denn ein Anspruch des Klägers besteht unter keinem dieser rechtlichen Gesichtspunkte. Dem angefochtenen Bescheid vom 08.10.2015 ist nach Würdigung aus Sicht des Empfängerhorizonts zu entnehmen, dass einerseits die beantragte "Verlängerung des Eingliederungszuschusses" abgelehnt wurde, wobei in der Begründung insoweit auf die eine weitere Förderung nicht rechtfertigenden konkret und aktuell geltend gemachten Einarbeitungspunkte verwiesen wurde. Andererseits wird der Entscheidungssatz damit begründet, dass die damals bewilligte Förderhöhe und Dauer nach nochmaliger Prüfung der Unterlagen immer noch angemessen sei und keine weitere Verlängerung der Förderung begründe. Der Überprüfungsantrag sei somit abzulehnen gewesen. Der angefochtene Bescheid hat somit eine Entscheidung sowohl nach § 44 SGB X als auch im Sinne eines Neuantrages getroffen.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein bestandskräftiger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, das bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Dass die Beklagte vorliegend von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Darüber hinaus lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt hat.

Gemäß § 88 SGB III können Arbeitgeber zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt zum Ausgleich einer Minderleistung erhalten (Eingliederungszuschuss). Gemäß § 89 Satz 1 SGB III richten sich die Förderhöhe und die Förderdauer nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes (Minderleistung). Liegen die anspruchsbegründenden Voraussetzungen – wie hier – vor, eröffnen die Vorschriften ein Ermessen sowohl hinsichtlich des "Ob" der Leistung (Entschließungsermessen) als auch hinsichtlich des "Wie" in Bezug auf Dauer und Höhe der Leistung (Auswahlermessen). Der Arbeitgeber hat mithin keinen Rechtsanspruch auf die Leistung – außer im Fall einer Ermessensreduktion auf Null –, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Die Entscheidung der Beklagten ist damit lediglich in den Grenzen der §§ 39 Abs. 1 SGB I, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG überprüfbar. Der Senat hatte mithin zu kontrollieren, ob die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), mit ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit/Ermessensfehlgebrauch; zum Ganzen ausführlich Becker in Hauck/Noftz, SGB I, § 39 SGB I).

Unter Heranziehung der genannten Maßstäbe lässt sich ein Ermessensfehler vorliegend nicht feststellen, insbesondere liegt ein Ermessensnichtgebrauch nicht vor. Zwar ist die fehlende Begründung zur Förderdauer im Bewilligungsbescheid vom 27.03.2015 ein Indiz für ein nicht ausgeübtes Ermessen (vgl. BSG, 01.03.2011 - B 7 AL 2/10 R - juris), allerdings ergibt sich aus den Umständen des Verfahrens, dass die Beklagte ihr Ermessen erkannt hat. So enthält sowohl der dem Kläger übersandte Fragebogen zur Prüfung der Fördervoraussetzungen für die Gewährung eines Eingliederungszuschuss einen Hinweis auf das Ermessen ("Die Bundesagentur kann [ ] unterstützen.") als auch die weiteren Hinweise zum Antrag auf Eingliederungszuschuss ("In welcher Höhe und für welchen Zeitraum ein Eingliederungszuschuss gezahlt werden kann, ist in jedem Einzelfall von der zuständigen Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter zu prüfen."), auf welche im Antragsformular Bezug genommen wird. Auf einen fehlerhaften Nichtgebrauch des Ermessens kann bei einer fehlenden Begründung zudem nur geschlossen werden, wenn eine solche überhaupt rechtlich geboten war (vgl. BSG, 25.01.1994 - 4 RA 16/92, juris). Nach § 35 Abs. 2 Nr. 2 SGB X, der gleichermaßen für gebundene und Ermessensentscheidungen gilt, bedarf es einer Begründung aber nicht, wenn dem Adressaten des Verwaltungsaktes die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage – sei sie objektiv richtig oder falsch – bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Maßgeblich ist hierbei der jeweilige subjektive Blickwinkel des Empfängers (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 35 SGB X). Die Beklagte hat in einem Telefonat mit dem Kläger am 02.02.2015 die Gründe für die Minderleistung der Arbeitnehmerin erörtert und daraus resultierend im Rahmen ihres Ermessens eine Förderdauer von 4 Monaten festgesetzt. Dem Kläger war mithin die Begründung für die Festlegung der Förderdauer bekannt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger als Rechtsanwalt über besondere Rechtskenntnisse verfügt. Insbesondere war ihm das Verfahren beim Eingliederungszuschuss bekannt, nachdem er bereits mehrfach einen solchen bezogen hat. Dies ist dem erkennenden Gericht allgemein bekannt und wird durch die Vorverfahrensliste des SG auch bestätigt.

Ein nach den oben dargestellten Grundsätzen der gerichtlichen Überprüfung zugänglicher Ermessensfehler ist hinsichtlich des bewilligten Eingliederungszuschusses seitens des Senats nicht zu erkennen. Auch diesbezüglich hat der Kläger keinen Ermessensfehler gerügt. Insbesondere hat er selbst eine fehlerhafte Prognoseentscheidung im Rahmen des Ermessens, die nach seiner Auffassung allenfalls aufgrund von zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses eines Widerspruchsbescheids vorliegenden Umständen zu prüfen wäre, nicht gerügt, da er auf erst im Rahmen des Arbeitsverhältnisses sich zeigende Defizite, die nach seiner Auffassung die Prognoseentscheidung überprüfbar machten, in der Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 13.03.2016) abgestellt hat. Damit geht der Kläger selbst nach seinem Vorbringen im Berufungsverfahren im Übrigen nicht davon aus, dass die Beklagte das Recht bei Erlass des Verwaltungsaktes unrichtig angewandt hat.

Nach alledem ist ein Ermessensfehler nicht feststellbar. Der Senat kann damit auch dahinstehen lassen, inwieweit im Rahmen des § 44 SGB X Ermessensfehler überhaupt zu berücksichtigen sind (streitig, siehe zu dieser Frage einerseits LSG Thüringen, 18.09.2014 - L9 AS 946/13 - juris sowie andererseits Steinwedel in KassKomm, SGB X, § 44 Rn. 35).

Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechtsausübung ergeben sich nach alledem nicht, so dass die Beklagte einen Anspruch nach § 44 SGB X zutreffend abgelehnt hat.

Darüber hinaus ergibt sich auch kein Anspruch auf die Weitergewährung eines Eingliederungszuschusses nach § 88 SGB III. Ob im Rahmen dieser Vorschrift überhaupt eine Verlängerung in Betracht kommt, muss der Senat im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheiden (bejahend LSG Berlin-Brandenburg, 29.11.2007 - L 6 AL 1317/05, juris). Es kann insoweit auch offenbleiben, ob ein solcher Antrag nur unter den Bedingungen einer Neufeststellung nach Eintritt einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne von § 48 SGB X oder als eigenständiger Antrag nach Maßgabe eines Erstantrages, wovon wohl das SG ausgeht, zu prüfen wäre. Denn der Kläger hat – wie bereits ausgeführt – jedenfalls lediglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Eine solche hat die Beklagte jedoch mit Bescheid vom 08.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.10.2015 getroffen. Ein Ermessensfehlgebrauch ist dabei – anders als vom SG angenommen – nicht festzustellen. Ein solcher liegt zum einen als Abwägungsdefizit vor, wenn die Behörde nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Des Weiteren kann ein Fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat (zum Ganzen BSG, 09.11.2010 - B 2 U 10/10 R - juris). Der Kläger hat zur Begründung des Antrags vom 13.07.2015 lediglich die bereits bei dem Erstantrag vorgetragenen Gründe der Minderleistung sowie der erforderlichen Unterstützung zum Abbau der Minderleistung (Einlernen durch eine Mitarbeiterin, Seminarschulungen und Literaturanschaffung, vgl. Angaben in dem unter dem 29.01.2015 ausgefüllten Fragebogen) wiederholt, insbesondere waren die letztgenannten Unterstützungsleistungen keine vom Erstantrag abweichende Sonderaufwendungen, die sich erst im Nachhinein ergaben. Vielmehr wurde wiederum auf fehlende Kenntnisse in der EDV, Zwangsvollstreckung und der Kostenrechnung verwiesen, was Kosten zur Teilnahme an einem Fortbildungsseminar zum RVG verursacht habe. Diese hat die Beklagte jedoch bereits bei der ursprünglichen Entscheidung berücksichtigt. Neue Aspekte, die eine Minderleistung über die bereits bewilligte Förderdauer von vier Monaten begründen und die die Beklagte in die Ermessensfindung mit einzubeziehen hatte, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich.

Eine Ermessensreduzierung auf Null, die die vom Kläger angestrebte Verurteilung der Beklagten zur Leistungserbringung zur Folge hätte, liegt damit erst Recht nicht vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bewilligung des Eingliederungszuschusses für weitere vier Monate alternativlos ist, es sich bei ihr also um die einzige Maßnahme gehandelt hat, mit der eine dauerhafte Eingliederung der Arbeitnehmerin in den Arbeitsmarkt erreicht werden konnte.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Berufung des Klägers konnte keinen Erfolg haben. Es konnte daher auch offen bleiben, ob der Klage- und Berufungsantrag soweit er über den zuletzt gestellten Förderantrag vom 05.08.2015 im Verwaltungsverfahren hinausgeht, zulässig war; ebenso ob die Förderung mittlerweile auch deshalb ausscheidet, weil die Mitarbeiterin zwischenzeitlich zum 01.02.2016 gekündigt hat. Eine Eingliederung ins Arbeitsleben auf Dauer kommt über die geförderte Tätigkeit in der Kanzlei des Klägers daher nicht mehr in Betracht. Der Förderzweck könnte nicht mehr erzielt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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