L 8 SB 4223/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1153/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4223/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 03.09.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Kläger trägt die Kosten des auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. R. vom 31.08.2016 sowie seine baren Auslagen endgültig selbst.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchen Grad der Behinderung (GdB) die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind.

Der 1953 geborene Kläger stellte beim Landratsamt K. – Amt für Gesundheit und Versorgung – (LRA) am 13.05.2013 einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und legte dazu medizinische Berichte des Hegau-Bodensee-Klinikums vor.

Das LRA holte daraufhin Befundscheine des Facharztes für Änästhesiologie und Schmerztherapie Dr. S. (Befundbericht vom 06.08.2013) und Facharzt für Allgemeinmedizin K. (Befundbericht vom 18.11.2013) ein und ließ diese versorgungsmedizinisch auswerten. Entsprechend der versorgungsärztlichen Empfehlung des Dr. Dr. J.-H. vom 26.11.2013 stellte das LRA mit Bescheid vom 03.12.2013 bei dem Kläger einen GdB von 20 seit dem 13.05.2013 fest.

Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden, ein chronisches Schmerzsyndrom (GdB 20), eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (GdB 10), eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 10) sowie eine seelische Störung (GdB 10). Die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem Gesamt-GdB von 20 angemessen bewertet. Die darüber hinaus geltend gemachten Gesundheitsstörungen – der Verlust der Gallenblase sowie Übergewicht – bedingten keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stellten daher keine Behinderung im Sinne des SGB IX dar.

Mit Schreiben vom 05.12.2013 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung an, ein GdB von 20 werde seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht gerecht. Bereits mit der Bewertung der Wirbelsäulenerkrankung bestehe kein Einverständnis. Alleine im Bereich der Lendenwirbelsäulen leide er unter einem Befund mit schweren funktionellen Auswirkungen, die einen Einzel-GdB von 30 bedingten. Da darüber hinaus auch mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule vorlägen, sei für die Wirbelsäulenerkrankung insgesamt ein Einzel-GdB von 40 zu berücksichtigen. Darüber hinaus bestehe bei ihm ein chronisches Schmerzsyndrom, welches einen Einzel-GdB von 30 bedinge. Des Weiteren leide er unter Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Schulter sowie im Bereich der Knie, die jeweils mit einem GdB von 20 zu bewerten seien. Die depressive Erkrankung, die ebenfalls zu berücksichtigen sei, müsse mit einem Einzel-GdB von 30 in Ansatz gebracht werden. Insgesamt sei ein GdB von 60 festzustellen.

Nach versorgungsärztlicher Auswertung – gutachterliche Stellungnahme des Dr. M vom 10.03.2014 – gab das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – dem Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2014 teilweise statt und stellte bei dem Kläger einen GdB von 30 seit dem 13.05.2013 fest, im Übrigen wies es den Widerspruch als unbegründet zurück. Wie die Überprüfung ergeben habe, könne die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Schulter-Arm-Syndrom und Lumboischialgien bei chronischem Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet werden. Ein höherer GdB sei jedoch nicht begründet, da neurologische Ausfallerscheinungen nicht nachgewiesen seien. Die leichte Funktionsbehinderung des rechten Knie- und rechten Schultergelenks sowie die seelische Störung bedingten jeweils einen Einzel-GdB von 10 und seien daher zutreffend eingestuft. Auswirkungen auf die Höhe des Gesamt-GdB ergäben sich dadurch nicht.

Am 15.04.2014 erhob der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Zur Begründung wiederholte und vertiefte er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Er reichte zudem den vorläufigen Entlassbericht vom 29.04.2014 aus der Reha-Klinik S., in welcher der Kläger in der Zeit vom 11.04.2014 bis 02.05.2014 stationär behandelt wurde, zur Akte.

Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG Beweis durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. gab an (Auskunft vom 10.07.2014), der Kläger habe sich in der Zeit vom 12.02.2014 bis 12.05.2014 in seiner Behandlung befunden. Es bestünden folgende Diagnosen: mäßige, diskogene Spinalkanalstenose, Lumbago, chronisches Schmerzsyndrom, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Aufgrund der chronischen Rückenbeschwerden im Rahmen der Spinalkanalstenose sei der GdB mit 30 zu bewerten. Orthopäde Dr. S. teilte mit (Auskunft vom 05.08.2014), der Kläger leide unter einem Bandscheibenvorfall C5/6 rechts, einem Fersensporn, einer Lumbago-Ischialgie rechts. Der Finger-Boden-Abstand betrage 30 cm, Inklination und Reklination seien um 20 Grad eingeschränkt. Die schmerzfreie Gehstrecke betrage ca. 200 m. Facharzt für Änästhesiologie, Schmerztherapie Dr. S. bekundete (Auskunft vom 13.08.2014), der Kläger stehe seit Februar 2011 in seiner Behandlung, es bestehe u.a. ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium II nach Gerbershagen. Auf Grund einer stattgefundenen Chronifizierung mit psychischer Überlagerung, einer ausgeprägten Degeneration des Halteapparates und einer depressiven Symptomatik sei keine wesentliche Verbesserung eingetreten. Facharzt für Allgemeinmedizin K. gab an (Auskunft vom 01.10.2014), er schätze den GdB aus allgemeinmedizinischer Sicht auf 30. Er legte u.a. den endgültigen Entlassbericht des Chefarztes V. der Rehaklinik S. vom 08.05.2014 vor, wonach bei dem Kläger folgende Diagnosen festgestellt wurden: Chronisches Schmerzsyndrom Stad. II nach Gebershagen, chronisches LWS-Syndrom bei Spinalkanalstenose L4/5, klinisch Claudicatiospinalis beidseits, Wurzelkompressionssyndrom L4 links, rezidivierendes Zervokobrachial-Syndrom rechts und arterielle Hypertonie.

Das SG erhob weiter Beweis durch Einholung des orthopädischen Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. vom 09.03.2015, der den Kläger am 02.03.2015 persönlich untersuchte. Bei dem Kläger bestünden auf orthopädischen Fachgebiet folgende Diagnosen: Chronisch rezidivierendes Zervikobrachialsyndrom bei Osteochondrose und Spondylarthrose der Halswirbelsäule (insbesondere C5 – C7 = HWK 5 bis HWK 7), Dorsolumbalsyndrom bei Wirbelsäulenfehlstatik und MRT-Nachweis eines Bandscheibenvorfalls L4/5 mit L5-Syndrom links, Osteochondrose und Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule, Coxarthrose Grad II nach Kellgren und Lawrence beidseits, Gonarthrose beidseits, Innenmeniskopathie rechts, patellofemorales Schmerzsyndrom beidseits, Verdacht auf Corpora libera rechts. Dabei sei von mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigungen im Abschnitt Halswirbelsäule und mittel- bis schwergradigen Auswirkungen im Bereich der Halswirbelsäule auszugehen. Motorische Ausfallerscheinungen bestünden nicht. Die erhobenen Befunde und das Beschwerdebild deuteten nicht auf ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom hin. Zudem bestünden leichtgradige Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Kniegelenke, insbesondere rechts. Gleiches gelte für den Bereich der Schulter. Den Gesamt-GdB schätze er auf 30.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2015 wies das SG die Klage ab.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 07.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.10.2015 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er gehe weiterhin davon aus, dass die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 60 zu bewerten seien. Dem Gutachten des Dr. K. müsse entgegengehalten werden, dass dieser lediglich auf die erreichbaren Bewegungsmaße abstelle und die Schmerzsituation sträflich vernachlässige. Die rein funktionsmechanisch vorgenommene Betrachtungsweise widerspreche den versorgungsmedizinischen Grundsätzen, wo etwa hinsichtlich der Einschätzung von Wirbelsäulenbefunden auch rezidivierende und anhaltende Wirbelsäulensyndrome Berücksichtigung fänden. Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass der Kläger weitere Bandscheibenvorfälle im Bereich der Halswirbelsäule erlitten habe. Auch die Bewertung der Kniegelenkserkrankung erscheine nicht fachgerecht. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass bei dem Kläger längst ein generalisiertes Schmerzgeschehen vorliege, welches nicht deckungsgleich mit dem Schmerzgeschehen im orthopädischen Bereich sei und daher getrennt tenoriert und bewertet werden müsse.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 03.09.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 03.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11.04.2014 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 60 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine Höherbewertung des GdB lasse sich nach Auswertung der medizinischen Unterlagen nicht begründen.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Orthopäde Dr. S. hat angegeben (Auskunft vom 12.01.2016), der Kläger leide unter einer Coxarthrose beidseits, die einen Einzel-GdB von 20 bedinge, einer schweren Osteochondrose L5/S1 bzw. BSV L4/L5, die mit einem GdB von 20 zu bewerten sei. Für die Ellbogenarthose sei ein GdB von 10 zu berücksichtigen, das HWS-Syndrom bedinge einen GdB von 10, gleiches gelte für den BSV rechts C5-C6. Insgesamt bestehe bei dem Kläger ein GdB von 50. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich wegen des Bandscheibenvorfalls bei L4/5 verschlechtert. Facharzt für Änästhesiologie, Schmerztherapie Dr. S. hat bekundet (Auskunft vom 24.01.2016), bei dem Kläger seien ausgeprägte Uncovertebralarthrosen sowie Spondylose und Retrospondylose der Halswirbelsäule mit Wurzelreizungen im Segment HWS 5-6 beidseits festgestellt worden. Dies bedinge eine weitere Verminderung der körperlichen und seelischen Belastbarkeit. Der Beklagte habe die Verschlimmerung des Schmerzsyndroms nicht ausreichend erfasst. Der zuletzt festgelegte GdB von 30 erscheine die aktuelle Gesundheitssituation nicht ausreichend abzubilden. Eine genaue Bewertung des GdB sei ihm mangels Erfahrung nicht möglich.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. vom 14.06.2016, der den Kläger am 20.05.2016 persönlich untersucht hat. Weder lägen in einem Wirbelsäulenabschnitt Befunde mit schweren funktionellen Auswirkungen vor, noch seien an zwei Wirbelsäulenabschnitten mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen belegt. Anhaltende funktionelle Störungen durch Wurzelkompression mit relevanten motorischen Ausfällen bestünden nicht. Auch könne man nicht von einem außergewöhnlichen Schmerzsyndrom ausgehen. Der Einzel-GdB für das Wirbelsäulenleiden betrage daher unverändert 30. Im Bereich der oberen Gliedmaßen liege eine marginale Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks vor, eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks könne nicht objektiviert werden. Streng betrachtet könne man nicht einmal einen GdB von 10 annehmen. Auch im Bereich der Hüfte sowie der Knie läge kein höherer Einzel-GdB als 10 vor. Selbst wenn man im Bereich der Kniegelenke eine Bewertung nach Knorpelschäden vornehmen wolle, fehle es am Vorliegen anhaltender Reizerscheinungen. Es zeige sich weder ein Gelenkerguss, noch eine Kapselverdickung, noch eine unter den altersbezogenen Normalbereich eingeschränkte Beweglichkeit. Der Gesamt-GdB betrage 30.

Der Senat hat sodann zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Gutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R. vom 31.08.2016, der den Kläger persönlich untersucht hat. Bei dem Kläger lägen Wirbelsäulensyndrome in zwei Abschnitten vor, die als leicht bis mittelgradig zu bewerten seien. Hierfür sei ein Einzel-GdB von 30 anzunehmen. Eine Höherbewertung sei bei den klinischen und radiologischen Befunden nicht zu rechtfertigen. Die Berücksichtigung der Schmerzsymptomatik ergebe ebenfalls keine höhere Bewertung. Auch wenn im Vergleich zum Gutachten des Dr. B. schlechtere Bewegungsmaße für die Schultergelenke gefunden worden seien, bedingten diese keinen höheren Einzel-GdB als 10. Gleiches gelte für die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Hüftgelenke. Die übrigen Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-unfallchirurgischen Gebiet bedingten keinen relevanten GdB. Insgesamt betrage der GdB 30.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.11.2016, Schreiben des Beklagten vom 29.11.2016).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie das Vorbringen der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.

Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 03.09.2015 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 03.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.

Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 30 nicht rechtfertigen.

Auf orthopädischem Fachgebiet leidet der Kläger im Funktionssystem Rumpf unter einem chronischen ortsständigen pseudoradikulären degenerativ bedingten cervicalen Wirbelsäulensyndrom mit gradueller Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule ohne persistierende radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen im Bereich der oberen Extremitäten bei Bandscheibenschaden der Halswirbelsäule sowie unter einem chronischen ortsständig degenerativ bedingten thorakalem und lumbalen Wirbelsäulensyndrom mit gradueller Funktionsbehinderung der Rumpfwirbelsäule und geringfügigen radikulären Störungen im Bereich der unteren Extremitäten bei Bandscheibenschaden der Lendenwirbelsäule und einer geringfügigen funktionell unbedeutsamen Wirbelsäulenfehlstatik mit muskulärer Dysbalance im Bereich des Rückens und des Rumpfes. Dies entnimmt der Senat dem überzeugenden Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. vom 14.06.2016. Der GdB für Wirbelsäulenschäden ist nach Teil B Nr. 18.9 VG zu bemessen. Danach bedingen Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität keinen GdB, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 10, solche mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20. Für Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 anzunehmen. Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sind mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de).

Bei der funktionellen Untersuchung durch Dr. B. zeigte sich die Beweglichkeit der Halswirbelsäule bezüglich der Inklination (Vorneigung) frei, bezüglich der Reklination (Rückneigung) marginal eingeschränkt, bezüglich der Seitneigung nach rechts mäßig, nach links marginal eingeschränkt und bezüglich der Rotation nach rechts gering eingeschränkt, nach links frei. Der Kläger gab einen endgradigen Bewegungsschmerz der Halswirbelsäule in sämtlichen Freiheitsgraden an. Im Bereich der Rumpfwirbelsäule zeigt sich die Beweglichkeit bezüglich der Seitneigung nach rechts gering bis mäßig eingeschränkt, bezüglich der Seitneigung nach links sowie der Rotation zu beiden Seiten altersphysiologisch frei. Die Inklination war mäßig eingeschränkt. Der Kläger gab einen endgradigen Bewegungsschmerz der Lendenwirbelsäule in sämtlichen Freiheitsgraden an. Die ermittelten Messstrecken am Achsorgan deuteten auf eine graduelle Entfaltungsstörung der Dornfortsatzreihe im Brustwirbelsäulen-Bereich bei ausreichend freier Entfaltbarkeit der Dornfortsatzreihe im Lumbalbereich hin. Das Laségue-Zeichen war negativ. Korrelierend zum negativen Laségue war der Langsitz einnehmbar und längere Zeit schmerzfrei zu halten. Der im Langsitz ermittelte Finger-Zehen-Abstand von 34 cm relativierte geringfügig den bei der Inklinationsprüfung der Lendenwirbelsäule im Stehen dargebotenen Finger-Boden-Abstand von 42 cm und schließt eine höhergradige Inklinationsbehinderung der Lendenwirbelsäule hinlänglich sicher aus, so dass nur eine geringe bis mäßige Einschränkung der Inklination nachgewiesen ist. Dies alles entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. B ... Damit konnte der Senat leichte bis allenfalls mittelgradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Hals- sowie der Lendenwirbelsäule feststellen. Schwere funktionelle Auswirkungen sind nicht belegt. Anhaltende funktionelle Störungen durch Wurzelkompressionen mit relevanten motorischen Ausfällen liegen nicht vor. Ein höherer Einzel-GdB als 30, wie von dem Beklagten angenommen, ist daher nicht anzunehmen. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom, bei welchem auch ohne neurologische Ausfallerscheinungen ein GdB von mehr als 30 in Betracht kommt, ist nicht nachgewiesen. Dieses Ergebnis wird durch das auf Antrag und Kostenrisiko des Kläger gemäß § 109 SGG erhobene Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R. gestützt. Dieser fand bei seiner Untersuchung des Klägers Wirbelsäulensyndrome in zwei Abschnitten (Hals- und Lendenwirbelsäule) vor, die er als leicht bis mittelgradig bewertet. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom konnte er ebenfalls nicht feststellen. Auch das im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. stützt dieses Ergebnis.

Hieran ändert die zeugenschaftliche Auskunft des behandelnden Orthopäden Dr. S. vom 12.01.2016 nichts. Es fehlt bereits an der Darlegung einer konkreten Befundverschlechterung in klinisch funktioneller Hinsicht. Der von ihm angenommene Gesamt-GdB von 50 ist insoweit nicht plausibel begründet. Gleiches gilt für die zeugenschaftliche Auskunft des Facharztes für Änästhesiologie, Schmerztherapie Dr. S. vom 24.01.2016. Dieser bezieht sich überwiegend auf bildgebende Befunde, die jedoch nicht den Maßstab der GdB-Bewertung bilden. Darüber hinaus werden subjektive Beschwerden, eine Verminderung der körperlichen Belastbarkeit mit qualitativen Leistungseinschränkungen sowie eine Verschlimmerung des Schmerzsyndroms angegeben. Es fehlt jedoch an konkreten Funktionsdaten, die die Einschätzung stützen würden. Soweit Dr. S. im Verwaltungsverfahren ein chronifiziertes Schmerzsyndrom Stadium II nach Gerbershagen bekundet hat, sagt dies nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. B. nichts über die Schwere des Schmerzsyndroms aus, sondern beschreibt lediglich den Chronifizierungsgrad, so dass sich auch hieraus kein Rückschluss auf die GdB-Bewertung ziehen lässt.

Nach alledem ist eine höhere Bewertung des Einzel-GdB als 30 im Funktionssystem Rumpf nicht angezeigt.

Im Funktionssystem der Arme leidet der Kläger unter einer Funktionseinschränkung des Schultergelenks rechts bei Z. n. subacromialer Dekompression und anhaltendem schmerzhaften Bogen. Nach Teil B Nr. 18.13 VG bedingen Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks (einschließlich des Schultergürtels) bei einer Armhebung nur bis zu 120 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen GdB von 10, solche mit einer Armhebung nur bis zu 90 Grad bei einer entsprechenden Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen GdB von 20.

Bei der funktionellen Untersuchung durch Dr. B. zeigte sich bei aktiver Bewegungsprüfung ein seitengleich frei und schmerzfrei vorführbarer Cross-Body-Griff und Schürzengriff. Der Nackengriff war links frei, rechts knapp eingeschränkt. Bei der passiven Bewegungsprüfung zeigte sich die Beweglichkeit im rechten Schultergelenk im Vergleich zur Gegenseite marginal eingeschränkt (Arm seitwärts/körperwärts rechts 150-0-60, links 160-0-60; Arm rückwärts/vorwärts rechts 30-0-150, links 40-0-170; Arm auswärts/einwärts drehen [OA anliegend] rechts 80-0-50, links 80-0-60; Arm auswärts/einwärts drehen [OA 90 Grad seitwärts abgehoben] rechts 70-0-40, links 80-0-60), wobei palpatorisch ein Bewegungsreiben im rechten Schultergelenk nachvollzogen werden konnte. Eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks konnte nicht objektiviert werden. Bei der Untersuchung durch Dr. R. fanden sich zum Teil schlechtere Bewegungsmaße (Arm seitwärts/körperwärts rechts 125-0-30, links 130-0-30; Arm vorwärts/rückwärts rechts 125-0-50, links 160-0-45; Arm einwärts/auswärts drehen [OA anliegend] rechts 75-0-85, links 80-0-85; Arm einwärts/auswärts drehen [OA 90 Grad seitwärts abgehoben] rechts 90-0-50, links 90-0-70). So fand sich bei Dr. R. eine Abspreizung von 125 Grad im Vergleich zu 150 Grad bei Dr. B ... Auch die gemessene Vorneigung gelang nur in geringerem Umfang (125 Grad bei Dr. R., 150 Grad bei Dr. B.), ohne dass ein in der Zwischenzeit stattgehabter Unfall oder ein anderweitiges Trauma die Funktionsminderung erklären könnte. Jedoch ist auch bei der Zugrundelegung der durch Dr. R. erhobenen (schlechteren) Bewegungsmaße ein höherer Teil-GdB als 10 nicht festzustellen. Ein höhere GdB kommt erst ab einer Beweglichkeit von 90 Grad oder weniger in der Vorwärts- oder Seitwärtsbewegung in Betracht. Eine solche Einschränkung liegt bei dem Kläger jedoch nicht vor. Dieses Ergebnis wird auch durch das Gutachten des Dr. K., der übereinstimmend mit Dr. B. eine beidseitige ACG-Arthrose angab und nur eine marginale Funktionsbehinderung am rechten Schultergelenk nach subacromialer Dekompression und Acromioplastik feststellte, sowie den Entlassbericht der Reha-Klinik Sonnhalde vom 08.05.2014, welcher ebenfalls nur geringfügige Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks ausweist, gestützt.

Im Funktionssystem der Arme leidet der Kläger weiterhin unter einer Funktionsminderung der Handgelenke beidseits sowie einem Schnappdaumen links.

Bei der Untersuchung durch Dr. R. waren die Ringbänder der Langfinger unauffällig, es zeigte sich jedoch im Bereich des Daumens links ein Druckschmerz und auch ein Schnappen über dem Ringband im Sinne eines Schnappdaumens links. Die radiale und auch die palmare Beweglichkeit des Daumens rechts war eingeschränkt, weiterhin zeigte sich ein Streckdefizit im Daumengrundgelenk beidseitig von 20 Grad. Die Opposition der Finger war beidseits vollständig. Ebenso zeigte sich der Spitzgriff beidseitig ohne Einschränkungen. Die Dorsalextension/Palmarextension gelang rechts mit 50-0-40 Grad und links mit 55-0-60 Grad, die Radialadduktion/Ulnaadduktion gelang rechts mit 25-0-20 Grad und links mit 30-0-30. Der Faustschluss und die Feingriffe waren beidseits vollständig. Eine Verschmächtigung der kleinen Handmuskulatur bestand nicht. Bei der orientierenden Prüfung war die grobe Kraft nicht gemindert. Eine GdB-relevante Einschränkung ergibt sich nach alledem nicht.

Der Senat kann offenlassen, ob der Kläger im Funktionssystem Arme zudem an einer Epicondylitis humeri ulnaris rechts, wie von Dr. B. festgestellt oder einer Epicondylitis humeri radialis, wie von Dr. R. mitgeteilt, leidet. GdB-relevante Einschränkungen im Bereich des Ellenbogens ergaben sich weder im einen noch im anderen Fall.

Im Funktionssystem der Arme konnte der Senat die funktionellen Beeinträchtigungen nach alledem mit einem Einzel-GdB von 10 bewerten.

Im Funktionssystem der Beine leidet der Kläger unter einer Coxalgie beidseits bei Coxarthrose Grad II. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des Dr. B. sowie des Dr. R ... Nach Teil B Nr. 18.14 bedingen Bewegungseinschränkungen geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ) einseitig einen GdB von 10 - 20 und beidseitig einen GdB von 20 - 30.

Bei der Untersuchung durch Dr. B. zeigte sich die Beweglichkeit der Hüftgelenke altersphysiologisch frei und weitgehend schmerzfrei. Die Extension/Flexion rechts gelang mit 0-0-110 Grad, links mit 0-0-110 Grad, das Abspreizen/Anführen rechts mit 40-0-20, links mit 40-0-20 Grad, die Drehung auswärts/einwärts mit einem um 90 Grad gebeugten Hüftgelenk rechts mit 30-0-20 Grad und links mit 30-0-20 Grad. Bei der Untersuchung durch Dr. R. zeigte sich im Vergleich zur Untersuchung durch Dr. B. eine etwas verminderte Beugung, auch fand sich keine seitengleiche Beweglichkeit sondern eine rechtsseitig etwas verminderte Beweglichkeit. Bei der Untersuchung gelang die Flexion/Extension rechts mit 95-0-0 Grad, links mit 105-0-0 Grad, das Abspreizen/Anführen rechts mit 40-0-30, links mit 40-0-30 Grad, die Drehung auswärts/einwärts mit einem um 90 Grad gebeugten Hüftgelenk rechts mit 35-0-40 Grad und links mit 45-0-25 Grad. Das Trendelenburg-Zeichen war beidseits unauffällig. Der Zehenspitzen- und Fersengang war vorführbar. Im Liegen zeigten sich Fußheber und -senker beidseits kräftig und seitengleich, ebenso der Großzehenheber und -senker. Der Einbeinstand gelang beidseits sicher und gut demonstrierbar, es zeigte sich kein erkennbares Absinken des Beckens. Auch unter Zugrundelegung der in der Untersuchung bei Dr. R. erzielten schlechteren Bewegungsmaße besteht bei dem Kläger eine Beugefähigkeit beidseits über 90 Grad (rechts 95 Grad und links 105 Grad). Eine höhere Bewertung als mit einem Teil-GdB von 10 kommt daher nicht in Betracht.

Hieran ändert auch die zeugenschaftliche Auskunft des behandelnden Orthopäden Dr. S. vom 12.01.2016 nicht, der die Coxarthrose mit einem GdB von 20 bewertet. Konkrete Funktionsdaten werden nicht mitgeteilt, so dass unklar bleibt, worauf Dr. S. seine Bewertung stützt.

Im Funktionssystem der Beine leidet der Kläger weiterhin unter einer Gonarthrose und Retropatellararthrose beidseits ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen und ohne Funktionsbehinderung der Kniegelenke. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. B ... Nach Teil B Nr. 18.14 VG bedingen Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 0-0-90) einseitig einen GdB von 0 - 10 und beidseitig einen GdB von 10 - 20. Bei ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen einseitig ohne Bewegungseinschränkungen ist ein GdB von 10 - 30 festzustellen, bei solchen mit Bewegungseinschränkungen ein GdB von 20 - 40.

Bei der Untersuchung durch Dr. B. gab der Kläger eine Druckdolenz über dem medialen Kniegelenkspalt beidseits an. Ein intraartikulärer Erguss der Kniegelenke war palpatorisch nicht festzustellen. Die Beweglichkeit der Kniegelenke war altersgemäß frei und schmerzfrei. Bei der Untersuchung der Kniegelenke fiel ein retropatellares Bewegungsreiben beidseits auf. Die Meniskuszeichen der Kniegelenke waren negativ. Der Bandapparat der Kniegelenke war seitengleich stabil. Der Einbeinstand wurde beidseits sicher dargeboten. Das monopedale Hüpfen gelang nur unsicher. Die Tiefhocke war knapp eingeschränkt, das Aufrichten aus dieser Position erfolgte frei ohne Abstützen der Arme. Die Streckung und Beugung gelang beidseits mit 0-0-130 Grad. Danach besteht bei dem Kläger eine Beugefähigkeit über 90 Grad. Ein höherer Teil-GdB als 10, wie von dem Beklagten angenommen, kommt nach alledem nicht in Betracht. Auch unter Berücksichtigung der bei dem Kläger vorliegenden Knorpelschäden ergibt sich keine andere Bewertung. Trotz der radiologisch dokumentierten arthrotischen Veränderungen der Kniegelenke sind anhaltende Reizerscheinungen ebenso wenig objektivierbar wie relevante funktionelle Defizite. Es zeigte sich weder ein Gelenkerguss noch eine Kapselverdickung noch eine unter den altersbezogenen Normalbereich eingeschränkte Beweglichkeit. Dieses Ergebnis wird auch durch das Gutachten des Dr. R. gestützt.

Soweit Dr. S. im Befundbericht vom 06.08.2013 eine fortgeschrittene Degeneration des Kniegelenks mit mittelgradiger bis starker Funktionsbehinderung und belastungsabhängiger Beschwerdeverstärkung beschreibt, ändert dies an der Bewertung nicht. Die damals beschriebene Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks konnte weder in der Untersuchung durch Dr. B. noch durch Dr. R. objektiviert werden.

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat den Einzel-GdB im Funktionssystem der Beine nur mit 10 bewerten.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ist ein höherer Einzel-GdB als 10 nicht anzunehmen. Zwar bestätigt Dr. S. in seiner zeugenschaftlichen Auskunft vom 24.01.2016 eine "deutliche Verminderung der ( ) seelischen Belastbarkeit". Nähere Angaben zu Art und Ausmaß einer krankheitswertigen seelischen Störung werden jedoch nicht gemacht. Eine fachspezifische nervenärztliche bzw. psychotherapeutische Betreuung erfolgt nicht. Anhaltspunkte für eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit finden sich ebenfalls nicht. Eine höhere Bewertung kommt folglich nicht in Betracht.

Die weiter vorgetragenen Gesundheitsstörungen Adipositas Grad I, Hypertonie, Z.n. Tonsillektomie, Z.n. Cholecystektomie und Z.n. Appendektomie bedingen keinen GdB von mindestens 10.

Weitere GdB-relevante Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen, noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist mithin vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).

Danach ist beim Kläger der Gesamt-GdB seit 13.05.2013 mit 30 festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP bzw. der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von

• 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Arme, • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine und • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche

wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken. Nachdem beim Kläger vorliegend von einem zu berücksichtigenden Einzel-GdB von 30 und drei Einzel-GdB von 10 auszugehen ist und auch kein Fall vorliegt, in dem ein Einzel-GdB von 10 ausnahmsweise erhöhend zu berücksichtigen wäre, konnte der Senat einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nur i.H.v. 30 feststellen.

Der Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. R. vom 31.08.2016 sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 – L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; Urteil des Senats vom 23.11.2012 – L 8 U 3868/11, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sach-verhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. R. auf die Staatskasse zu übernehmen. Es hat lediglich die von Dr. B. in seinem Gutachten vom 14.06.2016 gefundenen Ergebnisse bekräftigt.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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