L 1 U 1682/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1602/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1682/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.03.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls des Klägers vom 04.07.2012.

Der 1964 geborene aus der Türkei stammende Kläger stürzte, als er gerade eine Störung an einer sogenannten "Laufkatze" beheben wollte, am 04.07.2012 um 06.30 Uhr morgens durch ein lose aufliegendes, ungesichertes Bodengitter 4 Meter tief auf den Betonboden des Maschinenarbeitsraums (Klagebegründungsschrift vom 11.08.2014, Bl. 19 f. SG-Akte). Ausweislich des Durchgangsarztberichtes von Prof. Dr. G., BG-Unfallklinik L., vom 05.07.2012 zog sich der Kläger durch den Sturz auf den Rücken eine linksseitige Beckenringfraktur und eine Deckplattenimpression des zweiten Lendenwirbelkörpers (LWK2) zu. Er beschrieb den Kläger als nach Fentanylgabe vigilanzgemindert. Der Thorax sei stabil, das Becken ebenfalls. Bei weichem Abdomen finde sich Flüssigkeit im Bereich der Blase, welche nach rechts verlagert sei. Während der bis zum 08.08.2012 andauernden stationären Behandlung in der BG-Unfallklinik erfolgte noch am Unfalltag nach diagnostizierter traumatisch bedingter Dünndarmperforation mit beginnender Unterbauchperitonitis eine Laparotomie mit Dünndarmübernähung und am 07.07.2012 eine Relaparotomie mit Lavage. Am 12.07.2012 wurde die Beckenringfraktur mittels percutaner Lochschraubenosteosynthese und Kriechschraube Os pubis von der Symphyse her versorgt (Verlegungsbericht vom 07.08.2012, Bl.30 Verwaltungsakte der Beklagten - VA).

Vom 08.08.2012 bis zum 21.09.2012 befand sich der Kläger zur frühstationären Weiterbehandlung in der Orthopädischen Fachklinik N ... Hier klagte er neben einer persistierenden Hypästhesie im Bereich des vierten und fünften Fingers der linken Hand (Ulnarisversorgungsgebiet) über unklare Schmerzen im Bereich des linken Fußes. Gemäß Zwischenbericht von Oberarzt Dr. Z. vom 28.08.2012 (Bl.40 VA) sei bereits im Vorfeld eine kernspintomographische Abklärung erfolgt, welche keinen wegweisenden Befund ergeben habe. Zusätzlich zu den Schmerzen würden auch Parästhesien im Fuß links angegeben, weshalb eine neurologische Konsilaruntersuchung veranlasst wurde. Gemäß Bericht der Neurologin Dr. St. vom 06.09.2012 (Bl. 44 VA) über die am 29.08.2012 durchgeführte Untersuchung habe der Kläger über Schmerzen im Bereich des linken Fußrückens geklagt, die Fußsohle sei ohne Befund gewesen. Sein linkes Bein fühle sich schwach an, außerdem habe er ein Taubheitsgefühl im vierten und fünften Finger links. Sie diagnostizierte nach Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten ein Sulcus-Ulnaris-Syndrom links und eine inkomplette Nervus peronaeus-Läsion links.

Mit Zwischenbericht vom 13.09.2012 berichtete der Oberarzt Dr. D., der Kläger sei an zwei Unterarmgehstützen unter Vollbelastung mobilisiert. Eine Röntgenkontrolle vom 28.08.2012 habe regelrecht einliegende Lochschrauben im linken Iliosakralgelenk (ISG) sowie eine reizlos einliegende Kriechschraube über dem Os pubis gezeigt. Die Hüftgelenksbeweglichkeit sei beidseits frei, im Bereich beider unterer Extremitäten bestünden kein Zug- oder Stauchungsschmerz, auch kein Beckenkompressionsschmerz. Wegen weiterhin beklagter Schmerzen im Bereich des linken Vorfußes sei eine neurologische Verlaufskontrolle durchgeführt worden, wo man eine sensible Störung im Bereich des Nervus peronaeus gesehen habe. Unter Medikation mit Saroten hätten sich die Beschwerden, insbesondere die nächtlichen Ruheschmerzen, rückläufig gezeigt. Während der ambulanten Weiterbehandlung in Form einer erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) klagte der Kläger am 12.10.2012 über vermehrte Schmerzen im Bereich des rechten Unterbauches (Bericht vom 12.10.2012, Bl. 66 VA) und am 26.10.2012 über leichte ziehende Beschwerden im rechten und mittleren Mittelbauch bei unauffälligem Stuhlgang und unauffälliger Miktion (Zwischenbericht vom 31.10.2012, Bl. 69 VA). Am 09.11.2012 klagte der Kläger darüber, keine festen Hosen tragen zu können, und stellte sich in Shorts vor. Der Assistenzarzt Dr. Dr. K. beschrieb ein Kraftdefizit im Bereich des Rumpfes, vor allem der Bauchmuskulatur, und empfahl das muskuläre Auftrainieren und ein Desensibilisierungstraining, damit stabile Hosen getragen werden könnten. Mit weiterem Bericht vom 10.12.2012 führte der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Güven aus (Bl. 87 VA), dass sich das Kraftdefizit des Rumpfes deutlich verbessert habe.

Eine erste tätigkeitsorientierte Rehabilitation ab dem 15.01.2013 wurde bei persistierendem Belastungsdefizit vorzeitig beendet. Nachdem bei Durchführung eines intensiven Trainingsprogramms der Kläger über Schmerzen im unteren Wirbelsäulenbereich mit zunehmender Lastaufnahme geklagt hatte, ergab eine daraufhin durchgeführte radiologische Kontrolle vom 18.01.2013 die Diagnose einer Vorderkantenabsprengung des LWK2 bei zusätzlichen Verschleißerscheinungen im lumbo-sacralen Übergang. Eine Verlaufskontrolle bei bekannter inkompletter Nervus peronaeus-Läsion habe ergeben, dass sich diese weitgehend zurückgebildet habe. Ein Nervus femoralis-Schaden habe bei persistierender Schwäche der linken unteren Extremität ausgeschlossen werden können. Der Kläger habe über Schmerzen im Bereich des Fußrückens mit Ausstrahlung bis in das Sprunggelenk geklagt, welche in Ruhe nach Belastung aufträten, außerdem noch über eine Schwäche der linken unteren Extremität und eine Schwäche und Schmerzen im Bereich der Großzehe. Nächtliche Ruheschmerzen bestünden nur gelegentlich, da er durch die Saoten-Medikation hier gut eingestellt sei. Von Seiten der Dünndarmverletzung sei er beschwerdefrei, habe nur das Gefühl, als ob der Bauch voll Luft gefüllt sei (Bericht vom 15.02.2013, Bl.171 ff. VA).

Vom 12.03.2013 bis zum 23.04.2013 befand sich der Kläger erneut zur Durchführung einer tätigkeitsorientierten Rehabilitation in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., welche unter den Diagnosen einer Beckenringfraktur Typ C1, einer traumatisch bedingten Dünndarmperforation mit Unterbauchperitonitis, einer verspätet diagnostizierten Vorderkantenabsprengung LWK2 und einer rückgebildeten Nervus peronaeus-Läsion links durchgeführt wurde (Bericht vom 30.04.2013, Bl. 227 ff. VA). Bei Aufnahme klagte der Kläger über Schmerzen im Verlauf der unteren Wirbelsäule, bei Belastung zunehmend, Kraftverlust beim Heben und Tragen und rezidivierenden Schwindel bei Belastung. Zusätzlich bestünden nächtliche Ruheschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Bein, wodurch die Nachtruhe oft unterbrochen sei und weshalb er Saroten 50 mg (eine halbe Tablette zur Nacht) einnehme. An die tätigkeitsorientierte Rehabilitation schloss sich im Zeitraum vom 29.04.2013 bis zum 15.09.2013 eine Arbeits- und Belastungserprobung im Betrieb des Arbeitgebers (Betonfertigteilewerk GmbH, P.) an. Der Kläger erhielt nach dem Unfall bis zum 15.08.2012 Entgeltfortzahlungsleistungen seines Arbeitgebers (Bescheinigung der AOK vom 19.10.2012, Bl.149 bis 151 VA), danach bis zum Ende der Arbeits- und Belastungserprobung am 15.09.2013 Verletztengeld (vgl. Verletztengeld-Endabrechnung der AOK vom 18.09.2013, Bl. 341 VA).

Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen ließ die Beklagte den Kläger durch den Chirurgen Dr. H. untersuchen und begutachten. Ihm gegenüber klagte der Kläger über Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule als auch im Bereich der rechten Beckenhälfte, weshalb er regelmäßig nachts Novalgin (alle vier Stunden) einnehme. Dr. H. kam zu dem Ergebnis, der Kläger habe eine komplexe Schädigung des Beckens sowie eine Deckplattenimpression LWK2 erlitten, außerdem sei es zu einer Dünndarmperforation gekommen, aus der sich eine beginnende Bauchhöhlenentzündung entwickelt habe. Als Unfallfolgen lägen noch eine ausgedehnte Narbenbildung im Becken- und Abdominalbereich vor, eine Bauchwandschwäche rechts und eine eingeschränkte Belastbarkeit von Becken und LWS nach Fraktur des zweiten LWK und Transfixation des hinteren linken Beckengürtels. Unfallunabhängig bestehe eine Osteochondrose und Spondylose der LWS. Die unfallbedingte MdE bewertete er ab dem Zeitpunkt seiner Untersuchung (12.07.2013) mit 20 v.H. (unter der Prämisse bereits bestehender Arbeitsfähigkeit).

Mit Bescheid vom 10.10.2013 (Bl. 349 VA) gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 16.09.2013 Verletztenrente nach einem Grad der MdE von 20 v.H. als vorläufige Entschädigung und erkannte als Folgen des Arbeitsunfalls an: "Nach Bruch der linken Beckenhälfte mit Beteiligung des Kreuzbeins und des vorderen Beckenrings links, Deckplattenimpressionsbruch des zweiten Lendenwirbelkörpers sowie Durchbohrung des Dünndarms mit nachfolgender Bauchinfektion, eingeschränkte Belastbarkeit von Becken und Lendenwirbelsäule, Bauchwandschwäche rechts, ausgedehnte reizlose Narbenbildung am Becken- und Bauchbereich, reizlos einliegendes Osteosynthesematerial im Bereich des linken Schambeins, des Beckens und des Kreuzbeins." Keine Folgen des Arbeitsunfalls seien krankhafte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und Brustwirbelsäule.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger auf weitere Arbeitsunfälle, die er in den Jahren 1998, 2000 und 2005 erlitten habe. Hieraus resultierten jeweils verbleibende Schäden, die das Ausmaß der unfallbedingten MdE erhöhten. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2014 zurück. Bei der Einschätzung der MdE seien ausschließlich die unfallbedingten Funktionseinschränkungen des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 zu berücksichtigen. Etwaige frühere Arbeitsunfälle spielten bei der Einschätzung der MdE keine Rolle. Jeder Arbeitsunfall sei dabei grundsätzlich für sich alleine zu beurteilen. Schäden von früheren Versicherungsfällen wirkten sich nicht erhöhend auf die MdE aus.

Hiergegen hat der Kläger am 09.05.2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Einschätzung der unfallbedingten MdE durch Dr. H. sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte gehe zu Unrecht von einer folgenlosen Ausheilung des Bruchs des zweiten LWK aus. Auch die Annahme, dass die Bauchwandschwäche keine unfallbedingte MdE bedinge, sei rechtsfehlerhaft, ebenso für die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, dass die Funktionseinschränkungen früherer Arbeitsunfälle im Rahmen der MdE-Einschätzung nicht entscheidungserheblich seien. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers, den Chirurgen Dr. G. und den Ärztlichen Direktor der BG-Unfallklinik L., Prof. Dr. G., schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. G. hat, nachdem sich der Kläger dort am 18.11.2013 mit Beschwerden iliosakral links vorgestellt hatte, von einer klinisch guten Entfaltung der LWS mit Achsgeradstand ohne Klopfschmerz berichtet. Bei der Untersuchung vom 23.06.2014 sei die LWS frei entfaltbar gewesen, Durchblutung, Motorik und Sensibilität seien intakt gewesen. Die Höhe der MdE sei in einem Gutachten festzustellen. Prof. Dr. G. hat in seiner Auskunft vom 12.08.2014 den Verlauf der Behandlung des Klägers dargestellt und berichtet, während der tätigkeitsorientierten Rehabilitation vom 15.01.2013 bis zum 27.02.2013 sei die Nervus peronaeus-Läsion links weitgehend zurückgebildet gewesen. Eine Nervus femoralis-Läsion links habe ausgeschlossen werden können. Am 18.01.2013 habe sich in Höhe LWK2 eine Deckplattenvorderkantenabsprengung gezeigt. Die Unfallfolgen, eine Beckenringfraktur Typ C1, eine traumatisch bedingte Dünndarmperforation mit Unterbauchperitonitis, eine verspätet diagnostizierte Vorderkantenabsprengung LWK2 und eine rückgebildete Nervus peronaeus-Läsion links, bedingten in der Gesamtschau eine MdE von 20 v.H. Unfallunabhängig bestünden u.a. degenerative Veränderungen im Bereich der unteren Wirbelsäule mit Verschmälerung des Bandscheibenraumes L5/S1. Die beklagten persistierenden Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule seien teilweise in Zusammenhang mit den bereits radiologisch sichtbaren degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule zu werten. Die Teil-MdE für die komplexe Beckenverletzung mit Beckenringfraktur und geringfügiger Verschiebung des Kreuzbeines links bewertete er mit 15 v.H., die Teil-MdE für die Dünndarmperforation mit nachfolgender Bauchwandschwäche mit 10 v.H. Die Vorderkantenabsprengung des LWK2 bedinge keine messbare MdE.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Facharzt für Orthopädie Dr. W. am 16.01.2015 ein Gutachten über den Kläger erstattet (Bl. 60 bis 91 SG-Akte). Im Rahmen der Begutachtung klagte der Kläger noch über belastungsabhängige Schmerzen in der LWS und im Bereich des Beckens und Hüftgelenks linksseitig mit krampfartigen Schmerzen im linken Bein mit Betonung des Oberschenkels. Dr. W. hat als unfallbedingte Gesundheitsstörungen eine Minderbelastbarkeit des Beckens und der LWS bei in leichter Fehlstellung ausgeheilter, osteosynthetisch versorgter Beckenringfraktur links Typ C1 nach AO sowie konservativ behandelter LWK2-Fraktur und eine Bauchwandschwäche rechts nach Dünndarmteilresektion infolge traumatischer Dünndarmperforation mit beginnender Unterbauchperitonitis nach Unfallereignis vom 04.07.2012 bezeichnet. Unfallunabhängig leide der Kläger an einer Osteochondrose im Segment L5/S1. Aufgrund der Minderbelastbarkeit des Beckens bei in leichter Fehlstellung ausgeheilter, osteosynthetisch versorgter Beckenringfraktur links bewerte er die unfallbedingte Teil-MdE mit 20 v.H., weil nach instabiler Beckenringfraktur das Iliosakralgelenk links infolge der linksseitigen Osteosynthese und der arthrotischen Veränderungen eingesteift sei. Die stattgehabte LWK2-Fraktur sei mit einer Teil-MdE von 10 v.H. zu bewerten, weil die Vorderkante noch ventral versetzt sei, noch keine knöcherne Konsolidierung des abgesprengten ventralen Knochenfragments eingetreten sei und anzunehmen sei, dass infolge der LWK2-Fraktur eine Schädigung der Bandscheiben L1/2 vorliege bei vermehrter Sklerosierung des zweiten Lendenwirbels deckplattennah. Die Bauchwandschwäche rechts bedinge eine Teil-MdE von 10 v.H. Hieraus ergebe sich eine Gesamt-MdE von 40 v.H.

Die Beklagte ist der gutachterlichen Einschätzung der MdE unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. St.vom 26.01.2015 entgegengetreten.

Mit Urteil vom 26.03.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe Rente nach einer höheren MdE als 20 nicht zu. Die MdE-Bemessung erfolge ausschließlich anhand der verbliebenen Funktionseinschränkungen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012. Die Gesamt-MdE aufgrund der verbliebenen Unfallfolgen betrage 20 v.H. Als Unfallfolgen bestünden eine knöchern durchbaute Beckenringfraktur mit geringfügiger Verschiebung des Kreuzbeins links ohne Erweiterung der Iliosakralfuge bei fest einsitzendem Osteosynthesematerial, eine Vorderkantenabsprengung des zweiten LWK mit geringfügigem Versatz eines abgesprengten Vorderkantenanteils und eine Bauchwandschwäche rechts. Eine darüber hinaus nachgewiesene Osteochondrose und Spondylose der Lendenwirbelsäule insbesondere im Segment L5/S1 sei degenerativ und damit unfallunabhängig entstanden. Die Folgen der Beckenringfraktur rechtfertigten für sich eine unfallbedingte Teil-MdE von 15 v.H. Das Becken selbst sei geschlossen bei nur geringgradigem Hochstand des linken Kreuzbeins im Vergleich zu rechts. Dies hätten sowohl Dr. H. als auch Dr. W. aufgrund der durchgeführten Röntgenaufnahmen des Beckens bestätigt. Übereinstimmend hätten beide Gutachter einen Beckenkompressionsschmerz nicht auslösen können. Die von Dr. H. erhobenen Funktionsausmaße im Bereich der LWS und BWS habe Dr. W. bestätigt und die Brust- und Lendenwirbelsäule als "lotgerecht aufgebaut" bezeichnet. Der von ihm erhobene neurologische Untersuchungsbefund sei unauffällig ohne Hinweise auf ein peripher sensomotorisches Defizit gewesen. Die abweichende Einschätzung der Teil-MdE durch Dr. W. mit 20 v.H. hat das SG als nicht überzeugend angesehen, denn Voraussetzung dafür sei eine instabile Beckenringfraktur mit Schoßfugenerweiterung von mehr als 15 mm oder eine zusätzliche Arthrose in den Kreuz-Darmbein-Gelenken, eine einseitige Verschiebung der Beckenhälfte über 10 mm oder eine beidseitige Verschiebung jeweils über 10 mm voraus. Solche Befunde habe auch Dr. W. nicht objektiviert. Die Folgen der Dünndarmperforation mit nachfolgender Bauchwandschwäche hat das SG übereinstimmend mit der Einschätzung durch Prof. Dr. G. und den Beratungsarzt Dr. St.mit 10 v.H. eingeschätzt. Als Restfolge der Dünndarmperforation bestehe eine rechts vermehrt ausladende Vorwölbung der im Übrigen geschlossenen Bauchdecke ohne Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Ernährung oder der Verdauung des Klägers. Anders als von Dr. W. angenommen sei auch keine Resektion von Darmanteilen erfolgt, sondern nur eine Dünndarmübernähung und Relaparotomie mit Lavage drei Tage später. Die Folgen der LWK2-Fraktur bedingten eine Teil-MdE von weniger als 10 v.H. Auch insoweit hat sich das SG Prof. Dr. G. und Dr. St.angeschlossen. Eine relevante Keilwirbeldeformität insbesondere im Segment L2 habe auch Dr. W. verneint. Anhaltspunkte für einen statisch wirksamen Achsenknick aufgrund des Wirbelkörperbruchs bestünden nicht. Hiernach handele es sich um einen isolierten Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 01.04.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.04.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er auf eine Verschlimmerung der Schmerzsituation im linken Bein verwiesen. Am 18.08.2015 sei dem Kläger nach Abschluss einer krankengymnastischen Behandlung das linke Bein weggesackt, sodass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, zu seinem Fahrzeug zu laufen. Der Durchgangsarzt habe eine Schraubenlockerung der Beckenfraktur vermutet. Sofern die erheblichen Beschwerden nicht auf einer Schraubenlockerung beruhten, müssten sie dennoch als Folge des Arbeitsunfalls gewertet werden. So sei in sämtlichen Arztberichten und Gutachten bisher von einer Schädigung des Nervus peronaeus als Folge des Arbeitsunfalls die Rede gewesen. Angeblich seien diese Beschwerden abgeklungen. Die erheblichen Beschwerden des Klägers bewiesen das Gegenteil. Die bisher beauftragten Gutachter hätten die Schädigung des Nervus peronaeus übersehen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.03.2015 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 10.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.06.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 ab dem 16.09.2013 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v.H. zu gewähren, hilfsweise die Einholung eines psychiatrischen Fachgutachtens nach § 109 SGG zur Frage, ob die erektile Dysfunktion auf den Arbeitsunfall vom 04.07.2012 zurückzuführen ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Mit Gutachten vom 29.05.2015 hat der Chirurg Dr. F. im Verwaltungsverfahren zur Prüfung eines Anspruchs auf Verletztenrente auf unbestimmte Zeit auf Veranlassung der Beklagten ein weiteres Gutachten erstattet. Als Unfallfolgen hat er eine stabil verheilte Absprengung der LWK2-Vorderkante ohne Höhenminderung des Wirbelkörpers, eine Narbenbildung im Bereich des Abdomens nach medianer Laparotomie mit Bauchwandschwäche rechts, einen knöchern stabil verheilten Beckenbruch mit leichter Fehlstellung der linken Beckenhälfte und einliegendem lockerungsfreiem Osteosynthesematerial und formverbildende Veränderungen im Bereich der linken Kreuzdarmbeinfuge bezeichnet. Unfallunabhängig seien Brandwunden im Bereich der rechten Gesichtshälfte und formverbildende Veränderungen der Wirbelsegmente L3 bis S1. Die unfallbedingten Veränderungen bedingten eine Gesamt-MdE von 20 v.H. auf Dauer. Maßgeblich dafür sei die Beckenverletzung mit nachweisbaren formverbildenden Veränderungen im Bereich der linken Kreuzdarmbeinfuge. Die Bauchwandschwäche bedinge keine wesentlichen funktionellen Einschränkungen, die geklagten Wirbelsäulenbeschwerden seien maßgeblich durch die nachgewiesenen formverbildenden Veränderungen der Segmente L3 bis S1 verursacht.

Gestützt auf die Ergebnisse der Begutachtung durch Dr. F. hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 08.06.2015 (Bl. 27 Senatsakte) anstelle der Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. gewährt und als Folgen des Versicherungsfalls festgestellt: "Unter leichter Fehlstellung und noch einliegendem Osteosynthesematerial knöchern fest ausgeheilter Beckenbruch mit leichter Fehlstellung der linken Beckenhälfte, knöchern fest verheilter Deckplattenimpressionsbruch des zweiten Lendenwirbelkörpers, Durchbohrung des Dünndarms, Narbenbildung im Bereich des Abdomen mit Bauchwandschwäche rechts, formverbildende Veränderungen im Bereich der linken Kreuzdarmbeinfuge." Nicht Folgen des Unfalls seien krankhafte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und Brustwirbelsäule sowie Brandwunden im Bereich der rechten Gesichtshälfte.

Mit einem hier nicht streitgegenständlichen, in einem Verfahren wegen Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ergangenen Bescheid vom 23.07.2015 (Band VI VA, Akten-Id: 122) hat die Beklagte zwar das Bestehen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule anerkannt, ihre Anerkennung als Berufskrankheit mangels Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten jedoch abgelehnt. Auf den Widerspruch des Klägers hat die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 29.10.2015 (Bl. 63 Senatsakte) eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anerkannt und dem Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen eine Rente nach einer MdE von 10 v.H. ab dem 30.11.2014 auf unbestimmte Zeit gewährt. Als Folgen der Berufskrankheit hat sie eine bandscheibenbedingte degenerative Erkrankung der unteren Lendenwirbelsäule mit entsprechenden radiologischen Veränderungen, eine teilweise Verursachung der verminderten Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule, teilweise Verursachung der Tonuserhöhung der paravertebralen Muskulatur als Folge eines lumbalen Wurzelkompressionssyndroms anerkannt. Abgelehnt hat die Beklagte die Anerkennung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012.

Gemäß dem von der Beklagten vorgelegten Ausführlichen Krankheitsbericht vom 02.11.2015 hat der Kläger über Schmerzen bei längeren Gehstrecken geklagt. Eine Analgesie mit dreimal täglich Ibupropfen 600 mg sei weiterhin erforderlich. Klinisch bestehe keine Instabilität des Beckens, die Symphyse sei stabil und nicht druckschmerzhaft. Ein Druckschmerz bestehe im Bereich des Beckens links lateral um die OP-Narben. Im Bereich des Sacrums werde wenig Schmerzhaftigkeit angegeben, ebenso werde kein Klopfschmerz der LWS angegeben. Die CT-Fremdaufnahmen vom 06.10.2015 zeigten eine korrekte Implantatlage ohne Lockerungszeichen und eine knöchern konsolidierte Sacrumfraktur. Degenerative Veränderungen zeigten sich im Bereich der unteren LWS. Im Bereich der Hüftgelenke bestehe etwas vermehrte subchondrale Sklerosierung als Zeichen beginnender Degeneration (Bl. 82 bis 84 Senatsakte). Eine MdE bestehe in Höhe von 20 v.H. Der Kläger dränge sehr auf die Entfernung der dorsalen Schrauben. Am 16.11.2015 ist die Metallentfernung der zwei Lochschrauben am linken Os Sacrum sowie der beiden Unterlegscheiben erfolgt (Bericht vom 18.11.2015,Bl. 93 Senatsakte). Der Kläger habe über persistierende Beschwerden im Bereich des Beckens und des linken Beines geklagt und auf eine Entfernung der Lochschrauben gedrängt. Die Bewegung in der Hüfte links sei frei gewesen, die Durchblutung und Motorik ebenfalls an den Extremitäten frei. Es habe sich eine bekannte Nervus peronaeus-Läsion mit Fußheberschwäche links gezeigt. Gemäß weiterem Krankheitsbericht vom 01.12.2016 (Bl.102 ff. Senatsakte) seien gemäß den am 23.12.2015 angefertigten CT-Aufnahme des Beckens die Schrauben vollständig entfernt worden. Posttraumatisch habe sich eine Nervus peronaeus-Läsion links ohne wesentlichen Fallfuß gezeigt. Die Frakturen seien jeweils konsolidiert.

Am 25.04.2016 hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. ein Gutachten über den Kläger erstattet. Im psychischen Befund hat dieser den Kläger als bei Schilderung seiner Schmerzen und der dadurch bedingten Funktionseinschränkungen leicht bedrückt beschrieben, ohne dass eine tiefergehende depressive Verstimmung bestehe. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, es bestehe ein normaler Antrieb. Bei unbelasteten Themen könne der Kläger authentisch lächeln und lachen. Dr. B. hat dazu ausgeführt, bei dem Kläger bestünden durchaus verstehbare Beeinträchtigungen und Belastungen durch die anhaltenden Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Für eine klinisch relevante depressive Störung (Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, depressive Episode) oder eine eigenständige psychische Schmerzerkrankung hätten sich bei der Untersuchung aber keine eindeutigen Hinweise ergeben. Hinweise für eine unfallbedingte psychische Erstschädigung hätten sich in den ärztlichen Befunden nach dem Unfall nicht gefunden. Der psychische Befund werde bei der ersten nervenärztlichen Untersuchung im September 2012 auch als unauffällig beschrieben. Für eine psychoreaktive Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung hätten sich keine Hinweise ergeben. Eine inkomplette Nervus peronaeus-Schädigung und eine Ulnaris-Neuropathie am Ellenbogen links hätten sich zurückgebildet. Hier bestünden nur leichte elektrophysiologische Residuen. Im Abschlussbefund über die tätigkeitsorientierte Rehabilitation vom 30.04.2013 sei eine rückgebildete Nervus peronaeus-Parese links festgehalten. Ebenfalls seien Sensibilitätsstörungen oder Paresen an der linken Hand nicht mehr beschrieben, auch nicht in späteren Berichten. Ab dem 16.09.2013 bestehe damit auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine MdE.

In einem weiteren orthopädischen Gutachten, welches Prof. Dr. C. am 04.07.2016 auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 SGG erstattet hat, hat er als Unfallfolgen einen unter funktionell unbedeutender Deformierung ohne Instabilität ausgeheilten Bruch des zweiten Lendenwirbelkörpers, eine Bauchwandschwäche rechts nach Dünndarmteilresektion und eine Minderbelastbarkeit des Beckens mit belastungsabhängigen Beschwerden nach operativer Stabilisierung einer Beckenringfraktur links bezeichnet. Die Gesamt-MdE hat er mit 20 v.H. bewertet. Dabei sei die Teil-MdE für die krankhaften Veränderungen im Bereich des Beckens mit 15 v.H. zu bewerten, da die Beckenringfraktur links vollständig und fest unter geringen formverbildenden Veränderungen der linken Kreuz-Darmbein-Fuge verheilt sei. Diese sei selbst nicht druckschmerzhaft. Die Bauchwandschwäche sei mit einer MdE von 10 v.H. ausreichend bewertet. Der Bruch des LWK2 bedinge eine MdE von unter 10 v.H., da eine funktionell bedeutsame Deformierung ebenso wenig vorliege, wie eine Instabilität oder relevante Bewegungseinschränkung. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehe ausweislich des Gutachtens von Dr. B. keine MdE.

Mit Schriftsatz vom 19.07.2016 hat der Kläger einen urologischen Befundbericht des Dr. Hammes vom 20.06.2016 übersandt. Dieser hat eine erektile Dysfunktion und eine Hydrozele links diagnostiziert. Anamnestisch bestehe seit dem Sturz mit Beckenfraktur im Juli 2012 eine erektile Dysfunktion. Zuvor hätten keine Erektionsstörungen bestanden. Mit PDE5-Hemmern sei Geschlechtsverkehr möglich. Der Kläger habe mit seiner Frau bereits fünf Kinder. Nach dem Unfall sei eine erneute Schwangerschaft anvisiert worden, jedoch bestehe seit zwei Jahren ein unerfüllter Kinderwunsch. Seine Frau sei diesbezüglich abgeklärt worden, bei ihr sei alles OK. Dr. Hammes hat unter "Empfehlung" ausgeführt, bei vorangegangener traumatischer Beckenfraktur sei eine resultierende erektile Dysfunktion prinzipiell möglich. Bezüglich des ausbleibenden Kinderwunsches habe er zu einer weiteren Abklärung mittels Spermiogramm geraten. Hier habe sich eine deutlich eingeschränkte Motilität gezeigt.

Mit schriftlicher sachverständiger Zeugenaussage vom 16.08.2016 hat Dr. Hammes ausgeführt, der Kläger habe anamnestisch am 12.04.2016 berichtet, dass bei ihm seit dem Unfall eine erektile Dysfunktion bestehe. Geschlechtsverkehr sei eingeschränkt möglich. Vor dem Unfall habe er keine Erektionsstörungen gehabt. Er habe bereits einen PDE5-Hemmer (Viagra) eingenommen und habe damit zufriedenstellende Erektionen. Er habe derzeit noch Schmerzen im Bereich des Beckens rechts, ansonsten bestünden anamnestisch keine neurologischen Ausfälle. Der Kläger und seine Ehefrau hätten berichtet, unbedingt noch Nachwuchs zu wollen, um den Unfall zu "verarbeiten". Er habe diagnostiziert eine erektile Dysfunktion aufgrund anamnestischer Angaben und eine Asthenozoospermie am 09.05.2016. Aufgrund des positiven Ansprechens der Behandlung mittels PDE5-Hemmer sei eine erneute Rezeptierung von Sildenafil 25 mg am 12.04.2016 erfolgt und von Sildenafil 50 mg am 28.06.2016.

Am 22.01.2017 hat der Arzt für Urologie Dr. Sch. ein Gutachten über den Kläger erstattet. In seinem Gutachten hat Dr. Sch. organische Störungen zur anamnestisch angegebenen Erektionsstörung und dem Unfallgeschehen aufgrund der anatomischen Verhältnisse ausgeschlossen. Er gehe allenfalls von einer schmerzbedingten und damit sympathisch überstimmulierten negativen Beeinflussung der Erektion aus. Aufgrund der vorliegenden Gutachten sei auch eine psychische Belastung nicht sehr wahrscheinlich. Ein Zusammenhang mit den Unfallverletzungen der linksseitigen Beckenringfraktur und deren operativen Versorgung mit der erektilen Dysfunktion sei nicht möglich. Auch die Übernähung des Dünndarms liege nicht in räumlicher Nähe zu versorgenden Strukturen. Isolierte Läsionen der penisversorgenden Nerven seien auszuschließen, da sie nicht ohne begleitende Ausfälle an weiteren Organen stattfänden. Ein direktes Penistrauma habe es nicht gegeben. Somit könne ein Zusammenhang der Erektionsstörung nur über die Schmerzen hergestellt werden, die sowohl bei der ambulanten Vorstellung kommuniziert worden seien (permanente Einnahme von Ibuprofen und Novalgin) als auch in den Gutachten dargelegt würden. Allerdings seien, wie Dr. Sch. an anderer Stelle seines Gutachtens ausgeführt hat, diese Medikamente erfolgreich. Von urologisch-andrologischer Seite gebe es keine direkte Unfallfolge. Eine MdE bestehe nicht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (sechs Bände) und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 und 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 10.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2014, mit dem die Beklagte dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. als vorläufige Entschädigung bewilligt hat, sowie der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 08.06.2015, mit dem sie die entsprechende Leistung auf unbestimmte Zeit gewährt hat. Der Bescheid vom 08.06.2015 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er die vorausgegangenen Bescheide dahingehend abgeändert hat, dass ab der Bekanntgabe des Bescheides anstelle der Verletztenrente als vorläufige Entschädigung Verletztenrente auf unbestimmte Zeit, ebenfalls nach einer MdE von 20 v.H., gewährt worden ist (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2011 – L 10 U 4346/08 –, Rn. 22, juris, Padé in juris-PK-VII, § 62 Rn. 45).

Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat wegen der Gesundheitsstörungen, die Folgen des am 04.07.2012 erlittenen Arbeitsunfalls sind, keinen Anspruch auf Verletztenrente nach einem höheren Grad der MdE als 20 v.H.

Nach § 26 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte wegen nachgewiesener Gesundheitsschäden, deren wesentliche Ursache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Versicherungsfall ist, Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld, § 45 SGB VII, und Rente, § 56 SGB VII). Nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).

Bei dem Sturz auf den Rücken am 04.07.2012 um ca. 06:30 Uhr aus einer Höhe von 4 Metern auf den Betonboden der Maschinenhalle durch ein ungesichertes Bodengitter hat es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Der Kläger wollte eine Störung an einer sogenannten "Laufkatze" beheben, weshalb er sich in der genannten Höhe aufgehalten hat, als er durch das ungesicherte Bodengitter fiel und auf den Betonboden der Maschinenhalle auf dem Rücken aufkam. Durch den Sturz hat sich der Kläger u.a. eine Beckenringfraktur vom Typ C1 nach AO links, einen Deckplattenimpressionsbruch des LWK2 und eine Dünndarmperforation zugezogen, wovon der Senat gestützt auf den Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. G. vom 05.07.2012 und dessen Verlegungsbericht vom 07.08.2012 überzeugt ist.

Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls im Sinne des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das "objektive", d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Da der Gesundheitserstschaden (Gesundheitsbeeinträchtigung, Tod oder Krankheit) eine den Versicherungsfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung und damit keine Folge des Arbeitsunfalls ist, muss er grundsätzlich bei der Feststellung des Versicherungsfalls benannt werden.

Ob ein Gesundheitsschaden dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls als Unfallfolge im engeren Sinne zuzurechnen ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 Rn. 28 ff. m.w.N.).

Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten: Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.

Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. "Wesentlich" (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. nur BSG, Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rn. 15 ff. m.w.N.). Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, a.a.O.).

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte - konkrete und klar definierte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O) - Gesundheitsstörung müssen i.S. eines Vollbeweises erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O., Rn. 20 auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Die über den 15.09.2013 hinaus beim Kläger noch bestehenden Unfallfolgen bedingen keine höhere MdE als 20 v.H. Aus dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. G. vom 05.07.2012 und dessen Verlegungsbericht vom 07.08.2012 ergibt sich für den Senat, dass sich der Kläger durch den Sturz aus 4 Metern Höhe auf den Rücken am 04.07.2011 als Gesundheitserstschäden eine Beckenringfraktur vom Typ C1 nach AO links, einen Deckplattenimpressionsbruch des LWK2 und eine Dünndarmperforation zugezogen hat. Die erstmals am 18.01.2013 röntgenologisch nachgewiesene Deckplattenvorderkantenabsprengung (vgl. Abschlussbefund der tätigkeitsorientierten Rehabilitation vom 15.02.2013, Bl. 171 VA) stellt, auch wenn sie verspätet diagnostiziert worden ist, ebenfalls einen Gesundheitserstschaden dar, wovon der Senat gestützt auf die schriftliche Aussage von Prof. Dr. G. gegenüber dem SG vom 12.09.2014 und das Gutachten, das Dr. F. am 29.05.2015 für die Beklagte erstattet hat, und welches vorliegend im Urkundsbeweis verwertet werden konnte, überzeugt ist. Aus den Gutachten von Dr. W. und Prof. Dr. C. ergibt sich insoweit nichts Gegenteiliges.

Bei der Untersuchung am 12.07.2013 hat Dr. H., dessen Gutachten vom 01.08.2013 der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, die Fraktur der linken Beckenhälfte mit Beteiligung des Os sacrum bzw. der IS-Fuge und des vorderen Beckenrings links als knöchern durchbaut mit geschlossenem Becken, aber geringfügigem Hochstand des Kreuzbeins links beschrieben. Am LWK2 hat zum Untersuchungszeitpunkt ein Kantenabbruch mit geringfügigem Versatz eines abgesprengten Vorderkantenteils ohne Bestehen einer wesentlichen Keilform bestanden. Unfallunabhängig entstanden sind demgegenüber die degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren LWS, Spondylarthrosen von L3 bis S1 und Osteochondrosen bei L3/4 und – besonders ausgeprägt – bei L 5/S1, was sämtliche orthopädischen Gutachter, Dr. H., Dr. W., Dr. F. und Prof. Dr. C., zutreffend und übereinstimmend herausgearbeitet haben. Aus der Dünndarmperforation hat sich zudem, was dem Verlegungsbericht des Prof. Dr. G. vom 07.08.2012 entnommen werden kann, eine beginnende Bauchhöhlenentzündung (Unterbauchperitonitis) entwickelt. Infolge der unfallbedingt erforderlichen operativen Revision des Bauches (Laparotomie mit Dünndarmübernähung am 04.07.2012 und Relaparotomie mit Lavage am 07.07.2012) sowie der Beckenosteosynthese sind erhebliche Narben (u.a. ausgedehnte Mittelschnittnarbe mit links Umschneidung des Nabels von 34 cm Länge, Narben am rechten Unterbauch nach Drainagen) verblieben. Infolge dessen ist eine Bauchwandschwäche rechts mit Vorwölbung der rechten Bauchseite bis zum Unterbauch hin entstanden.

Unter Berücksichtigung einer eingeschränkten Belastbarkeit des Beckens nach Transfixation des linken hinteren Beckengürtels und der LWS nach Fraktur des LWK2 hat Dr. H. die Gesamt-MdE für die aufgeführten Unfallfolgen mit 20 v.H. bewertet. Dieser Einschätzung haben sich mit Ausnahme von Dr. W. sämtliche nachfolgend mit der Sache befassten medizinischen Sachverständigen angeschlossen. Auch der Senat sieht die Gesamt-MdE für die nach dem 15.09.2013 noch bestehenden Unfallfolgen mit 20 v.H. als zutreffend bemessen an.

Die Folgen der Beckenringfraktur rechtfertigen für sich genommen nur eine Teil-MdE um 15 v. H., wie von Prof. Dr. G. in seiner Zeugenaussage gegenüber dem SG vom 12.09.2014 und dem Chirurg Dr. St., dessen Beratungsärztliche Stellungnahme vom 20.01.2015 (Bl. 95 SG-Akte) der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat¸ zutreffend dargelegt und im Gutachten von Prof. Dr. C., der den Kläger nach der Entfernung der zwei Lochschrauben am linken Os sacrum nochmals untersucht und begutachtet hat, bestätigt. Maßgeblich für diese Einschätzung ist insbesondere, dass die Beckenringfraktur links vollständig und fest unter nur geringen formbildenden Veränderungen der Kreuz-Darmbein-Fuge verheilt ist und, wie Prof. Dr. C. ausgeführt hat, zwar ein Beckenkompressionsschmerz und Leistendruckschmerz links bestehen, aber kein Druckschmerz der Kreuz-Darmbein-Fuge. Die Beugung hat sich bei den Begutachtungen durch Dr. F. und Prof. Dr. C. links nur geringgradig eingeschränkt gefunden, die Bemuskelung der Beine haben Dr. H., Dr. F. und Prof. Dr. C. als seitengleich beschrieben. Der Senat verweist ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Urteil vom 26.03.2015, denen er sich vollumfänglich anschließt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Ergänzend ist nur noch auszuführen, dass sich der neueste anerkannte Stand des unfallmedizinischen Erfahrungswissens (vgl. zur Relevanz als Grundlage für eine Kausalitätsbeurteilung BSG, Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 44, juris, Rn. 61 f. und 67 f.) gegenüber der im Urteil des SG zugrunde gelegten Vorauflage insoweit nicht geändert hat (vgl. jetzt SchönB./Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, 8.8.1.2 (S. 618 f.)). Die abweichende Auffassung des Dr. W., der eine Teil-MdE von 20 v. H. für die folgende Beckenverletzung angenommen hat, überzeugt den Senat nicht, denn im Gutachten des Dr. W. wird, wie auch in allen anderen vorliegenden orthopädischen Gutachten, ein guter funktioneller Befund der mit dem Becken in Verbindung stehenden Bewegungsorgane dokumentiert. So hat er, was ihm Prof. Dr. C. zu Recht entgegengehalten hat, den Befund eines Finger-Boden-Abstandes von 7 cm, eines Schober-Index von 10/15 cm und einer altersentsprechend freien Beweglichkeit der Hüftgelenke erhoben.

Die Folgen der operativ versorgten Dünndarmperforation mit beginnender Unterbauchperitonitis, eine ausgedehnte Mittelschnittnarbe mit linker Umschneidung des Nabels von 34 cm Länge, Narben am rechten Unterbauch nach Drainagen, und eine infolgedessen entstandene Bauchwandschwäche rechts, bewertet der Senat, ebenfalls in Übereinstimmung mit den Einschätzungen von Prof. Dr. G., Dr. St.und Prof. Dr. C. und den zutreffenden Ausführungen des SG, auf die auch insoweit ergänzend Bezug genommen wird (§ 153 Abs. 2 SGG), mit einer Teil-MdE von 10 v.H. Weder sind gutachterlich eine Narbenschwäche oder ein Narbenbruch (vgl. dazu SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., 12.2.4. (S. 932)) beschrieben worden, noch bestehen Anhaltspunkte für Auswirkungen der erfolgten Dünndarmübernähung, welche keine Resektion von Darmanteilen zur Folge hatte, auf den Ernährungsstoffwechsel.

Die Folgen der Fraktur des LWK2 bedingen, und auch insoweit schließt sich der Senat den auch insoweit übereinstimmenden Einschätzungen von Prof. Dr. G., Dr. St.und Prof. Dr. C. an, eine Teil-MdE von weniger als 10 v. H. Maßgeblich ist dabei für den Senat, dass eine funktionell bedeutsame Deformierung ebenso wenig vorliegt wie eine Instabilität oder relevante Bewegungseinschränkung. Es handelt sich hiernach um einen stabil verheilten Wirbelbruch ohne oder mit allenfalls geringer Fehlstatik, der nach dem neuesten anerkannten Stand des medizinischen Erfahrungswissens (vgl. dazu SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., 8.3.1.8 (S. 465)) mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten ist. Die abweichende Auffassung von Dr. W. (Teil-MdE von 10) überzeugt wiederum nicht, denn stärkergradige funktionelle Auswirkungen des Wirbelkörperbruchs oder Anhaltspunkte für einen statisch wirksamen Achsenknick, die eine höhere Teil-MdE begründen könnten, sind seinem Gutachten nicht zu entnehmen. Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des SG (§ 153 Abs. 2 SGG).

Weitere Unfallfolgen, die geeignet wären, den Grad der MdE zu erhöhen, haben jedenfalls über den 15.09.2013 hinaus nicht vorgelegen. Das Fortbestehen einer noch im Bericht der BG-Unfallklinik L. vom 01.02.2016 (Bl. 111 Senatsakte) als Diagnose – ohne dass entsprechende Befunde mitgeteilt worden sind – aufgeführten posttraumatischen Nervus peronaeus-Läsion links hat sich nach neurologischer Begutachtung des Klägers durch Dr. B. (Gutachten vom 25.04.2016) nicht bestätigen lassen. Dr. B. hat in seinem Gutachten für den Senat nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei der im Rahmen der neurologischen Untersuchung am 29.08.2012 (Bericht des Zentrums für Nervenheilkunde vom 06.09.2012, Bl. 44-46 VA) festgestellten inkompletten Nervus peronaeus-Läsion links um eine Peronaeusschädigung am Fibulaköpfchen gehandelt hat, sehr wahrscheinlich als Ausdruck einer lagerungsbedingten Kompressionsschädigung des Nervs. Diese hat sich zurückgebildet. Bei der neurologischen Untersuchung konnte Dr. B. weder Paresen noch Sensibilitätsstörungen an den Beinen feststellen. Bei der elektrophysiologischen Untersuchung war eine signifikante Verlangsamung der motorischen Leitgeschwindigkeit des Nervus peronaeus nicht mehr nachweisbar. Die am 29.08.2012 ebenfalls festgestellte Ulnaris-Neuropathie am Ellenbogen, die laut Dr. B. auf einen längeren Gebrauch der Unterarmgehstützen zurückzuführen oder ebenfalls lagerungsbedingt entstanden ist, hat sich ebenfalls klinisch bei nur noch leichten elektrophysiologischen Residuen zurückgebildet. Nachdem im Abschlussbefund der tätigkeitsorientierten Rehabilitation vom 30.04.2013 ausdrücklich festgehalten worden ist, dass sich die Nervus peronaeus-Läsion zurückgebildet hat und dort sowie in späteren Berichten Sensibilitätsstörungen oder Paresen an der linken Hand nicht mehr beschrieben sind, sieht der Senat es ebenso wie Dr. B. nicht als nachgewiesen an, dass bei Beginn der Verletztenrente am 16.09.2013 diesbezüglich noch relevante Gesundheitsstörungen bestanden haben. Eine Erhöhung der MdE kann deshalb hieraus nicht resultieren.

Auch der vom Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 19.07.2016 vorgenommene Verweis auf eine erektile Dysfunktion ist nicht geeignet, eine MdE-Erhöhung zu begründen. Der Senat sieht es nicht als nachgewiesen an, ob eine erektile Dysfunktion überhaupt besteht, in welcher Ausprägung sie ggf. besteht und ob sie durch Medikation mit Sildenafil (Viagra) kompensiert werden kann. Zwar kann, wenn Tatbestandsmerkmale, wie hier das Bestehen einer Gesundheitsstörung, des Vollbeweises bedürfen, dieser unter Umständen auch (bzw. sogar allein) durch Angaben eines Beteiligten erbracht werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Vortrag in sich schlüssig und frei von Widersprüchen ist und mit den übrigen Ermittlungsergebnissen im Einklang steht. Der Vollbeweis wird demgegenüber nicht erbracht, wenn die Angaben mehrfach geändert wurden und es für die demgemäß ursprünglich unrichtigen Angaben keine befriedigende Erklärung gibt (BSG, Urteil vom 07.12.1989 - 4 RLw 11/88 -; Sächsisches LSG, Urteil vom 30.08.2006 - L 6 U 62/06 - (jeweils juris)). So liegt der Fall hier. Vorliegend hat der Kläger, der das Bestehen von Erektionsstörungen jahrelang gegenüber keinem behandelnden Arzt erwähnt hat, gegenüber dem behandelnden Urologen Dr. Hammes, den er ausweislich seiner Zeugenaussage vom 16.08.2016 erstmals am 12.04.2016 aufgesucht hat, gänzlich andere Angaben gemacht als zuvor gegenüber dem neurologisch- psychiatrischen Sachverständigen Dr. B ... Gegenüber letzterem hat er am 30.03.2016 seine Libido zwar wegen bestehender Schmerzen als vermindert bezeichnet, aber das Bestehen von Erektionsstörungen verneint. Gegenüber Dr. Hammes hat er angegeben, bereits seit dem Unfall an einer erektilen Dysfunktion zu leiden, allerdings mit nach Einnahme eines PDE5-Hemmers (Viagra) zufriedenstellenden Erektionen. Gegenüber dem urologischen Gutachter hat der Kläger selbst keine Angaben gemacht. Ausweislich der Ausführungen im letzten Absatz seiner Beurteilung (Bl. 217 Senatsakte) stammen die anamnestischen Angaben in seinem Gutachten, wonach seit dem Unfall eine nicht mehr ausreichende Erektion bestehe und Sildenafil (Viagra) keinen Erfolg habe, von der Ehefrau des Klägers, die bei seiner Befragung anwesend gewesen ist. Angesichts der widersprüchlichen Angaben sieht es der Senat nicht als nachgewiesen an, dass der Kläger seit dem Unfall an einer relevanten Erektionsstörung leidet, welche sich auch durch Einnahme von Sildenafil nicht behandeln lässt und die Ausübung des Geschlechtsverkehrs wesentlich erschwert oder gar unmöglich macht.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellte, dass eine erektile Dysfunktion besteht, ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der hier streitgegenständliche Unfall vom 04.07.2012 für die wesentliche Ursache dafür darstellt. Dr. Sch. hat in seinem Gutachten, das der Senat als schlüssig ansieht, aus dem Unfallgeschehen resultierende organische Störungen als Ursache der anamnestisch angegebenen Erektionsstörung eindeutig ausgeschlossen und urologische Unfallfolgen sowie eine daraus resultierende MdE ausgeschlossen. Einen Zusammenhang mit den Unfallverletzungen der linksseitigen Beckenringfraktur und deren operativen Versorgung mit der erektilen Dysfunktion hat er verneint, ebenso eine Verursachung durch die Übernähung des Dünndarms. Isolierte Läsionen der penisversorgenden Nerven hat er als mögliche Ursache ausgeschlossen, weil diese zu begleitenden Ausfällen an weiteren Organen führen würden. Auch ein direktes Penistrauma hat es, da der Kläger auf den Rücken gefallen ist, nicht gegeben. Durch die gewählte Formulierung, dass er daher "allenfalls" von einer schmerzbedingten und damit sympathisch überstimulierten negativen Beeinflussung der Erektion ausgeht, hat er verdeutlicht, dass er diese Ursachenkette zwar als möglich, aber nicht als wahrscheinlich ansieht. Die Ausführungen von Dr. Sch. sieht der Senat als klar und eindeutig an und sieht deshalb keine Veranlassung für die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme. Denn an anderer Stelle seines Gutachtens hat Dr. Sch. darauf verwiesen, dass eine Dauertherapie der Schmerzen in Form von Ibuprofen 600 und Novalgin besteht und diese Medikamente nach Auskunft des Klägers erfolgreich sind. Dr. B. hat dementsprechend in seinem neurologisch-psychiatrischem Gutachten das Bestehen von Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet ausgeschlossen. Für eine klinisch relevante depressive Störung (Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, depressive Episode) hat er bei seiner Untersuchung ebenso wenig Hinweise gefunden wie für eine eigenständige psychische Schmerzerkrankung oder eine psychoreaktive Störung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der Bericht des Zentrums für Nervenheilkunde vom 06.09.2012 (Bl. 44-46 VA) hat auch keine Hinweise auf das Bestehen eines psychischen Gesundheitserstschaden enthalten. Hinzu kommt, dass zwischen dem Unfall vom 04.07.2012 und dem erstmaligen Aufsuchen eines Urologen wegen Funktionsstörungen mehr als 3 ½ Jahre liegen, so dass auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Schädigung und Funktionsstörung (vgl. dazu SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., 5.13. (S. 278)) nicht erwiesen ist.

Veranlassung zur Durchführung weiterer Ermittlungen von Amts wegen durch Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens, wie vom Klägerbevollmächtigten schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung angeregt, hat der Senat aus den bereits dargelegten Gründen und nachdem Dr. B. den Kläger nicht nur auf neurologischem, sondern auch psychiatrischem Fachgebiet ausführlich untersucht und begutachtet hat, nicht gesehen. Der Senat hat sich auch nicht veranlasst gesehen, aufgrund des von dem durch einen Fachanwalt für Sozialrecht vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten und auf § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG gestützten Hilfsantrages ein weiteres Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet einzuholen, denn ein konkreter Arzt wurde in dem Antrag nicht benannt. Dies aber wäre für einen wirksamen Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG erforderlich gewesen. Nur ergänzend wird noch ausgeführt, dass selbst dann, wenn im Verlauf der mündlichen Verhandlung ein bestimmter Arzt benannt worden wäre, der Antrag als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre, denn dem Kläger war spätestens seit dem 30.01.2017 (vgl. dessen Fax unter Bezugnahme auf das mit begleitender Verfügung vom 26.01.2017 übersandte Gutachten Dr. Sch.) bekannt, dass der Senat keine Veranlassung für weitere Ermittlungen von Amts wegen sieht.

Die umstrittene Frage, ob Störungen der Geschlechtsfunktionen wie eine erektile Dysfunktion überhaupt geeignet sind, die Leistungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben zu beeinträchtigen (so etwa SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., 5.13. (S. 279 f.), a.A. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2012 – L 6 U 192/11 –, juris, Rn. 70), bedurfte hiernach im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Aus den Teil-MdE-Werten von 15 v.H. für die Folgen der Beckenringfraktur links, von 10 v.H. für die Dünndarmperforation mit Peritonitis und Bauchwandschwäche und unter 10 v.H. ist, und auch insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des SG an und sieht von einer erneuten Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG), eine Gesamt-MdE von 20 v.H. zu bilden. Soweit Dr. W. in seinem Gutachten eine Addition der Teil-MdE-Werte vorgenommen hat, entspricht dies nicht den in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätzen (vgl. dazu SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., 4.4. (S. 131 f.))

Hiernach war die Berufung des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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