Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AY 447/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 4898/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 1a AsylbLG in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung (a.F.) war nicht auf Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG (Asylfolge- und Asylzweitantragsteller) anwendbar.
2. Die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG endet mit der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Folge- oder Zweitantrag.
3. § 1 AsylbLG a.F. lässt auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18.Juli 2012 (1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -) im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine Anspruchseinschränkung, insbesondere hinsichtlich des Geldbetrages zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zu.
2. Die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG endet mit der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Folge- oder Zweitantrag.
3. § 1 AsylbLG a.F. lässt auch unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18.Juli 2012 (1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -) im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine Anspruchseinschränkung, insbesondere hinsichtlich des Geldbetrages zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zu.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine vom Beklagten für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 vorgenommene Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung (a. F.) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).
Der 1991 geborene Kläger, Staatsangehöriger der Republik G., reiste am 5. Oktober 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Er wurde zunächst der Landesaufnahmestelle K. zugewiesen. Ihm wurde zunächst eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens erteilt. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2010 wurde er zur (vorläufigen) Unterbringung der unteren Aufnahmebehörde beim Landratsamt zugewiesen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte nach Rücknahme des Asylantrags durch den Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 das Asylverfahren ein, stellte fest, dass Abschiebeverbote nicht vorlägen, und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Die zum Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe erhobene Klage hatte keinen Erfolg (rechtskräftiges Urteil vom 19. Juli 2012 - A 9 K 3455/11).
Seit Oktober 2012 verfügt der Kläger über eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung). Mit Bescheid vom 23. April 2013 wurde der Kläger zur Anschlussunterbringung der Gemeinde H. zugeteilt. Die Gemeinde H. wies den Kläger in eine Ein-Zimmer-Wohnung ein und setzte eine monatliche Nutzungsgebühr in Höhe von 234,46 EUR fest.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe forderte den Kläger, der nach eigenen Angaben über keine Personalpapiere (Pass, Passersatz, Personalausweis etc.) verfügt, mit Bescheid vom 6. November 2012 auf, gültige Reisedokumente sowie sonstige Identitätspapiere vorzulegen. Für den Fall, dass er kein gültiges Reisedokument vorlege, bestehe die Absicht, eine begleitete Vorsprache bei der Heimatvertretung anzuordnen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ordnete mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 die persönliche Vorsprache des Klägers bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 13. November 2013 an und drohte zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges an. Das Regierungspräsidium Karlsruhe verfügte erneut mit Bescheid vom 16. September 2014 die persönliche Vorsprache des Klägers bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 8. Oktober 2014 in Ludwigsburg und drohte zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges an. Mit Bescheiden vom 26. August 2015 und 1. September 2015 ordnete es die persönliche Vorsprache zwecks Identitätsklärung unter Zuhilfenahme einer Delegation aus G. beim Regierungspräsidium am 1. September 2015 bzw. am 3. September 2015 (unter Vorführung durch Polizeibeamte) an.
Den am 29. Januar 2014 gestellten Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. Februar 2014 ab. Gleichzeitig lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 19. Dezember 2011 bezüglich der Feststellung von Abschiebeverboten ab. Die dagegen erhobene Klage wies das VG Karlsruhe mit Urteil vom 21. März 2016 (A 9 K 857/14) ab. Die auf eine erneute Feststellung eines Abschiebeverbots gerichtete Klage sei unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und auf Feststellung eines Abschiebeverbots habe.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst für die Zeit vom 29. April 2013 bis zum 31. Juli 2013 Leistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG, gekürzt um die Höhe des Taschengeldes nach § 1a AsylbLG a.F. (Bescheide vom 6. Juni 2013 und 20. Juni 2013).
Auf Anfrage des Beklagten teilte das Ausländeramt mit Schreiben vom 24. Juni 2013 mit, dass der Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 über seine Passpflicht belehrt worden sei. Mit Schreiben vom 6. November 2012 sei er aufgefordert worden, der Ausländerbehörde gültige Reisedokumente vorzulegen. Daraufhin habe der Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 um eine begleitete Vorsprache beim Konsulat gebeten, weshalb er für die nächste Sammelvorführung vorgesehen worden sei. Diese finde frühestens im November 2013 statt. Nach derzeitiger Aktenlage wäre eine Abschiebung bei Vorliegen eines Passes möglich. Aus-weislich eines Aktenvermerks vom 23. Oktober 2013 sei der Kläger im Juni 2013 aufgefordert worden, bei der Passbeschaffung mitzuwirken. Da er nach eigenen Angaben keinerlei Dokumente habe, sei eine Vorsprache bei der Botschaft ohne Erfolg. Der Kläger sei für die nächste Sammelvorführung gemeldet worden. Die Passlosigkeit liege derzeit wohl nicht im Verschulden des Klägers. Daraufhin bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1. August 2013 bis zum 31. Mai 2014 Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. (Bescheide vom 23. Oktober 2013, 7. November 2013 und 10. Februar 2014).
Mit E-Mail vom 13. Februar 2014 teilte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Beklagten mit, dass der Kläger zur angekündigten Vorführung am 13. November 2013 in seiner Wohnung nicht habe angetroffen werden können; dort sei er seit zwei bis drei Tagen nicht mehr gesehen worden. Daraufhin änderte der Beklagte mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 13. Februar 2014 die Bewilligungsentscheidung ab 1. März 2014 bis zum 31. Mai 2014 ab und nahm eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. vor, da aus vom Kläger zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht hätten vollzogen werden können. Zu der angekündigten Vorführung am 13. November 2013 sei er nicht angetroffen worden.
Mit E-Mail vom 20. Februar 2014 teilte das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass der Kläger zur nächsten geplanten Vorführung nicht in Haft genommen werden könne. Grund hierfür sei, dass derzeit keinerlei Identitätsnachweis vorliege. Somit könne nicht davon ausgegangen wer-den, dass eine etwaige Vorführung auch positiv verlaufe und ein Passersatzpapier ausgestellt werde. Deshalb sei beabsichtigt, die nächste für Oktober 2014 geplante Vorführung nicht anzukündigen.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 438,10 EUR und nahm dabei eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. vor. Der Beklagte legte einen Bedarf nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG in Höhe von 222,00 EUR abzüglich eines Stromanteils in Höhe von 30,39 EUR sowie die Nutzungsgebühr für die Unterkunft in Höhe von 246,49 EUR zu Grunde. Die Voraussetzungen des § 1a AsylbLG a.F. lägen vor. Der Kläger sei durch das Regierungspräsidium Karlsruhe wiederholt aufgefordert worden, bei der Passbeschaffung mitzuwirken. Bei einer angekündigten begleiteten Vorsprache am 13. November 2013 sei der Kläger an seiner Wohnadresse nicht angetroffen worden. Weitere Bemühungen, Reisedokumente zu beschaffen, seien von ihm nicht nachgewiesen worden. Die fehlenden Reisedokumente seien ur-sächlich dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Sobald er seinen Mitwirkungspflichten nachkomme, könnten Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt werden. Der Beklagte wies darauf hin, "dass für dringend notwendigen Bedarf Antrag auf eine einmalige Beihilfe über das zuständige Bürgermeisteramt gestellt werden kann".
Am 16. Juli 2014 beantragte der Kläger die Überprüfung des zuletzt ergangenen Bescheides, da ihm nur ca. 100,00 EUR ausgezahlt worden seien, obwohl ihm ca. 330,00 EUR zustehen würden. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2014 ab. Auch für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 30. November 2014 bewilligte der Beklagte lediglich nach § 1a AsylbLG a.F. reduzierte Leistungen (Bescheid vom 29. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids dem 29. Januar 2015; am 11. Mai 2015 wurde insoweit ein Überprüfungsantrag gestellt). Auf Grundlage des Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Mannheim vom 21. Oktober 2014 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 9 AY 2979/14 ER erbrachte der Beklagte ab 2. Oktober 2014 bis zum 30. November 2014 monatlich weitere 140,00 EUR, mithin insgesamt 280,00 EUR, vorläufig als Darlehen.
Mit E-Mail vom 23. Oktober 2014 teilte das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass die für den 8. Oktober 2014 geplante Vorführung nicht habe erfolgen können, da der Kläger nicht angetroffen worden sei. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 nahm das Regierungspräsidium Karlsruhe dahingehend Stellung, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei dem Kläger nicht vollzogen werden könnten, weil Heimreisedokumente fehlten. Der Kläger sei weiter vollziehbar zur Ausreise verpflichtet.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. Juli 2014 als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2015).
Dagegen hat der Kläger am 16. Februar 2015 Klage zum SG Mannheim erhoben und ungekürzte Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG für den Zeitraum Juni bis August 2014 begehrt. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheids am 27. Mai 2014 nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. unterlegen, da er Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG gewesen sei. Im Übrigen sei § 1a AsylbLG a.F. verfassungswidrig. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Das SG Mannheim hat mit Urteil vom 27. Oktober 2015 das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2015 unter Rücknahme des Bescheids vom 27. Mai 2014 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum von Juni bis August 2014 nicht abgesenkte Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren und den Differenzbetrag nachzuzahlen sowie dem Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Das beklagte Land habe die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 27. Mai 2014 zu Unrecht abgelehnt. Denn die Voraussetzungen für eine Leistungsabsenkung auf Basis von § 1a AsylbLG a.F. seien nicht gegeben. Eine Leistungsabsenkung sei nach dieser Norm schon tatbestandlich nur für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 AsylbLG möglich. Der Kläger gehöre jedoch nicht zu diesem Personenkreis, da sich im streitigen Zeitraum sein Leistungsrecht nach dem AsylbLG aus seinem Status als Asylfolgeantragsteller ergebe (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG). Dieser Status bleibe bis zur Bestandskraft des entsprechenden Ablehnungsbescheides erhalten. Die Gegenmeinung des Beklagten könne nicht überzeugen. Mit seinem Asylfolgeantrag habe der Kläger nach § 22 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, das erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides beendet sei. § 71 Asylgesetz (AsylG) treffe für die Wirkungsdauer des Asylfolgeantrages keine hiervon abweichende fachrechtliche Bestimmung.
Gegen das ihm am 2. November 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom SG Mannheim im Urteil vom 27. Oktober 2015 zugelassenen Berufung (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 26. November 2015). Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Kläger ab März 2014 zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG gehört habe, sodass § 1a AsylbLG a.F. zur Anwendung habe kommen können. Denn die Leistungsberechtigung eines Asylfolgeantragstellers nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG ende mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dem Leistungsberechtigten zugehe. Das Asylfolgeantrags- und das Zweitantragsverfahren stellten ein Vorprüfungsverfahren dahingehend dar, ob überhaupt ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden solle. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheide im Rahmen dieser Verfahren darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines weiteren Verfahrens gegeben seien, nicht aber darüber, ob tatsächlich ein Asylgrund vorliege. Für die Dauer dieses Antragsverfahrens nach §§ 71, 71a AsylG bis zur Entscheidung des Bundesamtes sei der Ausländer deshalb noch nicht im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz. Eine solche könne er gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erst zur Durchführung des Asylverfahrens erhalten, folglich also frühestens dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Ende des Vorprüfungsverfahrens zu dem Ergebnis komme, dass ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden solle. Sei nach Auffassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen, erhalte der jeweilige Antragsteller in Abhängigkeit vom konkreten Sachverhalt einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder der Antragsteller sehe sich mit ausländerrechtlichen Maßnahmen nach dem AufenthG bzw. dem AsylG konfrontiert. Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes über den Zweit- oder Asylfolgeantrag sei somit schon auf Grund des Aufenthaltsstatus geklärt, ob und nach welchem Gesetz der Ausländer Sozialleistungen in Anspruch nehmen könne. Die Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG, bestimmte Aufenthaltserlaubnisse sowie die Duldung nach § 60a AufenthG führten zur Anwendbarkeit des AsylbLG. Dies gelte auch für den Fall, in dem der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig sei. Andere Aufenthaltstitel als die im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG genannten, führten grundsätzlich zu den Leistungen des Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) bzw. des Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bestehe gar kein Bedarf für die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG. Erhalte nämlich der Folge- oder Zweitantragsteller eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylG, so bestimme sich seine Leistungsberechtigung im Anschluss an die positive Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Erhalte er diese nicht oder sei er auf Grund ausländerrechtlicher Maßnahmen vollziehbar ausreisepflichtig oder im Besitz einer Duldung, bestimme sich seine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 AsylbLG, und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bereits bestands- oder rechtskräftig sei. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichstellung von Erstantragstellern und Folge- bzw. Zweitantragstellern könne nicht dazu führen, dass sich die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG bis zur Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstrecke. Im Übrigen sei zu beachten, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bereits mit ihrer Bekanntgabe wirksam im Sinne von § 43 Abs. 1 VwVfG geworden sei. Da der Kläger bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt und selbst an einer Vorführung bei der Botschaft am 13. November 2013 nicht teilgenommen habe, sei die Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. zu Recht erfolgt. Dieser sei auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) weiterhin uneingeschränkt anwendbar. Das Urteil des BVerfG betreffe ausschließlich die Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Eine Entscheidung über § 1a AsylbLG a.F. habe das BVerfG nicht getroffen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (nebst Akten der Ausländerbehörde) sowie die Verfahrensakten des SG Mannheim und des Senats sowie auf die beigezogenen Akten des VG (A 9 K 3455/11, A 9 K 857/14, A 9 K 4179/15) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des SG Mannheim vom 27. Oktober 2015.
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist kraft Zulassung des Rechtsmittels durch das SG im angefochtenen Urteil vom 27. Oktober 2015 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGG) statthaft.
2. Gegenstand des Verfahrens ist im Hinblick auf die allein vom Beklagten eingelegte Berufung lediglich der Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 sowie der Bescheid vom 22. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2014 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers betreffend den Bescheid vom 27. Mai 2014 bezüglich der für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 vorgenommenen Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. in Höhe von monatlich 140,00 EUR (sog. "Taschen-geld") abgelehnt hatte. Diese Bescheide hat der Kläger lediglich insoweit angegriffen, als er ein sog. "Taschengeld", mithin den Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung, modifiziert durch die Anordnung des BVerfG im Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -), erstrebt, das er in der Klageschrift vom 14. Februar 2015 auf monatlich 132,80 EUR beziffert hat. Die Beschränkung der Klage auf das Taschengeld ist zulässig; insoweit handelt es sich um einen von den übrigen Leistungen des § 3 AsylbLG abtrennbaren Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R - BSGE 114, 302 - juris Rdnr. 13). Im Hinblick auf das allein vom Beklagten angefochtene Urteil des SG ist der Streitgegenstand der Höhe nach auf monatlich 132,80 EUR im streitbefangenen Zeitraum begrenzt. Zutreffend verfolgt der Kläger dieses Begehren im Wege der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG.
3. In der Sache misst sich das Anliegen des Klägers vorrangig an § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen - hier Leistungen nach dem AsylbLG in Form des Geldbetrages zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG a.F.) - nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 116a SGB XII in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung werden dann Leistungen (längstens) für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr vor der Rücknahme erbracht (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 6/12 R - BSGE 114, 20).
a. Der Beklagte ist für die streitige Entscheidung im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X zu-ständig. Er ist der für die Entscheidung über Leistungen nach dem AsylbLG sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger gewesen. Die sachliche Zuständig für die Durchführung des AsylbLG ergibt sich für die streitbefangene Zeit aus § 10 AsylbLG i.V.m. § 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes des Landes Baden-Württemberg (FlüAG) vom 11. März 2004 (GBl. S. 99) sowie § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Landesverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg (in der Fassung des Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturreform vom 14. Oktober 2008 (GBl. S. 313)); dies ist die jeweilige untere Verwaltungsbehörde des Landes als untere Aufnahmebehörde (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - juris Rdnr. 12). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus der Zuweisungsentscheidung (§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997, BGBl. I S. 1130). Über die hier streitige Rücknahme nach § 44 SGB X entscheidet die zuständige Behörde (§ 44 Abs. 3 SGB X); es gelten dabei die allgemeinen Regelungen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 21).
b. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2014 den Überprüfungsantrag des Klägers zu Recht abgelehnt, weil der Bescheid vom 27. Mai 2014 bezüglich der für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 vorgenommenen Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. in der hier streitigen Höhe von monatlich 132,80 EUR (im Übrigen auch in Höhe von 140,00 EUR) (sog. "Taschengeld") bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen ist.
Einschränkungen der Grundleistungen sind in § 1a AsylbLG geregelt. Nach ihrer Normstruktur stellt die Bestimmung keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, sondern setzt einen Anspruch auf die Grundleistung voraus, den sie dann auf das unabweisbar Gebotene begrenzt (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 24). Die Vorschrift des § 1a AsylbLG a.F. bestimmt, dass Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5, (1.) die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, oder (2.) bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach diesem Gesetz nur erhalten, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.
Der Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. ist eröffnet. Der Kläger unterfiel als Inhaber einer Duldung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. (vgl. auch § 1a AsylbLG in der vom 24. Oktober 2015 bis zum 5. August 2016 sowie in der ab 6. August 2016 geltenden Fassung). Danach beschränkte sich die dortige Anspruchseinschränkung auf Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG sowie ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG. Nach dem eindeutigen Wortlaut nicht erfasst waren somit Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG (vgl. nun § 1a Abs. 5AsylbLG in der ab 6. August 2016 geltenden Fassung), also Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die einen Folgeantrag nach § 71 des AsylG oder einen Zweitantrag nach § 71a AsylG gestellt haben (allgemeine Meinung; vgl. nur Senatsbeschluss vom 4. Februar 2014 - L 7 AY 288/14 ER-B - juris Rdnr. 8 betreffend einen noch nicht beschiedenen Asylfolgeantrag; Hohm in GK-AsylbLG, § 1a Rdnr. 59 jeweils m.w.N.). Mit dieser zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Vorschrift reagierte der Gesetzgeber zum einen auf den Umstand, dass Asylfolgeantragsteller erst nach der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in den Besitz einer Aufenthaltsgestattung gelangen und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigt werden. Vor Einführung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG war umstritten, ob Asylfolgeantragsteller zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG gehörten oder leistungsberechtigt nach dem Bundessozialhilfegesetz waren (vgl. die Kritik zu dieser Vorstellung des Gesetzgebers Deibel, ZAR 2004, 321 (323) unter Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 1996 - 6 S 290/96 - juris). Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG der mehrfachen, häufig missbräuchlichen Folgeantragstellung begegnen; Folgeantragsteller sollten "vor der Entscheidung des Bundesamtes" mit Erstantragstellern leistungsrechtlich gleichgestellt werden (so ausdrücklich BT-Drucks. 15/420, S. 120 f.). Umstritten ist nun, ob die Leistungsberechtigung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG mit der Entscheidung des Bundeamtes für Migration und Flüchtlinge über den Folge- oder Zweitantrag (so z.B. SG Hannover, Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2005 - S 51 AY 82/05 - in Hohm, GK-AsylbLG, VII - § 1 SG Nr. 1 -; VG Ansbach, Urteil vom 23. März 2005 - AN 4 K 04.01383 - juris Rdnr. 47; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26. Mai 2006, 12 ZB 05.1285 - juris; VG Hamburg, Beschluss vom 12. September 2006 - 10 AE 709/06 - juris Rdnr. 14; Adolph in ders., SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 1 Rdnr. 10; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, 19. Aufl. 2015, § 1 AsylbLG Rdnr. 27; ders. in GK-AsylbLG, a.a.O. und § 1 Rdnrn. 95 ff.; Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 1 AsylbLG Rdnr. 39) oder erst mit der Bestands- bzw. Rechtskraft der Entscheidung des Bundesamtes endet (so SG Hildesheim, Beschluss vom 27. Dezember 2012 - S 42 AY 9/12 ER - juris Rdnr. 9; Deibel, ZAR 2004, 321 (323, 326); Frerichs in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 (Stand: 14. März 2017 ), § 1 AsylbLG Rdnr. 137, anders noch in der Vorauflage, jedoch ohne Begründung für seine Meinungsänderung).
Der Senat ist der Auffassung, dass die Leistungsberechtigung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG mit der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge endet. Dies folgt unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers, mit der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG der mehrfachen, häufig missbräuchlichen Folgeantragstellung zu begegnen und Folgeantragsteller "vor der Entscheidung des Bundesamtes" mit Erstantragstellern leistungsrechtlich gleichzustellen (vgl. nochmals BT-Drucks. 15/420, S. 120 f.), sowie aus einer gesetzessystematischen Zusammenschau der für ein Asylfolgeverfahren geltenden Vorschriften. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist für den Fall, dass der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG). Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt (§ 71 Abs. 8 AsylG). Aus diesen Regelungen ist zu entnehmen, dass der Ausländer - bei einer Ablehnung des Asylfolgeantrages - nur bis zur Entscheidung des Bundesamtes einen gewissen Schutz vor einer Abschiebung genießt, dieser aber mit der Mitteilung des Bundesamtes über die Ablehnung des Asylfolgeantrages endet. § 71 AsylG soll eine Instrumentalisierung von Asylfolgeanträgen zur Aufenthaltsverlängerung verhindern (vgl. Schönenbroicher in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerecht, § 71 AsylG Rdnr. 3). Zur inhaltlichen Prüfung in einem weiteren Asylverfahren kommt es nur, wenn ein Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. VwVfG vorliegt. Liegt ein solcher nach der Entscheidung des Bundesamtes vor, ist der Ausländer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigt. Wird sein Antrag durch das Bundesamt dagegen abgelehnt, ergibt sich seine Leistungsberechtigung aus § 1 Abs. 1 Nrn. 4 oder 5 AsylbLG. Nur für den Zeitraum ab Antragstellung bis zur Entscheidung des Bundesamtes war eine leistungsrechtliche Gleichstellung der Asylfolgeantragsteller mit Asylerstantragstellern beabsichtigt (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 120 f.: "vor der Entscheidung des Bundesamtes") und notwendig.
Demnach ist im vorliegenden Sachverhalt der persönliche Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. eröffnet, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. Februar 2014 den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hatte und dieser in der Zeit vom 9. Mai 2014 bis zum 9. August 2014 und 10. August 2014 bis zum 13. November 2014 über Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verfügt hat.
Die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. sind erfüllt, weil bei dem Kläger aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten.
Die Bestimmung des § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. greift ein, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können. Die der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe müssen vom Leistungsberechtigten zu vertreten sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, in den Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten fallen und diesem vorwerfbar sein (Senatsbeschluss vom 24. November 2008 - L 7 AY 5149/08 ER - juris Rdnr. 7). In den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 13/10155 S. 5 zu § 1a Nr. 2) sind als Beispiele für vom Leistungsberechtigten zu vertretende Gründe die Vernichtung von Ausweisdokumenten, die Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung und die Vereitelung der Abschiebung durch Widerstandshandlungen oder auf sonstige Weise, genannt, mithin ein Verhalten, das auf die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung gerichtet ist. Die Norm fordert dabei eine Kausalität zwischen einem vorwerfbaren Verhalten und dem Nichtvollzug (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 25). Das Verhalten des Leistungsberechtigten muss mithin für die Nichtvollziehbarkeit bzw. die verzögerte Vollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen ursächlich sein. All diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt, was er selbst nicht in Abrede stellt. Der Kläger hat seinen Asyl(-erst-)antrag zurückgenommen. Daraufhin hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 das Asylverfahren eingestellt, festgestellt, dass Abschiebeverbote nicht vorliegen, und den Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Die zum VG Karlsruhe erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil vom 19. Juli 2012 - A 9 K 3455/11). Nach seinen Angaben (vgl. z.B. Niederschrift über seine Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. Januar 2011) verfügt der Kläger über keinerlei Ausweis- und Identitätspapiere, sodass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus tatsächlichen Gründen nicht durchgeführt werden konnten. Der Aufforderung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 6. November 2012, gültige Reisedokumente sowie sonstige Identitätspapiere vorzulegen, ist der Kläger nicht nachgekommen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat - entsprechend der Ankündigung vom 6. November 2012 und auf Bitten des Klägers - mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 die persönliche Vorsprache des Klägers im Rahmen einer Sammelvorführung bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 13. November 2013 angeordnet und zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges angedroht. Der Kläger hat sich dieser Anordnung - wie auch in den Jahren 2014 und 2015 -, die dazu dienen sollte, ihm Ausweispapiere zu beschaffen und anschließend aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen, entzogen. Er ist zur angekündigten Vorführung am 13. November 2013 in seiner Wohnung nicht angetroffen worden. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, warum dem Kläger die ihm abverlangte Mitwirkung bei der Beschaffung von Ausreisepapieren unzumutbar gewesen sein soll; solche Gründe hat der Kläger auch nicht geltend gemacht. Das Verhalten des Klägers zielte darauf, die Beschaffung von Ausweispapieren zu verhindern und seine Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland zu verlängern, obwohl er vollziehbar zur Ausreise verpflichtet ist.
Rechtsfolge der Verwirklichung des Missbrauchstatbestandes des § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. ist die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Anspruchseinschränkung und zwar auf die nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar gebotenen Leistungen. Dies erfordert eine individualisierte Prüfung, die sich jeglicher Pauschalierung entzieht, wie sie in § 3 AsylbLG für das "Taschengeld" und die sonstigen Geldleistungen vorgesehen ist (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 23).
Die nach § 1a AsylbLG, an dem der Gesetzgeber (vgl. die am 10. Dezember 2014 und 23. Dezember 2014 verabschiedeten und jeweils zum 1. März 2015 in Kraft getretenen Gesetze zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes sowie zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern (BGBl. I, S. 2187 und 2439)) festgehalten hat, von Gesetzes wegen vorzunehmende Anspruchseinschränkung ist nicht durch Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -) ausgeschlossen. Zunächst war § 1a AsylbLG a.F. nicht Gegenstand der vorbezeichneten Entscheidung des BVerfG; das Gericht hat die Norm nicht für verfassungswidrig erklärt. Zudem ist zu beachten, dass die anderen steuerfinanzierten Sozialleistungssysteme (SGB II, SGB XII) Leistungseinschränkungen zulassen, solche Leistungskürzungen als verfassungsmäßig erachtet werden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 19/14 R - BSGE 119, 17 - juris Rdnrn. 50 ff.; Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R - juris Rdnr. 34) und von dem dem Gesetzgeber vom BVerfG eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Existenzminimums gedeckt sind, zumal nach der Rechtsprechung des BVerfG die Verfassung nicht die Gewährung von bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen gebietet (z.B. Beschluss vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09 - juris Rdnr. 13). Daher ist der Senat der Auffassung, dass § 1a AsylbLG a.F. auch unter Berücksichtigung des genannten Urteils des BVerfG im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine Anspruchseinschränkung, insbesondere hinsichtlich des Geldbetrages zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zulässt (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - L 8 AY 31/16 B ER - juris Rdnr. 48; Beschluss vom 13. September 2016 - L 8 AY 21/16 B ER - juris Rdnr. 68; Beschluss vom 8. Juli 2016 - L 8 AY 14/16 B ER - juris Rdnr. 45; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Juni 2014 - L 8 AY 15/13 B ER - juris Rdnrn. 34 ff.; Beschluss vom 15. April 2014 - L 8 AY 16/13 B ER - juris Rdnrn. 34 ff.; Beschluss vom 19. August 2013 - L 8 AY 3/13 B ER - juris Rdnrn. 35 ff.; LSG Hamburg, Beschluss vom 29. August 2013 - L 4 AY 5/13 B ER - juris Rdnr. 6; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. Februar 2014 - L 8 AY 70/13 B ER - juris Rdnr. 18; Thüringer LSG, Urteil vom 12. Januar 2013 - L 8 AY 678/13 - juris Rdnr. 40 ff.; Beschluss vom 17. Januar 2013 - L 8 AY 1801/12 B ER - juris Rdnrn. 24 ff.).
Der Senat geht davon aus, dass die vom Beklagten im hier streitigen Bewilligungsabschnitt vorgenommene Anspruchseinschränkung in Höhe des "Taschengeldes" unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu bestanden ist und die unabweisbar gebotenen Leistungen erbracht worden sind. Dabei ist zunächst zu beachten, dass dem Kläger entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 27. Mai 2014 Leistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege etc. (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AsylbLG a.F. in Verbindung mit der Anordnung des BVerfG im Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -) erbracht worden sind und damit sein physisches Existenzminimum gesichert worden ist. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger lediglich pauschal auf eine Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 1a AsylbLG a.F. berufen hat, ohne konkrete Umstände vorzutragen, die einen mit den bewilligten Leistungen nicht abzudeckenden unabweisbaren Bedarf begründen könnten. Solche einzelfallbezogenen Umständen sind im Übrigen auch weder den Verwaltungs- noch den Gerichtsakten zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Klägervertreter lediglich darauf verwiesen, dass der Kläger in seiner Freizeit Fußball spiele, und vermutet, dass er deshalb Fußballschuhe benötige. Aus diesem pauschalen Vorbringen kann nicht im Ansatz eine konkrete ungedeckte Bedarfslage in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 entnommen werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu würdigen, dass der Kläger - trotz des Angebots des Beklagten von einmaligen Beihilfen für dringend notwendige Bedarfe im Bescheid vom 27. Mai 2014 - solche Bedarfe weder im hier streitigen Zeitraum noch in dem durch Antrag vom 16. Juli 2014 eingeleiteten Überprüfungsverfahren geltend gemacht hat. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BSG im vorliegenden Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X auch darauf abzustellen ist, ob zwischenzeitlich der ursprüngliche Bedarf, der zu Unrecht nicht durch Sozialhilfeleistungen gedeckt wurde, oder die Bedürftigkeit entfallen sind, mithin die Leistung für zurückliegende Zeiträume noch ihren Zweck erfüllen kann (z.B. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 7 AY 4/11 R - juris Rdnr. 14; Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rdnr. 14; Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 - juris Rdnr. 21). Wie dargelegt, hat der Kläger einen solchen fortbestehenden Bedarf weder behauptet noch geltend gemacht. Da es sich bei den Leistungen nach § 1a AsylbLG a.F. um die nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar gebotenen Leistungen handelt, die sich jeglicher Pauschalierung entziehen (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 23), kann nicht - wie bei pauschalierten Leistungen - typisierend von einem (fortbestehenden) Bedarf ausgegangen werden. Schließlich spricht weder die Aufenthaltsdauer (Einreise Oktober 2010) noch die zuvor lediglich zeitlich begrenzte Anspruchseinschränkung (29. April 2013 bis 31. Juli 2013, 1. März 2014 bis 31. Mai 2014; folglich Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG a.F. einschließlich eines Taschengeldes in der Zeit vom 1. August 2013 bis zum 28. Februar 2014) gegen eine Anspruchseinschränkung hinsichtlich des Taschengeldes im hier streitigen Zeitraum (vgl. z.B. Oppermann in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 (Stand: 3. April 2017), § 1a AsylbLG Rdnr. 122 m.w.N.).
Der Senat weist abschließend darauf hin, dass der Beklagte ggf. im Rahmen der anhängigen Überprüfungsverfahren betreffend die Bewilligungsabschnitte vom 1. September 2014 bis zum 30. November 2014 sowie vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015 die erforderliche individualisierte Prüfung, die sich jeglicher Pauschalierung entzieht, durchzuführen haben wird (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 23).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor, nachdem die hier streitige Regelung des § 1a AsylbLG a.F. zum 24. Oktober 2015 erheblich umgestaltet worden ist. Zudem normiert § 1a AsylbLG ab 6. August 2016 nunmehr in Abs. 5 eine Anspruchseinschränkung für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 7 AsylbLG.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine vom Beklagten für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 vorgenommene Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung (a. F.) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).
Der 1991 geborene Kläger, Staatsangehöriger der Republik G., reiste am 5. Oktober 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Er wurde zunächst der Landesaufnahmestelle K. zugewiesen. Ihm wurde zunächst eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens erteilt. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November 2010 wurde er zur (vorläufigen) Unterbringung der unteren Aufnahmebehörde beim Landratsamt zugewiesen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellte nach Rücknahme des Asylantrags durch den Kläger mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 das Asylverfahren ein, stellte fest, dass Abschiebeverbote nicht vorlägen, und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Die zum Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe erhobene Klage hatte keinen Erfolg (rechtskräftiges Urteil vom 19. Juli 2012 - A 9 K 3455/11).
Seit Oktober 2012 verfügt der Kläger über eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung). Mit Bescheid vom 23. April 2013 wurde der Kläger zur Anschlussunterbringung der Gemeinde H. zugeteilt. Die Gemeinde H. wies den Kläger in eine Ein-Zimmer-Wohnung ein und setzte eine monatliche Nutzungsgebühr in Höhe von 234,46 EUR fest.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe forderte den Kläger, der nach eigenen Angaben über keine Personalpapiere (Pass, Passersatz, Personalausweis etc.) verfügt, mit Bescheid vom 6. November 2012 auf, gültige Reisedokumente sowie sonstige Identitätspapiere vorzulegen. Für den Fall, dass er kein gültiges Reisedokument vorlege, bestehe die Absicht, eine begleitete Vorsprache bei der Heimatvertretung anzuordnen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ordnete mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 die persönliche Vorsprache des Klägers bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 13. November 2013 an und drohte zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges an. Das Regierungspräsidium Karlsruhe verfügte erneut mit Bescheid vom 16. September 2014 die persönliche Vorsprache des Klägers bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 8. Oktober 2014 in Ludwigsburg und drohte zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges an. Mit Bescheiden vom 26. August 2015 und 1. September 2015 ordnete es die persönliche Vorsprache zwecks Identitätsklärung unter Zuhilfenahme einer Delegation aus G. beim Regierungspräsidium am 1. September 2015 bzw. am 3. September 2015 (unter Vorführung durch Polizeibeamte) an.
Den am 29. Januar 2014 gestellten Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. Februar 2014 ab. Gleichzeitig lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 19. Dezember 2011 bezüglich der Feststellung von Abschiebeverboten ab. Die dagegen erhobene Klage wies das VG Karlsruhe mit Urteil vom 21. März 2016 (A 9 K 857/14) ab. Die auf eine erneute Feststellung eines Abschiebeverbots gerichtete Klage sei unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens und auf Feststellung eines Abschiebeverbots habe.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst für die Zeit vom 29. April 2013 bis zum 31. Juli 2013 Leistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG, gekürzt um die Höhe des Taschengeldes nach § 1a AsylbLG a.F. (Bescheide vom 6. Juni 2013 und 20. Juni 2013).
Auf Anfrage des Beklagten teilte das Ausländeramt mit Schreiben vom 24. Juni 2013 mit, dass der Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 über seine Passpflicht belehrt worden sei. Mit Schreiben vom 6. November 2012 sei er aufgefordert worden, der Ausländerbehörde gültige Reisedokumente vorzulegen. Daraufhin habe der Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 um eine begleitete Vorsprache beim Konsulat gebeten, weshalb er für die nächste Sammelvorführung vorgesehen worden sei. Diese finde frühestens im November 2013 statt. Nach derzeitiger Aktenlage wäre eine Abschiebung bei Vorliegen eines Passes möglich. Aus-weislich eines Aktenvermerks vom 23. Oktober 2013 sei der Kläger im Juni 2013 aufgefordert worden, bei der Passbeschaffung mitzuwirken. Da er nach eigenen Angaben keinerlei Dokumente habe, sei eine Vorsprache bei der Botschaft ohne Erfolg. Der Kläger sei für die nächste Sammelvorführung gemeldet worden. Die Passlosigkeit liege derzeit wohl nicht im Verschulden des Klägers. Daraufhin bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1. August 2013 bis zum 31. Mai 2014 Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. (Bescheide vom 23. Oktober 2013, 7. November 2013 und 10. Februar 2014).
Mit E-Mail vom 13. Februar 2014 teilte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Beklagten mit, dass der Kläger zur angekündigten Vorführung am 13. November 2013 in seiner Wohnung nicht habe angetroffen werden können; dort sei er seit zwei bis drei Tagen nicht mehr gesehen worden. Daraufhin änderte der Beklagte mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 13. Februar 2014 die Bewilligungsentscheidung ab 1. März 2014 bis zum 31. Mai 2014 ab und nahm eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. vor, da aus vom Kläger zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht hätten vollzogen werden können. Zu der angekündigten Vorführung am 13. November 2013 sei er nicht angetroffen worden.
Mit E-Mail vom 20. Februar 2014 teilte das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass der Kläger zur nächsten geplanten Vorführung nicht in Haft genommen werden könne. Grund hierfür sei, dass derzeit keinerlei Identitätsnachweis vorliege. Somit könne nicht davon ausgegangen wer-den, dass eine etwaige Vorführung auch positiv verlaufe und ein Passersatzpapier ausgestellt werde. Deshalb sei beabsichtigt, die nächste für Oktober 2014 geplante Vorführung nicht anzukündigen.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 438,10 EUR und nahm dabei eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. vor. Der Beklagte legte einen Bedarf nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG in Höhe von 222,00 EUR abzüglich eines Stromanteils in Höhe von 30,39 EUR sowie die Nutzungsgebühr für die Unterkunft in Höhe von 246,49 EUR zu Grunde. Die Voraussetzungen des § 1a AsylbLG a.F. lägen vor. Der Kläger sei durch das Regierungspräsidium Karlsruhe wiederholt aufgefordert worden, bei der Passbeschaffung mitzuwirken. Bei einer angekündigten begleiteten Vorsprache am 13. November 2013 sei der Kläger an seiner Wohnadresse nicht angetroffen worden. Weitere Bemühungen, Reisedokumente zu beschaffen, seien von ihm nicht nachgewiesen worden. Die fehlenden Reisedokumente seien ur-sächlich dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Sobald er seinen Mitwirkungspflichten nachkomme, könnten Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt werden. Der Beklagte wies darauf hin, "dass für dringend notwendigen Bedarf Antrag auf eine einmalige Beihilfe über das zuständige Bürgermeisteramt gestellt werden kann".
Am 16. Juli 2014 beantragte der Kläger die Überprüfung des zuletzt ergangenen Bescheides, da ihm nur ca. 100,00 EUR ausgezahlt worden seien, obwohl ihm ca. 330,00 EUR zustehen würden. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2014 ab. Auch für die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 30. November 2014 bewilligte der Beklagte lediglich nach § 1a AsylbLG a.F. reduzierte Leistungen (Bescheid vom 29. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids dem 29. Januar 2015; am 11. Mai 2015 wurde insoweit ein Überprüfungsantrag gestellt). Auf Grundlage des Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Mannheim vom 21. Oktober 2014 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 9 AY 2979/14 ER erbrachte der Beklagte ab 2. Oktober 2014 bis zum 30. November 2014 monatlich weitere 140,00 EUR, mithin insgesamt 280,00 EUR, vorläufig als Darlehen.
Mit E-Mail vom 23. Oktober 2014 teilte das Regierungspräsidium Karlsruhe mit, dass die für den 8. Oktober 2014 geplante Vorführung nicht habe erfolgen können, da der Kläger nicht angetroffen worden sei. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 nahm das Regierungspräsidium Karlsruhe dahingehend Stellung, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei dem Kläger nicht vollzogen werden könnten, weil Heimreisedokumente fehlten. Der Kläger sei weiter vollziehbar zur Ausreise verpflichtet.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. Juli 2014 als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2015).
Dagegen hat der Kläger am 16. Februar 2015 Klage zum SG Mannheim erhoben und ungekürzte Leistungen nach §§ 1, 3 AsylbLG für den Zeitraum Juni bis August 2014 begehrt. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheids am 27. Mai 2014 nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. unterlegen, da er Leistungsberechtigter nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG gewesen sei. Im Übrigen sei § 1a AsylbLG a.F. verfassungswidrig. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Das SG Mannheim hat mit Urteil vom 27. Oktober 2015 das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2015 unter Rücknahme des Bescheids vom 27. Mai 2014 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum von Juni bis August 2014 nicht abgesenkte Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren und den Differenzbetrag nachzuzahlen sowie dem Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Das beklagte Land habe die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheides vom 27. Mai 2014 zu Unrecht abgelehnt. Denn die Voraussetzungen für eine Leistungsabsenkung auf Basis von § 1a AsylbLG a.F. seien nicht gegeben. Eine Leistungsabsenkung sei nach dieser Norm schon tatbestandlich nur für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 AsylbLG möglich. Der Kläger gehöre jedoch nicht zu diesem Personenkreis, da sich im streitigen Zeitraum sein Leistungsrecht nach dem AsylbLG aus seinem Status als Asylfolgeantragsteller ergebe (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG). Dieser Status bleibe bis zur Bestandskraft des entsprechenden Ablehnungsbescheides erhalten. Die Gegenmeinung des Beklagten könne nicht überzeugen. Mit seinem Asylfolgeantrag habe der Kläger nach § 22 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, das erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides beendet sei. § 71 Asylgesetz (AsylG) treffe für die Wirkungsdauer des Asylfolgeantrages keine hiervon abweichende fachrechtliche Bestimmung.
Gegen das ihm am 2. November 2015 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom SG Mannheim im Urteil vom 27. Oktober 2015 zugelassenen Berufung (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 26. November 2015). Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Kläger ab März 2014 zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG gehört habe, sodass § 1a AsylbLG a.F. zur Anwendung habe kommen können. Denn die Leistungsberechtigung eines Asylfolgeantragstellers nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG ende mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge dem Leistungsberechtigten zugehe. Das Asylfolgeantrags- und das Zweitantragsverfahren stellten ein Vorprüfungsverfahren dahingehend dar, ob überhaupt ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden solle. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entscheide im Rahmen dieser Verfahren darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines weiteren Verfahrens gegeben seien, nicht aber darüber, ob tatsächlich ein Asylgrund vorliege. Für die Dauer dieses Antragsverfahrens nach §§ 71, 71a AsylG bis zur Entscheidung des Bundesamtes sei der Ausländer deshalb noch nicht im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz. Eine solche könne er gemäß § 55 Abs. 1 AsylG erst zur Durchführung des Asylverfahrens erhalten, folglich also frühestens dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am Ende des Vorprüfungsverfahrens zu dem Ergebnis komme, dass ein weiteres Asylverfahren durchgeführt werden solle. Sei nach Auffassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen, erhalte der jeweilige Antragsteller in Abhängigkeit vom konkreten Sachverhalt einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder der Antragsteller sehe sich mit ausländerrechtlichen Maßnahmen nach dem AufenthG bzw. dem AsylG konfrontiert. Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes über den Zweit- oder Asylfolgeantrag sei somit schon auf Grund des Aufenthaltsstatus geklärt, ob und nach welchem Gesetz der Ausländer Sozialleistungen in Anspruch nehmen könne. Die Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG, bestimmte Aufenthaltserlaubnisse sowie die Duldung nach § 60a AufenthG führten zur Anwendbarkeit des AsylbLG. Dies gelte auch für den Fall, in dem der Ausländer vollziehbar ausreisepflichtig sei. Andere Aufenthaltstitel als die im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG genannten, führten grundsätzlich zu den Leistungen des Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) bzw. des Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bestehe gar kein Bedarf für die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG. Erhalte nämlich der Folge- oder Zweitantragsteller eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylG, so bestimme sich seine Leistungsberechtigung im Anschluss an die positive Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Erhalte er diese nicht oder sei er auf Grund ausländerrechtlicher Maßnahmen vollziehbar ausreisepflichtig oder im Besitz einer Duldung, bestimme sich seine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 AsylbLG, und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bereits bestands- oder rechtskräftig sei. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichstellung von Erstantragstellern und Folge- bzw. Zweitantragstellern könne nicht dazu führen, dass sich die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG bis zur Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstrecke. Im Übrigen sei zu beachten, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bereits mit ihrer Bekanntgabe wirksam im Sinne von § 43 Abs. 1 VwVfG geworden sei. Da der Kläger bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt und selbst an einer Vorführung bei der Botschaft am 13. November 2013 nicht teilgenommen habe, sei die Leistungskürzung nach § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. zu Recht erfolgt. Dieser sei auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) weiterhin uneingeschränkt anwendbar. Das Urteil des BVerfG betreffe ausschließlich die Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Eine Entscheidung über § 1a AsylbLG a.F. habe das BVerfG nicht getroffen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (nebst Akten der Ausländerbehörde) sowie die Verfahrensakten des SG Mannheim und des Senats sowie auf die beigezogenen Akten des VG (A 9 K 3455/11, A 9 K 857/14, A 9 K 4179/15) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des SG Mannheim vom 27. Oktober 2015.
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist kraft Zulassung des Rechtsmittels durch das SG im angefochtenen Urteil vom 27. Oktober 2015 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 SGG) statthaft.
2. Gegenstand des Verfahrens ist im Hinblick auf die allein vom Beklagten eingelegte Berufung lediglich der Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 sowie der Bescheid vom 22. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2014 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers betreffend den Bescheid vom 27. Mai 2014 bezüglich der für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 vorgenommenen Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. in Höhe von monatlich 140,00 EUR (sog. "Taschen-geld") abgelehnt hatte. Diese Bescheide hat der Kläger lediglich insoweit angegriffen, als er ein sog. "Taschengeld", mithin den Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG in der bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung, modifiziert durch die Anordnung des BVerfG im Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -), erstrebt, das er in der Klageschrift vom 14. Februar 2015 auf monatlich 132,80 EUR beziffert hat. Die Beschränkung der Klage auf das Taschengeld ist zulässig; insoweit handelt es sich um einen von den übrigen Leistungen des § 3 AsylbLG abtrennbaren Streitgegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 7/12 R - BSGE 114, 302 - juris Rdnr. 13). Im Hinblick auf das allein vom Beklagten angefochtene Urteil des SG ist der Streitgegenstand der Höhe nach auf monatlich 132,80 EUR im streitbefangenen Zeitraum begrenzt. Zutreffend verfolgt der Kläger dieses Begehren im Wege der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG.
3. In der Sache misst sich das Anliegen des Klägers vorrangig an § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen - hier Leistungen nach dem AsylbLG in Form des Geldbetrages zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG a.F.) - nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 116a SGB XII in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung werden dann Leistungen (längstens) für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr vor der Rücknahme erbracht (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 6/12 R - BSGE 114, 20).
a. Der Beklagte ist für die streitige Entscheidung im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X zu-ständig. Er ist der für die Entscheidung über Leistungen nach dem AsylbLG sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger gewesen. Die sachliche Zuständig für die Durchführung des AsylbLG ergibt sich für die streitbefangene Zeit aus § 10 AsylbLG i.V.m. § 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes des Landes Baden-Württemberg (FlüAG) vom 11. März 2004 (GBl. S. 99) sowie § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Landesverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg (in der Fassung des Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturreform vom 14. Oktober 2008 (GBl. S. 313)); dies ist die jeweilige untere Verwaltungsbehörde des Landes als untere Aufnahmebehörde (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - juris Rdnr. 12). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus der Zuweisungsentscheidung (§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997, BGBl. I S. 1130). Über die hier streitige Rücknahme nach § 44 SGB X entscheidet die zuständige Behörde (§ 44 Abs. 3 SGB X); es gelten dabei die allgemeinen Regelungen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 21).
b. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 22. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2014 den Überprüfungsantrag des Klägers zu Recht abgelehnt, weil der Bescheid vom 27. Mai 2014 bezüglich der für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 vorgenommenen Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG a.F. in der hier streitigen Höhe von monatlich 132,80 EUR (im Übrigen auch in Höhe von 140,00 EUR) (sog. "Taschengeld") bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen ist.
Einschränkungen der Grundleistungen sind in § 1a AsylbLG geregelt. Nach ihrer Normstruktur stellt die Bestimmung keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, sondern setzt einen Anspruch auf die Grundleistung voraus, den sie dann auf das unabweisbar Gebotene begrenzt (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 24). Die Vorschrift des § 1a AsylbLG a.F. bestimmt, dass Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5, (1.) die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, oder (2.) bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach diesem Gesetz nur erhalten, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.
Der Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. ist eröffnet. Der Kläger unterfiel als Inhaber einer Duldung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. (vgl. auch § 1a AsylbLG in der vom 24. Oktober 2015 bis zum 5. August 2016 sowie in der ab 6. August 2016 geltenden Fassung). Danach beschränkte sich die dortige Anspruchseinschränkung auf Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG sowie ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG. Nach dem eindeutigen Wortlaut nicht erfasst waren somit Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG (vgl. nun § 1a Abs. 5AsylbLG in der ab 6. August 2016 geltenden Fassung), also Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die einen Folgeantrag nach § 71 des AsylG oder einen Zweitantrag nach § 71a AsylG gestellt haben (allgemeine Meinung; vgl. nur Senatsbeschluss vom 4. Februar 2014 - L 7 AY 288/14 ER-B - juris Rdnr. 8 betreffend einen noch nicht beschiedenen Asylfolgeantrag; Hohm in GK-AsylbLG, § 1a Rdnr. 59 jeweils m.w.N.). Mit dieser zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Vorschrift reagierte der Gesetzgeber zum einen auf den Umstand, dass Asylfolgeantragsteller erst nach der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in den Besitz einer Aufenthaltsgestattung gelangen und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigt werden. Vor Einführung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG war umstritten, ob Asylfolgeantragsteller zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG gehörten oder leistungsberechtigt nach dem Bundessozialhilfegesetz waren (vgl. die Kritik zu dieser Vorstellung des Gesetzgebers Deibel, ZAR 2004, 321 (323) unter Hinweis auf Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 1996 - 6 S 290/96 - juris). Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG der mehrfachen, häufig missbräuchlichen Folgeantragstellung begegnen; Folgeantragsteller sollten "vor der Entscheidung des Bundesamtes" mit Erstantragstellern leistungsrechtlich gleichgestellt werden (so ausdrücklich BT-Drucks. 15/420, S. 120 f.). Umstritten ist nun, ob die Leistungsberechtigung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG mit der Entscheidung des Bundeamtes für Migration und Flüchtlinge über den Folge- oder Zweitantrag (so z.B. SG Hannover, Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2005 - S 51 AY 82/05 - in Hohm, GK-AsylbLG, VII - § 1 SG Nr. 1 -; VG Ansbach, Urteil vom 23. März 2005 - AN 4 K 04.01383 - juris Rdnr. 47; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26. Mai 2006, 12 ZB 05.1285 - juris; VG Hamburg, Beschluss vom 12. September 2006 - 10 AE 709/06 - juris Rdnr. 14; Adolph in ders., SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 1 Rdnr. 10; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, 19. Aufl. 2015, § 1 AsylbLG Rdnr. 27; ders. in GK-AsylbLG, a.a.O. und § 1 Rdnrn. 95 ff.; Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 1 AsylbLG Rdnr. 39) oder erst mit der Bestands- bzw. Rechtskraft der Entscheidung des Bundesamtes endet (so SG Hildesheim, Beschluss vom 27. Dezember 2012 - S 42 AY 9/12 ER - juris Rdnr. 9; Deibel, ZAR 2004, 321 (323, 326); Frerichs in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 (Stand: 14. März 2017 ), § 1 AsylbLG Rdnr. 137, anders noch in der Vorauflage, jedoch ohne Begründung für seine Meinungsänderung).
Der Senat ist der Auffassung, dass die Leistungsberechtigung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG mit der Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge endet. Dies folgt unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers, mit der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 AsylbLG der mehrfachen, häufig missbräuchlichen Folgeantragstellung zu begegnen und Folgeantragsteller "vor der Entscheidung des Bundesamtes" mit Erstantragstellern leistungsrechtlich gleichzustellen (vgl. nochmals BT-Drucks. 15/420, S. 120 f.), sowie aus einer gesetzessystematischen Zusammenschau der für ein Asylfolgeverfahren geltenden Vorschriften. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist für den Fall, dass der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Stellt der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt, so bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG). Die Abschiebung darf erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, vollzogen werden, es sei denn, der Ausländer soll in den sicheren Drittstaat abgeschoben werden (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Ein Folgeantrag steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen, es sei denn, es wird ein weiteres Asylverfahren durchgeführt (§ 71 Abs. 8 AsylG). Aus diesen Regelungen ist zu entnehmen, dass der Ausländer - bei einer Ablehnung des Asylfolgeantrages - nur bis zur Entscheidung des Bundesamtes einen gewissen Schutz vor einer Abschiebung genießt, dieser aber mit der Mitteilung des Bundesamtes über die Ablehnung des Asylfolgeantrages endet. § 71 AsylG soll eine Instrumentalisierung von Asylfolgeanträgen zur Aufenthaltsverlängerung verhindern (vgl. Schönenbroicher in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerecht, § 71 AsylG Rdnr. 3). Zur inhaltlichen Prüfung in einem weiteren Asylverfahren kommt es nur, wenn ein Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. VwVfG vorliegt. Liegt ein solcher nach der Entscheidung des Bundesamtes vor, ist der Ausländer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigt. Wird sein Antrag durch das Bundesamt dagegen abgelehnt, ergibt sich seine Leistungsberechtigung aus § 1 Abs. 1 Nrn. 4 oder 5 AsylbLG. Nur für den Zeitraum ab Antragstellung bis zur Entscheidung des Bundesamtes war eine leistungsrechtliche Gleichstellung der Asylfolgeantragsteller mit Asylerstantragstellern beabsichtigt (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 120 f.: "vor der Entscheidung des Bundesamtes") und notwendig.
Demnach ist im vorliegenden Sachverhalt der persönliche Anwendungsbereich des § 1a AsylbLG a.F. eröffnet, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. Februar 2014 den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hatte und dieser in der Zeit vom 9. Mai 2014 bis zum 9. August 2014 und 10. August 2014 bis zum 13. November 2014 über Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verfügt hat.
Die Voraussetzungen des § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. sind erfüllt, weil bei dem Kläger aus von ihm zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten.
Die Bestimmung des § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. greift ein, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden können. Die der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe müssen vom Leistungsberechtigten zu vertreten sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu verhindern, in den Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten fallen und diesem vorwerfbar sein (Senatsbeschluss vom 24. November 2008 - L 7 AY 5149/08 ER - juris Rdnr. 7). In den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 13/10155 S. 5 zu § 1a Nr. 2) sind als Beispiele für vom Leistungsberechtigten zu vertretende Gründe die Vernichtung von Ausweisdokumenten, die Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung und die Vereitelung der Abschiebung durch Widerstandshandlungen oder auf sonstige Weise, genannt, mithin ein Verhalten, das auf die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung gerichtet ist. Die Norm fordert dabei eine Kausalität zwischen einem vorwerfbaren Verhalten und dem Nichtvollzug (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 25). Das Verhalten des Leistungsberechtigten muss mithin für die Nichtvollziehbarkeit bzw. die verzögerte Vollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen ursächlich sein. All diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt, was er selbst nicht in Abrede stellt. Der Kläger hat seinen Asyl(-erst-)antrag zurückgenommen. Daraufhin hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 das Asylverfahren eingestellt, festgestellt, dass Abschiebeverbote nicht vorliegen, und den Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Die zum VG Karlsruhe erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil vom 19. Juli 2012 - A 9 K 3455/11). Nach seinen Angaben (vgl. z.B. Niederschrift über seine Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 25. Januar 2011) verfügt der Kläger über keinerlei Ausweis- und Identitätspapiere, sodass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus tatsächlichen Gründen nicht durchgeführt werden konnten. Der Aufforderung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 6. November 2012, gültige Reisedokumente sowie sonstige Identitätspapiere vorzulegen, ist der Kläger nicht nachgekommen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat - entsprechend der Ankündigung vom 6. November 2012 und auf Bitten des Klägers - mit Bescheid vom 24. Oktober 2013 die persönliche Vorsprache des Klägers im Rahmen einer Sammelvorführung bei einem Vertreter des Generalkonsulats am 13. November 2013 angeordnet und zur Durchsetzung dieser Anordnung die Anwendung unmittelbaren Zwanges angedroht. Der Kläger hat sich dieser Anordnung - wie auch in den Jahren 2014 und 2015 -, die dazu dienen sollte, ihm Ausweispapiere zu beschaffen und anschließend aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen, entzogen. Er ist zur angekündigten Vorführung am 13. November 2013 in seiner Wohnung nicht angetroffen worden. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, warum dem Kläger die ihm abverlangte Mitwirkung bei der Beschaffung von Ausreisepapieren unzumutbar gewesen sein soll; solche Gründe hat der Kläger auch nicht geltend gemacht. Das Verhalten des Klägers zielte darauf, die Beschaffung von Ausweispapieren zu verhindern und seine Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland zu verlängern, obwohl er vollziehbar zur Ausreise verpflichtet ist.
Rechtsfolge der Verwirklichung des Missbrauchstatbestandes des § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. ist die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Anspruchseinschränkung und zwar auf die nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar gebotenen Leistungen. Dies erfordert eine individualisierte Prüfung, die sich jeglicher Pauschalierung entzieht, wie sie in § 3 AsylbLG für das "Taschengeld" und die sonstigen Geldleistungen vorgesehen ist (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 23).
Die nach § 1a AsylbLG, an dem der Gesetzgeber (vgl. die am 10. Dezember 2014 und 23. Dezember 2014 verabschiedeten und jeweils zum 1. März 2015 in Kraft getretenen Gesetze zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes sowie zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern (BGBl. I, S. 2187 und 2439)) festgehalten hat, von Gesetzes wegen vorzunehmende Anspruchseinschränkung ist nicht durch Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -) ausgeschlossen. Zunächst war § 1a AsylbLG a.F. nicht Gegenstand der vorbezeichneten Entscheidung des BVerfG; das Gericht hat die Norm nicht für verfassungswidrig erklärt. Zudem ist zu beachten, dass die anderen steuerfinanzierten Sozialleistungssysteme (SGB II, SGB XII) Leistungseinschränkungen zulassen, solche Leistungskürzungen als verfassungsmäßig erachtet werden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 19/14 R - BSGE 119, 17 - juris Rdnrn. 50 ff.; Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R - juris Rdnr. 34) und von dem dem Gesetzgeber vom BVerfG eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Existenzminimums gedeckt sind, zumal nach der Rechtsprechung des BVerfG die Verfassung nicht die Gewährung von bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen gebietet (z.B. Beschluss vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09 - juris Rdnr. 13). Daher ist der Senat der Auffassung, dass § 1a AsylbLG a.F. auch unter Berücksichtigung des genannten Urteils des BVerfG im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine Anspruchseinschränkung, insbesondere hinsichtlich des Geldbetrages zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zulässt (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. Dezember 2016 - L 8 AY 31/16 B ER - juris Rdnr. 48; Beschluss vom 13. September 2016 - L 8 AY 21/16 B ER - juris Rdnr. 68; Beschluss vom 8. Juli 2016 - L 8 AY 14/16 B ER - juris Rdnr. 45; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Juni 2014 - L 8 AY 15/13 B ER - juris Rdnrn. 34 ff.; Beschluss vom 15. April 2014 - L 8 AY 16/13 B ER - juris Rdnrn. 34 ff.; Beschluss vom 19. August 2013 - L 8 AY 3/13 B ER - juris Rdnrn. 35 ff.; LSG Hamburg, Beschluss vom 29. August 2013 - L 4 AY 5/13 B ER - juris Rdnr. 6; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. Februar 2014 - L 8 AY 70/13 B ER - juris Rdnr. 18; Thüringer LSG, Urteil vom 12. Januar 2013 - L 8 AY 678/13 - juris Rdnr. 40 ff.; Beschluss vom 17. Januar 2013 - L 8 AY 1801/12 B ER - juris Rdnrn. 24 ff.).
Der Senat geht davon aus, dass die vom Beklagten im hier streitigen Bewilligungsabschnitt vorgenommene Anspruchseinschränkung in Höhe des "Taschengeldes" unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu bestanden ist und die unabweisbar gebotenen Leistungen erbracht worden sind. Dabei ist zunächst zu beachten, dass dem Kläger entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 27. Mai 2014 Leistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege etc. (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AsylbLG a.F. in Verbindung mit der Anordnung des BVerfG im Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 u.a. - BVerfGE 132, 134 -) erbracht worden sind und damit sein physisches Existenzminimum gesichert worden ist. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger lediglich pauschal auf eine Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 1a AsylbLG a.F. berufen hat, ohne konkrete Umstände vorzutragen, die einen mit den bewilligten Leistungen nicht abzudeckenden unabweisbaren Bedarf begründen könnten. Solche einzelfallbezogenen Umständen sind im Übrigen auch weder den Verwaltungs- noch den Gerichtsakten zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Klägervertreter lediglich darauf verwiesen, dass der Kläger in seiner Freizeit Fußball spiele, und vermutet, dass er deshalb Fußballschuhe benötige. Aus diesem pauschalen Vorbringen kann nicht im Ansatz eine konkrete ungedeckte Bedarfslage in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2014 entnommen werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu würdigen, dass der Kläger - trotz des Angebots des Beklagten von einmaligen Beihilfen für dringend notwendige Bedarfe im Bescheid vom 27. Mai 2014 - solche Bedarfe weder im hier streitigen Zeitraum noch in dem durch Antrag vom 16. Juli 2014 eingeleiteten Überprüfungsverfahren geltend gemacht hat. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BSG im vorliegenden Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X auch darauf abzustellen ist, ob zwischenzeitlich der ursprüngliche Bedarf, der zu Unrecht nicht durch Sozialhilfeleistungen gedeckt wurde, oder die Bedürftigkeit entfallen sind, mithin die Leistung für zurückliegende Zeiträume noch ihren Zweck erfüllen kann (z.B. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 7 AY 4/11 R - juris Rdnr. 14; Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rdnr. 14; Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 - juris Rdnr. 21). Wie dargelegt, hat der Kläger einen solchen fortbestehenden Bedarf weder behauptet noch geltend gemacht. Da es sich bei den Leistungen nach § 1a AsylbLG a.F. um die nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar gebotenen Leistungen handelt, die sich jeglicher Pauschalierung entziehen (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 23), kann nicht - wie bei pauschalierten Leistungen - typisierend von einem (fortbestehenden) Bedarf ausgegangen werden. Schließlich spricht weder die Aufenthaltsdauer (Einreise Oktober 2010) noch die zuvor lediglich zeitlich begrenzte Anspruchseinschränkung (29. April 2013 bis 31. Juli 2013, 1. März 2014 bis 31. Mai 2014; folglich Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG a.F. einschließlich eines Taschengeldes in der Zeit vom 1. August 2013 bis zum 28. Februar 2014) gegen eine Anspruchseinschränkung hinsichtlich des Taschengeldes im hier streitigen Zeitraum (vgl. z.B. Oppermann in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 (Stand: 3. April 2017), § 1a AsylbLG Rdnr. 122 m.w.N.).
Der Senat weist abschließend darauf hin, dass der Beklagte ggf. im Rahmen der anhängigen Überprüfungsverfahren betreffend die Bewilligungsabschnitte vom 1. September 2014 bis zum 30. November 2014 sowie vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Mai 2015 die erforderliche individualisierte Prüfung, die sich jeglicher Pauschalierung entzieht, durchzuführen haben wird (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, a.a.O. Rdnr. 23).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor, nachdem die hier streitige Regelung des § 1a AsylbLG a.F. zum 24. Oktober 2015 erheblich umgestaltet worden ist. Zudem normiert § 1a AsylbLG ab 6. August 2016 nunmehr in Abs. 5 eine Anspruchseinschränkung für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 7 AsylbLG.
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