Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 4168/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4298/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.09.2015 abgeändert und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21.02.2013 in der Fassung des Bescheides vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 verurteilt, beim Kläger den GdB mit 40 seit 02.01.2013 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger 1/5 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) seit 02.01.2013 zusteht.
Der 1960 geborene Kläger beantragte am 02.01.2013 beim Landratsamt R. (LRA) die (Erst-)Feststellung eines GdB rückwirkend ab 2010 (Blatt 1/5 der Beklagtenakte). Zu seinem Antrag gab er ein Asthma bronchiale, Coxarthrose beidseits, chronische Epicondylitis, Gonalgien beidseits und einen Zustand nach NPP im WS-Bereich an.
Das LRA zog Befundunterlagen/einen Befundbericht vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. U. bei (dazu Blatt 8/28 der Beklagtenakte), woraufhin der Versorgungsarzt Dr. Günzel in seiner Stellungnahme vom 14.02.2013 (Blatt 29/30 der Beklagtenakte) den GdB auf 20 schätzte (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelgleiten (GdB 20); Mittelnervendruckschädigung beidseitig (Carpaltunnelsyndrom) (GdB 10); chronische Bronchitis (GdB 10)).
Mit Bescheid vom 21.02.2013 (Blatt 31 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB ab 01.01.2010 mit 20 fest.
Mit seinem Widerspruch vom 20.03.2013 (Blatt 33 der Beklagtenakte) machte der Kläger geltend, an der Wirbelsäule lägen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Abschnitt vor, weshalb ein GdB von 30 anzunehmen sei. Das Carpaltunnelsyndrom sei mit einem GdB von mindestens 20 zu bemessen. Es liege auch eine Hüftdysplasie mit einem GdB von 20, sowie ein Zustand nach Meniskusoperation mit eingeschränkter Beugung des Knies vor. Schließlich bestehe eine larvierte Depression, die mit einem GdB von jedenfalls 20 zu bewerten sei.
Das LRA zog Befundunterlagen/einen Befundbericht vom Facharzt für Orthopädie C. bei, für den Dr. D. antwortete (dazu vgl. Blatt 48/49 der Beklagtenakte), sowie vom Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. S. (dazu vgl. Blatt 55 der Beklagtenakte) bei. Auf dieser Grundlage bewertete der Versorgungsarzt Dr. Z.-C. in der Stellungnahme vom 10.09.2013 (Blatt 56/58 der Beklagtenakte) den GdB mit 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelgleiten (GdB 20); Kniearthrose (GdB 10); Mittelnervendruckschädigung beidseitig (Carpaltunnelsyndrom) (GdB 10); chronische Bronchitis (GdB 10)).
Mit Schreiben vom 12.12.2013 (Blatt 62/64 der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend, er sei im Vergleich zu vor 10 Jahren in der Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte deutlich eingeschränkter; der rege Kontakt zu seinen Landsleuten, wie er vor 10 Jahren gepflegt worden sei, habe abgenommen, was auch krankheitsbedingt sei. Der GdB für das seelische Leiden betrage daher 30. Hinsichtlich der Schäden der Wirbelsäule seien neurologische Ausfälle zu beklagen. Insbesondere im rechten Bein komme es immer wieder zu tremorartigen Zuständen. Außerdem legte der Kläger ein Tonaudiogramm (Blatt 62 der Beklagtenakte) sowie ein Attest von Dr. U. vom 10.12.2013 (Blatt 65 der Beklagtenakte) vor. Darüber hinaus teilte der Kläger Schwindelattacken und nächtliche Durchschlafstörungen wegen eines starken Ohrgeräusches (Tinnitus) mit (Schreiben vom 10.02.2014 (Blatt 68 der Beklagtenakte).
Auf erneute Anfrage durch das LRA teilte Dr. H. für den befragten Dr. C.(Schreiben vom 20.02.2014, Blatt 78 der Beklagtenakte) mit, der Kläger sei seit seiner letzten Auskunft nicht mehr in der Sprechstunde gewesen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. legte die Befundberichte vom 05.06.2013 und 23.09.2013 (Blatt 79, 80 der Beklagtenakte) vor (Diagnosen: Carpaltunnel-Syndrom bds.; beg. SUS bds., Angststörung). Der Arzt für HNO-Heilkunde Dr. H. teilte unter Vorlage von Berichten einen durchlittenen Lagerungsschwindel in 7/13 mit erfolgreicher Behandlung durch Habitationsübungen ohne medikamentöse Behandlung und ohne weiteren Ereignisse mit (Blatt 82/86 der Beklagtenakte).
Der Versorgungsarzt Dr. Z.-C. nahm in seiner Stellungnahme vom 19.03.2014 den GdB weiterhin mit 30 an (Blatt 87/89 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelgleiten (GdB 20); Kniearthrose (GdB 10); Mittelnervendruckschädigung beidseitig (Carpaltunnelsyndrom) (GdB 10); chronische Bronchitis (GdB 10); Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche (Tinnitus) (GdB 10)).
Das LRA stellte mit Teilabhilfebescheid vom 02.04.2014 (Blatt 92/94 der Beklagtenakte) den GdB seit 01.12.2012 mit 30 fest. Der Kläger erklärte sich hiermit nicht einverstanden (Blatt 95/96 der Beklagtenakte). Der für die seelischen Leiden angesetzte GdB von 20 sei "unterkrankheitswertig" und unangemessen (Schreiben vom 24.04.2014, Blatt 101/102 der Beklagtenakte). Er legte von Dr. J. den Bericht vom 13.03.2002 (Blatt 99/100 der Beklagtenakte) und von Dr. von L. die gutachterliche Stellungnahme vom 25.08.2014 (Blatt 105 der Beklagtenakte) vor.
In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.10.2014 (Blatt 107/108 der Beklagtenakte) verblieb Dr. Z.-C. bei der Einschätzung des GdB mit 30.
Der Beklagte wies durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück und erstattete die notwendigen Kosten des Vorverfahrens zu 1/3 (Widerspruchsbescheid vom 11.11.2014, Blatt 110 der Beklagtenakte).
Hiergegen hat der Kläger am 10.12.2014 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben und begehrt, die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 21/22, 24/30, 31/32, 33/44, 45/48, 49/88 und 89/120 der SG-Akte Bezug genommen.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ullrich hat dem SG am 26.02.2015 geschrieben, die seelische Störung sei eindeutig als Depression mit Ängsten und Schlafstörung zu beurteilen. Sicherlich verschlechterten die Rückenbeschwerden und der Tinnitus die organischen Befunde. Er empfinde den GdB auf 50.
Der Orthopäde Dr. von L. hat (Schreiben vom 03.03.2015) mitgeteilt, es bestünden ein degeneratives Lumbalsyndrom mit Spondylose L5/S1 und Facettensyndrom L4/L5, eine Coxarthrose, eine Coxalgie rechts, eine Periarthropathia coxae, eine Hüftdysplasie und ein Piriformis-Syndrom. Der GdB für die Wirbelsäule sei mit 20 zu niedrig bemessen, seiner Einschätzung nach sollte diese mit 30 bewertet werden.
Der Pneumologe/Allergologe Dr. H. hat in seiner schriftlichen Aussage vom 02.03.2015 ein hyperreagibles Bronchialsyndrom beschrieben. Die Lungenfunktion in der Bodyplethysmographie sei am 08.07.2014 normal ausgefallen. Am 13.02.2014 habe sich der Kläger ohne wesentliche Beschwerden unter Ventolair 2x1 Hub gemeldet, die Lungenfunktion sei normal ausgefallen. Der GdB sei auf seinem Fachgebiet mit 10 völlig ausreichend.
Der Arzt für HNO-Heilkunde Dr. H. hat dem SG am 02.03.2015 geschrieben, der Lagerungsschwindel sei innerhalb weniger Wochen ausgeheilt gewesen, der Tinnitus beidseits sei im Zusammenhang mit der andernorts diagnostizierten Angststörung zu sehen. Die Verdeckung der Ohrgeräusche funktioniere und würde als beschwerdelindernd empfunden. Eine GdB-begründende Schwerhörigkeit liege nicht vor. Den Tinnitus hat er mit einem GdB von 10 bewertet und im Übrigen auf die psychische Bewertung verwiesen.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Dipl.Psych Dr. S. hat mit Schreiben vom 20.03.2015 ein beginnendes Sulcus ulnaris Syndrom beidseits, eine Angststörung bzw. Angst und depressive Störung gemischt, ein Carpaltunnelsyndrom links, einen Zustand nach Medianusneurolyse rechts sowie einen Tinnitus beschrieben. Die seelische Störung habe sich verschlechtert und solle mit mindestens 30 bewertet werden.
Der Arzt für Orthopädie und Chirotherapie Dr. H. hat in seinem Schreiben vom 29.03.2015 am rechten Knie eine mittelgradige Arthrose mit Zustand nach Innen- und Außenmeniskusteilresektion und an der Wirbelsäule eine ausgeprägte Osteochondrose L5/S1 mit Wirbelgleiten beschrieben und sich der ihm überlassenen versorgungsärztlichen Einschätzung des GdB auf orthopädischem Gebiet angeschlossen.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 22.06.2015 vorgeschlagen den GdB im Wege des Vergleichs ab 01.01.2015 mit 40 festzustellen (Blatt 123/124 der SG-Akte). Diesem Vergleich hat sich der Kläger nicht angeschlossen (Blatt 128/129 der SG-Akte).
Das SG hat mit Urteil vom 08.09.2015 den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 21.02.2013 in der Fassung des Bescheids vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2014 verpflichtet, beim Kläger seit 01.01.2015 einen GdB von 40 festzustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Für die Funktionsstörungen im neurologisch-psychiatrischen Bereich sei seit dem 01.01.2015 ein GdB von 30 anzunehmen. Auf orthopädischem Fachgebiet habe der Beklagte die Kniearthrose und die Hüftdysplasie zutreffend mit einem GdB von 10 bewertet. Die Funktionsstörungen der Wirbelsäule seien entgegen der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. von L. mit einem GdB von 20 zu bewerten. Insgesamt sei für den Zeitraum ab 01.01.2015 ein GdB von 40 und von 30 für den Zeitraum vor dem 01.01.2015 zu bilden.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 14.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.10.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die sachverständigen Zeugen hätten den Zustand der Schwerbehinderung bejaht. Darüber hinaus habe der Facharzt für Orthopädie den GdB für das orthopädische Leiden mit 30 bewertet. Die Bewertung des Tinnitusleidens mit lediglich 10 erscheine zu niedrig. Dieser gehe mit psychischen Begleiterscheinungen einher und sei daher mindestens mit 20 zu bewerten gewesen. Ebenso dürften die Werte für Kniearthrose und Hüftdysplasie mit lediglich einem kleinen GdB von 10 nicht ausreichend sein. Hinzutrete, dass bei ihm zwischenzeitlich noch ein weiterer Wirbelsäulenabschnitt von pathologischen Veränderungen betroffen sei. Insgesamt sei deshalb von der Schwerbehinderteneigenschaft auszugehen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.09.2015 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.02.2013 in der Fassung des Bescheides vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 50 seit 02.01.2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die psychische Komponente der Beeinträchtigungen des Klägers sei mit der Anhebung des Teil-GdB auf 30 ausreichend berücksichtigt. Nachdem der behandelnde HNO-Arzt Dr. H. den bisherigen Teil-GdB von 10 für die Beeinträchtigung des Hörvermögens bestätigt habe und eine abweichende Auffassung des Orthopäden Dr. von L. nicht durch entsprechende Funktionsparameter belegt sei, finde das Berufungsbegehren im objektiven medizinischen Sachverhalt keine Grundlage.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H. beim Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. Z. sowie beim Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 18/50, 61/76 und 77/111 der Senatsakte Bezug genommen.
Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 29.01.2016 (Untersuchung am 19.01.2016) auf orthopädischem Fachgebiet ein Cervicalsyndrom mit mäßiger linksbetonter Bewegungseinschränkung bei degenerativen Veränderungen und intermittierender sensibler Wurzelirritation C7, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßigen degenerativen Veränderungen, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, betont auf die untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente (mäßige Bewegungseinschränkung, ohne Anhaltspunkt für Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen), ein Carpaltunnelsyndrom bds. bei unauffälliger Hand- und Fingerfunktion, derzeit symptomfrei, eine diskrete Epicondylopathia humero radialis rechts, ohne Funktionsbeeinträchtigung, eine Hüftdysplasie rechts, ohne Funktionsdefizit mit sehr diskreten degenerativen Umbauvorgängen, und ein femoropatellares Schmerzsyndrom bds. mit diskreter Chondromalazie rechts und Zustand nach Meniskusoperation beider Kniegelenke, ohne Reizzustand, ohne Beeinträchtigung beschrieben. Den GdB hinsichtlich der Wirbelsäule hat er mit 30, den der oberen Extremitäten mit unter 10 und denjenigen der unteren Extremitäten mit 10 angenommen und den Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt.
Dr. Z. hat in seinem Gutachten vom 17.06.2016 (Untersuchung am 16.06.2016) eine sog. beginnende Hörverminderung im Hochtonbereich sowie einen beidseitigen Tinnitus beschrieben. Das Ohrgeräusch habe keinen dekompensierten Charakter, jedoch Überschneidungen mit den seelischen Störungen wie Schlafstörungen, nächtliches Schwitzen, Anzeichen einer depressiven Verstimmung, Existenzsorgen. Er erkenne jedoch nicht, dass die Ohrgeräusche die seelischen Verstimmungen hervorriefen. Den GdB hat er auf seinem Fachgebiet bezüglich des Ohrgeräusches auf unter 10 und bezüglich der Hörminderung bei stattgehabten Schwindelbeschwerden bei jetzt regelrecht funktionierendem Vestibularorgan ebenfalls auf unter 10 eingeschätzt.
In seinem Gutachten vom 01.08.2016 (Untersuchung am 28.07.2016) hat Dr. S. auf neurologisch-psychiatrisch Fachgebiet eine chronische depressive Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia am Übergang zu einem chronifizierten leichtgradigen depressiven Syndrom, angegebene Spannungskopfschmerzen, einen Zustand nach Neurolyse bei Karpaltunnelsyndrom rechts 2014 (kein Anhalt für ein Rezidiv) und darüber hinaus eine Schilddrüsenstoffwechselstörung, medikamentös behandelt, sowie eine bronchiale Hyperreagibilität beschrieben. Die psychischen Störung hat er mit einem GdB von 20 bewertet. Anhaltspunkte für eine durchgehende Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen fänden sich nicht, Einschränkungen der Teilhabe am alltäglichen Leben in der Gesellschaft bestünden nicht. Der Kläger gehe regelmäßig seiner beruflichen Tätigkeit nach, es lägen keine endogenen psychischen Anpassungsschwierigkeiten und/oder endogene Vitalitätseinbußen vor. Dr. S.habe als behandelnder Facharzt zuletzt am 20.10.2015 eine Subdepressivität beschrieben, so dass eine stärker behindernde durchgehende Störung mit wesentlich eingeschränkter Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in Form einer ausgeprägteren depressiven Störung nicht belegt sei. Den GdB hat Dr. S. mit 40 seit Januar 2013 angenommen.
Der Kläger hat (Schreiben vom 06.09.2016, Blatt 116/117 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, das Gutachten Dr. S. überzeuge nicht. Die Schlussfolgerungen würden nicht von den erhobenen Befunden und den Diagnosen gedeckt.
Der Senat hat nunmehr nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.01.2017 (Blatt 125/138 der Senatsakte, Untersuchung am 29.11.2016) seitens des psychiatrischen Fachgebietes ein depressives Syndrom i.S. einer depressiven Episode mit somatischem Syndrom im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung nach ICD-10 angegeben. Die Affektivität, der Antrieb, das Denken, das Vegetativum und die Schmerzwahrnehmung seien beeinträchtigt. Den GdB für die depressive Episode hat er "auf 40 eingeschätzt, wobei eine hohe Sicherheit für die Einschätzung im Bereich 30 bis 40 gilt. Für eine Einordnung in einen Bereich bis zu einem GdB von 20 finden sich keine Argumente." Den Gesamt-GdB hat er bei einem GdB von 40 für die psychische Symptomatik, "wobei hier die Schlafstörungen beinhaltet sind, einem GdB von 20 für die chirurgische Symptomatik und GdB-Werten von 10 für alle anderen Symptome auf 50" eingeschätzt.
Der Kläger sieht sich durch dieses Gutachten bestätigt (Blatt 139 der Senatsakte). Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W.vom 17.03.2017 (Blatt 142/144 der Senatsakte) vorgelegt. Dieser hat den Gesamt-GdB selbst unter Zugrundelegung eines GdB von 30 für die seelische Störung auf 40 geschätzt.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 05.04.2017 eingewandt (Blatt 145/146 der Senatsakte) Prof. Dr. E. habe dem Wortlaut der VersMedV entsprechend festgestellt, dass bei ihm "eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" vorliege. In den Bewertungen des Beklagten sei zu beobachten, dass gerade bei psychischen Beeinträchtigungen eine starke Tendenz zur Herabbemessung bis über die Wortlautgrenze hinaus vorliege. Zudem weise Prof. Dr. E. darauf hin, dass die endogene Depression richtigerweise in den Bereich der affektiven Psychosen einzuordnen sei (und damit bei 3.6 der VG). Mit überzeugender Begründung komme er unter strikter Anwendung der VersMedV und ohne Dissimilierung des Krankheitsbildes zu einem GdB von 40 alleine für die psychiatrische Erkrankung. Unbeschadet dessen übersehe der Beklagte, dass sich gerade seelische Störungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit erheblichem Schmerzerleben sehr wohl wechselseitig negativ beeinflussten, was selbst unter Zugrundelegung der vom Beklagten angenommenen Teilwerte zu einem Gesamt-GdB von 50 führe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nur teilweise begründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom 21.02.2013 in der Fassung des Bescheides vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 war rechtswidrig, der Kläger wurde durch ihn auch über die Entscheidung des SG hinaus in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines GdB vons 40 seit Antragstellung, jedoch nicht auf Feststellung eines GdB von 50. Soweit der Kläger ursprünglich eine GdB-Feststellung rückwirkend ab 2010 begehrt hat, hat er durch seinen Antrag vor dem SG und dem Senat, wo er beantragt hatte, ab 02.01.2013 den GdB festzustellen, sein Begehren konkretisiert und insoweit beschränkt.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst aus Teil-GdB die Einzel-GdB im Funktionssystem zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung der Teilhabebeeinträchtigungen betreffend das Leben in der Gesellschaft.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 ab Antragstellung nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von (großzügigen) 30 anzunehmen. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. H. beim Kläger ein Cervicalsyndrom mit mäßiger linksbetonter Bewegungseinschränkung bei degenerativen Veränderungen und intermittierender sensibler Wurzelirritation C 7, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßigen degenerativen Veränderungen und ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, betont auf die untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente mit mäßiger Bewegungseinschränkung aber ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallserscheinungen feststellen. Dr. H. hat nach Untersuchung des Klägers hinsichtlich des Rumpfes und der Wirbelsäule einen Beckenhorizontalstand bei abgeflachter Lordoseschwingung der Lendenwirbelsäule, und tendenziell vermehrter Kyphose der oberen Brustwirbelsäule mit Überhang der Halswirbelsäule nach kinnwärts festgestellt. Hinsichtlich der Lendenwirbelsäule verblieb beim Vornüberneigen ein Fingerspitzen-Boden-Abstand von 35 cm. Das Zeichen nach Schober betrug 10/14 cm. Die Seitneigefähigkeit hatte sich bei einem Fingerspitzen-Kniegelenksabstand in aufrechter Stellung von 22 cm mit rechts 11, links 12 cm knapp hälftig eingeschränkt gezeigt. Es bestand hierbei eine eingeschränkte Dehnungsfähigkeit der lumbalen Rückenstreckmuskulatur, bei der Betastung in Bauchlage bestand ein Druckschmerz in Höhe der Etagen L4/5 und L5/S1, rechts gegenüber links und Muskelspannungsstörungen paravertebral beidseits in der unteren Hälfte der Lendenwirbelsäule. An der Lendenwirbelsäule konnte Dr. H. keine bestehenden oder provozierbaren Nervenwurzelausstrahlungen in die Beine angeben. Hinsichtlich der Brustwirbelsäule war die Entfaltbarkeit mit Zeichen nach Ott mit 30/32,5 cm frei, die Rotation des Oberkörpers zur Beckenebene rechts und links mit jeweils 20 Grad, die Rückneigefähigkeit bis 30 Grad angegeben. Eine Tonuserhöhung der paravertebralen Muskulatur bestand in der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule beidseits. Isolierten Schmerzen über den Wirbelverbindungs- oder Rippenwirbelgelenken der Brustwirbelsäule bestanden ebenso wenig wie Thoraxkompressionsschmerzen. Dagegen bestand ein Druckschmerz über den Dornfortsätzen TH7 bis TH11. Hinsichtlich der Halswirbelsäule hat Dr. H. eine linksbetonte Tonuserhöhung und Verkürzung von Trapezius und tiefer Nackenstreckmuskulatur bei druckschmerzhaftem horizontalen Anteil des Trapezmuskels mit Ansatztendopathie an der linken Schulterblattgräte aber keine Muskelansatzschmerzen an der Hinterhauptschuppe angegeben. Isolierten Schmerzen über den Wirbelverbindungsgelenken der Halswirbelsäule bestanden nicht, dafür war linksseitig die Skalenuslücke druckschmerzhaft. Die Beweglichkeit der HWS war mit einem Kinn-Jugulumabstand von 3/17 cm, einer Rotation (rechts/links) von 40/0/60o und einer Seitneigung von (rechts/links) 20/0/30o nicht mittel- sondern nur leichtgradig eingeschränkt. Darüber hinaus konnte Dr. H. weder an den oberen noch den unteren Extremitäten neurologische Ausfälle feststellen. So ist das Zeichen nach Lasègue beidseits negativ, ebenso hinsichtlich der Arme das Hoffmann-Tinnell’sche Zeichen und Fromment’sche Zeichen; auch bestehen an Armen und Beinen weder radikulär bedingte Minderungen der groben Kraft noch sensible Ausfälle. Das wird durch die Bemuskelung beider Arme wie auch die unauffälligen Verarbeitungsspuren bestätigt. Die angegebenen Schmerzen korrelieren zu den röntgenologisch und kernspintomographisch bei Dr. H. erkennbaren degenerativen Veränderungen. Ein aktiv erosiver Prozess der Osteochondrose, also einer degenerativen Bandscheibenschädigung, besteht aber nicht. Es bestehen auch keine Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen. Damit konnte der Senat allenfalls an einem Abschnitt der Wirbelsäule, nämlich der LWS, mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen feststellen; an den anderen beiden Abschnitten der Wirbelsäule bestehen dagegen nur leichtgradige Funktionsbeeinträchtigungen. Soweit Dr. H. die funktionellen Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden an der HWS und der LWS als mittelgradig, an der BWS als geringfügig beschreibt und insgesamt mit einem GdB von 30 bewertet, ist dies nicht zu Lasten des Klägers nach den Feststellungen des Senats rechtswidrig zu niedrig. Denn die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen der HWS als mittelgradig durch Dr. H. beruht alleine auf der anamnestischen Angabe (vgl. Blatt 38 der Senatsakte = Seite 21 des Gutachtens) von sensiblen Irritationen der Nervenwurzel C7. Zwar passt dies zur Angabe eines bildgebend dargestellten Bandscheibenvorfalls C6/7, doch konnte der Gutachter weder eine Nervenwurzelreizung feststellen, noch Hinweise dafür mitteilen, dass sich dieser Bandscheibenvorfall funktionell auswirkt. So hat Dr. H. weder eine Minderung der Bemuskelung der Arme noch Funktionsbeeinträchtigungen feststellen können; vielmehr hat Dr. H. (Blatt 38 der Senatsakte = Seite 21 des Gutachtens) darauf hingewiesen, dass auch die unauffälligen Verarbeitungsspuren nicht auf ein motorisches Defizit schließen lassen. Insoweit konnte der Senat diesen Zustand gerade noch nicht mit mittelschweren funktionelle Auswirkungen an der HWS feststellen. Insoweit ist die Bewertung von Dr. H. mit einem GdB von 30 im Funktionssystem des Rumpfes als großzügig zu bewerten.
Der Senat entspricht mit dieser Bewertung auch derjenigen von Dr. von L. der die funktionellen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule ebenfalls mit einem GdB von 30 bewertet hatte, und geht über die Bewertung von Dr. H. hinaus. Zuletzt hatte auch Dr. R. für den Beklagten insoweit einen GdB von 30 angenommen. Diese Bewertung ist – wie ausgeführt – nach Überzeugung des Senats jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu niedrig.
Im Funktionssystem der Arme sind das Carpaltunnelsyndrom beidseits und die diskrete Epicondylopathia humero radialis rechts, ohne Funktionsbeeinträchtigung. Auf Grundlage der Untersuchung durch Dr. H. konnte der Senat feststellen, dass alle Gelenke der oberen Extremitäten im Normbereich beweglich waren (vgl. Blatt 28/30 der Senatsakte = Seite 11/13 des Gutachtens), lediglich die Beweglichkeit der Handgelenke ellen-/speichenwärts war mit beidseits 35/0/20o gering eingeschränkt. Ein Kraftverlust an den oberen Extremitäten konnte nicht festgestellt werden. An den Ellenbogengelenken bestand bei der Untersuchung durch Dr. H. rechts gegenüber links ein Druckschmerz über dem äußeren Oberarmknorren, jedoch eine unauffällige Mobilität beider Speichenköpfchen. Im Bereich der inneren Oberarmknorren bestand beidseits kein Druckschmerz. Rechts gegenüber links hat der Kläger dagegen diskrete Schmerzen über der knöchernen Rinne des Nervus ulnaris, ohne Fortleitung ins periphere Ulnarisversorgungsgebiet angegeben. Beim Prüfen der Widerstandstests traten mäßige Schmerzangabe beim Prüfen der Extensorenmuskulatur rechts gegen Widerstand auf. An beiden Händen sind Daumen und alle Langfinger in allen Gelenken aktiv und passiv frei beweglich, die Beuge- und Strecksehnen sind intakt und auch gegen Widerstand schmerzfrei prüfbar. An den Fingergelenken bestehen keine Schwellungen, auch keine Auftreibungen, oder knöcherne Verformungen. Beide Daumen können komplett in die Hohlhand eingeschlagen werden, die große und kleine Faust sind durchführbar. Die Grob- und Feinmotorik ist nicht behindert, Spitz-, Schlüssel- und Hakengriff sind unauffällig. Insgesamt besteht an den oberen Extremitäten keine Minderung der groben Kraft und keine sensiblen Störungen. Die leichten Muskelspannungsstörungen und Dehnungsschmerzen der Extensorenmuskulatur ohne funktionelle Störungen der Ellbogengelenke und ohne Einschränkung der Kraftentwicklung sowie die am linken Ellbogen bestehenden leichten Druckschmerzen über dem Ulnarisnerven und knöchernen Sulcus an der Innenseite des Ellbogens, die keine Fortleitung in die Unterarme gefunden hat, sind funktionell unauffällig. Es besteht keine Schädigung im Ulnarisversorgungsgebiet. Am Carpaltunnel besteht eine symptomfreie Situation mit unauffälliger Motorik und unauffälligem Hoffmann-Tinnel sehen Zeichen. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat für die oberen Extremitäten einen GdB von mindestens 10 nicht annehmen. Mit den zwar schmerzhaften aber bis auf geringe Bewegungseinschränkungen voll funktionsfähigen oberen Extremitäten kann der Kläger sämtliche zum Leben in der Gesellschaft erforderlichen Verrichtungen ausüben, was sich auch daran zeigt, dass er z.B. vollschichtig seiner Arbeit nachgehen kann, und daher allenfalls geringst in seiner Teilhabefähigkeit eingeschränkt ist. Bei dieser Bewertung sieht sich der Senat durch das Gutachten von Dr. H. bestätigt. Auch aus den vorliegenden Befundunterlagen der behandelnden Ärzte ergeben sich keine weitergehenden Anhaltspunkte für funktionelle Störungen.
Soweit teilweise ein GdB von 10 für die Mittelnervendruckschädigung beidseits angenommen worden war, konnte über die bloße Diagnose und zeitweise angegebene Schmerzen hinaus eine tatsächliche funktionelle Beeinträchtigung nicht festgestellt werden die einen GdB rechtfertigt. Dies sieht der Senat auch durch die vollschichtige Tätigkeit des Klägers als Maschinenführer im Zweischichtbetrieb als bestätigt an.
Im Funktionssystem der Beine hat der Senat die Hüftdysplasie rechts sowie das femoropatellare Schmerzsyndrom beidseits mit diskreter Chondromalazie rechts und Zustand nach Meniskusoperation beider Kniegelenke berücksichtigt und mit einem GdB von 10 bewertet. Der Kläger hat beim Gutachter Dr. H. an den unteren Extremitäten einen Schmerz lateralseitig an der rechten Hüfte angegeben. Auf Grundlage des Gutachtens von Dr. H. konnte der Senat feststellen, dass die Hüftgelenksbeweglichkeit beidseits frei ist (Blatt 30/31 der Senatsakte = Blatt 13/14 des Gutachtens). Es besteht lediglich rechts bei der Innendrehung endgradig ein festerer Endanschlag als links mit auslösbaren Schmerzen, korrelierend mit einem beginnenden knöchernen Impingement, das in der Kernspintomographie nachgewiesen worden war. Dieses hat jedoch bisher zu keinem höhergradigen knöchernen Umbau geführt. Damit konnte der Senat eine Versteifung eines oder beider Hüftgelenke, Bewegungseinschränkung eines oder beider Hüftgelenke, eine Hüftgelenksresektion, eine schnappende Hüfte und auch eine Beinverkürzung i.S.d. B Nr. 18.14 VG nicht feststellen. Die Pfannendysplasie ist nach den Angaben des Gutachters Dr. H. geringfügig und muskulär voll kompensiert, wie die unauffälligen Zeichen nach Trendelburg- und Duchenne zeigen. Die Hüftdysplasie ist ohne funktionelle Auswirkungen geblieben, sodass ein GdB nach B Nr. 18.14 VG insoweit nicht angesetzt werden kann. Denn an die leichte Dysplasie der rechten Hüftpfanne mit Verkürzung im kopfnahen Anteil und diskreter Fehlformung (Zentrum-Ecken-Winkel von 15o rechts gegenüber 19o links) sowie kernspintomographisch sehr diskret sichtbaren Umbauvorgänge haben die Stabilitätssituation nicht wesentlich beeinflusst. Auch die Mobilität ist unauffällig. Es finden sich lediglich entsprechende Belastungsschmerzen. Daher konnte der Senat den Teil-GdB insoweit nach B Nr. 18.14 VG lediglich anhand von Instabilität und der Funktionsbeeinträchtigung bemessen; solche lagen aber nicht vor.
An beiden Kniegelenken ist der Kläger meniskusoperiert, rechts ist ein leichter retropatellarer Knorpelschaden vorhanden. Schmerzen gibt der Kläger beim Treppensteigen und beim Knien bei längerer Belastung auf die Außenseite des Femoropatellargelenks lokalisiert an. Es finden sich keine ligamentären Instabilitäten, die Meniskuszeichen sind negativ. Damit sind Schmerzen bei Beugebelastungen grds. nachvollziehbar. Es findet sich jedoch kein chronisches Beschwerdebild, wie es mit einer Gelenkkapselverdickung oder intraarticulärer Flüssigkeitsansammlung bzw. provozierbaren Reibegeräuschen belegbar wäre. Auch die Mobilität/Beweglichkeit beider Kniegelenke ist unauffällig normoton (Blatt 31 der Senatsakte = Seite 14 des Gutachtens). Reizzustände (Schwellungen, Ergussbildungen) bestehen nicht. Der Senat konnte insoweit lediglich ein beidseitiges femoropatellares Schmerzsyndrom mit Schmerzen bei Beugebelastungen und im Rahmen einer Arthroskopie erkannter, aber nicht therapierter leichter Knorpelschädigung feststellen; es liegt mithin keine Versteifung eines oder beider Kniegelenke, keine Lockerung des Kniebandapparates, kein Kniescheibenbruch, keine habituelle Kniescheibenverrenkung und keine GdB-relevante Bewegungseinschränkung im Kniegelenk vor.
Soweit Dr. H. die klinisch geringfügigen Knorpelschäden ohne Bewegungseinschränkung und ohne anhaltenden Reizzustand sowie die (geringen) Beschwerden des rechten Hüftgelenks mit einem zusammenfassenden GdB von 10 bewertet hat, schließt sich der Senat dem an. Höher zu bewertende Funktionsbeeinträchtigungen lassen sich auch nicht aus den von den behandelnden Ärzten vorgelegten Befunden entnehmen. Mit den schmerzhaften aber funktionsbezogen nur geringen Bewegungseinschränkungen, vor allem der Knie, kann der Kläger am Leben in der Gesellschaft teilhaben, der Senat kann insoweit allenfalls eine geringe Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit erkennen.
Im Funktionssystem der Ohren besteht beim Kläger eine beginnende Hörverminderung im Hochtonbereich, sowie ein beidseitiger Tinnitus. Dies hat der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Dr. Z. festgestellt. Die damit verbundenen Funktionsbehinderungen sind mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Die Hörverminderung im Hochtonbereich, mit einem Hörverlust von beidseits 10% (dazu vgl. Blatt 66/67 der Senatsakte = Seite 6/7 des Gutachtens Dr. Z.) kann sich im Umgebungsgeräusch als Verstehensschwierigkeit auswirken, ergibt aber nach der Bewertungstabelle bei B Nr. 5.2.4 VG keinen GdB von 10.
Das beidseits bestehende Ohrgeräusch hat keinen dekompensierten Charakter, wie Dr. Z. mitgeteilt hat, ist also ausreichend kompensiert. Dr. Z. hat hier Überschneidungen mit den seelischen Störungen wie Schlafstörungen, nächtliches Schwitzen, Anzeichen einer depressiven Verstimmung, Existenzsorgen beschrieben. Schlafstörungen, seelische Störungen, depressive Verstimmungen können sich dabei auch auf die Wahrnehmung eines Ohrgeräusches verstärkend auswirken. Jedoch konnte er als auch die psychiatrischen Gutachter nicht objektivieren, dass die Ohrgeräusche die seelischen Verstimmungen hervorrufen.
Zwar hat Dr. Z. den Tinnitus im Hinblick auf die Berücksichtigung der psychischen Folgen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zur Vermeidung von Doppelbewertungen mit einem GdB von unter 10 angenommen. Dem folgt der Senat aber nicht. Im Hinblick auf die geschilderten Folgebeeinträchtigungen wie z.B. Schlafstörungen, nächtliches Schwitzen usw. konnte der Senat hier einen GdB von 20 annehmen; Überschneidungen mit Funktionsstörungen anderer Funktionssysteme, die auch Dr. Z. angegeben hat, sind dann bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen.
Die stattgehabte Lagerungsschwindelproblematik bedingt keinen weiteren Teil-GdB im Funktionssystem der Ohren. So hat der behandelnde HNO-Arzt Dr. H. schon keine Erkrankung mit einer Dauer von mehr als sechs Monaten (§ 2 Abs. 1 SGB IX) beschreiben können, vielmehr hat er angegeben, dass die Symptomatik nach Behandlung innerhalb weniger Wochen beendet war. Auch hat Dr. Z. in seinem Gutachten darstellen können, dass das Vestibularorgan regelrecht funktioniert. Somit ist eine fassbare Störung des Gleichgewichtssystems nicht feststellbar. Auch Hinweise für eine persistierende Sinusitis bestehen nicht.
Damit konnte der Senat im Funktionssystem der Ohren allenfalls zugunsten des Klägers einen Einzel-GdB von 20 annehmen.
Im Funktionssystem der Atmung besteht beim Kläger eine bronchiale Hyperreagibilität. Diese haben der behandelnde Arzt Dr. H. sowie der Gutachter Dr. S. bestätigt. Weder der Kläger noch Dr. H. haben Anfälle innerhalb von wenigen Monaten beschrieben, auch mehr als geringer Husten und Auswurf sind nicht angegeben. Aus den von Dr. H. vorgelegten Befundunterlagen und seinen Angaben gegenüber dem SG ergeben sich normale Lungenfunktionswerte, die wegen der Hyperreagibilität die Teilhabefähigkeit des Klägers lediglich leicht beeinträchtigen und nach B Nr. 8.2 VG mit dem Beklagten sowie Dr. H. und Dr. S. mit einem GdB von 10 zu bewerten sind.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche besteht beim Kläger eine chronische depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymia am Übergang zu einem chronifizierten leichtgradigen depressiven Syndrom, außerdem hat der Kläger Spannungskopfschmerzen angegeben. Dies konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. S. und den Angaben der behandelnden Ärzte feststellen. So hat der Allgemeinmediziner Dr. U. gegenüber dem SG eine seelische Störung in Form einer Depression mit Ängsten und Schlafstörungen angegeben. Dr. Hauser hat dem SG anamnestisch eine von Dr. S. angegebene Angststörung mitgeteilt. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat eine Angststörung bzw. Angst und depressive Störung gemischt, angegeben (Blatt 45/47 der SG-Akte) und den Kläger mit Angst, Befürchtungen und Besorgtsein aber auch bei den wenigen Konsultationen in den Jahren 2013 bis 2014 als zeitweise subdepressiv, lediglich im Januar 2015 als depressiv beschrieben. Bereits mit Bericht vom 21.10.2015 (Blatt 47 der Senatsakte) hat Dr. S. den Kläger wieder als subdepressiv mit Besserung der Schlafstörung beschrieben. Er hat die seelische Störung als mittel, zeitweise als schwer und den GdB auf mindestens 30 eingeschätzt.
Prof. Dr. E. hat in seinem Gutachten vom 10.01.2017 psychiatrisch ein depressives Syndrom angenommen und diagnostisch als depressive Episode mit somatischem Syndrom im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung bezeichnet. Damit hat er – nur mit anderen Worten – dieselbe Diagnose gestellt, wie Dr. S ... Eine eigenständige Angststörung konnten damit weder Prof. Dr. E. noch Dr. S. feststellen.
An sich wäre der GdB in diesem Funktionssystem mit lediglich 20 festzustellen; dabei hat der Senat die beim Kläger bestehenden psychischen Erkrankungen nach B Nr. 3.7 VG bewertet. Anders als Prof. Dr. E. meint, ist die Bewertung der beim Kläger bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen in Form eines depressiven Geschehens nicht nach B Nr. 3.6 VG vorzunehmen. Darauf hat der Senat bereits wiederholt hingewiesen (vgl. z.B. Senatsurteile 24.06.2016 - L 8 SB 2733/15 – und 26.08.2016 – L 8 SB 3630/14 -). Selbst Prof. Dr. E. hat in seinem Gutachten weder die Diagnose einer Schizophrenie noch eines schizophrenen Residualzustand beschrieben. Soweit er angegeben hat, die von ihm als depressives Syndrom bezeichnete Erkrankung des Klägers sie im traditionellen Sinne eine endogene Depression, eine affektive Psychose, so überzeugt dies nicht.
Während teilweise unterschieden wird, ob die Verlaufsformen der depressiven Störungen chronisch sei, weshalb auf B Nr. 3.7 VG abzustellen sei, oder rezidivierend sei, sodass bei zwischenzeitlicher Remission und einen Verlauf ohne psychotische Symptome nach B Nr. 3.6 VG zu bewerten sei (dazu vgl. SG Aachen 20.09.2016 – S 12 SB 529/15 – juris und Steffens in Nieder/Losch/Thomann, Behinderungen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, Seite. 88), hat die herrschende Rechtsprechung (vgl. etwa Bayerisches LSG 28.07.2011 - L 15 SB 24/07 - juris) auch rezidivierende depressive Störungen nach B Nr. 3.7 VG bewertet. Denn insoweit überzeugt es nicht – worauf auch Prof. Dr. E. hinweist (vgl. Blatt 134/135 der Senatsakte = Blatt 10/11 des Gutachtens) -, wenn bei rezidivierenden Störungen nach zwischenzeitlicher Remission ein GdB-Rahmen ab minimal 30 bis 100 eröffnet ist – wobei auch hier Schwankungen nach A Nr. 2 Buchst. f) VG mit einem Durchschnittswert zu bewerten sind , bei chronischen, also dauerhaft bzw. durchgehend bestehenden Erkrankungen aber der GdB-Rahmen bei 0 beginnt und bereits bei 40 endet (vgl. B Nr. 3.6 VG und B Nr. 3.7 VG). Insoweit kommt eine Bewertung nach B Nr. 3.6 VG nach der Senatsrechtsprechung etwa dann in Betracht, wenn eine schizophrene Störung oder eine psychotische Symptomatik vorliegt (vgl. Senatsurteile vom 24.06.2016 - L 8 SB 2733/15 – und vom 26.08.2016 – L 8 SB 3630/14 -), eine Bewertung nach B Nr. 3.7 VG ist dann anzunehmen, wenn es sich um depressive Erkrankungen handelt, zumal in B Nr. 3.7 VG der Verordnungsgeber auch ausgeprägtere depressive Störungen ausdrücklich benannt hat (vgl. Klammerzusatz zu den wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit). Insoweit ist weniger die Diagnosestellung als die funktionelle Beeinträchtigung der depressiven Erkrankung für die GdB-Bewertung von Bedeutung. Bei dieser Auslegung der VG sieht sich der Senat durch die Anwendungspraxis der Versorgungsverwaltung bestätigt.
Nachdem weder Dr. S. noch Prof. Dr. E. Hinweise für psychotisches Erleben oder andere auf das Vorliegen einer manifesten Psychose hindeutende Umstände mitteilen konnten, kann der Senat die beim Kläger vorliegende Erkrankung nicht als Psychose sondern nur als Depressionserkrankung feststellen. Auch Prof. Dr. E. hat die Erkrankung (Blatt 132 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens) als "depressives Syndrom [ ] als leicht bis mittelschwer einzuschätzen" bezeichnet. Daher konnte der Senat eine Beurteilung als affektive Psychose, die im Hinblick auf den anzuwendenden GdB-Rahmen ab 30 und die darin zum Ausdruck gebrachten Teilhabebeeinträchtigungen ein erhebliches Gewicht haben sollen, nicht vornehmen.
Bei der Untersuchung durch Dr. S. war der Kläger hinsichtlich Gestik und Mimik nicht lebhaft und schaute überwiegend ernst. In der Untersuchungssituation war er jedoch auskunftsbereit und kooperativ. Im interaktionellen Verhalten war der Kläger angemessen, die Sprache war wenig moduliert. Sprechstörungen bestanden. Dr. S. konnte keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration feststellen. Ebenso ließen sich in der Gutachtenssituation keine Gedächtnisstörungen nachweisen. Eine hirnorganisch bedingte psychische Symptomatik lag nicht vor. Im Antrieb war der Kläger angemessen, eine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung lag nicht vor. In der Grundstimmung wirkte der Kläger insgesamt niedergeschlagen, dysthym bis depressiv. Die affektive Resonanzfähigkeit war deutlich eingeschränkt und zum negativen Pol hin verschoben. Eine Affektdurchlässigkeit lag nicht vor. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. Eine Grübelneigung wurde berichtet. Inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen oder dissoziativen Störungen lagen nicht vor. Der Kläger hatte von Schlafstörungen berichtet. Eine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage wurde verneint. Eine Persönlichkeitsstörung oder eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung ergab fand sich nicht.
Prof. Dr. E. hat bei seiner Untersuchung den Kläger als wach, bewusstseinsklar und ohne Vigilanzstörungen beschrieben. Er war zu allen Qualitäten orientiert. Die Auffassungsgabe war nicht beeinträchtigt, Merkfähigkeit und Gedächtnis waren nicht beeinträchtigt, die Konzentrationsfähigkeit jedoch vermindert. Die affektive Schwingungsfähigkeit war deutlich eingeschränkt mit einem deprimierten Affekt, der Antrieb war vermindert mit Energie- und Lustlosigkeit. Es bestand eine psychomotorische Hemmung mit Verlangsamung und Widerstand gegen intendierte Tätigkeiten. Der formale Gedankengang war geordnet, gehemmt mit empfundener Denkverlangsamung und empfundenen Konzentrationsstörungen. Inhaltliche Denkstörungen im Sinne eines Wahns, Störungen der Wahrnehmung und des Ich-Erlebens waren nicht explorierbar. An vegetativen Störungen waren Durchschlafstörungen und sexuelle Störungen angegeben worden.
Zwar hat Prof. Dr. E. im Verhältnis zu Dr. S. zusätzlich ein verminderte Konzentrationsfähigkeit, eine eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit mit einem deprimierten Affekt und einen verminderten Antrieb mit Energie- und Lustlosigkeit bei psychomotorischer Hemmung mit Verlangsamung und Widerstand gegen intendierte Tätigkeiten beschrieben, doch hat er Konzentrationsstörungen und eine Denkverlangsamung nicht objektivieren können, entsprechende Tests hat er – über den BDI, einen Selbstbeurteilungsbogen für depressive Symptome hinaus – nicht durchgeführt, jedenfalls in seinem Gutachten nicht benannt. So spricht Prof. Dr. E. auch (Blatt 129 der Senatsakte = Seite 5 des Gutachtens) nur von einer – gemeint ist: vom Kläger - ",empfundenen" Denkverlangsamung und einer "empfundenen" Konzentrationsstörung. Diese lediglich vom Kläger angegebenen Umstände, hinsichtlich derer der Gutachter Prof. Dr. E. keinen Anlass zu einer weiteren Befunderhebung gesehen hatte, kann der Senat nicht als objektiviert annehmen. Denn auch insoweit widerspricht der bei Prof. Dr. E. empfundene Befund den Befunden des behandelnden Arztes Dr. S ... Dieser hat dem SG selbst im Jahr 2015, in dem er den Kläger als depressiv beschrieben hat, (vgl. Blatt 48 der SG-Akte = Seite 4 seiner Aussage) eine Verlangsamung nicht beschrieben und die Merkfähigkeit sowie das Gedächtnis als unauffällig beschrieben; dass aber seither derartige Veränderungen eingetreten sind, haben weder der Kläger noch Prof. Dr. E. darstellen können. Lediglich die affektive Schwingungsfähigkeit war von Dr. S. als gemindert beschrieben worden. Das aber hat auch Dr. S. beschrieben, als er den Kläger als dysthym bis depressiv bei deutlich eingeschränkter und zum negativen Pol hin verschobenen affektiven Resonanzfähigkeit beschrieben hat
Diese Gesundheitsstörung hat beim Kläger eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht zur Folge.
So hat der Kläger Dr. H. mitgeteilt, im Haushalt würde er allenfalls kleine Hausarbeiten verrichten, momentan habe er "keine Lust wegen der Schmerzen" (Blatt 24 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens). Dr. S. hat er von Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Grübelneigungen, negativen Gedanken, Konzentrationsproblemen bei der Arbeit, Sorgen, wie es beruflich weitergehe und bezüglich des Hauses, erzählt und angegeben, Arbeiten am Haus verschiebe er immer von einem auf den anderen Tag. Auch hat er eine vermehrte Gereitzheit im Alltag und im häuslichen Umfeld und Druck am Arbeitsplatz sowie Probleme mit den Kollegen aber auch Streit mit der Ehefrau beschrieben. Der Kläger hat dort auch angegeben, einen Bekannten zu haben, der einmal im Monat zu Besuch komme, die sozialen Kontakte hat er insgesamt als "wenig" beschrieben.
Prof. Dr. E. hat der Kläger von seinem vollschichtigen Arbeitsalltag im Zweischichtbetrieb beim Daimler berichtet. Mit dem Hausbau hätten sich Ängste entwickelt. Vorher habe er viel unternommen, dies alles habe jetzt aufgehört. Er komme nicht mehr wirklich aus dem Haus und müsse sich zu allem zwingen. Die Arbeit schaffe er – aber nur unter innerem Zwang. Er schiebe alles auf und könne sich Sachen schlechter merken. Er schlafe nur zwei Stunden, der Tinnitus mache ihm nachts zu schaffen. Er habe innere Unruhe und müsse dann aus dem Bett. Nach der Arbeit mache er zu Hause nichts mehr, es sei total kaputt. Die Bekannten seien alle weg, er fahre nur noch selten nach Polen.
Der Senat berücksichtigt die Angaben des Klägers und stellt insoweit fest, dass sein Tagesablauf durch die körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen zwar beeinträchtigt ist, der Kläger aber noch in der Lage ist, seinen Tagesablauf strukturiert und zielgerichtet um die vorhandenen Erkrankungen und deren Auswirkungen auf den Alltag zu organisieren. So vermag der Kläger – trotz Belastungen am Arbeitsplatz und Sorgen um Haus und Arbeit - seiner vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Er hat zwar - worauf sein Prozessbevollmächtigter zutreffend hingewiesen hat – nur wenige soziale Kontakte, doch lebt der Kläger in seiner Familie nicht völlig zurückgezogen und pflegt den Kontakt zu einem Bekannten, der ihn monatlich besucht. Er nimmt – nach seinen Angaben (Blatt 86 der Senatsakte = Seite 10 des Gutachtens von Dr. S., dem Gutachten von Prof. Dr. E. sind keine abweichenden Angaben zu entnehmen), einmal im Quartal eine Behandlung beim Neurologen und Psychiater Dr. S. in Anspruch, zuletzt sei er vor einem Jahr bei Dr. S. in psychotherapeutischer Behandlung gewesen; die Behandlung wurde nicht weiter geführt, weil der Kläger die sich von der Behandlung versprochenen Ziele nicht erreichen konnte. Auch Dr. S. hat gegenüber dem SG lediglich Behandlungen am 03.12.2012, 04.06.2013, 23.09.2013, 05.05.2014 und 20.01.2015 angegeben. Aus dem Bericht vom 21.10.2015 (Blatt 47/48 der Senatsakte) ergibt sich dann noch eine weitere Untersuchung am 20.10.2015. Insoweit konnte der Senat aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung nicht davon ausgehen, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 L 8 SB 1549/10, juris RdNr. 31). Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre und der in einer regelmäßigen Behandlung zum Ausdruck kommt, findet sich nicht. Umstände, die der fehlenden Behandlung eine andere Indizwirkung zukommen lassen, wie z. B. die Nichtgenehmigung der Behandlung seitens der Krankenkasse oder eine lange Wartezeit vor der Behandlung, sind nicht ersichtlich.
Insoweit hat auch Prof. Dr. E. die Symptomatik beim Kläger als leicht bis mittelschwer bezeichnet (Blatt 132 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens), denn die Symptome des Klägers seien nicht schwer ausgeprägt und in der globalen Beurteilung seien vom Kläger zumindest noch einige Aktivitäten bzw. die Arbeitsaktivitäten durchführbar.
Im Hinblick auch auf diese Einschätzung von Prof. Dr. E. konnte der Senat im Verhältnis zu den mit einem GdB von 40 zu bewertenden psychischen Störungen stärkerer Art mit aufgehobenen Aktivitäten der von Prof. Dr. E. beschriebenen Art, nicht erkennen, dass der Kläger annähernd gleich schwer funktionell beeinträchtigt ist. Auch spricht für den Senat viel dafür, dass die vorhandenen funktionellen Beeinträchtigungen eher mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Soweit der Beklagte aber angenommen hatte, der GdB sei seit Januar 2015 mit 30 anzunehmen, ist dies jedenfalls nicht zu Lastend es Klägers rechtswidrig zu niedrig. Auch im Hinblick auf den rezidivierenden und mithin im Ausmaß und den Funktionsbeeinträchtigungen schwankenden Verlauf war nach A Nr. 2 Buchst. f) VG ein Durchschnitts-GdB anzunehmen, der den Wert von 30 an sich nicht voll ausfüllt.
Soweit der behandelnde Arzt Dr. Schad den GdB mit 30 angenommen hat, würde an sich die fehlende kontinuierliche und regelmäßige Behandlung der Erkrankung dieser Bewertung entgegenstehen. Auch dass der Kläger die mündliche Verhandlung vor dem Senat wegen einer angegebenen Anspannung und Angst – der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung von einer kurzfristigen Dekompensation gesprochen , so bedeutet dies weder eine Verstärkung der Beschwerden noch eine höhere Bewertung des GdB. Denn die Anspannung vor dem Verhandlungstermin und dessen Ergebnis sind keinen dauerhaft verbleibenden Behinderungen, sondern gehen mit dem Termin vorüber.
Soweit Prof. Dr. E. mit seinem bloßen Hinweis darauf, dass er zwar von den anderen Beurteilungen abweiche, aber nicht gesagt werden könne, ob dies daran liege, dass er die Befunde aktuell anders bzw. genauer erhoben habe oder ob die Symptome früher nicht vorhanden gewesen seien waren, kann der Senat daraus keine Verschlechterung der psychischen Erkrankung feststellen, weshalb auch seit Januar 2015 kein höherer Teil-GdB angewachsen ist.
Der Senat sieht sich durch die Ausführungen des Versorgungsarztes Dr. W. bestätigt. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 17.03.2017 darauf hingewiesen, dass der von Prof. Dr. E. angegebene Teil-GdB von 40 der Obergrenze des Ermessensspielraumes für eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entspreche und eine anhaltende derart ausgeprägte seelische Störung jedoch nicht feststellbar sei.
Der bei Dr. S. berichtete Spannungskopfschmerz kann aufgrund der insgesamt geringeren Schmerzintensität und Behinderung nicht analog zur echten Migräne nach B Nr. 2.3 bewertet werden. Vielmehr ist dieser, da sonst keinem Funktionssystem zuzuordnen, im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche nach B Nr. 3.7 VG entsprechend der funktionellen Auswirkungen zu bewerten. Da im Verhältnis zu der mit einem GdB von 20 bewerteten depressiven Erkrankung keine weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen durch den Spannungskopfschmerz ersichtlich sind, erhöht sich der in diesem Funktionssystem zu bildende Einzel-GdB nicht auf mehr als 20.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der so medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 0 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Ohren, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung und - 30 seit Januar 2015 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche.
Beim Kläger ist vorliegend von nur einem zu berücksichtigenden Einzel-GdB von 30 und jedenfalls ab Januar 2015 zwei GdB von 20 auszugehen ist; es liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirkten. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat lediglich einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 SGB IX i.H.v. 40 feststellen.
Für die Zeit ab Antragstellung am 02.01.2013 ergibt sich dieser Gesamt-GdB aus dem seit Januar 2013 angenommenen GdB von 30 für die Wirbelsäule und dem GdB von 20 für den Tinnitus mit seinen erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen. Dabei ist der Tinnitus bei erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen, wie sie der Kläger mit Schlafstörungen usw. beschrieben hatte, wegen der Vorgaben nach B Nr. 5.3 VG mit 20 zu bewerten, ohne dass es auf die Qualität und weitere Art der Begleiterscheinungen ankäme. Daraus ergibt sich für den Senat ein Gesamt-GdB von 40.
Für die Zeit ab 01.01.2015, als sich die depressive Erkrankung gezeigt hatte (vgl. Aussage Dr. S. gegenüber dem SG, der zuvor lediglich eine Subdepressivität angenommen hatte), ist der Gesamt-GdB aber ebenfalls auf 40 zu bestimmen. Zwar ist die depressive Erkrankung, die mit einem überschießenden GdB von 30 bewertet wurde, hinzugekommen, doch sind in dem GdB für das Funktionssystem der Ohren (Tinnitus) im Wesentlichen die psychischen Auswirkungen des Tinnitus berücksichtigt, die sich voll mit den funktionellen Beeinträchtigungen der depressiven Erkrankung überschneiden. So hat Dr. Z. in seinem Gutachten angeben können, dass solche Überschneidungen bestehen aber die Depression nicht durch den Tinnitus verursacht wird.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG die Schwerbehinderteneigenschaft, mithin einen GdB von 50, vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. Zwar hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sich die Folgen der Depressivität und der Schmerzen gegenseitig verstärkten, auch wenn keine besondere Schmerzhaftigkeit festgestellt sei. Doch sieht der Senat diese eigene Wahrnehmung von Schmerzen bei Depressivität als bereits durch den nach B Nr. 3.7 VG festgestellten GdB berücksichtigt. Denn eine eigene Schmerzwahrnehmung ist gerade typisch für Depressionen, typische Krankheitsfolgen sind aber bereits in dem jeweiligen GdB erfasst.
Auch konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger, der seinen vollschichtigen Arbeitsalltag meistert, in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vergleichbar schwer funktionell beeinträchtigt ist, wie ein Mensch mit einer schweren Störung i.S.v. B Nr. 3.7 VG (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten oder einer langdauernden (über ein halbes Jahr anhaltenden) Psychose im floriden Stadium, für die die VG jeweils GdB-Rahmen ab 50 eröffnen. Auch im Vergleich zu den eher körperlich orientierten Funktionsbehinderungen, für die der Verordnungsgeber in den VG einen GdB von 50 vorgesehen hat, konnte der Senat den Kläger nicht entsprechend schwer teilhabebeeinträchtigt sehen.
Die Berufung war daher bis zum 31.12.2014 mit einem GdB von 40 begründet, im Übrigen unbegründet und zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Der Beklagte hat dem Kläger 1/5 seiner außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Erst-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) seit 02.01.2013 zusteht.
Der 1960 geborene Kläger beantragte am 02.01.2013 beim Landratsamt R. (LRA) die (Erst-)Feststellung eines GdB rückwirkend ab 2010 (Blatt 1/5 der Beklagtenakte). Zu seinem Antrag gab er ein Asthma bronchiale, Coxarthrose beidseits, chronische Epicondylitis, Gonalgien beidseits und einen Zustand nach NPP im WS-Bereich an.
Das LRA zog Befundunterlagen/einen Befundbericht vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. U. bei (dazu Blatt 8/28 der Beklagtenakte), woraufhin der Versorgungsarzt Dr. Günzel in seiner Stellungnahme vom 14.02.2013 (Blatt 29/30 der Beklagtenakte) den GdB auf 20 schätzte (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelgleiten (GdB 20); Mittelnervendruckschädigung beidseitig (Carpaltunnelsyndrom) (GdB 10); chronische Bronchitis (GdB 10)).
Mit Bescheid vom 21.02.2013 (Blatt 31 der Beklagtenakte) stellte das LRA den GdB ab 01.01.2010 mit 20 fest.
Mit seinem Widerspruch vom 20.03.2013 (Blatt 33 der Beklagtenakte) machte der Kläger geltend, an der Wirbelsäule lägen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Abschnitt vor, weshalb ein GdB von 30 anzunehmen sei. Das Carpaltunnelsyndrom sei mit einem GdB von mindestens 20 zu bemessen. Es liege auch eine Hüftdysplasie mit einem GdB von 20, sowie ein Zustand nach Meniskusoperation mit eingeschränkter Beugung des Knies vor. Schließlich bestehe eine larvierte Depression, die mit einem GdB von jedenfalls 20 zu bewerten sei.
Das LRA zog Befundunterlagen/einen Befundbericht vom Facharzt für Orthopädie C. bei, für den Dr. D. antwortete (dazu vgl. Blatt 48/49 der Beklagtenakte), sowie vom Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. S. (dazu vgl. Blatt 55 der Beklagtenakte) bei. Auf dieser Grundlage bewertete der Versorgungsarzt Dr. Z.-C. in der Stellungnahme vom 10.09.2013 (Blatt 56/58 der Beklagtenakte) den GdB mit 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelgleiten (GdB 20); Kniearthrose (GdB 10); Mittelnervendruckschädigung beidseitig (Carpaltunnelsyndrom) (GdB 10); chronische Bronchitis (GdB 10)).
Mit Schreiben vom 12.12.2013 (Blatt 62/64 der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend, er sei im Vergleich zu vor 10 Jahren in der Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte deutlich eingeschränkter; der rege Kontakt zu seinen Landsleuten, wie er vor 10 Jahren gepflegt worden sei, habe abgenommen, was auch krankheitsbedingt sei. Der GdB für das seelische Leiden betrage daher 30. Hinsichtlich der Schäden der Wirbelsäule seien neurologische Ausfälle zu beklagen. Insbesondere im rechten Bein komme es immer wieder zu tremorartigen Zuständen. Außerdem legte der Kläger ein Tonaudiogramm (Blatt 62 der Beklagtenakte) sowie ein Attest von Dr. U. vom 10.12.2013 (Blatt 65 der Beklagtenakte) vor. Darüber hinaus teilte der Kläger Schwindelattacken und nächtliche Durchschlafstörungen wegen eines starken Ohrgeräusches (Tinnitus) mit (Schreiben vom 10.02.2014 (Blatt 68 der Beklagtenakte).
Auf erneute Anfrage durch das LRA teilte Dr. H. für den befragten Dr. C.(Schreiben vom 20.02.2014, Blatt 78 der Beklagtenakte) mit, der Kläger sei seit seiner letzten Auskunft nicht mehr in der Sprechstunde gewesen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. legte die Befundberichte vom 05.06.2013 und 23.09.2013 (Blatt 79, 80 der Beklagtenakte) vor (Diagnosen: Carpaltunnel-Syndrom bds.; beg. SUS bds., Angststörung). Der Arzt für HNO-Heilkunde Dr. H. teilte unter Vorlage von Berichten einen durchlittenen Lagerungsschwindel in 7/13 mit erfolgreicher Behandlung durch Habitationsübungen ohne medikamentöse Behandlung und ohne weiteren Ereignisse mit (Blatt 82/86 der Beklagtenakte).
Der Versorgungsarzt Dr. Z.-C. nahm in seiner Stellungnahme vom 19.03.2014 den GdB weiterhin mit 30 an (Blatt 87/89 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Seelische Störung (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelgleiten (GdB 20); Kniearthrose (GdB 10); Mittelnervendruckschädigung beidseitig (Carpaltunnelsyndrom) (GdB 10); chronische Bronchitis (GdB 10); Schwerhörigkeit beidseitig, Ohrgeräusche (Tinnitus) (GdB 10)).
Das LRA stellte mit Teilabhilfebescheid vom 02.04.2014 (Blatt 92/94 der Beklagtenakte) den GdB seit 01.12.2012 mit 30 fest. Der Kläger erklärte sich hiermit nicht einverstanden (Blatt 95/96 der Beklagtenakte). Der für die seelischen Leiden angesetzte GdB von 20 sei "unterkrankheitswertig" und unangemessen (Schreiben vom 24.04.2014, Blatt 101/102 der Beklagtenakte). Er legte von Dr. J. den Bericht vom 13.03.2002 (Blatt 99/100 der Beklagtenakte) und von Dr. von L. die gutachterliche Stellungnahme vom 25.08.2014 (Blatt 105 der Beklagtenakte) vor.
In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.10.2014 (Blatt 107/108 der Beklagtenakte) verblieb Dr. Z.-C. bei der Einschätzung des GdB mit 30.
Der Beklagte wies durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück und erstattete die notwendigen Kosten des Vorverfahrens zu 1/3 (Widerspruchsbescheid vom 11.11.2014, Blatt 110 der Beklagtenakte).
Hiergegen hat der Kläger am 10.12.2014 beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben und begehrt, die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 21/22, 24/30, 31/32, 33/44, 45/48, 49/88 und 89/120 der SG-Akte Bezug genommen.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Ullrich hat dem SG am 26.02.2015 geschrieben, die seelische Störung sei eindeutig als Depression mit Ängsten und Schlafstörung zu beurteilen. Sicherlich verschlechterten die Rückenbeschwerden und der Tinnitus die organischen Befunde. Er empfinde den GdB auf 50.
Der Orthopäde Dr. von L. hat (Schreiben vom 03.03.2015) mitgeteilt, es bestünden ein degeneratives Lumbalsyndrom mit Spondylose L5/S1 und Facettensyndrom L4/L5, eine Coxarthrose, eine Coxalgie rechts, eine Periarthropathia coxae, eine Hüftdysplasie und ein Piriformis-Syndrom. Der GdB für die Wirbelsäule sei mit 20 zu niedrig bemessen, seiner Einschätzung nach sollte diese mit 30 bewertet werden.
Der Pneumologe/Allergologe Dr. H. hat in seiner schriftlichen Aussage vom 02.03.2015 ein hyperreagibles Bronchialsyndrom beschrieben. Die Lungenfunktion in der Bodyplethysmographie sei am 08.07.2014 normal ausgefallen. Am 13.02.2014 habe sich der Kläger ohne wesentliche Beschwerden unter Ventolair 2x1 Hub gemeldet, die Lungenfunktion sei normal ausgefallen. Der GdB sei auf seinem Fachgebiet mit 10 völlig ausreichend.
Der Arzt für HNO-Heilkunde Dr. H. hat dem SG am 02.03.2015 geschrieben, der Lagerungsschwindel sei innerhalb weniger Wochen ausgeheilt gewesen, der Tinnitus beidseits sei im Zusammenhang mit der andernorts diagnostizierten Angststörung zu sehen. Die Verdeckung der Ohrgeräusche funktioniere und würde als beschwerdelindernd empfunden. Eine GdB-begründende Schwerhörigkeit liege nicht vor. Den Tinnitus hat er mit einem GdB von 10 bewertet und im Übrigen auf die psychische Bewertung verwiesen.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Dipl.Psych Dr. S. hat mit Schreiben vom 20.03.2015 ein beginnendes Sulcus ulnaris Syndrom beidseits, eine Angststörung bzw. Angst und depressive Störung gemischt, ein Carpaltunnelsyndrom links, einen Zustand nach Medianusneurolyse rechts sowie einen Tinnitus beschrieben. Die seelische Störung habe sich verschlechtert und solle mit mindestens 30 bewertet werden.
Der Arzt für Orthopädie und Chirotherapie Dr. H. hat in seinem Schreiben vom 29.03.2015 am rechten Knie eine mittelgradige Arthrose mit Zustand nach Innen- und Außenmeniskusteilresektion und an der Wirbelsäule eine ausgeprägte Osteochondrose L5/S1 mit Wirbelgleiten beschrieben und sich der ihm überlassenen versorgungsärztlichen Einschätzung des GdB auf orthopädischem Gebiet angeschlossen.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 22.06.2015 vorgeschlagen den GdB im Wege des Vergleichs ab 01.01.2015 mit 40 festzustellen (Blatt 123/124 der SG-Akte). Diesem Vergleich hat sich der Kläger nicht angeschlossen (Blatt 128/129 der SG-Akte).
Das SG hat mit Urteil vom 08.09.2015 den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 21.02.2013 in der Fassung des Bescheids vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2014 verpflichtet, beim Kläger seit 01.01.2015 einen GdB von 40 festzustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Für die Funktionsstörungen im neurologisch-psychiatrischen Bereich sei seit dem 01.01.2015 ein GdB von 30 anzunehmen. Auf orthopädischem Fachgebiet habe der Beklagte die Kniearthrose und die Hüftdysplasie zutreffend mit einem GdB von 10 bewertet. Die Funktionsstörungen der Wirbelsäule seien entgegen der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. von L. mit einem GdB von 20 zu bewerten. Insgesamt sei für den Zeitraum ab 01.01.2015 ein GdB von 40 und von 30 für den Zeitraum vor dem 01.01.2015 zu bilden.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 14.09.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.10.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Die sachverständigen Zeugen hätten den Zustand der Schwerbehinderung bejaht. Darüber hinaus habe der Facharzt für Orthopädie den GdB für das orthopädische Leiden mit 30 bewertet. Die Bewertung des Tinnitusleidens mit lediglich 10 erscheine zu niedrig. Dieser gehe mit psychischen Begleiterscheinungen einher und sei daher mindestens mit 20 zu bewerten gewesen. Ebenso dürften die Werte für Kniearthrose und Hüftdysplasie mit lediglich einem kleinen GdB von 10 nicht ausreichend sein. Hinzutrete, dass bei ihm zwischenzeitlich noch ein weiterer Wirbelsäulenabschnitt von pathologischen Veränderungen betroffen sei. Insgesamt sei deshalb von der Schwerbehinderteneigenschaft auszugehen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.09.2015 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.02.2013 in der Fassung des Bescheides vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 50 seit 02.01.2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die psychische Komponente der Beeinträchtigungen des Klägers sei mit der Anhebung des Teil-GdB auf 30 ausreichend berücksichtigt. Nachdem der behandelnde HNO-Arzt Dr. H. den bisherigen Teil-GdB von 10 für die Beeinträchtigung des Hörvermögens bestätigt habe und eine abweichende Auffassung des Orthopäden Dr. von L. nicht durch entsprechende Funktionsparameter belegt sei, finde das Berufungsbegehren im objektiven medizinischen Sachverhalt keine Grundlage.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H. beim Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. Z. sowie beim Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 18/50, 61/76 und 77/111 der Senatsakte Bezug genommen.
Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 29.01.2016 (Untersuchung am 19.01.2016) auf orthopädischem Fachgebiet ein Cervicalsyndrom mit mäßiger linksbetonter Bewegungseinschränkung bei degenerativen Veränderungen und intermittierender sensibler Wurzelirritation C7, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßigen degenerativen Veränderungen, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, betont auf die untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente (mäßige Bewegungseinschränkung, ohne Anhaltspunkt für Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen), ein Carpaltunnelsyndrom bds. bei unauffälliger Hand- und Fingerfunktion, derzeit symptomfrei, eine diskrete Epicondylopathia humero radialis rechts, ohne Funktionsbeeinträchtigung, eine Hüftdysplasie rechts, ohne Funktionsdefizit mit sehr diskreten degenerativen Umbauvorgängen, und ein femoropatellares Schmerzsyndrom bds. mit diskreter Chondromalazie rechts und Zustand nach Meniskusoperation beider Kniegelenke, ohne Reizzustand, ohne Beeinträchtigung beschrieben. Den GdB hinsichtlich der Wirbelsäule hat er mit 30, den der oberen Extremitäten mit unter 10 und denjenigen der unteren Extremitäten mit 10 angenommen und den Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt.
Dr. Z. hat in seinem Gutachten vom 17.06.2016 (Untersuchung am 16.06.2016) eine sog. beginnende Hörverminderung im Hochtonbereich sowie einen beidseitigen Tinnitus beschrieben. Das Ohrgeräusch habe keinen dekompensierten Charakter, jedoch Überschneidungen mit den seelischen Störungen wie Schlafstörungen, nächtliches Schwitzen, Anzeichen einer depressiven Verstimmung, Existenzsorgen. Er erkenne jedoch nicht, dass die Ohrgeräusche die seelischen Verstimmungen hervorriefen. Den GdB hat er auf seinem Fachgebiet bezüglich des Ohrgeräusches auf unter 10 und bezüglich der Hörminderung bei stattgehabten Schwindelbeschwerden bei jetzt regelrecht funktionierendem Vestibularorgan ebenfalls auf unter 10 eingeschätzt.
In seinem Gutachten vom 01.08.2016 (Untersuchung am 28.07.2016) hat Dr. S. auf neurologisch-psychiatrisch Fachgebiet eine chronische depressive Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia am Übergang zu einem chronifizierten leichtgradigen depressiven Syndrom, angegebene Spannungskopfschmerzen, einen Zustand nach Neurolyse bei Karpaltunnelsyndrom rechts 2014 (kein Anhalt für ein Rezidiv) und darüber hinaus eine Schilddrüsenstoffwechselstörung, medikamentös behandelt, sowie eine bronchiale Hyperreagibilität beschrieben. Die psychischen Störung hat er mit einem GdB von 20 bewertet. Anhaltspunkte für eine durchgehende Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen fänden sich nicht, Einschränkungen der Teilhabe am alltäglichen Leben in der Gesellschaft bestünden nicht. Der Kläger gehe regelmäßig seiner beruflichen Tätigkeit nach, es lägen keine endogenen psychischen Anpassungsschwierigkeiten und/oder endogene Vitalitätseinbußen vor. Dr. S.habe als behandelnder Facharzt zuletzt am 20.10.2015 eine Subdepressivität beschrieben, so dass eine stärker behindernde durchgehende Störung mit wesentlich eingeschränkter Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in Form einer ausgeprägteren depressiven Störung nicht belegt sei. Den GdB hat Dr. S. mit 40 seit Januar 2013 angenommen.
Der Kläger hat (Schreiben vom 06.09.2016, Blatt 116/117 der Senatsakte) u.a. ausgeführt, das Gutachten Dr. S. überzeuge nicht. Die Schlussfolgerungen würden nicht von den erhobenen Befunden und den Diagnosen gedeckt.
Der Senat hat nunmehr nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens beim Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.01.2017 (Blatt 125/138 der Senatsakte, Untersuchung am 29.11.2016) seitens des psychiatrischen Fachgebietes ein depressives Syndrom i.S. einer depressiven Episode mit somatischem Syndrom im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung nach ICD-10 angegeben. Die Affektivität, der Antrieb, das Denken, das Vegetativum und die Schmerzwahrnehmung seien beeinträchtigt. Den GdB für die depressive Episode hat er "auf 40 eingeschätzt, wobei eine hohe Sicherheit für die Einschätzung im Bereich 30 bis 40 gilt. Für eine Einordnung in einen Bereich bis zu einem GdB von 20 finden sich keine Argumente." Den Gesamt-GdB hat er bei einem GdB von 40 für die psychische Symptomatik, "wobei hier die Schlafstörungen beinhaltet sind, einem GdB von 20 für die chirurgische Symptomatik und GdB-Werten von 10 für alle anderen Symptome auf 50" eingeschätzt.
Der Kläger sieht sich durch dieses Gutachten bestätigt (Blatt 139 der Senatsakte). Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W.vom 17.03.2017 (Blatt 142/144 der Senatsakte) vorgelegt. Dieser hat den Gesamt-GdB selbst unter Zugrundelegung eines GdB von 30 für die seelische Störung auf 40 geschätzt.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 05.04.2017 eingewandt (Blatt 145/146 der Senatsakte) Prof. Dr. E. habe dem Wortlaut der VersMedV entsprechend festgestellt, dass bei ihm "eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" vorliege. In den Bewertungen des Beklagten sei zu beobachten, dass gerade bei psychischen Beeinträchtigungen eine starke Tendenz zur Herabbemessung bis über die Wortlautgrenze hinaus vorliege. Zudem weise Prof. Dr. E. darauf hin, dass die endogene Depression richtigerweise in den Bereich der affektiven Psychosen einzuordnen sei (und damit bei 3.6 der VG). Mit überzeugender Begründung komme er unter strikter Anwendung der VersMedV und ohne Dissimilierung des Krankheitsbildes zu einem GdB von 40 alleine für die psychiatrische Erkrankung. Unbeschadet dessen übersehe der Beklagte, dass sich gerade seelische Störungen und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit erheblichem Schmerzerleben sehr wohl wechselseitig negativ beeinflussten, was selbst unter Zugrundelegung der vom Beklagten angenommenen Teilwerte zu einem Gesamt-GdB von 50 führe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nur teilweise begründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom 21.02.2013 in der Fassung des Bescheides vom 02.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2014 war rechtswidrig, der Kläger wurde durch ihn auch über die Entscheidung des SG hinaus in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung eines GdB vons 40 seit Antragstellung, jedoch nicht auf Feststellung eines GdB von 50. Soweit der Kläger ursprünglich eine GdB-Feststellung rückwirkend ab 2010 begehrt hat, hat er durch seinen Antrag vor dem SG und dem Senat, wo er beantragt hatte, ab 02.01.2013 den GdB festzustellen, sein Begehren konkretisiert und insoweit beschränkt.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst aus Teil-GdB die Einzel-GdB im Funktionssystem zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, auch solche, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern der Gesamt-GdB ist durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen – zu bestimmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung der Teilhabebeeinträchtigungen betreffend das Leben in der Gesellschaft.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 40 ab Antragstellung nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von (großzügigen) 30 anzunehmen. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. H. beim Kläger ein Cervicalsyndrom mit mäßiger linksbetonter Bewegungseinschränkung bei degenerativen Veränderungen und intermittierender sensibler Wurzelirritation C 7, ein Thorakalsyndrom bei Fehlhaltung und mäßigen degenerativen Veränderungen und ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, betont auf die untersten beiden lumbalen Bewegungssegmente mit mäßiger Bewegungseinschränkung aber ohne Anhaltspunkte für Nervenwurzelreiz- oder Nervenwurzelausfallserscheinungen feststellen. Dr. H. hat nach Untersuchung des Klägers hinsichtlich des Rumpfes und der Wirbelsäule einen Beckenhorizontalstand bei abgeflachter Lordoseschwingung der Lendenwirbelsäule, und tendenziell vermehrter Kyphose der oberen Brustwirbelsäule mit Überhang der Halswirbelsäule nach kinnwärts festgestellt. Hinsichtlich der Lendenwirbelsäule verblieb beim Vornüberneigen ein Fingerspitzen-Boden-Abstand von 35 cm. Das Zeichen nach Schober betrug 10/14 cm. Die Seitneigefähigkeit hatte sich bei einem Fingerspitzen-Kniegelenksabstand in aufrechter Stellung von 22 cm mit rechts 11, links 12 cm knapp hälftig eingeschränkt gezeigt. Es bestand hierbei eine eingeschränkte Dehnungsfähigkeit der lumbalen Rückenstreckmuskulatur, bei der Betastung in Bauchlage bestand ein Druckschmerz in Höhe der Etagen L4/5 und L5/S1, rechts gegenüber links und Muskelspannungsstörungen paravertebral beidseits in der unteren Hälfte der Lendenwirbelsäule. An der Lendenwirbelsäule konnte Dr. H. keine bestehenden oder provozierbaren Nervenwurzelausstrahlungen in die Beine angeben. Hinsichtlich der Brustwirbelsäule war die Entfaltbarkeit mit Zeichen nach Ott mit 30/32,5 cm frei, die Rotation des Oberkörpers zur Beckenebene rechts und links mit jeweils 20 Grad, die Rückneigefähigkeit bis 30 Grad angegeben. Eine Tonuserhöhung der paravertebralen Muskulatur bestand in der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule beidseits. Isolierten Schmerzen über den Wirbelverbindungs- oder Rippenwirbelgelenken der Brustwirbelsäule bestanden ebenso wenig wie Thoraxkompressionsschmerzen. Dagegen bestand ein Druckschmerz über den Dornfortsätzen TH7 bis TH11. Hinsichtlich der Halswirbelsäule hat Dr. H. eine linksbetonte Tonuserhöhung und Verkürzung von Trapezius und tiefer Nackenstreckmuskulatur bei druckschmerzhaftem horizontalen Anteil des Trapezmuskels mit Ansatztendopathie an der linken Schulterblattgräte aber keine Muskelansatzschmerzen an der Hinterhauptschuppe angegeben. Isolierten Schmerzen über den Wirbelverbindungsgelenken der Halswirbelsäule bestanden nicht, dafür war linksseitig die Skalenuslücke druckschmerzhaft. Die Beweglichkeit der HWS war mit einem Kinn-Jugulumabstand von 3/17 cm, einer Rotation (rechts/links) von 40/0/60o und einer Seitneigung von (rechts/links) 20/0/30o nicht mittel- sondern nur leichtgradig eingeschränkt. Darüber hinaus konnte Dr. H. weder an den oberen noch den unteren Extremitäten neurologische Ausfälle feststellen. So ist das Zeichen nach Lasègue beidseits negativ, ebenso hinsichtlich der Arme das Hoffmann-Tinnell’sche Zeichen und Fromment’sche Zeichen; auch bestehen an Armen und Beinen weder radikulär bedingte Minderungen der groben Kraft noch sensible Ausfälle. Das wird durch die Bemuskelung beider Arme wie auch die unauffälligen Verarbeitungsspuren bestätigt. Die angegebenen Schmerzen korrelieren zu den röntgenologisch und kernspintomographisch bei Dr. H. erkennbaren degenerativen Veränderungen. Ein aktiv erosiver Prozess der Osteochondrose, also einer degenerativen Bandscheibenschädigung, besteht aber nicht. Es bestehen auch keine Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen. Damit konnte der Senat allenfalls an einem Abschnitt der Wirbelsäule, nämlich der LWS, mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen feststellen; an den anderen beiden Abschnitten der Wirbelsäule bestehen dagegen nur leichtgradige Funktionsbeeinträchtigungen. Soweit Dr. H. die funktionellen Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden an der HWS und der LWS als mittelgradig, an der BWS als geringfügig beschreibt und insgesamt mit einem GdB von 30 bewertet, ist dies nicht zu Lasten des Klägers nach den Feststellungen des Senats rechtswidrig zu niedrig. Denn die Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen der HWS als mittelgradig durch Dr. H. beruht alleine auf der anamnestischen Angabe (vgl. Blatt 38 der Senatsakte = Seite 21 des Gutachtens) von sensiblen Irritationen der Nervenwurzel C7. Zwar passt dies zur Angabe eines bildgebend dargestellten Bandscheibenvorfalls C6/7, doch konnte der Gutachter weder eine Nervenwurzelreizung feststellen, noch Hinweise dafür mitteilen, dass sich dieser Bandscheibenvorfall funktionell auswirkt. So hat Dr. H. weder eine Minderung der Bemuskelung der Arme noch Funktionsbeeinträchtigungen feststellen können; vielmehr hat Dr. H. (Blatt 38 der Senatsakte = Seite 21 des Gutachtens) darauf hingewiesen, dass auch die unauffälligen Verarbeitungsspuren nicht auf ein motorisches Defizit schließen lassen. Insoweit konnte der Senat diesen Zustand gerade noch nicht mit mittelschweren funktionelle Auswirkungen an der HWS feststellen. Insoweit ist die Bewertung von Dr. H. mit einem GdB von 30 im Funktionssystem des Rumpfes als großzügig zu bewerten.
Der Senat entspricht mit dieser Bewertung auch derjenigen von Dr. von L. der die funktionellen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule ebenfalls mit einem GdB von 30 bewertet hatte, und geht über die Bewertung von Dr. H. hinaus. Zuletzt hatte auch Dr. R. für den Beklagten insoweit einen GdB von 30 angenommen. Diese Bewertung ist – wie ausgeführt – nach Überzeugung des Senats jedenfalls nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu niedrig.
Im Funktionssystem der Arme sind das Carpaltunnelsyndrom beidseits und die diskrete Epicondylopathia humero radialis rechts, ohne Funktionsbeeinträchtigung. Auf Grundlage der Untersuchung durch Dr. H. konnte der Senat feststellen, dass alle Gelenke der oberen Extremitäten im Normbereich beweglich waren (vgl. Blatt 28/30 der Senatsakte = Seite 11/13 des Gutachtens), lediglich die Beweglichkeit der Handgelenke ellen-/speichenwärts war mit beidseits 35/0/20o gering eingeschränkt. Ein Kraftverlust an den oberen Extremitäten konnte nicht festgestellt werden. An den Ellenbogengelenken bestand bei der Untersuchung durch Dr. H. rechts gegenüber links ein Druckschmerz über dem äußeren Oberarmknorren, jedoch eine unauffällige Mobilität beider Speichenköpfchen. Im Bereich der inneren Oberarmknorren bestand beidseits kein Druckschmerz. Rechts gegenüber links hat der Kläger dagegen diskrete Schmerzen über der knöchernen Rinne des Nervus ulnaris, ohne Fortleitung ins periphere Ulnarisversorgungsgebiet angegeben. Beim Prüfen der Widerstandstests traten mäßige Schmerzangabe beim Prüfen der Extensorenmuskulatur rechts gegen Widerstand auf. An beiden Händen sind Daumen und alle Langfinger in allen Gelenken aktiv und passiv frei beweglich, die Beuge- und Strecksehnen sind intakt und auch gegen Widerstand schmerzfrei prüfbar. An den Fingergelenken bestehen keine Schwellungen, auch keine Auftreibungen, oder knöcherne Verformungen. Beide Daumen können komplett in die Hohlhand eingeschlagen werden, die große und kleine Faust sind durchführbar. Die Grob- und Feinmotorik ist nicht behindert, Spitz-, Schlüssel- und Hakengriff sind unauffällig. Insgesamt besteht an den oberen Extremitäten keine Minderung der groben Kraft und keine sensiblen Störungen. Die leichten Muskelspannungsstörungen und Dehnungsschmerzen der Extensorenmuskulatur ohne funktionelle Störungen der Ellbogengelenke und ohne Einschränkung der Kraftentwicklung sowie die am linken Ellbogen bestehenden leichten Druckschmerzen über dem Ulnarisnerven und knöchernen Sulcus an der Innenseite des Ellbogens, die keine Fortleitung in die Unterarme gefunden hat, sind funktionell unauffällig. Es besteht keine Schädigung im Ulnarisversorgungsgebiet. Am Carpaltunnel besteht eine symptomfreie Situation mit unauffälliger Motorik und unauffälligem Hoffmann-Tinnel sehen Zeichen. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat für die oberen Extremitäten einen GdB von mindestens 10 nicht annehmen. Mit den zwar schmerzhaften aber bis auf geringe Bewegungseinschränkungen voll funktionsfähigen oberen Extremitäten kann der Kläger sämtliche zum Leben in der Gesellschaft erforderlichen Verrichtungen ausüben, was sich auch daran zeigt, dass er z.B. vollschichtig seiner Arbeit nachgehen kann, und daher allenfalls geringst in seiner Teilhabefähigkeit eingeschränkt ist. Bei dieser Bewertung sieht sich der Senat durch das Gutachten von Dr. H. bestätigt. Auch aus den vorliegenden Befundunterlagen der behandelnden Ärzte ergeben sich keine weitergehenden Anhaltspunkte für funktionelle Störungen.
Soweit teilweise ein GdB von 10 für die Mittelnervendruckschädigung beidseits angenommen worden war, konnte über die bloße Diagnose und zeitweise angegebene Schmerzen hinaus eine tatsächliche funktionelle Beeinträchtigung nicht festgestellt werden die einen GdB rechtfertigt. Dies sieht der Senat auch durch die vollschichtige Tätigkeit des Klägers als Maschinenführer im Zweischichtbetrieb als bestätigt an.
Im Funktionssystem der Beine hat der Senat die Hüftdysplasie rechts sowie das femoropatellare Schmerzsyndrom beidseits mit diskreter Chondromalazie rechts und Zustand nach Meniskusoperation beider Kniegelenke berücksichtigt und mit einem GdB von 10 bewertet. Der Kläger hat beim Gutachter Dr. H. an den unteren Extremitäten einen Schmerz lateralseitig an der rechten Hüfte angegeben. Auf Grundlage des Gutachtens von Dr. H. konnte der Senat feststellen, dass die Hüftgelenksbeweglichkeit beidseits frei ist (Blatt 30/31 der Senatsakte = Blatt 13/14 des Gutachtens). Es besteht lediglich rechts bei der Innendrehung endgradig ein festerer Endanschlag als links mit auslösbaren Schmerzen, korrelierend mit einem beginnenden knöchernen Impingement, das in der Kernspintomographie nachgewiesen worden war. Dieses hat jedoch bisher zu keinem höhergradigen knöchernen Umbau geführt. Damit konnte der Senat eine Versteifung eines oder beider Hüftgelenke, Bewegungseinschränkung eines oder beider Hüftgelenke, eine Hüftgelenksresektion, eine schnappende Hüfte und auch eine Beinverkürzung i.S.d. B Nr. 18.14 VG nicht feststellen. Die Pfannendysplasie ist nach den Angaben des Gutachters Dr. H. geringfügig und muskulär voll kompensiert, wie die unauffälligen Zeichen nach Trendelburg- und Duchenne zeigen. Die Hüftdysplasie ist ohne funktionelle Auswirkungen geblieben, sodass ein GdB nach B Nr. 18.14 VG insoweit nicht angesetzt werden kann. Denn an die leichte Dysplasie der rechten Hüftpfanne mit Verkürzung im kopfnahen Anteil und diskreter Fehlformung (Zentrum-Ecken-Winkel von 15o rechts gegenüber 19o links) sowie kernspintomographisch sehr diskret sichtbaren Umbauvorgänge haben die Stabilitätssituation nicht wesentlich beeinflusst. Auch die Mobilität ist unauffällig. Es finden sich lediglich entsprechende Belastungsschmerzen. Daher konnte der Senat den Teil-GdB insoweit nach B Nr. 18.14 VG lediglich anhand von Instabilität und der Funktionsbeeinträchtigung bemessen; solche lagen aber nicht vor.
An beiden Kniegelenken ist der Kläger meniskusoperiert, rechts ist ein leichter retropatellarer Knorpelschaden vorhanden. Schmerzen gibt der Kläger beim Treppensteigen und beim Knien bei längerer Belastung auf die Außenseite des Femoropatellargelenks lokalisiert an. Es finden sich keine ligamentären Instabilitäten, die Meniskuszeichen sind negativ. Damit sind Schmerzen bei Beugebelastungen grds. nachvollziehbar. Es findet sich jedoch kein chronisches Beschwerdebild, wie es mit einer Gelenkkapselverdickung oder intraarticulärer Flüssigkeitsansammlung bzw. provozierbaren Reibegeräuschen belegbar wäre. Auch die Mobilität/Beweglichkeit beider Kniegelenke ist unauffällig normoton (Blatt 31 der Senatsakte = Seite 14 des Gutachtens). Reizzustände (Schwellungen, Ergussbildungen) bestehen nicht. Der Senat konnte insoweit lediglich ein beidseitiges femoropatellares Schmerzsyndrom mit Schmerzen bei Beugebelastungen und im Rahmen einer Arthroskopie erkannter, aber nicht therapierter leichter Knorpelschädigung feststellen; es liegt mithin keine Versteifung eines oder beider Kniegelenke, keine Lockerung des Kniebandapparates, kein Kniescheibenbruch, keine habituelle Kniescheibenverrenkung und keine GdB-relevante Bewegungseinschränkung im Kniegelenk vor.
Soweit Dr. H. die klinisch geringfügigen Knorpelschäden ohne Bewegungseinschränkung und ohne anhaltenden Reizzustand sowie die (geringen) Beschwerden des rechten Hüftgelenks mit einem zusammenfassenden GdB von 10 bewertet hat, schließt sich der Senat dem an. Höher zu bewertende Funktionsbeeinträchtigungen lassen sich auch nicht aus den von den behandelnden Ärzten vorgelegten Befunden entnehmen. Mit den schmerzhaften aber funktionsbezogen nur geringen Bewegungseinschränkungen, vor allem der Knie, kann der Kläger am Leben in der Gesellschaft teilhaben, der Senat kann insoweit allenfalls eine geringe Beeinträchtigung der Teilhabefähigkeit erkennen.
Im Funktionssystem der Ohren besteht beim Kläger eine beginnende Hörverminderung im Hochtonbereich, sowie ein beidseitiger Tinnitus. Dies hat der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Dr. Z. festgestellt. Die damit verbundenen Funktionsbehinderungen sind mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Die Hörverminderung im Hochtonbereich, mit einem Hörverlust von beidseits 10% (dazu vgl. Blatt 66/67 der Senatsakte = Seite 6/7 des Gutachtens Dr. Z.) kann sich im Umgebungsgeräusch als Verstehensschwierigkeit auswirken, ergibt aber nach der Bewertungstabelle bei B Nr. 5.2.4 VG keinen GdB von 10.
Das beidseits bestehende Ohrgeräusch hat keinen dekompensierten Charakter, wie Dr. Z. mitgeteilt hat, ist also ausreichend kompensiert. Dr. Z. hat hier Überschneidungen mit den seelischen Störungen wie Schlafstörungen, nächtliches Schwitzen, Anzeichen einer depressiven Verstimmung, Existenzsorgen beschrieben. Schlafstörungen, seelische Störungen, depressive Verstimmungen können sich dabei auch auf die Wahrnehmung eines Ohrgeräusches verstärkend auswirken. Jedoch konnte er als auch die psychiatrischen Gutachter nicht objektivieren, dass die Ohrgeräusche die seelischen Verstimmungen hervorrufen.
Zwar hat Dr. Z. den Tinnitus im Hinblick auf die Berücksichtigung der psychischen Folgen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche zur Vermeidung von Doppelbewertungen mit einem GdB von unter 10 angenommen. Dem folgt der Senat aber nicht. Im Hinblick auf die geschilderten Folgebeeinträchtigungen wie z.B. Schlafstörungen, nächtliches Schwitzen usw. konnte der Senat hier einen GdB von 20 annehmen; Überschneidungen mit Funktionsstörungen anderer Funktionssysteme, die auch Dr. Z. angegeben hat, sind dann bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen.
Die stattgehabte Lagerungsschwindelproblematik bedingt keinen weiteren Teil-GdB im Funktionssystem der Ohren. So hat der behandelnde HNO-Arzt Dr. H. schon keine Erkrankung mit einer Dauer von mehr als sechs Monaten (§ 2 Abs. 1 SGB IX) beschreiben können, vielmehr hat er angegeben, dass die Symptomatik nach Behandlung innerhalb weniger Wochen beendet war. Auch hat Dr. Z. in seinem Gutachten darstellen können, dass das Vestibularorgan regelrecht funktioniert. Somit ist eine fassbare Störung des Gleichgewichtssystems nicht feststellbar. Auch Hinweise für eine persistierende Sinusitis bestehen nicht.
Damit konnte der Senat im Funktionssystem der Ohren allenfalls zugunsten des Klägers einen Einzel-GdB von 20 annehmen.
Im Funktionssystem der Atmung besteht beim Kläger eine bronchiale Hyperreagibilität. Diese haben der behandelnde Arzt Dr. H. sowie der Gutachter Dr. S. bestätigt. Weder der Kläger noch Dr. H. haben Anfälle innerhalb von wenigen Monaten beschrieben, auch mehr als geringer Husten und Auswurf sind nicht angegeben. Aus den von Dr. H. vorgelegten Befundunterlagen und seinen Angaben gegenüber dem SG ergeben sich normale Lungenfunktionswerte, die wegen der Hyperreagibilität die Teilhabefähigkeit des Klägers lediglich leicht beeinträchtigen und nach B Nr. 8.2 VG mit dem Beklagten sowie Dr. H. und Dr. S. mit einem GdB von 10 zu bewerten sind.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche besteht beim Kläger eine chronische depressive Verstimmung im Sinne einer Dysthymia am Übergang zu einem chronifizierten leichtgradigen depressiven Syndrom, außerdem hat der Kläger Spannungskopfschmerzen angegeben. Dies konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. S. und den Angaben der behandelnden Ärzte feststellen. So hat der Allgemeinmediziner Dr. U. gegenüber dem SG eine seelische Störung in Form einer Depression mit Ängsten und Schlafstörungen angegeben. Dr. Hauser hat dem SG anamnestisch eine von Dr. S. angegebene Angststörung mitgeteilt. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat eine Angststörung bzw. Angst und depressive Störung gemischt, angegeben (Blatt 45/47 der SG-Akte) und den Kläger mit Angst, Befürchtungen und Besorgtsein aber auch bei den wenigen Konsultationen in den Jahren 2013 bis 2014 als zeitweise subdepressiv, lediglich im Januar 2015 als depressiv beschrieben. Bereits mit Bericht vom 21.10.2015 (Blatt 47 der Senatsakte) hat Dr. S. den Kläger wieder als subdepressiv mit Besserung der Schlafstörung beschrieben. Er hat die seelische Störung als mittel, zeitweise als schwer und den GdB auf mindestens 30 eingeschätzt.
Prof. Dr. E. hat in seinem Gutachten vom 10.01.2017 psychiatrisch ein depressives Syndrom angenommen und diagnostisch als depressive Episode mit somatischem Syndrom im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung bezeichnet. Damit hat er – nur mit anderen Worten – dieselbe Diagnose gestellt, wie Dr. S ... Eine eigenständige Angststörung konnten damit weder Prof. Dr. E. noch Dr. S. feststellen.
An sich wäre der GdB in diesem Funktionssystem mit lediglich 20 festzustellen; dabei hat der Senat die beim Kläger bestehenden psychischen Erkrankungen nach B Nr. 3.7 VG bewertet. Anders als Prof. Dr. E. meint, ist die Bewertung der beim Kläger bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen in Form eines depressiven Geschehens nicht nach B Nr. 3.6 VG vorzunehmen. Darauf hat der Senat bereits wiederholt hingewiesen (vgl. z.B. Senatsurteile 24.06.2016 - L 8 SB 2733/15 – und 26.08.2016 – L 8 SB 3630/14 -). Selbst Prof. Dr. E. hat in seinem Gutachten weder die Diagnose einer Schizophrenie noch eines schizophrenen Residualzustand beschrieben. Soweit er angegeben hat, die von ihm als depressives Syndrom bezeichnete Erkrankung des Klägers sie im traditionellen Sinne eine endogene Depression, eine affektive Psychose, so überzeugt dies nicht.
Während teilweise unterschieden wird, ob die Verlaufsformen der depressiven Störungen chronisch sei, weshalb auf B Nr. 3.7 VG abzustellen sei, oder rezidivierend sei, sodass bei zwischenzeitlicher Remission und einen Verlauf ohne psychotische Symptome nach B Nr. 3.6 VG zu bewerten sei (dazu vgl. SG Aachen 20.09.2016 – S 12 SB 529/15 – juris und Steffens in Nieder/Losch/Thomann, Behinderungen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, Seite. 88), hat die herrschende Rechtsprechung (vgl. etwa Bayerisches LSG 28.07.2011 - L 15 SB 24/07 - juris) auch rezidivierende depressive Störungen nach B Nr. 3.7 VG bewertet. Denn insoweit überzeugt es nicht – worauf auch Prof. Dr. E. hinweist (vgl. Blatt 134/135 der Senatsakte = Blatt 10/11 des Gutachtens) -, wenn bei rezidivierenden Störungen nach zwischenzeitlicher Remission ein GdB-Rahmen ab minimal 30 bis 100 eröffnet ist – wobei auch hier Schwankungen nach A Nr. 2 Buchst. f) VG mit einem Durchschnittswert zu bewerten sind , bei chronischen, also dauerhaft bzw. durchgehend bestehenden Erkrankungen aber der GdB-Rahmen bei 0 beginnt und bereits bei 40 endet (vgl. B Nr. 3.6 VG und B Nr. 3.7 VG). Insoweit kommt eine Bewertung nach B Nr. 3.6 VG nach der Senatsrechtsprechung etwa dann in Betracht, wenn eine schizophrene Störung oder eine psychotische Symptomatik vorliegt (vgl. Senatsurteile vom 24.06.2016 - L 8 SB 2733/15 – und vom 26.08.2016 – L 8 SB 3630/14 -), eine Bewertung nach B Nr. 3.7 VG ist dann anzunehmen, wenn es sich um depressive Erkrankungen handelt, zumal in B Nr. 3.7 VG der Verordnungsgeber auch ausgeprägtere depressive Störungen ausdrücklich benannt hat (vgl. Klammerzusatz zu den wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit). Insoweit ist weniger die Diagnosestellung als die funktionelle Beeinträchtigung der depressiven Erkrankung für die GdB-Bewertung von Bedeutung. Bei dieser Auslegung der VG sieht sich der Senat durch die Anwendungspraxis der Versorgungsverwaltung bestätigt.
Nachdem weder Dr. S. noch Prof. Dr. E. Hinweise für psychotisches Erleben oder andere auf das Vorliegen einer manifesten Psychose hindeutende Umstände mitteilen konnten, kann der Senat die beim Kläger vorliegende Erkrankung nicht als Psychose sondern nur als Depressionserkrankung feststellen. Auch Prof. Dr. E. hat die Erkrankung (Blatt 132 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens) als "depressives Syndrom [ ] als leicht bis mittelschwer einzuschätzen" bezeichnet. Daher konnte der Senat eine Beurteilung als affektive Psychose, die im Hinblick auf den anzuwendenden GdB-Rahmen ab 30 und die darin zum Ausdruck gebrachten Teilhabebeeinträchtigungen ein erhebliches Gewicht haben sollen, nicht vornehmen.
Bei der Untersuchung durch Dr. S. war der Kläger hinsichtlich Gestik und Mimik nicht lebhaft und schaute überwiegend ernst. In der Untersuchungssituation war er jedoch auskunftsbereit und kooperativ. Im interaktionellen Verhalten war der Kläger angemessen, die Sprache war wenig moduliert. Sprechstörungen bestanden. Dr. S. konnte keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration feststellen. Ebenso ließen sich in der Gutachtenssituation keine Gedächtnisstörungen nachweisen. Eine hirnorganisch bedingte psychische Symptomatik lag nicht vor. Im Antrieb war der Kläger angemessen, eine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung lag nicht vor. In der Grundstimmung wirkte der Kläger insgesamt niedergeschlagen, dysthym bis depressiv. Die affektive Resonanzfähigkeit war deutlich eingeschränkt und zum negativen Pol hin verschoben. Eine Affektdurchlässigkeit lag nicht vor. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. Eine Grübelneigung wurde berichtet. Inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen oder dissoziativen Störungen lagen nicht vor. Der Kläger hatte von Schlafstörungen berichtet. Eine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage wurde verneint. Eine Persönlichkeitsstörung oder eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung ergab fand sich nicht.
Prof. Dr. E. hat bei seiner Untersuchung den Kläger als wach, bewusstseinsklar und ohne Vigilanzstörungen beschrieben. Er war zu allen Qualitäten orientiert. Die Auffassungsgabe war nicht beeinträchtigt, Merkfähigkeit und Gedächtnis waren nicht beeinträchtigt, die Konzentrationsfähigkeit jedoch vermindert. Die affektive Schwingungsfähigkeit war deutlich eingeschränkt mit einem deprimierten Affekt, der Antrieb war vermindert mit Energie- und Lustlosigkeit. Es bestand eine psychomotorische Hemmung mit Verlangsamung und Widerstand gegen intendierte Tätigkeiten. Der formale Gedankengang war geordnet, gehemmt mit empfundener Denkverlangsamung und empfundenen Konzentrationsstörungen. Inhaltliche Denkstörungen im Sinne eines Wahns, Störungen der Wahrnehmung und des Ich-Erlebens waren nicht explorierbar. An vegetativen Störungen waren Durchschlafstörungen und sexuelle Störungen angegeben worden.
Zwar hat Prof. Dr. E. im Verhältnis zu Dr. S. zusätzlich ein verminderte Konzentrationsfähigkeit, eine eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit mit einem deprimierten Affekt und einen verminderten Antrieb mit Energie- und Lustlosigkeit bei psychomotorischer Hemmung mit Verlangsamung und Widerstand gegen intendierte Tätigkeiten beschrieben, doch hat er Konzentrationsstörungen und eine Denkverlangsamung nicht objektivieren können, entsprechende Tests hat er – über den BDI, einen Selbstbeurteilungsbogen für depressive Symptome hinaus – nicht durchgeführt, jedenfalls in seinem Gutachten nicht benannt. So spricht Prof. Dr. E. auch (Blatt 129 der Senatsakte = Seite 5 des Gutachtens) nur von einer – gemeint ist: vom Kläger - ",empfundenen" Denkverlangsamung und einer "empfundenen" Konzentrationsstörung. Diese lediglich vom Kläger angegebenen Umstände, hinsichtlich derer der Gutachter Prof. Dr. E. keinen Anlass zu einer weiteren Befunderhebung gesehen hatte, kann der Senat nicht als objektiviert annehmen. Denn auch insoweit widerspricht der bei Prof. Dr. E. empfundene Befund den Befunden des behandelnden Arztes Dr. S ... Dieser hat dem SG selbst im Jahr 2015, in dem er den Kläger als depressiv beschrieben hat, (vgl. Blatt 48 der SG-Akte = Seite 4 seiner Aussage) eine Verlangsamung nicht beschrieben und die Merkfähigkeit sowie das Gedächtnis als unauffällig beschrieben; dass aber seither derartige Veränderungen eingetreten sind, haben weder der Kläger noch Prof. Dr. E. darstellen können. Lediglich die affektive Schwingungsfähigkeit war von Dr. S. als gemindert beschrieben worden. Das aber hat auch Dr. S. beschrieben, als er den Kläger als dysthym bis depressiv bei deutlich eingeschränkter und zum negativen Pol hin verschobenen affektiven Resonanzfähigkeit beschrieben hat
Diese Gesundheitsstörung hat beim Kläger eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht zur Folge.
So hat der Kläger Dr. H. mitgeteilt, im Haushalt würde er allenfalls kleine Hausarbeiten verrichten, momentan habe er "keine Lust wegen der Schmerzen" (Blatt 24 der Senatsakte = Seite 7 des Gutachtens). Dr. S. hat er von Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Grübelneigungen, negativen Gedanken, Konzentrationsproblemen bei der Arbeit, Sorgen, wie es beruflich weitergehe und bezüglich des Hauses, erzählt und angegeben, Arbeiten am Haus verschiebe er immer von einem auf den anderen Tag. Auch hat er eine vermehrte Gereitzheit im Alltag und im häuslichen Umfeld und Druck am Arbeitsplatz sowie Probleme mit den Kollegen aber auch Streit mit der Ehefrau beschrieben. Der Kläger hat dort auch angegeben, einen Bekannten zu haben, der einmal im Monat zu Besuch komme, die sozialen Kontakte hat er insgesamt als "wenig" beschrieben.
Prof. Dr. E. hat der Kläger von seinem vollschichtigen Arbeitsalltag im Zweischichtbetrieb beim Daimler berichtet. Mit dem Hausbau hätten sich Ängste entwickelt. Vorher habe er viel unternommen, dies alles habe jetzt aufgehört. Er komme nicht mehr wirklich aus dem Haus und müsse sich zu allem zwingen. Die Arbeit schaffe er – aber nur unter innerem Zwang. Er schiebe alles auf und könne sich Sachen schlechter merken. Er schlafe nur zwei Stunden, der Tinnitus mache ihm nachts zu schaffen. Er habe innere Unruhe und müsse dann aus dem Bett. Nach der Arbeit mache er zu Hause nichts mehr, es sei total kaputt. Die Bekannten seien alle weg, er fahre nur noch selten nach Polen.
Der Senat berücksichtigt die Angaben des Klägers und stellt insoweit fest, dass sein Tagesablauf durch die körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen zwar beeinträchtigt ist, der Kläger aber noch in der Lage ist, seinen Tagesablauf strukturiert und zielgerichtet um die vorhandenen Erkrankungen und deren Auswirkungen auf den Alltag zu organisieren. So vermag der Kläger – trotz Belastungen am Arbeitsplatz und Sorgen um Haus und Arbeit - seiner vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Er hat zwar - worauf sein Prozessbevollmächtigter zutreffend hingewiesen hat – nur wenige soziale Kontakte, doch lebt der Kläger in seiner Familie nicht völlig zurückgezogen und pflegt den Kontakt zu einem Bekannten, der ihn monatlich besucht. Er nimmt – nach seinen Angaben (Blatt 86 der Senatsakte = Seite 10 des Gutachtens von Dr. S., dem Gutachten von Prof. Dr. E. sind keine abweichenden Angaben zu entnehmen), einmal im Quartal eine Behandlung beim Neurologen und Psychiater Dr. S. in Anspruch, zuletzt sei er vor einem Jahr bei Dr. S. in psychotherapeutischer Behandlung gewesen; die Behandlung wurde nicht weiter geführt, weil der Kläger die sich von der Behandlung versprochenen Ziele nicht erreichen konnte. Auch Dr. S. hat gegenüber dem SG lediglich Behandlungen am 03.12.2012, 04.06.2013, 23.09.2013, 05.05.2014 und 20.01.2015 angegeben. Aus dem Bericht vom 21.10.2015 (Blatt 47/48 der Senatsakte) ergibt sich dann noch eine weitere Untersuchung am 20.10.2015. Insoweit konnte der Senat aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung nicht davon ausgehen, dass das diagnostizierte seelische Leiden des Klägers über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellte (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 L 8 SB 1549/10, juris RdNr. 31). Ein entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre und der in einer regelmäßigen Behandlung zum Ausdruck kommt, findet sich nicht. Umstände, die der fehlenden Behandlung eine andere Indizwirkung zukommen lassen, wie z. B. die Nichtgenehmigung der Behandlung seitens der Krankenkasse oder eine lange Wartezeit vor der Behandlung, sind nicht ersichtlich.
Insoweit hat auch Prof. Dr. E. die Symptomatik beim Kläger als leicht bis mittelschwer bezeichnet (Blatt 132 der Senatsakte = Seite 8 des Gutachtens), denn die Symptome des Klägers seien nicht schwer ausgeprägt und in der globalen Beurteilung seien vom Kläger zumindest noch einige Aktivitäten bzw. die Arbeitsaktivitäten durchführbar.
Im Hinblick auch auf diese Einschätzung von Prof. Dr. E. konnte der Senat im Verhältnis zu den mit einem GdB von 40 zu bewertenden psychischen Störungen stärkerer Art mit aufgehobenen Aktivitäten der von Prof. Dr. E. beschriebenen Art, nicht erkennen, dass der Kläger annähernd gleich schwer funktionell beeinträchtigt ist. Auch spricht für den Senat viel dafür, dass die vorhandenen funktionellen Beeinträchtigungen eher mit einem GdB von 20 zu bewerten sind. Soweit der Beklagte aber angenommen hatte, der GdB sei seit Januar 2015 mit 30 anzunehmen, ist dies jedenfalls nicht zu Lastend es Klägers rechtswidrig zu niedrig. Auch im Hinblick auf den rezidivierenden und mithin im Ausmaß und den Funktionsbeeinträchtigungen schwankenden Verlauf war nach A Nr. 2 Buchst. f) VG ein Durchschnitts-GdB anzunehmen, der den Wert von 30 an sich nicht voll ausfüllt.
Soweit der behandelnde Arzt Dr. Schad den GdB mit 30 angenommen hat, würde an sich die fehlende kontinuierliche und regelmäßige Behandlung der Erkrankung dieser Bewertung entgegenstehen. Auch dass der Kläger die mündliche Verhandlung vor dem Senat wegen einer angegebenen Anspannung und Angst – der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung von einer kurzfristigen Dekompensation gesprochen , so bedeutet dies weder eine Verstärkung der Beschwerden noch eine höhere Bewertung des GdB. Denn die Anspannung vor dem Verhandlungstermin und dessen Ergebnis sind keinen dauerhaft verbleibenden Behinderungen, sondern gehen mit dem Termin vorüber.
Soweit Prof. Dr. E. mit seinem bloßen Hinweis darauf, dass er zwar von den anderen Beurteilungen abweiche, aber nicht gesagt werden könne, ob dies daran liege, dass er die Befunde aktuell anders bzw. genauer erhoben habe oder ob die Symptome früher nicht vorhanden gewesen seien waren, kann der Senat daraus keine Verschlechterung der psychischen Erkrankung feststellen, weshalb auch seit Januar 2015 kein höherer Teil-GdB angewachsen ist.
Der Senat sieht sich durch die Ausführungen des Versorgungsarztes Dr. W. bestätigt. Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 17.03.2017 darauf hingewiesen, dass der von Prof. Dr. E. angegebene Teil-GdB von 40 der Obergrenze des Ermessensspielraumes für eine stärker behindernde seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entspreche und eine anhaltende derart ausgeprägte seelische Störung jedoch nicht feststellbar sei.
Der bei Dr. S. berichtete Spannungskopfschmerz kann aufgrund der insgesamt geringeren Schmerzintensität und Behinderung nicht analog zur echten Migräne nach B Nr. 2.3 bewertet werden. Vielmehr ist dieser, da sonst keinem Funktionssystem zuzuordnen, im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche nach B Nr. 3.7 VG entsprechend der funktionellen Auswirkungen zu bewerten. Da im Verhältnis zu der mit einem GdB von 20 bewerteten depressiven Erkrankung keine weitergehenden Funktionsbeeinträchtigungen durch den Spannungskopfschmerz ersichtlich sind, erhöht sich der in diesem Funktionssystem zu bildende Einzel-GdB nicht auf mehr als 20.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der so medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 0 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Ohren, - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Atmung und - 30 seit Januar 2015 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche.
Beim Kläger ist vorliegend von nur einem zu berücksichtigenden Einzel-GdB von 30 und jedenfalls ab Januar 2015 zwei GdB von 20 auszugehen ist; es liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirkten. Vor diesem Hintergrund konnte der Senat lediglich einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 SGB IX i.H.v. 40 feststellen.
Für die Zeit ab Antragstellung am 02.01.2013 ergibt sich dieser Gesamt-GdB aus dem seit Januar 2013 angenommenen GdB von 30 für die Wirbelsäule und dem GdB von 20 für den Tinnitus mit seinen erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen. Dabei ist der Tinnitus bei erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen, wie sie der Kläger mit Schlafstörungen usw. beschrieben hatte, wegen der Vorgaben nach B Nr. 5.3 VG mit 20 zu bewerten, ohne dass es auf die Qualität und weitere Art der Begleiterscheinungen ankäme. Daraus ergibt sich für den Senat ein Gesamt-GdB von 40.
Für die Zeit ab 01.01.2015, als sich die depressive Erkrankung gezeigt hatte (vgl. Aussage Dr. S. gegenüber dem SG, der zuvor lediglich eine Subdepressivität angenommen hatte), ist der Gesamt-GdB aber ebenfalls auf 40 zu bestimmen. Zwar ist die depressive Erkrankung, die mit einem überschießenden GdB von 30 bewertet wurde, hinzugekommen, doch sind in dem GdB für das Funktionssystem der Ohren (Tinnitus) im Wesentlichen die psychischen Auswirkungen des Tinnitus berücksichtigt, die sich voll mit den funktionellen Beeinträchtigungen der depressiven Erkrankung überschneiden. So hat Dr. Z. in seinem Gutachten angeben können, dass solche Überschneidungen bestehen aber die Depression nicht durch den Tinnitus verursacht wird.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG die Schwerbehinderteneigenschaft, mithin einen GdB von 50, vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. Zwar hat der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sich die Folgen der Depressivität und der Schmerzen gegenseitig verstärkten, auch wenn keine besondere Schmerzhaftigkeit festgestellt sei. Doch sieht der Senat diese eigene Wahrnehmung von Schmerzen bei Depressivität als bereits durch den nach B Nr. 3.7 VG festgestellten GdB berücksichtigt. Denn eine eigene Schmerzwahrnehmung ist gerade typisch für Depressionen, typische Krankheitsfolgen sind aber bereits in dem jeweiligen GdB erfasst.
Auch konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger, der seinen vollschichtigen Arbeitsalltag meistert, in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vergleichbar schwer funktionell beeinträchtigt ist, wie ein Mensch mit einer schweren Störung i.S.v. B Nr. 3.7 VG (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten oder einer langdauernden (über ein halbes Jahr anhaltenden) Psychose im floriden Stadium, für die die VG jeweils GdB-Rahmen ab 50 eröffnen. Auch im Vergleich zu den eher körperlich orientierten Funktionsbehinderungen, für die der Verordnungsgeber in den VG einen GdB von 50 vorgesehen hat, konnte der Senat den Kläger nicht entsprechend schwer teilhabebeeinträchtigt sehen.
Die Berufung war daher bis zum 31.12.2014 mit einem GdB von 40 begründet, im Übrigen unbegründet und zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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