L 3 U 4821/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 337/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 4821/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherter Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit unterscheidet sich von einem nach § 8 Abs. 1 SGB VII zu beurteilenden Beriebsweg dadurch, dass er der versicherten Tätigkeit lediglich unmittelbar vorangeht oder sich ihr anschließt.2. Das Verlassen des Arbeitsplatzes, um "frische Luft zu zu schnappen" oder nach dem Fahrrad, mit dem der Weg zum Arbeitsplatz zurückgelegt wurde und das gelegentlich für betriebliche Zwecke genutzt wird, zu sehen, stellt eine erhebliche Unterbrechung der versicherten Tätigkeit dar.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall streitig.

Die im Jahr 1965 geborene Klägerin ist als Verwaltungsmitarbeiterin bei der Volkshochschule A. beschäftigt. Nach den gegenüber der Beklagten gemachten telefonischen Angaben ihrer Vorgesetzten befand sich die Klägerin am Samstag, den 29.06.2013, im Verwaltungsgebäude einer Sparkasse, in dem sich auch Büroräume der Volkshochschule A. befinden. Sie habe dort nach dem Wochenende beginnende Kurse vorbereiten wollen. Sie habe sich mit zwei Ordnern vom zweiten Stock zu dem zum Parkplatz der Sparkasse führenden Hinterausgang begeben, um nach ihrem Fahrrad zu schauen. Dabei sei die Türe ins Schloss gefallen. Da sie für diese Türe keinen Schlüssel gehabt habe und es für sie auch nicht möglich gewesen sei, den umzäunten Parkplatz der Sparkasse zu verlassen, habe sie versucht, über den Zaun zu klettern. Dabei habe sie sich an einem Finger verletzt. In der sodann aufgrund der Schilderungen der Klägerin gefertigten Unfallanzeige hat die Volkshochschule A. ergänzend ausgeführt, die Klägerin habe das Gebäude für einen Moment durch den als Fluchtweg dienenden Seiteneingang verlassen wollen, um "frische Luft zu schnappen". Im weiteren Verlauf gab die Klägerin an, als sie, sich noch im Treppenhaus befindend, bemerkt habe, dass draußen Wind aufgekommen sei und es zu regnen begonnen habe, habe sie nach ihrem an einem unüberdachten Fahrradständer abgestellten Fahrrad, mit dem sie gekommen sei, schauen wollen, um dieses eventuell ins Trockene zu stellen.

Nach den Angaben des B.-Klinikums A.-Gengenbach zog sich die Klägerin bei dem Unfall eine Amputation des Endglieds des rechten Ringfingers zu.

Mit Bescheid vom 09.08.2013 lehnte die Beklagte die Feststellung des Ereignisses vom 29.06.2013 als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, dass sie sich auf einem aus rein eigenwirtschaftlichen Gründen zurückgelegten Weg befunden habe. Zum Unfallzeitpunkt habe sich die Klägerin bereits von der versicherten Tätigkeit gelöst und sich einer unversicherten Tätigkeit zugewandt, welche dem persönlichen Lebensbereich eines Beschäftigten zuzurechnen und von der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit zu weit entfernt sei, als dass sie dieser zugerechnet werden könnte. Im Widerspruchsverfahren wies die Klägerin darauf hin, sie sei bei dem Versuch verunglückt, wieder an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Ob das Verlassen des Gebäudes einer privaten Verrichtung gedient habe, könne dahinstehen. Denn jedenfalls habe sie sich ab dem Zeitpunkt, als die Tür zum Gebäude zugefallen sei, ausschließlich einer ganz und gar betriebsbezogenen Tätigkeit zugewandt, nämlich dem Wiedererreichen ihres Arbeitsplatzes. Darüber hinaus habe sie sich am Unfalltag alleine im Verwaltungsgebäude befunden und daher die ausschließliche betriebsbezogene Verantwortung gehabt, sich um die Verhältnisse vor Ort zu kümmern. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die von der Klägerin verfolgte Absicht zur Sicherung ihres Eigentums sei dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Es handele sich auch nicht um einen Sachverhalt, der als Wegeunfall zu beurteilen sei. Der vorliegende Sachverhalt sei vielmehr unter dem rechtlichen Aspekt eines Betriebsweges zu beurteilen.

Hiergegen hat die Klägerin am 20.01.2014 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Sie habe ihr Fahrrad seit Beginn ihrer Tätigkeit bei der Volkshochschule A. auch dienstlich genutzt, nämlich zu Botenfahrten in die beiden anderen Niederlassungen der Volkshochschule, zur Post und zur Buchhandlung. Daher habe die Nachschau nach dem Fahrrad wesentlich auch dienstlichen Zwecken gedient. Selbst wenn man wie die Beklagte davon ausgehe, dass sie ihre dienstliche Tätigkeit zu Gunsten einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit unterbrochen habe, so wäre diese Unterbrechung nach Zweck, Inhalt und Dauer so unerheblich, dass sie keinerlei Zäsur in der betrieblichen Beschäftigung bedeutete. Komme man schließlich mit der Beklagten zu dem Schluss, dass es sich einerseits um eine privatwirtschaftliche Tätigkeit und andererseits um eine erhebliche Unterbrechung gehandelt habe, so hätte sich der Unfall auf einem Betriebs- oder Dienstweg zugetragen, wäre aber jedenfalls als Wegeunfall zu betrachten. Spätestens durch das Zuschlagen der Tür und die damit verbundene Aussperrung sei dann eine Zäsur in ihrer Handlung eingetreten. Nach diesem Zeitpunkt habe es ihr nämlich nicht mehr um die Sicherstellung des Fahrrades gehen können, sondern ausschließlich um die Rückkehr in das Betriebsgebäude und an den Arbeitsplatz.

Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, es sei nun erstmals vorgetragen worden, dass die Klägerin ihr Fahrrad auch dienstlich genutzt habe. Unterstellt, dass dies zuträfe, sei jedenfalls davon auszugehen, dass dies am Unfalltag nicht der Fall gewesen sei. Auch habe die Klägerin das Gebäude verlassen, weil sie bemerkt habe, dass ein Gewitter aufziehe. Ein betrieblicher Zusammenhang unter dem Aspekt eines dienstlich genutzten Fahrrades oder Dienstfahrrades lasse sich unter diesen Umständen nicht herstellen. Bei dem beabsichtigten Stellplatzwechsel handele es sich auch nicht um eine unerhebliche Unterbrechung, die die Klägerin gleichsam "im Vorbeigehen" hätte erledigen können. Schließlich handele es sich auch nicht um einen Wegeunfall, denn die Klägerin habe vor der Unterbrechung bereits ihre Tätigkeit aufgenommen, so dass sie sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem Weg zur oder von der Arbeit befunden habe.

Das SG hat am 01.10.2015 einen Erörterungstermin durchgeführt und mit Urteil vom 22.11.2016 die Klage abgewiesen. Die unmittelbar dem Unfallereignis vorangegangene Verrichtung der Klägerin - das Übersteigen des Zaunes - erfülle keinen gesetzlichen Versicherungstatbestand. Diese Verrichtung erfülle insbesondere nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beschäftigung. Denn die Klägerin sei zum Übersteigen des Zaunes offenkundig weder objektiv arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, noch habe sie eine solche Verpflichtung nach den Umständen annehmen können, noch sei diese Verrichtung in Ausübung unternehmensbezogener Rechte aus dem Arbeitsverhältnis erfolgt. Die unfallbringende Verrichtung sei auch nicht als Teil des Zurücklegens eines in die versicherte Tätigkeit eingeschobenen und im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegten Betriebsweges versichert gewesen. Für die versicherungsrechtliche Beurteilung seien Betriebswege als Ganzes zu würdigen und nicht etwa hinsichtlich des Hin- und Rückwegs aufzuspalten. Da sich die Klägerin von ihrem Arbeitsplatz in den Hof begeben habe, um nach ihrem Fahrrad zu sehen und es ins Trockene zu stellen - was keinen Bezug zu ihrer versicherten Beschäftigung aufweise -, und anschließend an ihren Arbeitsplatz habe zurückkehren wollen, um ihre versicherte Tätigkeit fortzusetzen, handele es sich bei dem beabsichtigten Weg um eine sogenannte Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz beziehungsweise mit gemischter Motivationslage. Nach den objektiven Umständen stehe das Übersteigen des Zaunes nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit in Form der Vorbereitung von Volkshochschulkursen. Denn dieser Zweck erkläre für sich genommen nicht, dass die Klägerin das Gebäude durch einen Seitenausgang wieder verlassen habe, wenn auch bereits in der Absicht, an den Arbeitsplatz zurückzukehren und die versicherte Tätigkeit fortzusetzen. Vielmehr sei der Zielort dieses Weges - der Hinterhof - ausschließlich zu dem eigenwirtschaftlichen Zweck aufgesucht worden, das Fahrrad vor dem Regen zu schützen. Mithin habe dieser Weg seinen hauptsächlichen Motivationsgrund in dieser unversicherten Absicht gefunden. Betriebliche Erfordernisse, die es notwendig gemacht hätten oder für die es auch nur sinnvoll gewesen wäre, die Vorbereitung der Kurse für einen eingeschobenen Gang in den Hof zu verlassen, seien nicht ersichtlich. Die Klägerin habe sich auch nicht auf einem mit dem Verwahren, Befördern, Instandhalten oder Erneuern eines Arbeitsgeräts zusammenhängenden versicherten Weg befunden. Denn das Fahrrad der Klägerin sei im Unfallzeitpunkt kein Arbeitsgerät gewesen. Voraussetzung hierfür sei die hauptsächliche, nahezu ausschließliche Nutzung des Gegenstandes für die versicherte Tätigkeit. Die dargelegte gelegentliche Nutzung des Fahrrades der Klägerin für Zwecke der Volkshochschule genüge hierfür jedenfalls nicht. Schließlich habe es sich auch nicht um einen der versicherten Tätigkeit vorausgehenden oder sich ihr anschließenden Wegeunfall gehandelt.

Gegen das ihr am 15.12.2016 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 27.12.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie führt erneut aus, sie sei verpflichtet gewesen beziehungsweise habe sich verpflichtet fühlen dürfen, Maßnahmen zu ergreifen, um wieder an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Ferner sei aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls eine unterschiedliche Betrachtung von Hin- und Rückweg vorzunehmen. Wolle man dem Kontrollgang jeglichen betrieblichen Bezug absprechen, so handele es sich dabei jedenfalls um eine unerhebliche Unterbrechung der dienstlichen Tätigkeit. Im Übrigen handele es sich bei dem Fahrrad aufgrund der zwar gelegentlichen aber doch regelmäßigen Nutzung zu betrieblichen Zwecken um ein Arbeitsgerät.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2013 aufzuheben und das Ereignis vom 29. Juni 2013 mit Amputationsverletzung des Endgliedes des rechten Zeigefingers als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des SG sei zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund dessen, dass das SG nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten hierzu vorher gehört hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Urteils des SG vom 22.11.2016, mit dem die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2013 abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Aufhebung dieses Bescheides und die Feststellung des Ereignisses vom 29.06.2013 als Arbeitsunfall. Diese prozessualen Ziele kann die Klägerin zulässigerweise gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage verfolgen (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - juris).

Die Beklagte hat zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 29.06.2013 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) abgelehnt.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts. Nach § 2 Nr. 1 SGB VII sind Beschäftigte kraft Gesetzes versichert.

Für einen Arbeitsunfall ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - juris; BSG Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - juris; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Feststellung des Ereignisses vom 29.06.2013 als Arbeitsunfall nicht gegeben.

Nach den Angaben der Klägerin und ihrer Vorgesetzten sowie ihres Arbeitgebers im Verwaltungsverfahren stellt der Senat folgenden Sachverhalt fest: Die bei der Volkshochschule A. als Verwaltungsmitarbeiterin beschäftigte Klägerin fuhr am 29.06.2013 mit dem Fahrrad, das sie auch dienstlich zu Botenfahrten in die beiden anderen Niederlassungen der Volkshochschule, zur Post und zur Buchhandlung nutzt, zu ihrem in einem Gebäude einer Sparkasse befindlichen Arbeitsplatz, um dort nach dem Wochenende beginnende Kurse vorzubereiten. Sie stellte ihr Fahrrad in dem Hof hinter dem Gebäude ab. Während der Arbeit verließ sie das Gebäude durch einen zu diesem Hof gelegenen Seitenausgang, um entweder 1.) "frische Luft zu schnappen" oder 2.) wegen aufkommenden Windes sowie begonnenen Regens nach ihrem Fahrrad zu sehen und es gegebenenfalls ins Trockene zu stellen oder 3.) sich wegen innegehabter ausschließlicher betriebsbezogener Verantwortung um die Verhältnisse vor Ort zu kümmern. Dabei fiel die Tür durch einen Windstoß zu. Da die Klägerin über keinen Schlüssel für diesen Ausgang verfügte und der durch diese Tür erreichbare Teil des Hofes als Privatparkplatz der Sparkasse durch einen zwei Meter hohen Zaun vom übrigen Hof abgetrennt war, versuchte die Klägerin, über diesen Zaun zu klettern, um durch den Haupteingang wieder in das Gebäude zu gelangen. Dabei rutschte sie ab und erlitt eine Amputationsverletzung des Endgliedes ihres rechten Zeigefingers.

Die Klägerin war zwar als Verwaltungsmitarbeiterin der Volkshochschule A. Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und damit grundsätzlich unfallversichert. Sie hat auch infolge des Sturzes eine Amputationsverletzung des Endgliedes ihres rechten Zeigefingers und damit einen Unfall erlitten.

Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall.

Die Verrichtung der Klägerin zur Zeit des Unfallereignisses stand nicht in einem inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung.

Die Klägerin befand sich nicht auf einem mit der versicherten Tätigkeit "zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit" im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Diese Formulierung kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang der unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungshandlung mit der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit. Ein nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherter Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit unterscheidet sich von einem Betriebsweg dadurch, dass er der versicherten Tätig¬keit ledig¬lich unmit¬tel¬bar vor¬an¬geht oder sich ihr anschließt (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R - juris; BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - juris; BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 35/08 R - juris; BSG, Urteil vom 07.11.2000 - B 2 U 39/99 R - juris). Vorliegend ging aber das Hochklettern des Zaunes nicht der von der Klägerin beabsichtigten Vorbereitung von Kursen lediglich unmittelbar voran. Vielmehr wurde die Vorbereitung von Kursen durch das Verlassen des Gebäudes unterbrochen, so dass diese Fallgestaltung nicht nach den für die Beurteilung eines Wegeunfalls im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sondern nach den für die Beurteilung eines Betriebsweges entwickelten Kriterien zu prüfen ist.

Ein unfallversicherter Betriebsweg liegt vor, wenn er in unmit¬tel¬bar dem Unter¬neh¬men zu die¬nen bestimm¬ter Hand¬lungs¬ten¬denz, bei Beschäf¬tig¬ten regel¬mä¬ßig in Erfül¬lung einer Pflicht aus dem Beschäf¬ti¬gungs¬ver¬hält¬nis, zurück¬ge¬legt wird (BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R - juris; BSG, Urteil vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - juris). Demgegenüber liegt ein nicht-unfallversicherter Weg vor, wenn durch ihn eine versicherte Tätigkeit wegen einer privaten Verrichtung erheblich unterbrochen wird. Eine privaten Zwecken dienende, unerhebliche Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz fortbesteht, liegt dagegen vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit geführt haben. Die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen findet ihre Rechtfertigung darin, dass die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Verrichtung der wesentliche Grund dafür ist, dass der Versicherte in dieser Situation ist, in der er dann ganz nebenher oder im Vorbeigehen die private Verrichtung ausübt. Dabei wird nicht nur auf einen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang, wie zum Beispiel die bloße Anwesenheit am Arbeitsplatz, abgestellt, sondern es wird auch berücksichtigt, ob eine praktisch andauernde Ausübung einer versicherten Verrichtung, in die eine räumliche und zeitliche unerhebliche private Verrichtung eingeschoben wird, vorliegt. Letztlich handelt es sich um Fallgestaltungen, in denen die versicherte Verrichtung und die private Verrichtung als tatsächliches Geschehen nur sehr schwer voneinander zu trennen sind (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 3/13 R - juris; BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R - juris; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - juris; BSG, Urteil vom 11.08.1998 - B 2 U 29/97 R - juris; BSG, Urteil vom 18.12.1974 - 2 RU 37/73 - juris; BSG, Urteil vom 29.02.1972 - 2 RU 27/68 - juris).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liegt hier eine erhebliche Unterbrechung der versicherten Tätigkeit vor. Die Klägerin verließ ihren Arbeitsplatz im Gebäude der Sparkasse, an dem sie Kurse vorbereitete, um "frische Luft zu schnappen" oder nach dem Fahrrad zu schauen. Dabei war ihre Handlungstendenz ausschließlich auf einen eigennützigen Zweck gerichtet. Eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung wollte die Klägerin dabei nicht ausüben. Dies gilt zunächst für die Sachverhaltsvariante, dass die Klägerin das Gebäude verließ, um "frische Luft zu schnappen." Anhaltspunkte dafür, dass betriebsbedingte Gründe für eine erforderliche Frischluftzufuhr außerhalb des Gebäudes verantwortlich waren, sind nicht gegeben. Selbst wenn die Klägerin das Sparkassen-Gebäude tatsächlich verlassen haben sollte, um nach ihrem Fahrrad zu schauen, so vermag der Senat ihrer Argumentation, es handele sich bei dem Fahrrad um ein Arbeitsgerät nicht zu folgen. Zwar wird nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGBG VII der Versicherungsschutz auf einen sonst unversicherten privaten Bereich ausgedehnt, wenn sich der Versicherte beim Verwahren oder Instandhalten eines Arbeitsgerätes verletzt. Ein Gegenstand ist aber nur dann ein Arbeitsgerät, wenn er objektiv für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit geeignet ist und hauptsächlich, also erheblich überwiegend, für die versicherte Tätigkeit gebraucht wird (BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/ 10 R - juris; BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R - juris; BSG, Urteil vom 12.06.1990 - 2 RU 57/89 - juris), wobei zu beachten ist, dass die Verwendung für den Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII keine betriebliche Nutzung darstellt (BSG, Urteil vom 17.12.1975 - 2 RU 77/75 - juris). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien handelt es sich bei dem Fahrrad der Klägerin nicht um ein Arbeitsgerät. Die dargelegte gelegentliche Nutzung des Fahrrades der Klägerin für Zwecke der Volkshochschule genügt hierfür jedenfalls nicht. Mithin unterbrach die Klägerin ihre dem Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit aus privaten Gründen, selbst wenn sie tatsächlich beabsichtigt haben sollte, nach ihrem Fahrrad zu schauen. Ferner ist der Senat der Überzeugung, dass die erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragene Argumentation, die Klägerin habe aufgrund dessen, dass sie sich am Unfalltag alleine im Verwaltungsgebäude befunden habe, die ausschließliche betriebsbezogene Verantwortung gehabt, sich um die Verhältnisse vor Ort zu kümmern, nicht zutrifft. Ein derartiger betrieblicher Auftrag lässt sich den Akten, insbesondere der von der Volkshochschule A. gefertigten Unfallanzeige, nicht entnehmen.

Für diese private Verrichtung unterbrach die Klägerin ihre Arbeitstätigkeit im Gebäude der Sparkasse nicht nur geringfügig. Sie entfernte sich in räumlicher Hinsicht über zwei Stockwerke nach draußen von ihrem Arbeitsplatz. Die Klägerin setzte dadurch zwischen der betrieblichen Tätigkeit und ihrer privaten Tätigkeit eine deutliche Zäsur, die eine deutliche Trennung zwischen versicherter und unversicherter Tätigkeit ermöglicht. Auch in zeitlicher Hinsicht lag nicht nur eine geringfügige Unterbrechung vor. Denn der Weg nach draußen beziehungsweise zum Fahrrad dürfte mehrere Minuten gedauert haben. In Anbetracht dieser Gesamtumstände kann der Weg nach draußen nicht als Verrichtung betrachtet werden, die "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt wurde. Die Unterbrechung der versicherten Tätigkeit hätte bei natürlicher Betrachtung nicht mit dem Ende des "Schnappens frischer Luft" beziehungsweise Versorgens des Fahrrades geendet, sondern erst mit der Rückkehr zu dem zuvor verlassenen Arbeitsplatz, so dass das Unfallereignis auf dem Rückweg nicht der versicherten Tätigkeit zugerechnet werden kann (Keller in Hauck/Noftz, SGB, Stand 05/2015, § 8 SGB VII Rn. 37a; Hessisches LSG, Urteil vom 17.09.2013 - L 3 U 33/11 - juris). Vor diesem Hintergrund ist der Senat - ebenso wie das SG - der Überzeugung, dass das Tun der Klägerin nicht in einen dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnenden Hinweg, um "frische Luft zu schnappen" oder nach dem Fahrrad zu schauen, einerseits und in einen dem unfallversicherten Bereich zuzuordnenden Rückweg zum Arbeitsplatz andererseits aufzuspalten ist. Vielmehr ist der Gesamtweg als eine Einheit zu fassen und dabei danach zu fragen, ob der Hin- und Rückweg eine erhebliche oder unerhebliche Unterbrechung einer wesentlich dem Unter¬neh¬men zu die¬nen bestimm¬ter Tätigkeit darstellt.

Im vorliegenden Fall kann der Versicherungsschutz auch nicht bejaht werden, weil betriebliche Gefahren bei dem Unfall mitgewirkt haben. Denn es gibt keinen sogenannten Betriebsbann, nach dem der Versicherungsschutz im Falle der Einwirkung besonderer, dem Betrieb eigentümlicher Gefahren auch auf Unfälle bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten erstreckt wird. Maßgebend für den Versicherungsschutz ist daher nicht, ob der Beschäftigte bei einer privaten Verrichtung auf betriebliche Einrichtungen und daraus möglicherweise resultierende besondere Gefahren stößt. Versicherungsschutz wegen einer besonderen Betriebsgefahr ist nur anzunehmen, wenn auf den mit einer privaten Verrichtung befassten Versicherten im räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes eine solche Gefahr einwirkt, ohne dass diese private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen hat (BSG, Urteil vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R - juris). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor, weil die private Verrichtung, die die Klägerin veranlasst hat, den Zaun hoch zu klettern, wesentlich zum Unfall beigetragen hat.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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