Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 668/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3239/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.06.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines am 24.06.2008 erlittenen Zeckenbisses streitig.
Die am 1959 geborene Klägerin ist bei der Straßenmeisterei des Landratsamts M.-T.-Kreis als Verwaltungsangestellte beschäftigt.
Am 04.07.2007 stellte sich die Klägerin erstmals bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vor und beklagte seit einem Vierteljahr bestehende Taubheitsgefühle im Bereich der Zehen beidseits sowie ein Taubheitsgefühl an der Radialseite des Daumenendgliedes links. Zudem habe sie bei längerem Sitzen manchmal auch Schmerzen im Unterschenkel beidseits. Dr. E. ging nach neurologischer Untersuchung, bei der sich die Achillesehnenreflexe beidseits nicht auslösen ließen, die Patellarsehnenreflexe nur schwach erhältlich waren, ein gestörtes Berührungsempfinden im Bereich der Zehen angegeben wurde, das Vibrationsempfinden im Fußbereich beidseits hochgradig und das Kalt-Warm-Empfinden gemindert war, diagnostisch von einer Polyneuropathie unklarer Ursache aus (vgl. Auskunft des Dr. E. vom 01.08.2013, Bl. 200 ff. SG-Akte). Die nachfolgend durchgeführten laborchemischen Untersuchungen ergaben eine Blutsenkungsbeschleunigung sowie einen erhöhten CRP-Wert als Hinweis auf eine Entzündung als mögliche Ursache der Polyneuropathie. Die Beschwerden besserten sich nach Cortisongabe fast komplett, traten nach Absetzen des Medikaments jedoch erneut auf. Anlässlich seiner nachfolgenden Untersuchung am 11.01.2008 zeigte sich Dr. E. wiederum das zuvor erhobene neuropathische Bild und er hielt an der gestellten Diagnose fest. Da die Laborwerte auf eine rheumatische Erkrankung hinwiesen, stellte sich die Klägerin zur weiteren Abklärung des Krankheitsbildes am 26.03.2008 in der Medizinischen Klinik des Krankenhauses J. in W. vor. Sie berichtete über reißende, nicht immer vorhandene Schmerzen von den Fingern bis zu den Ellenbogen, die oft mit einer Schwellung der Finger verbunden seien, sowie über ein Taubheitsgefühl der Zehen und am Fußrücken. Bei längerem Sitzen habe sie zudem Schmerzen am Schienbein. Nach klinischer Untersuchung gingen die hinzugezogenen Ärzte von einer symmetrischen Arthritis der Fingergelenke im Sinne einer chronischen Polyarthritis aus, die meist erst im Verlauf mit einer Polyneuropathie einhergehe. Sie empfahlen eine Komplettierung der Diagnostik und die Einleitung einer Basistherapie, bspw. mit Resochin (vgl. Arztbrief vom 03.04.2008, Bl. 33 ff. VerwA).
Am 24.06.2008 nahm die Klägerin am jährlichen Betriebsausflug des Landratsamts M.-T.-Kreis teil, zu dem ein Besuch des Schlossparks in W. gehörte, in dem Parkführungen stattfanden und auf Grünflächen oder unter Bäumen Kaffee und Kuchen gereicht wurde.
Am 06.10.2008 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. E. vor und klagte über unverändert bestehende Beschwerden (Taubheitsgefühle in den Füßen, geringer auch in den Händen). Sie gab an, Resochin aus Angst vor Nebenwirkungen nicht genommen zu haben. Dr. E. ging nach klinischer Untersuchung (fehlende Achillesehnenreflexe, angedeutet auslösbare Patellarsehnenreflexe, Vibrations- und Kalt-Warm-Empfinden gemindert, sockenförmig reduziertes Berührungsempfinden) weiterhin von einer Polyneuropathie aus, vermutlich im Rahmen einer primär chronischen Polyarthritis (PCP). Da die Klägerin sich mit den Zusammenhängen nicht abfinden konnte und eine weitere Abklärung wünschte, überwies Dr. E. sie in die Klinik für Neurologie des C. -Krankenhauses Bad M. (vgl. Arztbrief vom 07.10.2008, Bl. 13 VerwA), wo sie vom 21. bis 27.10.2008 stationär behandelt wurde. Anlässlich der stationären Aufnahme berichtete die Klägerin von der zunehmenden Entwicklung eines Taubheitsgefühls mit Schwerpunkt an den Fußsohlen, links mehr als rechts, seit ca. zwei Jahren, das am Vorfuß begonnen habe, wobei es in den letzten drei Monaten nochmals zu einer Verschlechterung gekommen sei. Die behandelnden Ärzte sahen als Ursache der Beschwerden eine überwiegend axonale sensomotorische Polyneuropathie, die sie durch die erfolgte Neurographie bestätigt sahen. Im Rahmen der weiteren diagnostischen Abklärung fand sich bei der Borrelien-Serologie der Immunglobulin(Ig)G-Wert und die Liquorpunktion negativ, lediglich in Bezug auf IgM, bestätigt im Westernblot, ergab sich ein positiver Befund (weitere Diagnose insoweit: seronegative rheumatoide Arthritis bei IgM-Positivität gegen Borrelien). Unter der Annahme einer eventuellen Kausalität der erhöhten IgM-Titer gegen Borrelien wurde nach Entlassung im ambulanten Bereich mit einer antibiotischen Therapie mit Refobacin begonnen (vgl. Entlassungsbericht vom 13.11.2008, Bl. 14 VerwA).
Am 28.11.2008 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige des Personalamts des Landratsamts M.-T.-Kreis (vgl. Bl. 1/2 VerwA) ein, der als Anlage die Unfallschilderung der Klägerin beigefügt war, in der sie über den Betriebsausflug am 24.06.2008 berichtete und ausführte, am Abend dieses Tages in der linken Kniekehle eine Zecke gefunden zu haben, die ihr Mann sofort entfernt habe. An den darauffolgenden Tagen habe sich eine Rötung gebildet, worauf sie ihren Hausarzt konsultiert habe, der dazu geraten habe, die Rötung zu beobachten. Diese sei jedoch bald darauf vollständig verschwunden. In den darauf folgenden Wochen sei ihr Gesundheitszustand so schlecht geworden, dass sie sich schließlich am 21.10.2008 ins C. -Krankenhaus Bad M. begeben habe, wo sie bis 27.10.2008 stationär behandelt worden sei. Dort sei eine Borreliose-Erkrankung festgestellt worden, die auf einen Zeckenbefall zurückzuführen sei.
Am 03.02.2009 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. E. vor, der nach neurologischer Untersuchung weiterhin den Befund einer distal symmetrischen sensiblen Polyneuropathie erhob, wobei sich eine Verschlechterung der Werte seit der 2007 erfolgten Untersuchung zeigte (vgl. Arztbrief vom 03.02.2009, Bl. 17 VerwA). Dr. E. überwies die Klägerin erneut in die Klinik für Neurologie des C. -Krankenhauses Bad M. , wo diese sich am 05.02.2009 vorstellte. Nach Untersuchung der Klägerin gingen die dortigen Ärzte weiterhin von einer distal-symmetrischen Polyneuropathie bei Verdacht auf chronische Polyneuritis aus und schlugen vor, eine antientzündliche Therapie auszutesten (vgl. Bericht vom 05.02.2009, Bl. 18/19 VerwA).
Die Beklagte leitete ein Berufskrankheiten(BK)-Feststellungsverfahren ein, zog von der T. ein Vorerkrankungsverzeichnis bei und holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Infektologen Priv.-Doz. Dr. H. ein. Dieser führte in Bezug auf die von der Klägerin beobachtete Hautreaktion aus, diese habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem es sich nur um eine primäre Stichreaktion gehandelt haben könne. Ein Erythema migrans (Wanderröte) im klassischen Sinne könne so schnell nicht auftreten und hätte sich auch im Laufe von Wochen vergrößert. Die bisherige Diagnose einer Borreliose gründe lediglich auf sog. IgM-Antikörper, die Ende Oktober nachgewiesen worden seien. Diese IgM-Tests neigten jedoch zu Kreuzreaktionen, die als unspezifisch zu betrachten seien. Gerade bei rheumatologischen Erkrankungen seien sehr häufig solche Kreuzreaktionen zu beobachten. Entscheidend sei, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht zur IgG-Serokonversion gekommen sei. Ohne Nachweis von IgG-Antikörpern nach drei Monaten könne man eine Borreliose ausschließen. Eine Borreliose als Ursache des Krankheitsbildes der Kläger sei definitiv auszuschließen, vermutlich habe zu keinem Zeitpunkt eine Borreliose vorgelegen. Eine Polyneuropathie im Rahmen einer Borrelien-Infektion könne erst nach jahrelangem Verlauf auftreten, weshalb die Befundkonstellation einer alten Borreliose vorliegen müsse, was jedoch nicht der Fall sei.
Mit Bescheid vom 04.11.2009 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung einer BK nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) mit der Begründung ab, eine Polyneuropathie im Rahmen einer Borreliose könne erst nach jahrelangem Verlauf auftreten. Im Übrigen sei eine durch einen Zeckenstich verursachte Borreliose nicht mit Sicherheit nachgewiesen. Zu den im Widerspruchsverfahren erhobenen Einwendungen der Klägerin holte die Beklagte die ergänzende Stellungnahme des Priv.-Doz. Dr. H. ein, der ausführte, dass die Klägerin zu Unrecht davon ausgehe, dass sich eine Polyneuropathie im Rahmen einer Borrelien-Infektion bereits nach Monaten ausbilden könne. Dies werde durch keinerlei wissenschaftlich dokumentierten Fälle belegt. Zudem könne eine Polyneuropathie erst auftreten, wenn auch die Laborkonstellation entsprechend sei, also eine ausgeprägte IgG-Immunantwort vorliege. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2010 zurückgewiesen. Die Klägerin erhob hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) mit dem Begehren Klage, festzustellen, dass sie am 24.06.2008 einen Arbeitsunfall erlitt.
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011, mit dem diese das Ereignis vom 24.06.2008 sodann als Arbeitsunfall anerkannte und einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente ablehnte. Dabei anerkannte sie als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalls einen folgenlos verheilten Zeckenstich in der Kniekehle des linken Beines. Keine Folgen des Arbeitsunfalls seien die folgenden Gesundheitsstörungen: Sehstörungen, Carpaltunnelsyndrom an beiden Handgelenken, Gliederschmerzen und Cephalgien an beiden Beinen, Senkspreizfuß beidseits, Hallux-Valgus links, distal-symmetrische Polyneuropathie bei primär chronischer Polyarthritis an beiden Füßen, seronegative rheumatoide Arthritis. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2012 zurückgewiesen.
Am 24.02.2012 hat die Klägerin dagegen beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, der Zeckenstich sei nicht folgenlos ausgeheilt. Unabhängig vom aktuellen Beschwerdebild wirke sich der Zeckenstich im Körper aus und es könnten sich jederzeit fühlbare Beeinträchtigungen ergeben. Nachfolgend hat sie geltend gemacht, auf Grund des Zeckenstichs seien zwischenzeitlich neurologische Ausfälle zu verzeichnen. Es liege eine Polyneuropathie vor. Die daraus resultierende Gefühllosigkeit führe zu Gleichgewichtsstörungen. Zudem sei es auf Grund der eingenommenen kortisonhaltigen Medikamente, die wegen der Entzündung, d.h. der Borreliose, vorordnet worden seien, zu einem Bluthochdruck gekommen. Dass zwischen dem Zeckenstich und der Borreliose ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, ergebe sich aus den erhobenen Befunden. Sie hat zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, und zwar den Nervenarzt Dr. S. (Vorstellungen seit Februar 2013), den Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. (Vorstellungen seit Dezember 2011), den Zahnarzt Dr. S. , den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. (Vorstellungen seit April 1996), die Fachärztin für Chirurgie Dr. S. (Vorstellungen seit Juni 2006) sowie Dr. E. (Vorstellungen seit Juli 2007), schriftlich als sachverständige Zeugen angehört, die jeweils zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt haben. Das SG hat sodann das Gutachten des Prof. Dr. M. , Neurologische Klinik im Universitätsklinikum H. , auf Grund Untersuchung der Klägerin im November 2013 und Berücksichtigung des klinisch-neurophysiologischen Befundberichts des Oberarztes Dr. W. sowie des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. Dr. H. eingeholt. Der Sachverständige ist diagnostisch von einer distal-symmetrischen, vorwiegend axonalen Polyneuropathie ausgegangen, deren Ursache bisher nicht geklärt sei. Eine Neuroborreliose hat er wegen der fehlenden Entzündungszeichen im Liquor unter Bezugnahme auf die "Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie - Neuroborreliose" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie" AWMF-Registernummer 030/071, im Folgenden: Neuroborreliose-Leitlinien, vgl. Anlagenband zur Senatsakte) ausgeschlossen. Zu den von der Klägerin gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen hat sich der Sachverständige ergänzend geäußert und darauf hingewiesen, dass eine positive Borrelien-Serologie (des Blutes) lediglich beweise, dass sich der Körper mit Borrelien immunologisch auseinandergesetzt habe, nicht aber, dass der Körper hieran, an diesen Keinem, erkrankt sei. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Prof. Dr. S. , Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, auf Grund Untersuchungen der Klägerin im Juni 2014 und Februar 2015 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Neuroborreliose, eine Hyperlipidämie, eine Hypertonie und ein Übergewicht diagnostiziert und die Neuroborreliose auf den Zeckenstich vom 24.06.2008 zurückgeführt. Die nach dem 24.06.2008 aufgetretenen und in ständig wechselnder Erscheinung zunehmenden Schmerzzustände seien eindeutig der Neuroborreliose zuzuordnen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hat er mit 50 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt.
Mit Urteil vom 30.06.2015 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. abgewiesen. Der von der Klägerin erlittene Zeckenstich sei folgenlos ausgeheilt. Weitere Gesundheitsstörungen seien hierdurch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht verursacht worden. Insbesondere sei nicht festzustellen, dass die Klägerin an einer Neuroborreliose leide. Demgegenüber überzeuge das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. , der die dem aktuellen wissenschaftlichen Konsens der Medizin entsprechenden Neuroborreliose-Leitlinien für unzutreffend erachte, nicht.
Am 30.07.2015 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei den von dem Sachverständigen Prof. Dr. M. herangezogenen Neuroborreliose-Leitlinien handele es sich nicht um vom Arzt zu befolgende Richtlinien. Diese seien als solche vielmehr unverbindlich, zumal auch ökonomische Aspekte des Behandelns mit einbezogen seien. Es stelle sich daher die Frage, ob nicht eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Aussagekraft durchgeführter Tests zu erfolgen habe. So werde in der Leitlinie der Deutschen Borreliose-Gesellschaft unter Nummer 2.5.3 hinsichtlich der Liquoruntersuchungen darauf verwiesen, dass bei akuten Entzündungen des Nervensystems eine solche Diagnostik durchaus indiziert sei, nicht jedoch bei einer chronischen Polyneuropathie im Spätstadium. Darüber hinaus könnten bei einer neurologischen Symptomatik im Verlauf der chronischen Borreliose die typischen Liquorbefunde auch sehr viel diskreter sein bzw. gänzlich fehlen. Schließlich sei die Beweisaufnahme des SG unvollständig. So habe der gerichtliche Sachverständige zwar auf Hautveränderungen hingewiesen, die ein deutliches Anzeichen für einen akuten Krankheitszustand seien, entsprechende Untersuchungen jedoch nicht durchgeführt. Die Klägerin hat die Veröffentlichung des R.-K.-Instituts vom 21.09.2007 "Lyme-Borreliose: Zur Situation in den östlichen Bundesländern, Analyse der Meldedaten aus dem 5-Jahreszeitraum von 2002 bis 2006" (Epidemiologisches Bulletin 38/2007) vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass dieser Beitrag erhebliche Bedenken gegen die Aussagekraft der Liquoruntersuchungen aufzeige. Zuletzt hat sie die Veröffentlichung aus der "Bauernzeitung" (25. Woche 2008) "Borreliose effektiv behandeln" vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.06.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2012 zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. ab 01.10.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht wegen Folgen des am 24.06.2008 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente nicht zu. Denn es ist nicht festzustellen, dass der erlittene Zeckenbiss zu fortdauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Das Ereignis vom 24.06.2008, bei dem die Klägerin während eines Betriebsausfluges einen Zeckenbiss im Bereich der linken Kniekehle erlitt, ist ein Arbeitsunfall in diesem Sinn. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Beklagte hat dieses Ereignis in dem angefochtenen Bescheid vom 15.02.2011 auch selbst als Arbeitsunfall anerkannt und als dessen Folge (richtig: Gesundheitserstschaden) einen folgenlos verheilten Zeckenstich anerkannt.
Weitere Gesundheitsstörungen, mithin über diesen Primär- bzw. Gesundheitserstschaden hinausgehende Unfallfolgen, die einen Anspruch auf eine Verletztenrente begründen könnten, liegen demgegenüber nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 60). Nur hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Begründung); hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach diesen Grundsätzen vermag der Senat weder festzustellen, dass die Klägerin an einer auf den Zeckenbiss zurückzuführenden Neuroborreliose leidet, noch dass die bei der Klägerin vorliegende neurologische Erkrankung rechtlich wesentlich auf das Ereignis vom 24.06.2008 zurückzuführen ist.
Soweit die Klägerin meint, als Folge des erlittenen Zeckenbisses an einer Borreliose zu leiden, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn es ist nicht erwiesen, dass bei der Klägerin eine Neuroborreliose aufgetreten ist. Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Auffassung des SG auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M. vielmehr davon aus, dass bei der Klägerin die Diagnose einer Neuroborreliose nicht zu stellen ist. Prof. Dr. M. hat unter Heranziehung der Neuroborreliose-Leitlinien überzeugend dargelegt, dass für die Diagnosestellung eine typische klinische Symptomatik, eine intrathekale Antikörpersynthese gegen Borrelien sowie ein entzündlicher Liquor zerebrospinalis erforderlich ist, diese Kriterien jedoch nicht voll umfänglich erfüllt sind. Zwar liegt bei der Klägerin eine typische Klinik und eine spezifische Antikörperproduktion im Serum vor, allerdings liegen keine entzündlichen Liquorveränderungen (Zellzahl- oder Eiweißerhöhung, Antikörperproduktion, Blut-Liquor-Schrankenstörung etc.) vor, sodass nach medizinisch-wissenschaftlichen Kriterien die Diagnose einer Neuroborreliose nicht zu stellen ist. Der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend - und insoweit die Ausführungen des Sozialgerichts korrigierend - weist der Senat darauf hin, dass - worauf Prof. Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme zutreffend hingewiesen hat - eine positive Borrelien-Serologie (hier IgG und IgM) kein Beweis für eine Erkrankung an Borreliose ist, sondern lediglich - so die Borreliose-Leitlinien Seite 6 und selbst die Leitlinien der Deutschen Borreliose-Gesellschaft Nr. 2.5.2 - darauf hinweist, dass eine Borrelien-Infektion vorliegen könnte. Solche positiven Werte zeigen lediglich, dass sich der Körper mit Borrelien immunologisch auseinandergesetzt hat, eine Erkrankung an den Borreliose-Keimen belegen sie nicht, schon gar keine Neuroborreliose. Krankheitswert kommt solchen Veränderungen nicht zu (BSG, Urteil vom 27.06.2017, B 2 U 17/15 R in SGb 2017, 458).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der aktenkundigen medizinischen Unterlagen keiner der mit den Beeinträchtigungen der Klägerin befassten Ärzte die Diagnose einer Neuroborreliose gestellt hat. So haben insbesondere die behandelnden Ärzte des C. -Krankenhauses Bad M. , wo die Klägerin im Oktober 2008 stationär behandelt wurde und auf deren Beurteilung sich die Klägerin anlässlich der Unfallmeldung im November 2008 bezog, keine Borreliose diagnostiziert. Vielmehr haben sie in ihrem Entlassungsbericht lediglich eine seronegative rheumatoide Arthritis bei IgM-Positivität gegen Borrelien aufgeführt und deutlich gemacht, dass die Borrelien-Serologie lediglich einen positiven IgM-Titer zeigte, während die Liquor-Untersuchung einen unauffälligen Befund erbrachte. Soweit im Arztbrief des Dr. S. vom 17.02.2013 im Rahmen der aufgeführten Diagnosen eine Borreliose Erwähnung findet, beruht dies ganz offensichtlich auf den eigenen Angaben der Klägerin ("Z.n. wiederholter Antibiose einer Borreliose [erstmals 06/08] nach anamnestischen Angaben") und nicht auf der Beurteilung des Dr. S. auf Grund durchgeführter Untersuchungen bzw. vorliegender Befunde.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. S. im Gegensatz dazu eine Neuroborreliose diagnostiziert hat, hat das SG zutreffend dargelegt, dass der Sachverständige gerade deshalb zu einer abweichende Beurteilung gelangt ist, weil er die von Prof. Dr. M. herangezogenen Neuroborreliose-Leitlinien, die eine Liquordiagnostik verlangen, für veraltet und im Ergebnis daher für unzutreffend erachtet. Zu Recht ist das SG der insoweit von Prof. Dr. S. vertretenen Auffassung nicht gefolgt. Denn Maßstab für die Beurteilung, ob ein Versicherter an einer konkreten Krankheit leidet, ist nicht die Auffassung eines einzelnen Sachverständigen, sondern vielmehr der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7). Neben Fachbüchern und Standardwerken gehören dazu aber insbesondere die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaften der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), wie sie von Prof. Dr. M. in Form der Neuroborreliose-Leitlinien gerade herangezogen wurden. Damit beruht die von dem Sachverständigen Prof. Dr. M. getroffene Beurteilung, dass bei der Klägerin keine Neuroborreliose zu diagnostizieren ist, auf dem für die Beurteilung des Gerichts maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Soweit die von Prof. Dr. M. herangezogene Leitlinie lediglich bis 31.12.2015 gültig gewesen ist, ändert dies nichts. Denn deren Gültigkeit wurde zwischenzeitlich bis 29.09.2017 verlängert (vgl. Anlagenband zur Senatsakte) und die in Rede stehende Neuroborreliose-Leitlinien ist damit auch weiterhin zur Diagnosestellung heranzuziehen. Demnach ist eine entzündliche Liquorveränderung Voraussetzung für die Diagnose einer Neuroborreliose. Auf die von der Klägerin im Rahmen der Berufungsbegründung aufgeworfene Frage, ob die angesprochene Leitlinie für den im Einzelfall tätig werdenden und behandelnden Arzt eine verbindlich zu befolgende Richtlinie darstellt, kommt es im Übrigen nicht an.
Soweit sich die Klägerin auf den zuletzt von ihr vorgelegten Beitrag "Borreliose effektiv behandeln" beruft, lässt sich hieraus nichts Abweichendes herleiten. Soweit darin ausgeführt wird, dass die Liquor-Untersuchung früher obligatorisch gewesen sei, während heute eindeutig belegt sei, dass sie auch bei eindeutiger Neuroborreliose zu einem falsch negativen Ergebnis führen könne, handelt es sich um ein Zitat des Prof. Dr. S. , der in diesem Beitrag als Borreliose-Spezialist bezeichnet wird, dessen Auffassung - wie ausgeführt - jedoch gerade nicht dem vom Gericht heranzuziehenden aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht, wie er in den Neuroborreliose-Leitlinien zum Ausdruck kommt. Soweit die Klägerin aus dem gleichermaßen im Berufungsverfahren vorgelegten Beitrag des R.-K.-Instituts vom 21.09.2007 ("Lyme-Borreliose: Zur Situation in den östlichen Bundesländern, Analyse der Meldedaten aus dem 5-Jahreszeitraum von 2002 bis 2006", vgl. Anlagenband zur Senatsakte) erhebliche Bedenken gegen die Aussagekraft der Liquor-Untersuchungen ableitet, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Denn Gegenstand dieses Beitrags ist lediglich eine Auswertung der entsprechend der Meldepflicht des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gemeldeten Erkrankungsfälle, weshalb er sich im Wesentlichen auf eine Beschreibung der gemeldeten Daten beschränkt, jedoch keine Aussage zur Sinnhaftigkeit einer Liquor-Untersuchung im Rahmen der Diagnosestellung einer Lyme-Borreliose trifft. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der 2007 erschienene Artikel (S. 355) auf eine anstehende Überarbeitung der auf Seite 352 wiedergegebenen Falldefinition (also der Voraussetzungen für die Diagnose einer Borreliose) verweist. In der Folgezeit erschienen dann (u.a.) die Borreliose-Leitlinien mit dem noch immer aktuellen Stand.
Soweit die Klägerin Bezug genommen hat auf die Leitlinie der Deutschen Borreliose-Gesellschaft "Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose" ( vgl. Anlagenband zur Senatsakte), wonach Liquor-Untersuchungen bei chronischer Polyneuropathie im Spätstadium nicht indiziert seien, ist darauf hinzuweisen, dass bei der Klägern ein derartiges Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. Dr. M. nicht vorgelegen hat und erst Recht nicht zum Zeitpunkt der erstmaligen Liquorpunktion im Rahmen der stationären Behandlung im C. -Krankenhaus Bad M. , die gleichermaßen einen negativen Befund erbrachte. Auch der weitere Hinweis der Klägerin, wonach bei einer neurologischen Symptomatik im Verlauf der chronischen Borreliose die typischen Liquorbefunde sehr viel diskreter sein bzw. gänzlich fehlen könnten, rechtfertigt keine für sie günstigere Beurteilung. Schließlich ist bei der Klägerin eine entsprechende Untersuchung gerade nicht erst in einem späteren Verlauf der Erkrankung erfolgt, denn auch schon eine frühere Untersuchung erbrachte - wie bereits ausgeführt - gerade keinen positiven Befund. Im Übrigen konnte bei fehlender Aussagekraft des Liquorbefundes gerade nicht von einem positiven Befund ausgegangen werden, so dass der Nachweis einer Borrelien-Erkrankung auch dann nicht erbracht wäre.
Letztlich ist auch die Durchführung weiterer Ermittlungen im Hinblick auf die im Zusammenhang mit einer Neuroborreliose möglichen Hautveränderungen nicht erforderlich. Insoweit hat Prof. Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem SG bereits dargelegt, dass die von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen keine Hinweise auf mit einer chronischen Borreliose einhergehende Hautveränderungen enthalten. Solche Veränderungen sind - so seine Ausführungen - nicht knotig, weshalb die von Dr. K. in seinem Attest vom 09.05.2014 (vgl. Bl. 296 SG-Akte) beschriebenen vereinzelten "Knötchen" nicht mit einer Borreliose in Zusammenhang gebracht werden können. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die vorgelegten Befunde des Dermatologischen Labors L. vom 12.02.2013 (Bl. 297 SG- Akte) und die Begutachtungen des Pathologen Dr. K. , W. , vom 26.10.2011 und 29.05.2013 (Bl. 298 f), in denen feingewebliche Veränderungen in Hautexzisaten (fibröses Histiozytom, rupturierte epidermale Zyste) beschrieben sind. Auch diese stehen - so der Sachverständige - in keinem Zusammenhang mit einer Borrelien-Infektion.
Schließlich lässt sich auch die bei der Klägerin vorliegende neurologische Erkrankung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Zeckenbiss zurückführen. Im Hinblick auf die diagnostizierte Polyneuropathie verneint der Senat bereits den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem von der Klägerin erlittenen Zeckenbiss und der beklagten Symptomatik.
Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin an einer distal-symmetrischen, vorwiegend axonalen Polyneuropathie leidet. Dies steht auf der Grundlage der klinisch neurologischen Untersuchung des Sachverständigen Prof. Dr. M. und der elektrophysiologischen Zusatzuntersuchung des Dr. W. fest. So hat der Sachverständige eine S. förmige Hypästhesie der Füße und Unterschenkel, einen Ausfall der Muskeleigenreflexe der unteren Extremität, eine Fußheberschwäche, eine Atrophie der Fußbinnenmuskulatur beidseits sowie eine sensible Gangataxie gefunden und die Zusatzuntersuchungen haben eine axonale sensomotorische Polyneuropathie der Beinnerven mit autonomer Beteiligung gezeigt. Eine Polyneuropathie diagnostizierte bereits der von der Klägerin im Juli 2007 aufgesuchte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. , der an der gestellten Diagnose auch nachfolgend im Januar 2008 angesichts der weiterhin beklagten Beschwerden (Taubheitsgefühle und Schmerzen in Füßen und Unterschenkeln sowie den Händen) und den erhobenen Befunden festhielt. Auch die Ärzte im Krankenhaus J. , wo sich die Klägerin am 26.03.2008 vorstellte, dokumentierten entsprechende Beschwerden und Befunde, wenngleich sie von einer chronischen Polyarthritis ausgingen, die erst im Verlauf mit einer Polyneuropathie einhergehe. Unveränderte Beschwerden dokumentierte schließlich Dr. E. im Oktober 2008 und die Ärzte des C. -Krankenhauses Bad M. , wo die Klägerin vom 21. bis 27.10.2008 stationär behandelt wurde und die von einer symmetrischen peripheren Polyneuropathie im Bereich der Hände und Füße ausgingen. Von einem derartigen Krankheitsbild geht letztlich auch die Klägerin selbst aus, wie ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 23.07.2012 (Bl. 41 SG-Akte) entnommen werden kann. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem am 24.06.2008 erlittenen Zeckenbiss ist allerdings schon deshalb zu verneinen, weil die Symptomatik dieser Erkrankung bereits im Jahr 2007 auftrat. Denn bereits im Juli 2007 berichtete die Klägerin anlässlich ihrer Vorstellung bei Dr. E. von den seit einem Vierteljahr bestehenden Taubheitsgefühlen im Bereich der Zehen beidseits, wobei sie bisweilen die Zehen gar nicht mehr spüre. Darüber hinaus beklagte sie ein Taubheitsgefühl an der Radialseite des Daumenendgliedes links und bei längerem Sitzen manchmal auch Schmerzen im Unterschenkel beidseits. Damit lagen Symptome der Polyneuropathie jedenfalls schon ein Jahr vor dem erlittenen Zeckenbiss vor. Die anamnestischen Angaben der Klägerin anlässlich der vorstationären Behandlung im Krankenhaus J. weisen sogar auf einen noch weiter zurückliegenden Beginn der Symptomatik hin. Denn seinerzeit berichtete die Klägerin über ein seit zwei Jahren bestehendes Taubheitsgefühl im Bereich der Zehen beidseits, so dass sich damit der Beginn der Symptomatik sogar bereits auf das Jahr 2006 datieren ließe. Soweit die Klägerin diesbezüglich unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständige Prof. Dr. S. zuletzt vorgetragen hat, eine Polyneuropathie sei erst im Jahr 2009 im C. -Krankenhaus Bad M. diagnostiziert worden, ignoriert sie - ebenso wie Prof. Dr. S. - die bereits von Dr. E. im Juli 2007 erhobenen und dem in Rede stehenden Krankheitsbild entsprechenden Befunde. Dass Dr. E. - worauf die Klägerin ausdrücklich hinweist - seinerzeit noch ein regelrechtes Gangbild dokumentierte ändert nichts daran, dass er das fortschreitende Krankheitsbild schon damals zutreffend einordnete. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. S. die von der Klägerin schon weit vor dem Zeckenbiss beklagten Sensibilitätsstörungen in den unteren Extremitäten im Sinne einer Lumboischialgie oder eines akuten LWS-Syndroms interpretiert und schließlich gänzlich die auch nach Auffassung der Klägerin später diagnostizierte Polyneuropathie negiert und statt dessen ausschließlich eine als Folge des Zeckenbisses aufgetretene Neuroborreliose diagnostiziert, überzeugt dies nicht. So setzt er sich damit in Widerspruch zu sämtlichen mit der neurologischen Erkrankung der Klägerin befassten Ärzten und insbesondere auch mit dem von der Klägerin hinzugezogenen Arzt für Orthopädie Dr. J. , der zu keinem Zeitpunkt von einer dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnende Ursache der Beschwerden ausging, sondern ebenfalls eine Polyneuropathie vermutete, wie seinem Arztbrief vom 07.07.2008 entnommen werden kann (vgl. Bl. 11 VerwA). Damit überzeugt das Gutachten des Prof. Dr. S. insgesamt nicht.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich eine Polyneuropathie, wie sie bereits anlässlich der stationären Behandlung im C. -Krankenhaus Bad M. im Oktober 2008 diagnostiziert wurde, letztlich auch nicht innerhalb von drei Monaten nach einer Borrelien-Infektion entwickelt. Hierauf wies schon Priv.-Doz. Dr. H. in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen für die Beklagte hin, in denen er auch auf Einwände der Klägerin ausführte, dass eine Polyneuropathie erst nach jahrelangem Verlauf auftreten kann.
Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines am 24.06.2008 erlittenen Zeckenbisses streitig.
Die am 1959 geborene Klägerin ist bei der Straßenmeisterei des Landratsamts M.-T.-Kreis als Verwaltungsangestellte beschäftigt.
Am 04.07.2007 stellte sich die Klägerin erstmals bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vor und beklagte seit einem Vierteljahr bestehende Taubheitsgefühle im Bereich der Zehen beidseits sowie ein Taubheitsgefühl an der Radialseite des Daumenendgliedes links. Zudem habe sie bei längerem Sitzen manchmal auch Schmerzen im Unterschenkel beidseits. Dr. E. ging nach neurologischer Untersuchung, bei der sich die Achillesehnenreflexe beidseits nicht auslösen ließen, die Patellarsehnenreflexe nur schwach erhältlich waren, ein gestörtes Berührungsempfinden im Bereich der Zehen angegeben wurde, das Vibrationsempfinden im Fußbereich beidseits hochgradig und das Kalt-Warm-Empfinden gemindert war, diagnostisch von einer Polyneuropathie unklarer Ursache aus (vgl. Auskunft des Dr. E. vom 01.08.2013, Bl. 200 ff. SG-Akte). Die nachfolgend durchgeführten laborchemischen Untersuchungen ergaben eine Blutsenkungsbeschleunigung sowie einen erhöhten CRP-Wert als Hinweis auf eine Entzündung als mögliche Ursache der Polyneuropathie. Die Beschwerden besserten sich nach Cortisongabe fast komplett, traten nach Absetzen des Medikaments jedoch erneut auf. Anlässlich seiner nachfolgenden Untersuchung am 11.01.2008 zeigte sich Dr. E. wiederum das zuvor erhobene neuropathische Bild und er hielt an der gestellten Diagnose fest. Da die Laborwerte auf eine rheumatische Erkrankung hinwiesen, stellte sich die Klägerin zur weiteren Abklärung des Krankheitsbildes am 26.03.2008 in der Medizinischen Klinik des Krankenhauses J. in W. vor. Sie berichtete über reißende, nicht immer vorhandene Schmerzen von den Fingern bis zu den Ellenbogen, die oft mit einer Schwellung der Finger verbunden seien, sowie über ein Taubheitsgefühl der Zehen und am Fußrücken. Bei längerem Sitzen habe sie zudem Schmerzen am Schienbein. Nach klinischer Untersuchung gingen die hinzugezogenen Ärzte von einer symmetrischen Arthritis der Fingergelenke im Sinne einer chronischen Polyarthritis aus, die meist erst im Verlauf mit einer Polyneuropathie einhergehe. Sie empfahlen eine Komplettierung der Diagnostik und die Einleitung einer Basistherapie, bspw. mit Resochin (vgl. Arztbrief vom 03.04.2008, Bl. 33 ff. VerwA).
Am 24.06.2008 nahm die Klägerin am jährlichen Betriebsausflug des Landratsamts M.-T.-Kreis teil, zu dem ein Besuch des Schlossparks in W. gehörte, in dem Parkführungen stattfanden und auf Grünflächen oder unter Bäumen Kaffee und Kuchen gereicht wurde.
Am 06.10.2008 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. E. vor und klagte über unverändert bestehende Beschwerden (Taubheitsgefühle in den Füßen, geringer auch in den Händen). Sie gab an, Resochin aus Angst vor Nebenwirkungen nicht genommen zu haben. Dr. E. ging nach klinischer Untersuchung (fehlende Achillesehnenreflexe, angedeutet auslösbare Patellarsehnenreflexe, Vibrations- und Kalt-Warm-Empfinden gemindert, sockenförmig reduziertes Berührungsempfinden) weiterhin von einer Polyneuropathie aus, vermutlich im Rahmen einer primär chronischen Polyarthritis (PCP). Da die Klägerin sich mit den Zusammenhängen nicht abfinden konnte und eine weitere Abklärung wünschte, überwies Dr. E. sie in die Klinik für Neurologie des C. -Krankenhauses Bad M. (vgl. Arztbrief vom 07.10.2008, Bl. 13 VerwA), wo sie vom 21. bis 27.10.2008 stationär behandelt wurde. Anlässlich der stationären Aufnahme berichtete die Klägerin von der zunehmenden Entwicklung eines Taubheitsgefühls mit Schwerpunkt an den Fußsohlen, links mehr als rechts, seit ca. zwei Jahren, das am Vorfuß begonnen habe, wobei es in den letzten drei Monaten nochmals zu einer Verschlechterung gekommen sei. Die behandelnden Ärzte sahen als Ursache der Beschwerden eine überwiegend axonale sensomotorische Polyneuropathie, die sie durch die erfolgte Neurographie bestätigt sahen. Im Rahmen der weiteren diagnostischen Abklärung fand sich bei der Borrelien-Serologie der Immunglobulin(Ig)G-Wert und die Liquorpunktion negativ, lediglich in Bezug auf IgM, bestätigt im Westernblot, ergab sich ein positiver Befund (weitere Diagnose insoweit: seronegative rheumatoide Arthritis bei IgM-Positivität gegen Borrelien). Unter der Annahme einer eventuellen Kausalität der erhöhten IgM-Titer gegen Borrelien wurde nach Entlassung im ambulanten Bereich mit einer antibiotischen Therapie mit Refobacin begonnen (vgl. Entlassungsbericht vom 13.11.2008, Bl. 14 VerwA).
Am 28.11.2008 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige des Personalamts des Landratsamts M.-T.-Kreis (vgl. Bl. 1/2 VerwA) ein, der als Anlage die Unfallschilderung der Klägerin beigefügt war, in der sie über den Betriebsausflug am 24.06.2008 berichtete und ausführte, am Abend dieses Tages in der linken Kniekehle eine Zecke gefunden zu haben, die ihr Mann sofort entfernt habe. An den darauffolgenden Tagen habe sich eine Rötung gebildet, worauf sie ihren Hausarzt konsultiert habe, der dazu geraten habe, die Rötung zu beobachten. Diese sei jedoch bald darauf vollständig verschwunden. In den darauf folgenden Wochen sei ihr Gesundheitszustand so schlecht geworden, dass sie sich schließlich am 21.10.2008 ins C. -Krankenhaus Bad M. begeben habe, wo sie bis 27.10.2008 stationär behandelt worden sei. Dort sei eine Borreliose-Erkrankung festgestellt worden, die auf einen Zeckenbefall zurückzuführen sei.
Am 03.02.2009 stellte sich die Klägerin erneut bei Dr. E. vor, der nach neurologischer Untersuchung weiterhin den Befund einer distal symmetrischen sensiblen Polyneuropathie erhob, wobei sich eine Verschlechterung der Werte seit der 2007 erfolgten Untersuchung zeigte (vgl. Arztbrief vom 03.02.2009, Bl. 17 VerwA). Dr. E. überwies die Klägerin erneut in die Klinik für Neurologie des C. -Krankenhauses Bad M. , wo diese sich am 05.02.2009 vorstellte. Nach Untersuchung der Klägerin gingen die dortigen Ärzte weiterhin von einer distal-symmetrischen Polyneuropathie bei Verdacht auf chronische Polyneuritis aus und schlugen vor, eine antientzündliche Therapie auszutesten (vgl. Bericht vom 05.02.2009, Bl. 18/19 VerwA).
Die Beklagte leitete ein Berufskrankheiten(BK)-Feststellungsverfahren ein, zog von der T. ein Vorerkrankungsverzeichnis bei und holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Infektologen Priv.-Doz. Dr. H. ein. Dieser führte in Bezug auf die von der Klägerin beobachtete Hautreaktion aus, diese habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem es sich nur um eine primäre Stichreaktion gehandelt haben könne. Ein Erythema migrans (Wanderröte) im klassischen Sinne könne so schnell nicht auftreten und hätte sich auch im Laufe von Wochen vergrößert. Die bisherige Diagnose einer Borreliose gründe lediglich auf sog. IgM-Antikörper, die Ende Oktober nachgewiesen worden seien. Diese IgM-Tests neigten jedoch zu Kreuzreaktionen, die als unspezifisch zu betrachten seien. Gerade bei rheumatologischen Erkrankungen seien sehr häufig solche Kreuzreaktionen zu beobachten. Entscheidend sei, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht zur IgG-Serokonversion gekommen sei. Ohne Nachweis von IgG-Antikörpern nach drei Monaten könne man eine Borreliose ausschließen. Eine Borreliose als Ursache des Krankheitsbildes der Kläger sei definitiv auszuschließen, vermutlich habe zu keinem Zeitpunkt eine Borreliose vorgelegen. Eine Polyneuropathie im Rahmen einer Borrelien-Infektion könne erst nach jahrelangem Verlauf auftreten, weshalb die Befundkonstellation einer alten Borreliose vorliegen müsse, was jedoch nicht der Fall sei.
Mit Bescheid vom 04.11.2009 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung einer BK nach Nr. 3102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) mit der Begründung ab, eine Polyneuropathie im Rahmen einer Borreliose könne erst nach jahrelangem Verlauf auftreten. Im Übrigen sei eine durch einen Zeckenstich verursachte Borreliose nicht mit Sicherheit nachgewiesen. Zu den im Widerspruchsverfahren erhobenen Einwendungen der Klägerin holte die Beklagte die ergänzende Stellungnahme des Priv.-Doz. Dr. H. ein, der ausführte, dass die Klägerin zu Unrecht davon ausgehe, dass sich eine Polyneuropathie im Rahmen einer Borrelien-Infektion bereits nach Monaten ausbilden könne. Dies werde durch keinerlei wissenschaftlich dokumentierten Fälle belegt. Zudem könne eine Polyneuropathie erst auftreten, wenn auch die Laborkonstellation entsprechend sei, also eine ausgeprägte IgG-Immunantwort vorliege. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2010 zurückgewiesen. Die Klägerin erhob hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) mit dem Begehren Klage, festzustellen, dass sie am 24.06.2008 einen Arbeitsunfall erlitt.
Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011, mit dem diese das Ereignis vom 24.06.2008 sodann als Arbeitsunfall anerkannte und einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente ablehnte. Dabei anerkannte sie als wesentliche Folgen des Arbeitsunfalls einen folgenlos verheilten Zeckenstich in der Kniekehle des linken Beines. Keine Folgen des Arbeitsunfalls seien die folgenden Gesundheitsstörungen: Sehstörungen, Carpaltunnelsyndrom an beiden Handgelenken, Gliederschmerzen und Cephalgien an beiden Beinen, Senkspreizfuß beidseits, Hallux-Valgus links, distal-symmetrische Polyneuropathie bei primär chronischer Polyarthritis an beiden Füßen, seronegative rheumatoide Arthritis. Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2012 zurückgewiesen.
Am 24.02.2012 hat die Klägerin dagegen beim SG Klage erhoben und geltend gemacht, der Zeckenstich sei nicht folgenlos ausgeheilt. Unabhängig vom aktuellen Beschwerdebild wirke sich der Zeckenstich im Körper aus und es könnten sich jederzeit fühlbare Beeinträchtigungen ergeben. Nachfolgend hat sie geltend gemacht, auf Grund des Zeckenstichs seien zwischenzeitlich neurologische Ausfälle zu verzeichnen. Es liege eine Polyneuropathie vor. Die daraus resultierende Gefühllosigkeit führe zu Gleichgewichtsstörungen. Zudem sei es auf Grund der eingenommenen kortisonhaltigen Medikamente, die wegen der Entzündung, d.h. der Borreliose, vorordnet worden seien, zu einem Bluthochdruck gekommen. Dass zwischen dem Zeckenstich und der Borreliose ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, ergebe sich aus den erhobenen Befunden. Sie hat zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, und zwar den Nervenarzt Dr. S. (Vorstellungen seit Februar 2013), den Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. (Vorstellungen seit Dezember 2011), den Zahnarzt Dr. S. , den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. (Vorstellungen seit April 1996), die Fachärztin für Chirurgie Dr. S. (Vorstellungen seit Juni 2006) sowie Dr. E. (Vorstellungen seit Juli 2007), schriftlich als sachverständige Zeugen angehört, die jeweils zahlreiche medizinische Unterlagen vorgelegt haben. Das SG hat sodann das Gutachten des Prof. Dr. M. , Neurologische Klinik im Universitätsklinikum H. , auf Grund Untersuchung der Klägerin im November 2013 und Berücksichtigung des klinisch-neurophysiologischen Befundberichts des Oberarztes Dr. W. sowie des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. Dr. H. eingeholt. Der Sachverständige ist diagnostisch von einer distal-symmetrischen, vorwiegend axonalen Polyneuropathie ausgegangen, deren Ursache bisher nicht geklärt sei. Eine Neuroborreliose hat er wegen der fehlenden Entzündungszeichen im Liquor unter Bezugnahme auf die "Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie - Neuroborreliose" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie" AWMF-Registernummer 030/071, im Folgenden: Neuroborreliose-Leitlinien, vgl. Anlagenband zur Senatsakte) ausgeschlossen. Zu den von der Klägerin gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen hat sich der Sachverständige ergänzend geäußert und darauf hingewiesen, dass eine positive Borrelien-Serologie (des Blutes) lediglich beweise, dass sich der Körper mit Borrelien immunologisch auseinandergesetzt habe, nicht aber, dass der Körper hieran, an diesen Keinem, erkrankt sei. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Prof. Dr. S. , Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, auf Grund Untersuchungen der Klägerin im Juni 2014 und Februar 2015 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Neuroborreliose, eine Hyperlipidämie, eine Hypertonie und ein Übergewicht diagnostiziert und die Neuroborreliose auf den Zeckenstich vom 24.06.2008 zurückgeführt. Die nach dem 24.06.2008 aufgetretenen und in ständig wechselnder Erscheinung zunehmenden Schmerzzustände seien eindeutig der Neuroborreliose zuzuordnen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hat er mit 50 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt.
Mit Urteil vom 30.06.2015 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. abgewiesen. Der von der Klägerin erlittene Zeckenstich sei folgenlos ausgeheilt. Weitere Gesundheitsstörungen seien hierdurch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht verursacht worden. Insbesondere sei nicht festzustellen, dass die Klägerin an einer Neuroborreliose leide. Demgegenüber überzeuge das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. , der die dem aktuellen wissenschaftlichen Konsens der Medizin entsprechenden Neuroborreliose-Leitlinien für unzutreffend erachte, nicht.
Am 30.07.2015 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei den von dem Sachverständigen Prof. Dr. M. herangezogenen Neuroborreliose-Leitlinien handele es sich nicht um vom Arzt zu befolgende Richtlinien. Diese seien als solche vielmehr unverbindlich, zumal auch ökonomische Aspekte des Behandelns mit einbezogen seien. Es stelle sich daher die Frage, ob nicht eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Aussagekraft durchgeführter Tests zu erfolgen habe. So werde in der Leitlinie der Deutschen Borreliose-Gesellschaft unter Nummer 2.5.3 hinsichtlich der Liquoruntersuchungen darauf verwiesen, dass bei akuten Entzündungen des Nervensystems eine solche Diagnostik durchaus indiziert sei, nicht jedoch bei einer chronischen Polyneuropathie im Spätstadium. Darüber hinaus könnten bei einer neurologischen Symptomatik im Verlauf der chronischen Borreliose die typischen Liquorbefunde auch sehr viel diskreter sein bzw. gänzlich fehlen. Schließlich sei die Beweisaufnahme des SG unvollständig. So habe der gerichtliche Sachverständige zwar auf Hautveränderungen hingewiesen, die ein deutliches Anzeichen für einen akuten Krankheitszustand seien, entsprechende Untersuchungen jedoch nicht durchgeführt. Die Klägerin hat die Veröffentlichung des R.-K.-Instituts vom 21.09.2007 "Lyme-Borreliose: Zur Situation in den östlichen Bundesländern, Analyse der Meldedaten aus dem 5-Jahreszeitraum von 2002 bis 2006" (Epidemiologisches Bulletin 38/2007) vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass dieser Beitrag erhebliche Bedenken gegen die Aussagekraft der Liquoruntersuchungen aufzeige. Zuletzt hat sie die Veröffentlichung aus der "Bauernzeitung" (25. Woche 2008) "Borreliose effektiv behandeln" vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.06.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2012 zu verurteilen, ihr Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. ab 01.10.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht wegen Folgen des am 24.06.2008 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente nicht zu. Denn es ist nicht festzustellen, dass der erlittene Zeckenbiss zu fortdauernden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Das Ereignis vom 24.06.2008, bei dem die Klägerin während eines Betriebsausfluges einen Zeckenbiss im Bereich der linken Kniekehle erlitt, ist ein Arbeitsunfall in diesem Sinn. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Beklagte hat dieses Ereignis in dem angefochtenen Bescheid vom 15.02.2011 auch selbst als Arbeitsunfall anerkannt und als dessen Folge (richtig: Gesundheitserstschaden) einen folgenlos verheilten Zeckenstich anerkannt.
Weitere Gesundheitsstörungen, mithin über diesen Primär- bzw. Gesundheitserstschaden hinausgehende Unfallfolgen, die einen Anspruch auf eine Verletztenrente begründen könnten, liegen demgegenüber nicht vor.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 60). Nur hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Begründung); hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach diesen Grundsätzen vermag der Senat weder festzustellen, dass die Klägerin an einer auf den Zeckenbiss zurückzuführenden Neuroborreliose leidet, noch dass die bei der Klägerin vorliegende neurologische Erkrankung rechtlich wesentlich auf das Ereignis vom 24.06.2008 zurückzuführen ist.
Soweit die Klägerin meint, als Folge des erlittenen Zeckenbisses an einer Borreliose zu leiden, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn es ist nicht erwiesen, dass bei der Klägerin eine Neuroborreliose aufgetreten ist. Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Auffassung des SG auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M. vielmehr davon aus, dass bei der Klägerin die Diagnose einer Neuroborreliose nicht zu stellen ist. Prof. Dr. M. hat unter Heranziehung der Neuroborreliose-Leitlinien überzeugend dargelegt, dass für die Diagnosestellung eine typische klinische Symptomatik, eine intrathekale Antikörpersynthese gegen Borrelien sowie ein entzündlicher Liquor zerebrospinalis erforderlich ist, diese Kriterien jedoch nicht voll umfänglich erfüllt sind. Zwar liegt bei der Klägerin eine typische Klinik und eine spezifische Antikörperproduktion im Serum vor, allerdings liegen keine entzündlichen Liquorveränderungen (Zellzahl- oder Eiweißerhöhung, Antikörperproduktion, Blut-Liquor-Schrankenstörung etc.) vor, sodass nach medizinisch-wissenschaftlichen Kriterien die Diagnose einer Neuroborreliose nicht zu stellen ist. Der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend - und insoweit die Ausführungen des Sozialgerichts korrigierend - weist der Senat darauf hin, dass - worauf Prof. Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme zutreffend hingewiesen hat - eine positive Borrelien-Serologie (hier IgG und IgM) kein Beweis für eine Erkrankung an Borreliose ist, sondern lediglich - so die Borreliose-Leitlinien Seite 6 und selbst die Leitlinien der Deutschen Borreliose-Gesellschaft Nr. 2.5.2 - darauf hinweist, dass eine Borrelien-Infektion vorliegen könnte. Solche positiven Werte zeigen lediglich, dass sich der Körper mit Borrelien immunologisch auseinandergesetzt hat, eine Erkrankung an den Borreliose-Keimen belegen sie nicht, schon gar keine Neuroborreliose. Krankheitswert kommt solchen Veränderungen nicht zu (BSG, Urteil vom 27.06.2017, B 2 U 17/15 R in SGb 2017, 458).
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der aktenkundigen medizinischen Unterlagen keiner der mit den Beeinträchtigungen der Klägerin befassten Ärzte die Diagnose einer Neuroborreliose gestellt hat. So haben insbesondere die behandelnden Ärzte des C. -Krankenhauses Bad M. , wo die Klägerin im Oktober 2008 stationär behandelt wurde und auf deren Beurteilung sich die Klägerin anlässlich der Unfallmeldung im November 2008 bezog, keine Borreliose diagnostiziert. Vielmehr haben sie in ihrem Entlassungsbericht lediglich eine seronegative rheumatoide Arthritis bei IgM-Positivität gegen Borrelien aufgeführt und deutlich gemacht, dass die Borrelien-Serologie lediglich einen positiven IgM-Titer zeigte, während die Liquor-Untersuchung einen unauffälligen Befund erbrachte. Soweit im Arztbrief des Dr. S. vom 17.02.2013 im Rahmen der aufgeführten Diagnosen eine Borreliose Erwähnung findet, beruht dies ganz offensichtlich auf den eigenen Angaben der Klägerin ("Z.n. wiederholter Antibiose einer Borreliose [erstmals 06/08] nach anamnestischen Angaben") und nicht auf der Beurteilung des Dr. S. auf Grund durchgeführter Untersuchungen bzw. vorliegender Befunde.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. S. im Gegensatz dazu eine Neuroborreliose diagnostiziert hat, hat das SG zutreffend dargelegt, dass der Sachverständige gerade deshalb zu einer abweichende Beurteilung gelangt ist, weil er die von Prof. Dr. M. herangezogenen Neuroborreliose-Leitlinien, die eine Liquordiagnostik verlangen, für veraltet und im Ergebnis daher für unzutreffend erachtet. Zu Recht ist das SG der insoweit von Prof. Dr. S. vertretenen Auffassung nicht gefolgt. Denn Maßstab für die Beurteilung, ob ein Versicherter an einer konkreten Krankheit leidet, ist nicht die Auffassung eines einzelnen Sachverständigen, sondern vielmehr der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7). Neben Fachbüchern und Standardwerken gehören dazu aber insbesondere die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaften der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), wie sie von Prof. Dr. M. in Form der Neuroborreliose-Leitlinien gerade herangezogen wurden. Damit beruht die von dem Sachverständigen Prof. Dr. M. getroffene Beurteilung, dass bei der Klägerin keine Neuroborreliose zu diagnostizieren ist, auf dem für die Beurteilung des Gerichts maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Soweit die von Prof. Dr. M. herangezogene Leitlinie lediglich bis 31.12.2015 gültig gewesen ist, ändert dies nichts. Denn deren Gültigkeit wurde zwischenzeitlich bis 29.09.2017 verlängert (vgl. Anlagenband zur Senatsakte) und die in Rede stehende Neuroborreliose-Leitlinien ist damit auch weiterhin zur Diagnosestellung heranzuziehen. Demnach ist eine entzündliche Liquorveränderung Voraussetzung für die Diagnose einer Neuroborreliose. Auf die von der Klägerin im Rahmen der Berufungsbegründung aufgeworfene Frage, ob die angesprochene Leitlinie für den im Einzelfall tätig werdenden und behandelnden Arzt eine verbindlich zu befolgende Richtlinie darstellt, kommt es im Übrigen nicht an.
Soweit sich die Klägerin auf den zuletzt von ihr vorgelegten Beitrag "Borreliose effektiv behandeln" beruft, lässt sich hieraus nichts Abweichendes herleiten. Soweit darin ausgeführt wird, dass die Liquor-Untersuchung früher obligatorisch gewesen sei, während heute eindeutig belegt sei, dass sie auch bei eindeutiger Neuroborreliose zu einem falsch negativen Ergebnis führen könne, handelt es sich um ein Zitat des Prof. Dr. S. , der in diesem Beitrag als Borreliose-Spezialist bezeichnet wird, dessen Auffassung - wie ausgeführt - jedoch gerade nicht dem vom Gericht heranzuziehenden aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht, wie er in den Neuroborreliose-Leitlinien zum Ausdruck kommt. Soweit die Klägerin aus dem gleichermaßen im Berufungsverfahren vorgelegten Beitrag des R.-K.-Instituts vom 21.09.2007 ("Lyme-Borreliose: Zur Situation in den östlichen Bundesländern, Analyse der Meldedaten aus dem 5-Jahreszeitraum von 2002 bis 2006", vgl. Anlagenband zur Senatsakte) erhebliche Bedenken gegen die Aussagekraft der Liquor-Untersuchungen ableitet, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Denn Gegenstand dieses Beitrags ist lediglich eine Auswertung der entsprechend der Meldepflicht des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gemeldeten Erkrankungsfälle, weshalb er sich im Wesentlichen auf eine Beschreibung der gemeldeten Daten beschränkt, jedoch keine Aussage zur Sinnhaftigkeit einer Liquor-Untersuchung im Rahmen der Diagnosestellung einer Lyme-Borreliose trifft. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der 2007 erschienene Artikel (S. 355) auf eine anstehende Überarbeitung der auf Seite 352 wiedergegebenen Falldefinition (also der Voraussetzungen für die Diagnose einer Borreliose) verweist. In der Folgezeit erschienen dann (u.a.) die Borreliose-Leitlinien mit dem noch immer aktuellen Stand.
Soweit die Klägerin Bezug genommen hat auf die Leitlinie der Deutschen Borreliose-Gesellschaft "Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose" ( vgl. Anlagenband zur Senatsakte), wonach Liquor-Untersuchungen bei chronischer Polyneuropathie im Spätstadium nicht indiziert seien, ist darauf hinzuweisen, dass bei der Klägern ein derartiges Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen Prof. Dr. M. nicht vorgelegen hat und erst Recht nicht zum Zeitpunkt der erstmaligen Liquorpunktion im Rahmen der stationären Behandlung im C. -Krankenhaus Bad M. , die gleichermaßen einen negativen Befund erbrachte. Auch der weitere Hinweis der Klägerin, wonach bei einer neurologischen Symptomatik im Verlauf der chronischen Borreliose die typischen Liquorbefunde sehr viel diskreter sein bzw. gänzlich fehlen könnten, rechtfertigt keine für sie günstigere Beurteilung. Schließlich ist bei der Klägerin eine entsprechende Untersuchung gerade nicht erst in einem späteren Verlauf der Erkrankung erfolgt, denn auch schon eine frühere Untersuchung erbrachte - wie bereits ausgeführt - gerade keinen positiven Befund. Im Übrigen konnte bei fehlender Aussagekraft des Liquorbefundes gerade nicht von einem positiven Befund ausgegangen werden, so dass der Nachweis einer Borrelien-Erkrankung auch dann nicht erbracht wäre.
Letztlich ist auch die Durchführung weiterer Ermittlungen im Hinblick auf die im Zusammenhang mit einer Neuroborreliose möglichen Hautveränderungen nicht erforderlich. Insoweit hat Prof. Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem SG bereits dargelegt, dass die von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen keine Hinweise auf mit einer chronischen Borreliose einhergehende Hautveränderungen enthalten. Solche Veränderungen sind - so seine Ausführungen - nicht knotig, weshalb die von Dr. K. in seinem Attest vom 09.05.2014 (vgl. Bl. 296 SG-Akte) beschriebenen vereinzelten "Knötchen" nicht mit einer Borreliose in Zusammenhang gebracht werden können. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die vorgelegten Befunde des Dermatologischen Labors L. vom 12.02.2013 (Bl. 297 SG- Akte) und die Begutachtungen des Pathologen Dr. K. , W. , vom 26.10.2011 und 29.05.2013 (Bl. 298 f), in denen feingewebliche Veränderungen in Hautexzisaten (fibröses Histiozytom, rupturierte epidermale Zyste) beschrieben sind. Auch diese stehen - so der Sachverständige - in keinem Zusammenhang mit einer Borrelien-Infektion.
Schließlich lässt sich auch die bei der Klägerin vorliegende neurologische Erkrankung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Zeckenbiss zurückführen. Im Hinblick auf die diagnostizierte Polyneuropathie verneint der Senat bereits den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem von der Klägerin erlittenen Zeckenbiss und der beklagten Symptomatik.
Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin an einer distal-symmetrischen, vorwiegend axonalen Polyneuropathie leidet. Dies steht auf der Grundlage der klinisch neurologischen Untersuchung des Sachverständigen Prof. Dr. M. und der elektrophysiologischen Zusatzuntersuchung des Dr. W. fest. So hat der Sachverständige eine S. förmige Hypästhesie der Füße und Unterschenkel, einen Ausfall der Muskeleigenreflexe der unteren Extremität, eine Fußheberschwäche, eine Atrophie der Fußbinnenmuskulatur beidseits sowie eine sensible Gangataxie gefunden und die Zusatzuntersuchungen haben eine axonale sensomotorische Polyneuropathie der Beinnerven mit autonomer Beteiligung gezeigt. Eine Polyneuropathie diagnostizierte bereits der von der Klägerin im Juli 2007 aufgesuchte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. , der an der gestellten Diagnose auch nachfolgend im Januar 2008 angesichts der weiterhin beklagten Beschwerden (Taubheitsgefühle und Schmerzen in Füßen und Unterschenkeln sowie den Händen) und den erhobenen Befunden festhielt. Auch die Ärzte im Krankenhaus J. , wo sich die Klägerin am 26.03.2008 vorstellte, dokumentierten entsprechende Beschwerden und Befunde, wenngleich sie von einer chronischen Polyarthritis ausgingen, die erst im Verlauf mit einer Polyneuropathie einhergehe. Unveränderte Beschwerden dokumentierte schließlich Dr. E. im Oktober 2008 und die Ärzte des C. -Krankenhauses Bad M. , wo die Klägerin vom 21. bis 27.10.2008 stationär behandelt wurde und die von einer symmetrischen peripheren Polyneuropathie im Bereich der Hände und Füße ausgingen. Von einem derartigen Krankheitsbild geht letztlich auch die Klägerin selbst aus, wie ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 23.07.2012 (Bl. 41 SG-Akte) entnommen werden kann. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem am 24.06.2008 erlittenen Zeckenbiss ist allerdings schon deshalb zu verneinen, weil die Symptomatik dieser Erkrankung bereits im Jahr 2007 auftrat. Denn bereits im Juli 2007 berichtete die Klägerin anlässlich ihrer Vorstellung bei Dr. E. von den seit einem Vierteljahr bestehenden Taubheitsgefühlen im Bereich der Zehen beidseits, wobei sie bisweilen die Zehen gar nicht mehr spüre. Darüber hinaus beklagte sie ein Taubheitsgefühl an der Radialseite des Daumenendgliedes links und bei längerem Sitzen manchmal auch Schmerzen im Unterschenkel beidseits. Damit lagen Symptome der Polyneuropathie jedenfalls schon ein Jahr vor dem erlittenen Zeckenbiss vor. Die anamnestischen Angaben der Klägerin anlässlich der vorstationären Behandlung im Krankenhaus J. weisen sogar auf einen noch weiter zurückliegenden Beginn der Symptomatik hin. Denn seinerzeit berichtete die Klägerin über ein seit zwei Jahren bestehendes Taubheitsgefühl im Bereich der Zehen beidseits, so dass sich damit der Beginn der Symptomatik sogar bereits auf das Jahr 2006 datieren ließe. Soweit die Klägerin diesbezüglich unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständige Prof. Dr. S. zuletzt vorgetragen hat, eine Polyneuropathie sei erst im Jahr 2009 im C. -Krankenhaus Bad M. diagnostiziert worden, ignoriert sie - ebenso wie Prof. Dr. S. - die bereits von Dr. E. im Juli 2007 erhobenen und dem in Rede stehenden Krankheitsbild entsprechenden Befunde. Dass Dr. E. - worauf die Klägerin ausdrücklich hinweist - seinerzeit noch ein regelrechtes Gangbild dokumentierte ändert nichts daran, dass er das fortschreitende Krankheitsbild schon damals zutreffend einordnete. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. S. die von der Klägerin schon weit vor dem Zeckenbiss beklagten Sensibilitätsstörungen in den unteren Extremitäten im Sinne einer Lumboischialgie oder eines akuten LWS-Syndroms interpretiert und schließlich gänzlich die auch nach Auffassung der Klägerin später diagnostizierte Polyneuropathie negiert und statt dessen ausschließlich eine als Folge des Zeckenbisses aufgetretene Neuroborreliose diagnostiziert, überzeugt dies nicht. So setzt er sich damit in Widerspruch zu sämtlichen mit der neurologischen Erkrankung der Klägerin befassten Ärzten und insbesondere auch mit dem von der Klägerin hinzugezogenen Arzt für Orthopädie Dr. J. , der zu keinem Zeitpunkt von einer dem orthopädischen Fachgebiet zuzuordnende Ursache der Beschwerden ausging, sondern ebenfalls eine Polyneuropathie vermutete, wie seinem Arztbrief vom 07.07.2008 entnommen werden kann (vgl. Bl. 11 VerwA). Damit überzeugt das Gutachten des Prof. Dr. S. insgesamt nicht.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich eine Polyneuropathie, wie sie bereits anlässlich der stationären Behandlung im C. -Krankenhaus Bad M. im Oktober 2008 diagnostiziert wurde, letztlich auch nicht innerhalb von drei Monaten nach einer Borrelien-Infektion entwickelt. Hierauf wies schon Priv.-Doz. Dr. H. in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen für die Beklagte hin, in denen er auch auf Einwände der Klägerin ausführte, dass eine Polyneuropathie erst nach jahrelangem Verlauf auftreten kann.
Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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