L 13 AL 5166/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1711/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 5166/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. November 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld auf ihren Antrag vom 21. Juli 2014 im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Die 1989 geborene Klägerin absolvierte seit 1. Oktober 2011 eine Ausbildung im Bereich soziale Arbeit an der dualen Hochschule Baden-Württemberg. Seit 29. Januar 2013 war sie krankgeschrieben und erhielt nach Krankengeldbezug dann in der Zeit vom 19. Juni 2014 bis 17. Juli 2014 von der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See Übergangsgeld wegen einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der H. Rehaklinik Da. (Innere Medizin/Kardiologie). Am 21. Juli 2014 meldete sie sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Nach dem Entlassungsbericht der Rehaklinik waren bei der Klägerin folgende Diagnosen festzustellen: Adipositas dritten Grades (BMI 48,6 kg/qm), Hashimoto-Thyreoiditis, metabolisches Syndrom und Wirbelsäulensyndrom bei muskulärer Dysbalance. Die Klägerin wurde als sechs und mehr Stunden täglich leistungsfähig für ihre letzte Tätigkeit als Studentin und für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zeitweise im Gehen und Stehen und überwiegend im Sitzen, ohne Nachtschicht, ohne regelmäßiges Tragen und Heben von Lasten von mehr als 10 kg und ohne taktgebundene oder mit besonderem psychischen Druck verbundene Tätigkeiten entlassen. Aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Rekonvaleszenz wurde sie für ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Studentin noch zunächst arbeitsunfähig entlassen. In der Zeit vom 7. August 2014 bis 19. August 2014 wurde die Klägerin in der neurologischen Klinik des B. S. stationär behandelt. Sie legte ärztlich ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit vom 28. August 2014 bis 28. Februar 2015 vor.

In einem nach Aktenlage erstellten Gutachten kam Dr. He. vom ärztlichen Dienst der Beklagten am 6. August 2014 zum Ergebnis, bei der Klägerin bestehe Übergewicht, Stoffwechselstörung, Funktionsstörung des Stütz- und Halteapparates mit wiederkehrenden Schmerzen unter Belastung bei vorliegendem Trainingsmangel, Funktionsstörung des Bewegungsapparates bei vorliegenden degenerativen Veränderungen im Bereich der Handgelenke und der Daumengrundgelenke sowie behandelte seelische Minderbelastbarkeit mit Schwierigkeiten in der Organisation des Alltages. Es bestehe ein vollschichtiges (täglich 6 Stunden und mehr) Leistungsvermögen für leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen, ohne Zeitdruck, ohne häufiges Heben und Tragen ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Nachtschicht und ohne unregelmäßige Arbeitszeiten.

Mit Bescheid vom 24. September 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Arbeitslosengeld vom 21. Juli 2014 ab. Die Klägerin sei zu einer persönlichen Vorsprache nicht bereit gewesen und ihre Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt könne ohne ein Gespräch nicht geklärt werden. Sie sei deshalb nicht arbeitslos und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Ihren am 7. Oktober 2014 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin nach einem stationären Klinikaufenthalt in der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums B. (28. Oktober 2014 bis 14. November 2014) am 22. November 2014 damit, dass sie seit Dezember 2012 fortlaufend ununterbrochen krankgeschrieben sei. Sie lebe zurzeit bei ihren Eltern in der Nähe von B. und werde von diesen unterstützt. Ihre chronischen und nicht heilbaren Krankheiten ließen keinerlei Belastungen zu und erlaubten ihr zumeist nicht, ihre Wohnung zu verlassen. Krankheitsbedingt habe sie daher auch Einladungen der Beklagten und auch einen Gesprächstermin beim Ärztlichen Dienst am 4. September 2014 absagen müssen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2015 als unbegründet zurück. Laut ärztlichem Gutachten sei die Klägerin in der Lage, eine versicherungspflichtige mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den Bedingungen auszuüben, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt üblich seien. Hierzu und zur Abklärung ihrer Verfügbarkeit im Zusammenhang mit der Eröffnung des ärztlichen Gutachtens sei sie jedoch nicht bereit. Die Klägerin stehe damit den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung, sei nicht arbeitslos und habe keinen Leistungsanspruch. Zu einem Gesprächstermin zur Erstellung eines zweiten ärztlichen Gutachtens sei die Klägerin ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

Die Klägerin hat am 19. März 2015 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben (S 5 AL 1711/15) und zur Begründung vorgetragen, auf ihre Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt komme es nicht an, da sie von Beginn an arbeitsunfähig gewesen und somit die Gewährung von Arbeitslosengeld über § 145 SGB III zu prüfen gewesen sei. Das Gutachten des ärztlichen Dienstes vom 6. August 2014 habe sich vor allem auf den Bericht der Rehaklinik vom 22. Juli 2014 gestützt, wobei jedoch das komplexe schwierige Krankheitsbild der Klägerin erst seit August 2014 richtig erkannt worden sei. Sie leide an einer idiopathischen intrakraniellen Hypertension bzw. einem Pseudotumor cerebri, einer seltenen mit erhöhtem Hirndruck einhergehenden Erkrankung. Außerdem bestünden gesundheitliche Beeinträchtigungen durch eine Myelonherniation und ein Fibromyalgiesyndrom.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin sich aufgrund der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und des Nichterscheinens zu Gesprächsterminen selbst nicht in der Lage sehe, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausüben zu können. Da sie auch zu einem Termin zur Erstellung eines neuen Gutachtens nicht erschienen sei, habe nicht geprüft werden können, ob die Voraussetzungen des § 145 SGB III – tägliche Leistungsfähigkeit von weniger als 3 Stunden voraussichtlich für mindestens länger als sechs Monate – gegeben seien.

Das SG hat Dr. Re., behandelnder Oberarzt in der neurologischen Klinik des Universitätsklinikums B. während des stationären Aufenthaltes der Klägerin vom 28. Oktober 2014 bis 14. November 2014, als sachverständigen Zeugen angehört. Dr. Re. hat am 27. Juli 2015 mitgeteilt, in der Klinik seien folgende Diagnosen gestellt worden: idiopathische intrakranielle Hypertension (Pseudotumor cerebri) bei Adipositas permagna und einer thorakalen Myelonherniation, Anpassungsstörung mit Angst und depressive Reaktion und ein nicht sicher von der psychosomatischen Beschwerdesymptomatik abzugrenzendes Schmerzsyndrom, das auswärtig als Fibromyalgiesyndrom gewertet worden sei. Aufgrund diverser Diagnosen bestehe eine Kontraindikation für körperlich belastende Arbeiten. Die Klägerin solle nicht mehr als 10 kg heben, keine Zwangshaltungen einnehmen, nicht ausgedehnt treppensteigen oder sich viel bücken. Keinesfalls sollten sturzgefährliche Arbeiten ausgeführt werden. 15 Wochenstunden leichte Tätigkeiten sollte die Klägerin "aktuell leisten können", wobei Arbeitstage mit mehr als 6 Stunden vermieden oder mit entsprechend ausgedehnten Pausen versehen werden sollten.

Die Klägerin hat noch ein ärztliches Attest ihres Hausarztes Dr. Schr. vom 15. September 2015 vorgelegt, in dem bescheinigt wird, bei den gegenwärtigen Erkrankungen liege "eine komplette Arbeitsunfähigkeit" der Klägerin vor und auch kürzere Arbeitszeiten seien zur hausärztlichen Überzeugung in den nächsten Monaten nicht zuzumuten.

Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2015 abgewiesen. Die Klage sei zulässig aber unbegründet, da die Klägerin nicht bereit sei, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes aufzunehmen, da sie ihrer Auffassung nach aufgrund der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen dazu nicht in der Lage sei. Sie stehe daher den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung. Ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld sei auch nicht aus der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III herzuleiten. Zutreffend habe vorliegend die Beklagte die objektive Verfügbarkeit der Klägerin bejaht und sich hierbei auf das unter Hinzuziehung des Entlassungsbericht über die unmittelbar zuvor stattgefundene stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Rehaklinik Da. erstellte Gutachten ihres ärztlichen Dienstes gestützt. Auch wenn die Rehaklinik noch Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf das Studium der Klägerin an der dualen Hochschule angenommen habe, sei hieraus nicht auf eine Leistungsminderung im Sinne von § 145 SGB III für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zu schließen. Der sachverständige Zeuge Dr. Re., der unter anderem für die Behandlung der Klägerin im Universitätsklinikum B. vom 3. November 2014 bis 14. November 2014 oberärztlich zuständig gewesen sei, habe die Klägerin ebenfalls für in der Lage gehalten, leichte Tätigkeiten in einem Umfang von 15 Stunden wöchentlich leisten zu können. Aus dem Attest des Dr. Schr. vom 15. September 2015 ergebe sich nichts anderes, da es sich nur auf die "gegenwärtigen Erkrankungen" beziehe.

Gegen den am 17. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. Dezember 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, Dr. He. habe sein Gutachten vom 6. August 2014 auf den Bericht der Rehaklinik Da. gestützt, obwohl erst im Rahmen des folgenden stationären Aufenthaltes im Bürgerhospital in S. ab 7. August 2014 neue Diagnosen gestellt worden seien. Dr. He. habe außerdem nicht beachtet, dass die Klägerin aus der stationären Rehabilitationsmaßnahme als arbeitsunfähig entlassen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2015 zu verurteilen, ihr ab 21. Juli 2014 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung lägen keine ärztlichen Gutachten vor, nach denen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Klägerin nicht mehr möglich gewesen seien. Die Klägerin habe sich außerdem nicht für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt, sondern habe mehrfach erklärt, auch für leichte Tätigkeiten nicht arbeitsbereit zu sein. Sie habe auch keine Termine mehr bei der Beklagten – auch nicht den Termin einer zweiten ärztlichen Begutachtung – wahrgenommen. Es fehle somit an der subjektiven Arbeitsbereitschaft.

Der Senat hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört.

Dr. Mi., Facharzt für Neurologie, hat am 10. August 2016 angegeben, er habe die Klägerin seit 6. Oktober 2014 nicht mehr behandelt und könne zu ihrem beruflichen Leistungsvermögen keine Angaben gemacht.

Dr. Schr., Arzt für Allgemeinmedizin, Sportmedizin, Chirotherapie, mit Praxis in 53340 Meckenheim in der Nähe von B. hat am 22. August 2016 mitgeteilt, seiner Meinung nach sei die Klägerin ab Juli 2014 zu einer geregelten Tätigkeit nicht in der Lage gewesen. Seine bis 2. November 2015 andauernde Behandlung der Klägerin habe in der Verordnung der empfohlenen Medikamente sowie der Laborkontrollen bestanden. Der Zeitraum von April 2014 bis 22. Oktober 2014 sei bei ihm nicht dokumentiert, da sich die Klägerin wohl in S. aufgehalten habe.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin Bucher hat im August 2016 mitgeteilt, die Klägerin seit März 2014 bis Oktober 2014 behandelt zu haben. Berufliche Tätigkeiten von 15 Stunden pro Woche oder für kürzere Zeit seien ihr nicht möglich gewesen.

Die Beklagte hat eine nach Auswertung der Auskünfte der sachverständigen Zeugen erstellte sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes (Dr. Ö., 13. Oktober 2016) vorgelegt und ist weiterhin der Auffassung, dass entsprechend dem Vorgutachten vom 6. August 2014 im Juli 2014 eine Leistungsfähigkeit der Klägerin von mindestens 15 Stunden pro Woche bestanden hat.

Die Klägerin hat noch einen vorläufigen Entlassungsbrief des Universitätsklinikums B. vom 16. September 2016 über einen stationären Aufenthalt vom 6. September 2016 bis 16. September 2016 nach notfallmäßiger Aufnahme zur Abklärung neu aufgetretener Hypästhesien beider Beine vorgelegt.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein nach Aktenlage erstelltes Sachverständigengutachten des Dr. L., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Umwelt- , Verkehrsmedizin, eingeholt. Im Gutachten vom 3. September 2017 ist Dr. L. zum Ergebnis gekommen, bei der Klägerin habe am 21. Juli 2014 eine thorakale Myelopathie (bislang unklarer Genese) und eine rezidivierende depressive Störung und Angst, damals mittelschwer ausgeprägt, bestanden. Zum damaligen Zeitpunkt wären Arbeiten unter Zeitdruck, in hoher Verantwortung, mit Anspruch an Eigeninitiative, Konzentration, Auffassungs- und Umstellungsvermögen vor dem Hintergrund der bestehenden Depressivität und Angst nachhaltig beeinträchtigt gewesen, weshalb nach gutachterlicher Einschätzung eine Studierfähigkeit nicht vorgelegen habe. Eine zeitliche Begrenzung der beruflichen Belastbarkeit sei aber nicht zu begründen. Die Klägerin sei am 21. Juli 2014 noch in der Lage gewesen, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende leidensgerechte Tätigkeit auszuüben. Der Einschätzung des Dr. He. vom 6. August 2014 hinsichtlich der Belastbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei zuzustimmen.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2017 hat sich die Klägerin mit den Feststellungen im Gutachten des Dr. L. nicht einverstanden erklärt. Dr. L. habe nicht "nach den Bezugstätigkeiten" differenziert, so dass seine gutachterliche Einschätzung nicht der allgemeinen sozialmedizinischen Auffassung entspreche. Es sei auch nicht überzeugend, dass Dr. L. die Fibromyalgie nicht als Krankheit und maßgeblich für die Leistungsfähigkeit ansehe. Die Infragestellung des Pseudotumors cerebri stelle sich im Übrigen als geradezu haarsträubend dar. Außerdem sei die Klägerin am 17. Juli 2014 "aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Rekonvaleszenz" als arbeitsunfähig aus der Rehaklinik entlassen worden. Auf die Unterscheidung zwischen Arbeitsunfähigkeit einerseits und den rentenrechtlichen Kategorien der zeitlichen Leistungsfähigkeit bezüglich der letzten beruflichen Tätigkeit bzw. des positiven und negativen Leistungsvermögens sei Dr. L. ebenfalls nicht eingegangen. Die sachverständige Zeugin Bucher habe bekundet, dass die Klägerin am 21. Juli 2014 am Studieren und Arbeiten - auch nur stundenweise - gehindert gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2015 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld auf ihren Antrag vom 22. Juli 2014.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die von der Klägerin beanspruchte Gewährung von Arbeitslosengeld dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, da sie zum einen bei Antragstellung subjektiv nicht verfügbar war (§ 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III) und außerdem ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld auch nicht aus der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III herzuleiten ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch unter Berücksichtigung des Vorbringens und der weiteren Beweiserhebung im Berufungsverfahren ein Anspruch auf Arbeitslosengeld auf den Antrag vom 21. Juli 2014 nicht gegeben ist.

1. Zunächst ist festzuhalten, dass sich auch im Verlauf des Berufungsverfahrens bestätigt hat, dass die Klägerin seit der hier streitgegenständlichen Antragstellung im Juni 2014 nicht subjektiv verfügbar im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III war. Ebenso wie bereits im Verwaltungs-, Widerspruchs- und erstinstanzlichen Klageverfahren hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren stets geltend gemacht und ausführlich begründet, dass sie seit Antragstellung wegen der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen nicht dazu in der Lage war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes aufzunehmen. Sie hat dies zuletzt ausdrücklich noch einmal mit Schriftsatz vom 29. September 2017 bestätigt (Bl. 259 der Senatsakte), womit zur Überzeugung des Senats feststeht, dass subjektive Verfügbarkeit der Klägerin seit Antragstellung zu keinem Zeitpunkt bestanden hat.

2. Des weiteren steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin bei Antragstellung am 21. Juli 2014 in der Lage war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes auszuüben.

Diese Feststellung stützt der Senat zum einen auf folgende urkundlich verwerteten und bereits im Verwaltungs- und Klageverfahren aktenkundigen ärztlichen Unterlagen: Den Entlassungsbericht der Rehaklinik Da. GmbH vom 22. Juli 2014, das Gutachten des Dr. He. vom 6. August 2014 und die schriftliche Zeugenauskunft des Dr. Re. vom 27. Juli 2015. Diese Ärzte sind übereinstimmend zum Ergebnis gekommen, dass die Klägerin in der Lage war, mindestens 15 Stunden wöchentlich (die Ärzte der Rehaklinik und Dr. He. bestätigen sogar ein Leistungsvermögen von täglich 6 Stunden und mehr) berufstätig zu sein, soweit es sich um leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung überwiegend im Sitzen ohne Nachtschicht, ohne Taktgebundenheit und ohne besonderen psychischen Druck handelt.

Auch das nach § 109 SGG auf Antrag der Klägerin eingeholte und nach Aktenlage erstellte Sachverständigengutachten des Dr. L. stützt das Klagebegehren nicht. Der Gutachter hat nach Auswertung der umfangreichen ärztlichen Unterlagen schlüssig und für den Senat überzeugend dargelegt, dass auf nervenärztlichem Fachgebiet gesichert die Diagnosen einer thorakalen Myelopathie und einer rezidivierenden depressiven Störung und Angst zu stellen sind. Die bildgebend mehrfach dokumentierte und beschriebene Auftreibung des Myelons in Höhe der Brustwirbelsäule hat nach Angaben des Sachverständigen zu Missempfindungen oder einer Schwäche im Bereich der unteren Extremitäten geführt, nicht jedoch zu Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten. Eine relevante Beeinträchtigung langer aufsteigender oder absteigender Bahnensysteme ist nach Angaben des Sachverständigen nach der vielfach in der Akte beschriebenen klinischen und elektrophysiologischen Diagnostik ausgeschlossen. Im Gutachten ist ausführlich dargelegt, dass der erstmals im Juli 2014 erwähnte Befund eines Pseudotumor cerebri im weiteren Verlauf relativiert wurde – so z.B. anlässlich einer Kernspinkontrolle des Hirnschädels am 17. Juli 2015 im Universitätsklinikum B. (Bericht Universitätsklinikum B. vom 24. Juli 2015, SG Akte Bl. 84). In diesem Bericht heißt es unter anderem: "Dementsprechend bleibt die aus unserer Sicht geeignete, aussichtsreichste und insbesondere sicherste Maßnahme ein stationärer Aufenthalt zur Gewichtsreduktion und entsprechender psychosomatischer Betreuung (ergänzend auch zu Schmerzsyndrom, Anpassungsstörung, Depression). Dafür wäre eine psychosomatische Klinik mit der Spezialisierung auf Adipositaspatienten besonders geeignet. Dies wurde erneut mit Frau Ströfer thematisiert. Sie zeigte sich diesbezüglich sehr skeptisch und sah die subjektive Zunahme ihrer Beschwerden im Zusammenhang mit ihrer aktuellen Gewichtsreduktion. Dies kann medizinisch nicht nachvollzogen werden. Bei weiterer Gewichtsreduktion und stabiler Rückbildung der Zeichen des Liquorüberdruckes, insbesondere am Auge, kann eine Reduktion der entsprechende Medikation – und damit hoffentlich eines Teils der a.e. als Nebenwirkung auftretenden Beschwerden – begonnen werden." Auch bezüglich einer zuvor angenommenen pathologischen Veränderung der Papille (Austrittsstelle des Sehnervs) weist der Sachverständige darauf hin, dass dieser Befund im weiteren Verlauf relativiert worden ist. Dies ergibt sich aus den Berichten des Universitätsklinikums B. vom 24. Juli 2015 und 11. September 2015 (Senatsakte Bl. 112 und 117), nach denen sich kein Nachweis einer pathologischen Papillenprominenz oder Vergrößerung des Durchmessers der Sehnervenscheide beider Augen ergeben hat. Auch diese Klinikberichte schließen mit der dringenden Empfehlung eines stationären Aufenthalts zur Gewichtsreduktion. Diese Berichte sprechen nicht für das Vorliegen gravierender neurologischer Erkrankungen mit relevanten Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen. Vielmehr halten die Klinikärzte zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation in erster Linie eine Gewichtsreduktion für erforderlich. Auch unter Berücksichtigung dieser Klinikberichte ist die Schlussfolgerung des Sachverständigen Dr. L. für den Senat überzeugend, dass die Diagnose eines Pseudotumor cerebri nicht als gesichert angesehen werden kann und dass die multiplen diffusen Missempfindungen am ehesten der bestehenden Depressivität und Angst zuzuordnen sind. Auf die zuletzt von klägerischer Seite noch einmal aufgeworfene Frage, ob vorliegend auch die Diagnose einer Fibromyalgie zu stellen ist, kommt es für die hier zu treffende Entscheidung letztlich nicht an. Für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens kommt es grundsätzlich und unabhängig von der genauen differenzialdiagnostischen Einordnung immer auf die aus Gesundheitsstörungen resultierenden Funktionseinschränkungen und damit verbundenen Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens an. Soweit Dr. L. mit ausführlicher Begründung und unter Hinweis auf entsprechende medizinische Fachliteratur (Senatsakte Bl. 250 ff.) eine Fibromyalgie nicht gesondert diagnostiziert sondern die aus ihr resultierenden gesundheitlichen Einschränkungen letztlich der Diagnose einer Depression/Somatisierung unterordnet, ist dies nicht zu beanstanden. Der Gutachter "übersieht" hierbei nämlich gerade keine Funktionsbeeinträchtigungen, sondern nimmt nur eine abweichende diagnostische Einordnung vor. Schlüssig und nachvollziehbar kommt der Gutachter Dr. L. schließlich zum Ergebnis, dass bei der Klägerin im Sommer des Jahres 2014 eine zumindest mittelschwere depressive Störung vorgelegen hat, die die Leistungsfähigkeit im Sinne einer Studierfähigkeit tatsächlich beeinträchtigt hat. Eine bestehende Depression lässt weitgehend insbesondere Arbeiten unter Zeitdruck, unter hoher Verantwortung und mit besonderer Anforderung an das Auffassungs- und Umstellungsvermögen bzw. an die Konzentration und die Eigeninitiative nicht zu, die jedoch unabdingbare Voraussetzung für die im Wesentlichen eigenverantwortliche Durchführung eines Studiums sind. Überzeugend und schlüssig kommt der Sachverständige zum Ergebnis, dass die Klägerin zwar bezogen auf ihre Tätigkeit als Studentin mit dem Erfordernis eigener Initiative, Konzentrations- und Durchhaltevermögen durch die bestehende Depressivität eingeschränkt war, nicht jedoch bezogen auf einfache Montagetätigkeiten oder sonstige leichte "Frauenarbeiten". Der Senat schließt sich daher der Schlussfolgerung des Dr. L. an, dass für die Klägerin am 21. Juli 2014 Studierfähigkeit zwar nicht bestanden hat, sie aber leidensgerechte vollschichtige Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätte ausführen können. Dieses Ergebnis entspricht vollumfänglich der Einschätzung der Ärzte, die in der Rehaklinik Da. über vier Wochen lang mit der Klägerin befasst waren und die für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens aufgrund ihrer fachlichen Ausrichtung als im Rehabilitationswesen tätige Klinikärzte als besonders kompetent anzusehen sind. Die im Berufungsverfahren noch eingeholten schriftlichen Auskünfte der behandelnden Ärzte der Klägerin sind nicht geeignet, eine abweichende Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin zu begründen. Der Facharzt für Neurologie Dr. Mi. hat zum beruflichen Leistungsvermögen keine Angaben gemacht. Die Einschätzung des Dr. Schr., die Klägerin sei ab Juli 2014 zu einer geregelten Tätigkeit nicht in der Lage gewesen, ist schon aus dem Grund nicht relevant, als der Hausarzt nach eigenen Angaben die Klägerin von April 2014 bis 22. Oktober 2014 nicht selbst behandelt hat, da sie sich wohl in S. aufgehalten habe. Aus eigener Wahrnehmung ist Dr. Schr. somit eine Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin bezogen auf den streitigen Zeitpunkt gar nicht möglich. Soweit die Allgemeinmedizinerin Bucher angegeben hat, der Klägerin seien berufliche Tätigkeiten von 15 Stunden pro Woche oder für kürzere Zeit nicht möglich gewesen, ist diese Einschätzung anhand von Befunden nicht nachvollziehbar begründet und durch das Gutachten des Dr. L. widerlegt.

Damit kann nicht festgestellt werden, dass bei der Klägerin bei Antragstellung am 21. Juli 2014 eine länger als sechs Monate andauernde Leistungsminderung vorgelegen hat. § 145 SGB III greift daher nicht ein und die Beklagte hat die Gewährung von Arbeitslosengeld zutreffend und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben abgelehnt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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