L 11 R 4065/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3543/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4065/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Werden Arbeitszeitkonten, die nur dazu dienen, das angesparte Arbeitszeitguthaben durch Minderarbeit in Folgezeiträumen abzubauen, um dadurch einen verstetigt ausgezahlten Arbeitslohn zu erhalten, dadurch aufgelöst, dass der Lohn für das angesparte Zeitguthaben in einem einzelnen Monat ausgezahlt wird (sog. Störfall), gilt für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht die
monatliche Beitragsgrenze, sondern die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 23a SGB IV analog).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.09.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 2.199, 37 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen iHv 2.199,37 EUR im Rahmen einer Betriebsprüfung im Zusammenhang mit der Auflösung von Arbeitszeitkonten für elf ausgeschiedene Mitarbeiter der Klägerin (Beigeladene zu 1) bis 11).

Die Klägerin führt in der Rechtsform der GmbH & Co. KG ein Dienstleistungsunternehmen der Garten- und Landschaftspflege. Für ihre Mitarbeiter führt sie Arbeitszeitkonten zur Verstetigung des Arbeitslohns, um witterungs- und jahreszeitlich bedingte Schwankungen auszugleichen. Im September/Oktober 2013 schieden bei der Klägerin elf Arbeitnehmer aus. Die für diese auf den Arbeitszeitkonten angesparten Überstunden wurden im letzten Monat des Beschäftigungsverhältnisses kumuliert ausgezahlt und als laufender Arbeitslohn für den Auszahlungsmonat verbeitragt bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze.

In den Arbeitsverträgen der Beigeladenen zu 1) bis 11) mit der Klägerin war unter Ziff 1.2 geregelt: "Die Arbeitszeit richtet sich nach § 4 BRTVGaLaBau und den betrieblichen Erfordernissen. Mehrarbeit wird einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und in Schlechtwetterperioden in Freizeitausgleich gewährt." Als Entgelt war ein Bruttostundenlohn geregelt.

Für den Prüfzeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2014 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung durch. Die Schlussbesprechung erfolgte am 10.06.2015. Mit Bescheid vom 10.06.2015 forderte die Beklagte insgesamt Beiträge und Umlagen iHv 2.572,30 EUR nach. Davon entfielen 2.199,37 EUR auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für ausgeschiedene Mitarbeiter wegen der Auszahlung der Überstunden bei Auflösung des Arbeitszeitkontos. Kumuliert gezahlte Überstundenvergütungen oder Auflösungen von Arbeitszeitkonten seien stets steuer- und beitragspflichtiges und aufgrund ihrer Zeitbezogenheit laufendes Arbeitsentgelt. Zur Vereinfachung könne bei Nachzahlungen die Regelung für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt angewandt werden. Dabei sei die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze des Nachzahlungszeitraums zugrunde zu legen. Zur Berechnung der Beiträge sei hier in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung lediglich die monatliche Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt worden. Dadurch sei der diese Grenze übersteigende Bruttolohn nicht der Sozialversicherungspflicht unterworfen worden; die fehlenden Beiträge würden nachgefordert.

Mit ihrem Widerspruch vom 30.06.2015 wandte sich die Klägerin gegen eine Abgabepflicht jenseits der Beitragsbemessungsgrenzen. Die überschießende weitere Zahlung aus dem Störfall (Verwendung des Arbeitszeitkontos nicht für Freistellung, sondern durch Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses) wirke sich nicht aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei den geführten Arbeitszeitkonten handele es sich ausschließlich um "Schlechtwetterkonten", um saisonbedingte Ausfallstunden aufzufangen. Erfasste Überstunden würden regelmäßig in Freizeit ausgeglichen. Es handele sich daher nicht um Wertguthabenkonten oder Altersteilzeitvereinbarungen. Somit sei die Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse nicht als Störfall anzusehen; ein solcher ergebe sich nur bei Wertguthabenkonten und sei dann besonders zu berechnen. Kumuliert gezahlte Überstunden und Auflösungen von Arbeitszeitkonten seien stets laufendes Arbeitsentgelt und dem Monat zuzuordnen, in dem sie erarbeitet seien. Bei Nachzahlungen sei die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze des Nachzahlungszeitraums zugrunde zu legen. Dies sei hier nicht erfolgt, da der gesamte Betrag einem Monat zugeordnet worden sei.

Hiergegen richtet sich die am 23.11.2015 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage, welche die Klägerin auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der zeitlichen Zuordnung der Nachzahlungen aus den aufgelösten Arbeitszeitkonten und damit auf die Summe von 2.199,37 EUR beschränkt hat. Die Arbeitszeitkonten hätten wegen Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse entgegen ihrer eigentlichen Funktion vollständig auf einmal ausgezahlt werden müssen. Das ausgezahlte Arbeitsentgelt sei dem Abrechnungszeitraum, in dem es ausgezahlt worden sei, zugeordnet worden. Bei Arbeitszeitkonten bestimme sich die Höhe des beitragspflichtigen Entgelts nach § 22 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nach dem Zuflussprinzip. Im Falle der einmaligen Auszahlung und damit nicht vereinbarungsgemäßen Verwendung des Zeitguthabens (Störfall) sei der Zeitpunkt der Auszahlung maßgeblich. Dabei sei die Beitragshöhe durch die Beitragsbemessungsgrenzen begrenzt. Das Zuflussprinzip gelte unabhängig vom Vorliegen von Wertguthaben und sonstigen Arbeitszeitkonten. Da Guthaben aus flexiblen Arbeitszeitkonten nicht als Wertguthaben gelten würden, werde die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge nicht nach § 23b SGB IV in die Freistellungsphase verschoben. Allerdings habe der Gesetzgeber durch die klare Trennung von Wertguthaben und sonstigen Arbeitszeitkonten nicht erreichen wollen, dass für letztere nunmehr das Entstehungsprinzip Anwendung finde. Auch hier solle eine Verbeitragung im Zeitpunkt der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert werden. Nach der Gesetzesbegründung zu § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV würden gerade solche Arbeitszeitkonten erfasst, die zur Flexibilisierung der werktäglichen Arbeitszeit von der Möglichkeit Gebrauch machten, in Zeiten betrieblicher Mehrarbeit Arbeitszeitguthaben anzusammeln. In Zeiten der Minderarbeit würden die angesammelten Stunden ausgezahlt, um dem Mitarbeiter ein stetiges Einkommen zu ermöglichen. Würde man bei nicht vereinbarungsgemäßer Verwendung des Arbeitszeitkontos im Störfall das ausgezahlte Arbeitsentgelt wieder in den Monaten der Arbeitsleistung verbeitragen, würde wieder das Entstehungsprinzip zur Anwendung gebracht. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung eines Störfalls sei lediglich für das Wertguthaben ausdrücklich geregelt nach § 23b Abs 2a SGB IV. Bei den sonstigen Arbeitszeitkonten werde durch § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV bereits für die Anspruchsentstehung das Zuflussprinzip geregelt. Die Sozialversicherungsbeiträge entstünden erst mit dem Abbau des Zeitkontos, so dass die ausdrückliche Regelung eines Störfalls nicht erforderlich sei. Maßgebend sei der Entgeltabrechnungszeitraum, in dem das Arbeitszeitguthaben ausgezahlt werde. Wenn insoweit die Beitragsbemessungsgrenze überschritten werde, entfalle für den überschießenden Teil die Beitragspflicht.

Mit Urteil vom 28.09.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Grundsätzlich entstünden Beitragsansprüche nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV, sobald ihre Voraussetzungen vorlägen. Bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sowie Arbeitsentgelt, das aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben errechnet werde, entstünden Beitragsansprüche, sobald dieses ausgezahlt werde. § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV gelte nur für Wertguthaben iSv §§ 7b ff SGB IV und nicht für alle Arbeitszeitguthaben. Die privilegierenden Regelungen für Arbeitszeitkonten gälten ab 01.01.2009 nur noch für die speziellen Formen von Arbeitszeitkonten in Form sog Wertguthabenkonten. Dies ergebe sich in Kombination mit § 7d SGB IV, denn danach seien Wertguthaben nach § 7b SGB IV als Entgeltkonten zu führen. Nichts anderes ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Änderung von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV (unter Hinweis auf BT-Drs 16/10289 S 19). Die Voraussetzungen einer Wertguthabenvereinbarung lägen hier nicht vor, denn nach § 7b Nr 2 SGB IV dürfe eine Wertguthabenvereinbarung nicht den Ausgleich betrieblicher Produktions- oder Arbeitszyklen verfolgen. Genau dies sei aber der Zweck der hier geführten Arbeitszeitkonten. Die Regelungen zum Störfall seien bei Wertguthaben erforderlich, weil der beabsichtigte Zweck nicht mehr erreicht und die Auszahlung der angesparten Wertguthaben nicht mehr wie vorgesehen erfolgen könne. Konsequenterweise regele § 23b SGB IV nur das Vorgehen bei Vereinbarungen nach § 7b SGB IV. Die Auffassung der Klägerin würde dazu führen, dass bei Wertguthaben entgegen der Intention des Gesetzgebers das Entstehungsprinzip gelte, welches dann im Störfall wieder geändert werde, sonstige Arbeitszeitkonten aber ohne weiteres nach dem Zuflussprinzip zu beurteilen wären. Weshalb der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund das Wertguthaben überhaupt hätte einführen sollen, sei nicht nachvollziehbar. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sei die Auffassung der Klägerin, dass aus der ausdrücklichen Regelung des Störfalls für Wertguthaben und der fehlenden Regelung für sonstige Arbeitszeitkonten nicht geschlossen werden könne, dass bei sonstigen Arbeitszeitkonten die im Störfall ausgezahlten Entgelte bereits im Monat der Arbeitsleistung zu verbeitragen seien. Wenn die Klägerin davon ausgehe, dass alle sonstigen Arbeitszeitkonten unter § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV fielen, wäre eine gesonderte Regelung des Störfalls überflüssig. Auch die Argumentation mit dem systematischen Zusammenhang von § 22 zu § 23b SGB IV überzeuge nicht, da § 23b SGB IV nach dem klaren Wortlaut ohnehin nur für Wertguthaben iSv § 7b SGB IV gelte. Es bleibe dabei, dass die von der Klägerin geführten Arbeitszeitkonten für die Beigeladenen zu 1) bis 11) nicht unter § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV fielen, da sie keine Wertguthaben iSv §§ 7b ff SGB IV seien. Entsprechend dem Entstehungsprinzip des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV entstünden die Beitragsansprüche mit dem Monat der Arbeitsleistung. Das Vorgehen der Beklagten, aus Vereinfachungsgründen für die Nachzahlung die Regelung für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt anzuwenden, sei nicht zu beanstanden. Dabei sei die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze anzuwenden, § 23a SGB IV.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 04.10.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.11.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. § 22 Abs 1 Satz 2 Alt 2 SGB IV sei nicht auf Entgeltkonten beschränkt. Schon der Wortlaut spreche von Arbeitszeitguthaben, was dafür spreche, dass auch Zeitkonten hierunter fielen. Auch der Gesetzgeber differenziere zwischen dem als Entgeltkonto geführten Arbeitsentgeltguthaben und dem als Zeitkonto geführten Arbeitszeitguthaben. Im Übrigen könnten auch Arbeitszeitkonten als Entgeltkonten geführt werden. Es sei abwegig, dem Gesetzgeber zu unterstellen, er habe im Rahmen der Neuregelung der Wertguthaben vom 01.01.2009 ausgerechnet an einer der wesentlichsten Novellierungen aus Versehen nicht den Begriff "Wertguthaben" verwendet. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die bisherige Gesetzeslage – Geltung des Zuflussprinzips für sämtliche Arbeitszeitguthaben – so einschneidend habe ändern wollen, ohne dies in der Gesetzesbegründung zu erwähnen. Tatsächlich spreche die Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/10289 S 19) dafür, § 22 Abs 1 Satz 2 Alt 2 SGB IV ausschließlich auf Arbeitszeitkonten anzuwenden, die keine Wertguthaben seien. Entgegen der Auffassung des SG ergebe sich weder aus Wortlaut noch Gesetzesbegründung der Wille des Gesetzgebers, Wertguthaben zu privilegieren, mit Ausnahme der Regelung des Insolvenzschutzes bzw im Störfall. Hinsichtlich der Fälligkeit der Beiträge bestehe über die Regelungen der §§ 22 Abs 1 Satz 1, 23b Abs 1 SGB IV für Wertguthaben und § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV für sonstige Arbeitszeitkonten eine Gleichstellung. Nach Auffassung des SG, nach der bei Wertguthaben der Beitragsanspruch gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV erst mit Auszahlung des Arbeitsentgelts entstehe, wäre die zusätzliche Regelung in § 23b SGB IV schlicht überflüssig. Sonstige flexible Arbeitszeitregelungen, die nicht unter § 7b SGB IV fielen, würden seit 01.01.2009 von § 23b SGB IV nicht mehr erfasst. Um eine Verbeitragung bereits zum Zeitpunkt der Erbringung der Arbeitsleistung zu verhindern, führe § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt für diese Arbeitszeitguthaben, die keine Wertguthaben seien, das Zuflussprinzip ein. Auch die Beklagte gehe davon aus, dass § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV zunächst anwendbar sei, erst bei Auszahlung des gesamten Guthabens zu einem Termin wolle sie das Entstehungsprinzip anwenden. Entstehe der Beitragsanspruch erst mit der Auszahlung, sei dieser jedoch auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Ansonsten würde bei einmaliger Auszahlung für sonstige Arbeitszeitkonten faktisch das Entstehungsprinzip gelten. Dies wäre willkürlich, denn es gebe keinen Grund, in Entgelt geführte Konten gegenüber in Arbeitszeit geführten Konten zu privilegieren. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Gegen die anteilige Anrechnung auf Monate, in denen die Arbeitsleistung erbracht worden sei, spreche auch der Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV, der auf den Auszahlungszeitpunkt abstelle. Eine analoge Anwendung von § 23a SGB IV scheitere schon am Fehlen einer Regelungslücke. Denn in § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV unterscheide der Gesetzgeber zwischen einmalig gezahltem Arbeitsentgelt und Arbeitsentgelt aus Arbeitszeitguthaben. Durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 23a SGB IV auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass diese Vorschrift nicht auf Arbeitszeitguthaben angewendet werden solle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.09.2016 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2015 hinsichtlich des Bescheidungspunktes der "zeitlichen Zuordnung bzw Nachzahlung von Arbeitsentgelt" und damit iHv 2.199,37 EUR aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Gesetz spreche an keiner Stelle von Arbeitszeitkonten oder Entgeltkonten. Gemäß § 7d Abs 1 Satz 1 SGB IV bestehe die Pflicht, Wertguthaben als Arbeitsentgeltguthaben zu führen. Der Wortlaut des § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV auch iVm § 7d Abs 1 SGB IV spreche somit gegen die Einbeziehung von Arbeitszeitkonten. Der Gesetzgeber habe nur die Wertguthaben aus Langzeitkonten privilegieren wollen. In der Begründung zu § 22 Abs 1 SGB IV habe der Gesetzgeber ausgeführt: "Ein Arbeitszeitguthaben zählt beitragsrechtlich typischerweise nicht als Arbeitsentgelt ist deshalb auch nicht zu verbeitragen. Anders stellt sich die Sachlage dar, wenn die Arbeitskraft stundenweise abgerechnet und auf der Basis von Stundenlöhnen vergütet wird. Selbst wenn in diesen Fällen ein verstetigtes Entgelt gezahlt wird, verbleibt nach dem Entstehungsprinzip das unerwünschte Ergebnis, dass diese in ein Arbeitszeitkonto eingestellte Arbeitszeit normalerweise den Beitragsanspruch auslöst, weil der Entgeltanspruch bereits entstanden ist. Daher wird auch für diese aus Arbeitszeitkonten abgeleiteten Entgeltkonten das im Steuerrecht sowie für Einmalzahlungen nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV bereits geltende Zuflussprinzip eingeführt. Das bedeutet zukünftig, dass Arbeitszeitkonten, die als Entgeltkonten geführt werden, erst bei Auszahlung als Arbeitsentgelt an den Beschäftigten verbeitragt und versteuert werden müssen." Danach solle § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV also nur für Arbeitszeitkonten gelten, die als Entgeltkonten geführt werden. Die Klägerin habe jedoch ein Arbeitszeitkonto geführt. Der Sinn und Zweck dieses Arbeitszeitkontos zeige auch, dass es überhaupt keinen Grund gebe, weshalb die Abgeltung eines Arbeitszeitguthabens privilegiert werden solle. Den Arbeitnehmern habe ein gleichbleibendes Einkommen gewährleistet werden sollen. Bei der von der Klägerin gewünschten beitragsrechtlichen Behandlung würden sie durch die geringeren Sozialversicherungsabgaben jedoch bessergestellt.

Die Beigeladenen habe sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keine Sachanträge gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte und statthafte (§ 143 SGG) Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid vom 10.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Streitgegenstand ist allein die beitragsrechtliche Behandlung der aufgelösten Arbeitszeitguthaben bei Ausscheiden der Beigeladenen zu 1) bis 11) aus dem Betrieb der Klägerin. Die aus anderen Gründen erfolgten Beitragsnachforderungen in dem angefochtenen Bescheid greift die Klägerin nicht an.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.

Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Die Entscheidung stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte - positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheids nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht vom Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Die hier streitigen Beiträge werden als Gesamtsozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28g Satz 1 und 2, 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)), es sei denn Versicherungspflicht scheidet aufgrund gesetzlicher Regelungen aus. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Das Bestehen versicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse der Beigeladenen zu 1) bis 11) bei der Klägerin ist vorliegend nicht zweifelhaft. Ebenso ist unstreitig, dass die Auszahlungen aus den wegen des Ausscheidens dieser Mitarbeiter im September bzw Oktober 2013 aufgelösten Arbeitszeitkonten grundsätzlich beitragspflichtiger Arbeitslohn sind. Denn nach § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus einer Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Streitig ist allein, ob die kumuliert im September bzw Oktober 2013 ausgezahlten Entgelte aus den Arbeitszeitguthaben, die auf der Mehrarbeit im Jahr 2013 beruhen, nur dem Monat der Auszahlung zuzuordnen sind oder dem Zeitraum im Jahr 2013, in dem sie erarbeitet sind. Je nachdem ist entweder die monatliche Beitragsbemessungsgrenze maßgeblich (wie von der Klägerin angenommen) oder die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze, was zu einer Nachforderung von Beiträgen führt, wie im angefochtenen Bescheid berechnet.

Die von der Beklagten vorgenommene Nachforderung von Beiträgen vor allem zur Kranken- und Pflegeversicherung (bei dem Beigeladenen zu 10) zusätzlich auch Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Arbeitsförderungsrecht) entspricht der maßgeblichen Sach- und Rechtslage und ist daher nicht zu beanstanden.

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (sog Entstehungsprinzip). Für Wertguthabenvereinbarungen nach § 7b SGB IV regelt § 23b SGB IV eine nachgehende Fälligkeit der Beiträge. Soweit das erzielte Arbeitsentgelt in ein Wertguthaben eingebracht wird, werden die Beiträge erst bei Verwendung des Wertguthabens in der Freistellungsphase aus dem in dieser Zeit ausgezahlten Arbeitsentgelt fällig. Derartige Wertguthabenvereinbarungen liegen nach § 7b Nr 2 SGB IV allerdings gerade nicht vor, wenn die Vereinbarung dem Ziel des Ausgleichs betrieblicher Produktions- und Arbeitszyklen dient, wie das hier der Fall ist. Die von der Klägerin geführten Arbeitszeitkonten dienen allein der Verstetigung des Arbeitslohns, um jahreszeitlich und witterungsbedingte Schwankungen ausgleichen zu können. In den Arbeitsverträgen ist hierzu ausdrücklich geregelt, dass Mehrarbeit über die tarifliche Arbeitszeit von 39 Wochenstunden hinaus einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und in Schlechtwetterperioden in Freizeitausgleich gewährt wird. § 23b SGB IV gilt ausdrücklich nur für Vereinbarungen nach § 7b SGB IV und findet daher auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, insbesondere daher auch nicht die Regelung zum Störfall in § 23b Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB IV, wenn das Wertguthaben wegen vorzeitiger Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr vereinbarungsgemäß verwendet werden kann.

Nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt sowie bei Arbeitsentgelt, das aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben errechnet wird, sobald dieses ausgezahlt worden ist. Die Formulierung "Arbeitsentgelt, das aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben errechnet wird", ist sprachlich unverständlich. Gemeint sein dürfte: "Arbeitsentgelt, das aus Entgeltguthaben errechnet wird, das aus Arbeitszeitguthaben abgeleitet wird" (so auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, § 22 RdNr 78). Damit wird das Zuflussprinzip für diese Zahlungen eingeführt. Hintergrund ist die strengere Abgrenzung von Wertguthaben zu anderen Formen von Arbeitszeitguthaben seit 2009. Mit der im Zusammenhang mit den Neuregelungen zu flexiblen Arbeitszeitgestaltungen eingeführten 2. Alternative in § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV (Art 1 Nr 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.12.2008, BGBl I 2940) wollte der Gesetzgeber erreichen, dass das Zuflussprinzip auch bei der Verbeitragung von Stundenlohnansprüchen bei Gleitzeit oder bei Arbeitszeitkonten gilt, wenn keine Wertguthabenvereinbarung iSv § 7b SGB IV vorliegt (BT-Drs 16/10289 S 19; ausführlich zitiert im Tatbestand S 11). Bei Stundenlohnansprüchen wollte der Gesetzgeber auf diese Weise das selbst bei der Führung von Arbeitszeitguthaben, die im Grunde kein Arbeitsentgelt und daher nicht zu verbeitragen sind, unerwünschte Ergebnis vermeiden, dass unabhängig von der Auszahlung bereits durch die geleistete Arbeitszeit der Beitragsanspruch ausgelöst wird, da der Entgeltanspruch bereits entstanden ist. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung im Hinblick auf die ansonsten für Wertguthaben geltenden Fälligkeitsregelungen in § 23b SGB IV daher solche flexiblen Arbeitszeitvereinbarungen erfassen, die keine Wertguthabenvereinbarungen iSv § 7b SGB IV darstellen. Ob allerdings weitere Voraussetzung für die Anwendung von § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV ist, dass die Zeitguthaben tatsächlich als Entgeltguthaben geführt werden, wie die Beklagte meint, lässt sich aus dem Wortlaut nicht klar entnehmen. Dieser spricht allein von der Ableitung aus Arbeitszeitguthaben. In der Begründung (BT-Drs 16/10289 S 19 zu Nr 5 letzter Satz) heißt es jedoch ausdrücklich: "Das bedeutet zukünftig, dass Arbeitszeitkonten, die als Entgeltkonten geführt werden, erst bei Auszahlung als Arbeitsentgelt an den Beschäftigten verbeitragt und versteuert werden müssen". Ein derart enges Verständnis der Norm dahingehend, dass reine Arbeitszeitkonten nicht erfasst werden, steht jedoch dem oben dargestellten Gesetzeszweck entgegen, dass nämlich gerade auch bei Zeitguthaben aufgrund von Stundenlohnansprüchen das Zuflussprinzip gelten soll. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Arbeitszeitkonto als Zeit- oder Entgeltkonto geführt wird (ebenso Knospe, NZS 2009, 600, 602; aA Zieglmeier in Kasseler Kommentar, SGB IV, § 22 RdNr 38). § 7d Abs 1 SGB IV schreibt nur für Wertguthaben vor, dass diese als Arbeitsentgeltguthaben zu führen sind. Unerheblich ist daher, dass im Fall der Klägerin reine Arbeitszeitkonten geführt werden, welche die tatsächliche Arbeitszeit im Vergleich zur vereinbarten Soll-Arbeitszeit festhalten. § 22 Abs 1 Satz 2 Alt 2 SGB IV ist sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach der in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers auf Arbeitszeitkonten, wie sie von der Klägerin geführt werden, dem Grunde nach anwendbar. Die laufende Handhabung bei der Klägerin, Arbeitszeitguthaben durch Minderarbeit in Folgezeiträumen abzubauen und Sozialversicherungsbeiträge allein aus dem verstetigt ausgezahlten Arbeitslohn zu entrichten, wird insoweit auch von der Beklagten nicht beanstandet. Dies entspricht auch der Auffassung der Spitzenorganisationen, wie sie im gemeinsamen Rundschreiben vom 31.03.2009 zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetzes auf das Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht unter Ziff 3.2.1 und 3.2.2 zum Ausdruck kommt.

Nicht eindeutig geregelt ist allerdings, wie beitragsrechtlich mit Entgeltansprüchen zu verfahren ist, die aus der Auflösung von Arbeitszeitguthaben bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses stammen und nicht mehr dem Ausgleich betrieblicher Produktionsschwankungen dienen. Die Beitragsansprüche sind gemäß § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV erst bei Auszahlung des Entgelts im September/Oktober 2013 entstanden. Damit steht indes noch nicht fest, ob allein die Beitragsbemessungsgrenze im Auszahlungsmonat Anwendung findet, das aus dem Arbeitszeitguthaben stammende Entgelt rückwirkend den Monaten zuzuordnen ist, in denen es erarbeitet wurde oder die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze heranzuziehen ist.

Werden Überstunden kumuliert ausgezahlt, bleibt es dabei, dass es sich um laufendes Arbeitsentgelt handelt, denn der Charakter der Zuwendung ändert sich nicht dadurch, dass für einen oder mehrere Abrechnungszeiträume nachträglich die Arbeitsleistung vergütet wird. Bei nachträglich gezahlten Überstundenvergütungen erfolgt daher eine beitragsrechtliche Verteilung auf die Zeiträume, in denen das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist (vgl Baier in Krauskopf, SGB IV § 23a Rn 7, Stand Januar 2017; Pietrek in jurisPK-SGB IV, § 23a Rn 29, Stand 01.03.2016; BSG 27.10.1989, 12 RK 9/88, BSGE 66, 34 = SozR 2200 § 385 Nr 22). Eine rückwirkende Zuordnung der als Arbeitszeitguthaben angesammelten Überstunden zu den Monaten, in denen sie erarbeitet wurden, widerspräche jedoch der Regelung des Zuflussprinzips in § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV, denn insoweit würde mit Rückwirkung die Fälligkeit der Beiträge im Störfall geändert. Dies wäre auch praktisch mit einem ganz erheblichen Mehraufwand verbunden, da für sämtliche Beitragsnachweise nach § 28f Abs 3 Satz 1 SGB IV Korrekturmeldungen erfolgen müssten. Diese Variante kommt daher nicht in Betracht.

Wie bereits ausgeführt, findet § 23b SGB IV keine Anwendung. Allerdings hält der Senat die Regelung des § 23a SGB IV zumindest für analog anwendbar. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV gilt gleichermaßen für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt wie für Arbeitsentgelt, das aus Arbeitszeitguthaben abgeleiteten Entgeltguthaben errechnet wird. Für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das in § 23a Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IV definiert wird, sieht § 23a Abs 1 Satz 3 SGB IV vor, dass es dem Entgeltabrechnungszeitraum zugeordnet wird, in dem es gezahlt wird, soweit Abs 2 bis 4 nichts Abweichendes bestimmen. Nach Abs 3 ist das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt bei der Feststellung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts für Beschäftigte zu berücksichtigen, soweit das bisher gezahlte beitragspflichtige Arbeitsentgelt die anteilige Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht. Die anteilige Beitragsbemessungsgrenze ist der Teil der Beitragsbemessungsgrenze, der der Dauer aller Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr bis zum Ablauf des Entgeltabrechnungszeitraums entspricht, dem einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zuzuordnen ist; auszunehmen sind Zeiten, die nicht mit Beiträgen aus laufendem (nicht einmalig gezahltem) Arbeitsentgelt belegt sind.

Eine direkte Anwendung des § 23a SGB IV ist nach dem Wortlaut der Vorschrift in Fällen der vorliegenden Art zweifelhaft. Nach der Legaldefinition in Abs 1 Satz 1 sind Einmalzahlungen Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Stellt man darauf ab, dass der eigentlich vereinbarte Freizeitausgleich aufgrund der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich ist, ließe sich die kumulierte Auszahlung des Arbeitszeitguthabens aufgrund der Zweckverfehlung als Einmalzahlung ohne Bezug auf bestimmte Lohnabrechnungszeiträume sehen, vergleichbar einer Urlaubsabgeltung. Auf der anderen Seite ist das Arbeitszeitguthaben jedoch in bestimmten Lohnabrechnungszeiträumen durch Überstunden erarbeitet worden und lässt sich insoweit ohne weiteres auch diesen Zeiträumen zuordnen.

Systematisch drängt sich jedenfalls die Gleichbehandlung mit einmalig gezahltem Arbeitsentgelt auf. Zwar ist zuzugestehen, dass der Gesetzgeber im Zuge der Einführung des Zuflussprinzips für Auszahlungen aus Arbeitszeitguthaben in § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV die Vorschrift des § 23a SGB IV nicht entsprechend angepasst hat. Sofern § 23a SGB IV, der auch nach Auffassung der Spitzenorganisationen im bereits genannten Rundschreiben vom 31.03.2009 Anwendung finden soll, nicht direkt anwendbar ist, geht der Senat von einer planwidrigen Regelungslücke aus und hält diese Vorschrift für zumindest analog anwendbar. Anders als bei den Wertguthaben, die für längere Zeiträume angespart werden, verfolgen die sog Schlechtwetterkonten nicht den Zweck einer längerfristigen Freistellung. Bei schwankender Arbeitszeit erfolgt vielmehr regelmäßig ein Ausgleich des Arbeitszeitkontos. Die Notwendigkeit zur Regelung des Störfalls ist daher nicht in gleicher Weise vorhanden wie bei den Wertguthabenvereinbarungen nach § 7b SGB IV, für die der Gesetzgeber in § 23b SGB V eine spezielle Regelung getroffen hat. Die Gesetzesbegründung zu § 22 SGB IV enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass reine Arbeitszeitkonten gegenüber Wertguthabenvereinbarungen im Störfall privilegiert werden sollten. Für Wertguthabenvereinbarungen und andere Modelle flexibler Arbeitszeit sollte erreicht werden, dass jedenfalls noch keine Beiträge in der "Ansparphase" entrichtet werden müssen. Dies wird nach der hier vertretenen Auffassung über die Anwendung von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV erreicht. Für Störfälle bei Wertguthabenvereinbarungen hat der Gesetzgeber konkrete Regelungen in § 23b Abs 2 SGB IV getroffen. Würde der Auffassung der Klägerin folgend im Falle nicht vereinbarungsgemäßer Verwendung des Arbeitszeitguthabens (hier bei Auflösung des Guthabens wegen Kündigung) die Beitragserhebung ohne jegliches Korrektiv allein anhand des Auszahlungsmonats vorgenommen, würde dies eine erhebliche Besserstellung der sonstigen flexiblen Arbeitszeitmodelle außerhalb von Wertguthabenvereinbarungen darstellen. Denn insoweit wären Beiträge nur aus dem Entgelt bis zur monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zu erheben (anders § 23b Abs 2 SGB IV). Das über § 22 Abs 1 Satz 2 2. Alt SGB IV angeordnete Zuflussprinzip soll jedoch allein sicherstellen, dass die Beitragserhebung entsprechend der verstetigten Lohnzahlung erfolgen kann. Ist eine solche Verstetigung wegen Ende des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich, ist kein Grund ersichtlich, warum das angesparte Zeitguthaben nicht nach der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze verbeitragt werden soll. Insoweit liegt eine Regelungslücke vor, die über die entsprechende Anwendung von § 23a SGB IV geschlossen werden kann.

Diese Regelung hat die Beklagte zutreffend der Beitragsnachforderung zugrunde gelegt. Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht dargelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Den Beigeladenen waren Kosten nicht zu erstatten, da sie keine Anträge gestellt haben (§§ 154 Abs 3, 162 Abs 3VwGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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