L 4 KR 2680/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2274/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2680/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem Handbike mit Elektroantrieb.

Der 1971 geborene Kläger, Mitglied der Beklagten, ist seit seiner Kindheit an einer spinalen Muskelatrophie vom Typ Kugelberg Welander mit proximal betonter Tetraparese erkrankt. Seit 2009 ist er auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Im Jahr 2013 war er mit einem Rollstuhl mit elektrischem Zusatzantrieb "E-Motion" versorgt. Am 12. März 2015 genehmigte die Beklagte einen Elektrorollstuhl mit Steh- und Liegefunktion. Seit November 2009 bezog er Leistungen der Pflegeversicherung in der Pflegestufe I, seit dem 1. Januar 2015 in der Pflegestufe II. Der Kläger bezieht außerdem Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 19. April 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit einem Handbike mit Elektroantrieb. Bei dem im (dem Antrag beigefügten) Angebot des Sanitätshauses genannten Gerät der Firma St. ("ElektroDrive LIPO Smart Para") handelt es sich um ein handbetriebenes Zuggerät mit Akkuunterstützung, das vorne am Rollstuhl angebracht wird. Dem Antrag war eine Verordnung des Allgemeinarztes Dr. K. vom 4. April 2013 über ein Rollstuhl-Bike mit Unterstützung beigefügt.

Ärztin Dr. d. V. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte im Gutachten vom 29. April 2013 aus, eine Indikation zur Versorgung des Versicherten mit dem beantragten Gerät könne nicht nachvollzogen werden. Sollten die Kräfte des Klägers zunehmend nicht mehr ausreichen, um die im Rahmen des Grundbedürfnisses auf Mobilität anfallenden Strecken zurückzulegen, käme die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl in Betracht.

Mit Bescheid vom 10. Mai 2013 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wiederholte die Beklagte im Wesentlichen die Argumentation des MDK.

Hiergegen legte der Kläger am 19. Mai 2013 Widerspruch ein und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, ein Elektrorollstuhl biete keine Alternative, weil ihm dann die tägliche Bewegung fehle. Sein Rollstuhl mit E-Motion-Antrieb reiche nicht zur Bewältigung größerer Strecken mit Steigungen (15 km und mehr), beispielsweise in einen 20 bis 30 Minuten von seinem Wohnort entfernten Ort, wo seine Freunde wohnten. Öffentliche Verkehrsmittel seien oft nicht rollstuhlgerecht. Ihm sei es auch nicht möglich, mit seinem Rollstuhl an Radtouren teilzunehmen oder einen längeren Ausflug in die Natur zu unternehmen.

In einem weiteren Gutachten des MDK führte Dr. W. unter dem 7. Juni 2013 aus, zweifelsohne bestünde beim Kläger eine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Durch die bereits vorliegende Versorgung sei aber das Grundbedürfnis auf Mobilität ausreichend befriedigt. Die gewünschte gesteigerte Mobilität für Strecken von über 15 km oder die Teilnahme an Radtouren falle nicht in das Grundbedürfnis von Mobilität. Hierdurch würde das Maß des Notwendigen überschritten. Auch in Bezug auf die Steigerung der Fitness bestünde kein Anspruch. Zur Krankenbehandlung sei das Gerät nicht zwingend erforderlich. Alternativ kämen Heilmittelanwendungen in Betracht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2013 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) – auch des vom Kläger vorgelegten Urteils vom 18. Mai 2011 (B 3 KR 7/10 R) – bestehe vorliegend keine Leistungspflicht der Krankenversicherung. Es bestehe derzeit eine ausreichende und adäquate Rollstuhlversorgung des Klägers. Aus der Widerspruchsbegründung werde deutlich, dass er sich den Nahbereich mit der derzeitigen Ausstattung erschließen könne. Eine darüber hinaus gehende Leistungspflicht bestehe nicht.

Am 26. August 2013 erhob der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage und trug zur Begründung vor, aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen (Arztbrief der Neurologin Dr. U.-R. vom 18. November 2013, Therapiebericht des Physiotherapeuten F. vom 5. Oktober 2013 und "Hilfsmittelverordnung" des Facharzt für Neurologie und Psychiatrie G. der Kliniken S. vom 9. März 2015) ergebe sich, dass das begehrte Hilfsmittel erforderlich sei, um ein tägliches kardio-pulmonales Training gewährleisten zu können. Könne ein solches Training nicht gewährleistet werden, erhöhe sich der physiotherapeutische Mehraufwand. Mit dem Gerät sei eine verbesserte körperliche Leistungsfähigkeit und ein verbesserter psychischer Zustand zu erwarten. Auch erfolge eine Prävention von Begleit- und Folgeerkrankungen. Insgesamt sei das beantragte Gerät damit Teil eines medizinischen Konzepts, welches auf die Verbesserung oder jedenfalls den Erhalt seines Gesundheitszustandes hinwirken solle, um eine weitergehende, vermehrte ärztliche und physiotherapeutische Behandlung zu vermeiden. Damit seien die vom BSG aufgestellten Kriterien für die Hilfsmittelversorgung erfüllt. Das vom SG eingeholte Sachverständigengutachten (dazu sogleich) stütze sein Begehren.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte zwei weitere Gutachten des MDK vor. Im Gutachten vom 5. April 2016 führte Dr. d. V. aus, ein ärztlicher Therapieplan liege nicht vor. Entsprechend sei die Integration der Nutzung eines Handbikes in eine ärztlich verantwortete Krankenbehandlung nicht gegeben. Aufgrund der musklären Voraussetzungen sei davon auszugehen, dass der Kläger das Gerät nur eingeschränkt nutzen könne. Ohnehin könne es als Hilfsmittel zur Fortbewegung nur im Außenbereich genutzt werden. Die gerichtlichen Sachverständigen (dazu sogleich) gingen davon aus, dass es sich letztlich um einen Armtrainer handele. Vorrangige Funktion des Handbikes sei jedoch die Fortbewegung. Zum Training der Arme sei ein Arm- und Bewegungstrainer verordnungsfähig. Eine wesentliche Förderung der Physiotherapie könne durch die Nutzung eines Handbikes nicht bestätigt werden. Es sei nicht zu erwarten, dass hierdurch die Behandlungsfrequenz geringer ausfallen könne. Im Gutachten vom 1. Juni 2016 führte Dr. d. V. zur ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen (dazu unten) aus, die Behauptung, dass ein Handbike die einzig mögliche Form sei, eine Therapie mit einem aktiven Bewegungstraining durchzuführen, entbehre jeglicher Grundlage. Als therapeutisches Hilfsmittel sei ein Bewegungstrainer einsetzbar, der witterungsunabhängig und je nach Tagesform genutzt werden könne. Ein solches Gerät sei deutlich wirtschaftlicher.

Das SG befragte die Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Dr. U.-R. gab unter dem 7. November 2013 an, sie sehe in der Benutzung eines Handbikes mit Elektroantrieb neben der Vergrößerung des Aktionsradius weitere Vorteile im Sinne einer Prävention von Begleit- und Folgeerkrankungen. Es könne der Gefahr einer weiteren Erhöhung des Körpergewichts entgegengewirkt werden. Verbesserungen seien auch hinsichtlich muskulärer Fehlhaltungen und dadurch bedingten Schmerzen sowie hinsichtlich des Herz-Kreislauf-Systems zu erwarten. Das regelmäßige körperliche Training habe auch positive psychische Auswirkungen. Dr. K. gab im November 2013 an, aufgrund seiner Immobilität habe das Gewicht des Klägers um ca. 20 kg zugenommen. Deshalb habe er ein Handbike mit Elektrounterstützung beantragt. Dadurch könne eine Gewichtsreduzierung und eine Erweiterung der eingeschränkten Mobilität erreicht werden. Neben dem Trainingseffekt im Bereich der oberen Extremitäten bestünde auch ein zusätzlicher Benefit in der Stärkung des Lungen-/Herz-Kreislauf-Systems. Ein Handbike mit Elektrounterstützung sei deshalb sinnvoller als ein elektrischer Rollstuhl. Arzt G. berichtete unter dem 13. Mai 2015 von einem stationären Aufenthalt des Klägers vom 10. Februar bis 17. März 2015 und gab an, prinzipiell könne er den Einschätzungen des MDK nicht widersprechen. Die Versorgung mit einem Handbike mit elektrischer Unterstützung würde jedoch die Teilhabe des Klägers am öffentlichen Leben unterstützen. Auch als Kreislauftraining und zur Gewichtsreduktion sei das Geräte eine große Unterstützung.

Das SG holte von Amts wegen ein orthopädisches Sachverständigengutachtgen mit neurologischem Zusatzgutachten ein. Prof. Ki., Direktor der Klinik für Neurologie des S.-B. Klinikums V., gab im Sachverständigengutachten vom 14. Dezember 2015 an, ohne regelmäßige Physiotherapie, Ergotherapie und insgesamt Bewegungstherapie komme es beim Kläger zu einer schnelleren Progression der Muskelschwäche und damit zu einer Verkürzung der Sehnen und Bänder und in der Folge zu einer zunehmenden Bewegungseinschränkung. Regelmäßiges Bewegungstraining wirke somit prophylaktisch und verzögernd auf die Progression der Erkrankung. Die Krankenbehandlung werde durch ein Handbike unterstützt und gefördert. Es gleiche die bestehende Behinderung durch Vergrößerung des Aktionsradius und voraussichtliche Verbesserung der Kraft/Koordination in gewissem Sinne aus. Damit könne es sinnvoll die Progression der Erkrankung hinauszögern. Insgesamt sei es daher eine "sinnvolle Ergänzung" der Hilfsmittelversorgung. Es unterstütze die physiotherapeutischen Bemühungen bei der Stärkung und Aufrechterhaltung der Schultergürtel- und Armmuskulatur, fördere das Kreislauftraining, könne zur Gewichtsreduzierung beitragen und erweitere den Aktionsradius und trage damit zur Teilhabe am öffentlichen Leben bei. Es bestünden derzeit keinerlei Zweifel, dass der Kläger das Gerät über die nächsten Jahre mit den vorhandenen Kraft- und Konditionsreserven nutzen könne. PD Dr. Le., Direktor der Klinik für Orthopädie des S.-B. Klinikums V., gab im gemeisam mit Dr. Pl., Leitender Arzt, erstatteten Sachverständigengutachten vom 19. Januar 2016 an, mit dem Handbike werde die Stabilisierung der Muskelkraft und der Herz-Kreislauf-Funktion gewährleistet und damit ein unterstützender, therapeutischer Effekt erzielt. Vorhandene Kraft- und Konditionsreserven könnten verbessert und länger erhalten werden. Unter dem 2. Mai 2016 nahm Dr. Pl. zu den Einwendungen des MDK ergänzend Stellung und führte aus, auch wenn die Benutzung des Handbikes im engeren Sinne nicht in ein Therapieplan falle, sei die Benutzung eines solchen Hilfsmittels als einzige ergänzende Maßnahme zur Therapie geeignet, die Gesamtfunktion und die Therapie im Hinblick auf die Krankheitsprogression zu verbessern.

Mit Urteil vom 10. Juni 2016 wies das SG die Klage ab und führte zur Begründung aus, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Ein Handbike sei zum Behinderungsausgleich des Klägers nicht erforderlich. Er sei mit einem Rollstuhl mit elektrischem Zusatzantrieb (E-Motion) sowie einem Elektrorollstuhl mit Steh- und Liegefunktion zweckmäßig und ausreichend versorgt. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich sei von der gesetzlichen Krankenversicherung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung beseitige oder mildere und ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen sei, worunter auch das Erschließen eines körperlichen Freiraums in der eigenen Wohnung und dem umliegenden Nahbereich zu fassen sei. Für den Ausgleich darüber hinaus gehender Behinderungsfolgen hätten beim mittelbaren Behinderungsausgleich ggf. andere Sozialleistungsträger Sorge zu tragen. Abzustellen sei auf diejenigen Entfernungen, die ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß zurücklege. Die Fortbewegung per Fahrrad sei durch die Rechtsprechung nicht als Grundbedürfnis anerkannt (unter Verweis auf BSG Beschluss vom 29. Januar 2009 – B 3 KR 39/08 B). Das begehrte Rollstuhlzuggerät eröffne eine dem Radfahren vergleichbare und somit eine über den von der gesetzlichen Krankenversicherung abzudeckenden Nahbereich hinausgehende Mobilität. Der Kläger könne mit der vorhandenen Rollstuhlversorgung den Nahbereich in zumutbarer Weise erschließen. Auch zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung könne der Kläger das Handbike nicht beanspruchen. Die Krankenbehandlung des Klägers sei durch wiederholte Rehabilitationsmaßnahmen und zweimal wöchentlich stattfindende Physio- und Ergotherapie gesichert. Die Bedienung des Handbikes durch einseitige Kurbelbewegung könne diese komplextherapeutischen Maßnahmen weder ersetzen noch in ihrer erforderlichen Frequenz in nennenswertem Umfang reduzieren. Auch nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen solle das Handbike lediglich als ergänzende Maßnahme eingesetzt werden. Durch die Nutzung des Greifreifenrollstuhls sei eine muskuläre Beanspruchung der Arme verbunden. Ein regelmäßiges Training am Bewegungstrainer sei bislang nicht Inhalt der Therapieeinheiten. Es sei nicht erkennbar, dass das Handbike als integraler Bestandteil eines Therapie- und Behandlungsplans zur Anwendung kommen solle. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung wiesen diejenigen gesundheitsfördernden Maßnahmen auf, die nur allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielten (unter Verweis auf BSG Urteil vom 7. Oktober 2010 – B 3 KR 5/10 R). Hierunter falle auch der Einsatz eines Handbikes als Sport- bzw. Trainingsgeräts zur Gewichtsreduktion. Für das Training der Muskelkraft in den Armen komme nicht ausschließlich der Einsatz eines Handbikes in Betracht. Das Handbike diene seiner Zweckbestimmung nach dem mittelbaren Behinderungsausgleich, nicht der Sicherung einer Krankenbehandlung. Die mittelbar mit einem Handbike verfolgten Therapieziele könnten nur dann herangezogen werden, wenn die Therapieziele nicht durch weniger aufwändige und wirtschaftlichere Hilfsmittel erreicht werden könnten. Ein Arm- und Bewegungstraining könne im Rahmen der Physio- und Ergotherapie durchgeführt werden. Zudem habe der MDK ausdrücklich einen Bewegungstrainer empfohlen und dem Kläger zur Versorgung angeboten. Eine tragfähige Begründung, warum ein solches Gerät nicht ausreiche, könne den Sachverständigengutachten nicht entnommen werden. Zudem sei kritisch zu hinterfragen, ob der Muskel- und Kraftstatus des Klägers die sachgerechte und verkehrssichere Nutzung eines Handbikes auch über längere Dauer und Distanzen zulasse. Die dokumentierten Befunde ließen hieran zweifeln. Der Sachverständige (PD Dr. Le.) sei darauf nicht weiter eingegangen. Ein fremdkraftbetriebener Bewegungstrainer biete demgegenüber den Vorteil, auch bei nachlassender Armkraft genutzt werden zu können. Zudem sei es witterungsunabhängig einsetzbar. Das angebotene Gerät sei handlich mit nur geringem Eigengewicht, das flexibel aufgestellt werden könne und keinen festen Standort benötige. Der Einwand des Klägers, die beengten Wohnverhältnisse ließen den Einsatz eines Bewegungstrainers nicht zu, überzeugten vor diesem Hintergrund nicht. Insgesamt stünden damit im Vergleich zu einem Handbike nicht nur wirtschaftlichere und funktional zumindest gleichwertige, sondern auch zweckmäßigere Möglichkeiten zur Sicherung der Krankenbehandlung zur Verfügung. Auch auf weitere Anspruchsgrundlagen könne ein Anspruch auf Versorgung mit einem Handbike nicht gestützt werden.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Juni 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Juli 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung vorgetragen, seine besondere Gesundheitssituation begründe einen Anspruch auf Versorgung mit einem motorunterstützten Handbike. Durch die Mitbenutzung der Arme könne das Fortschreiten der Funktionseinschränkungen durch die Erkrankung verringert werden. Damit sei das Merkmal des Behinderungsausgleichs erfüllt (unter Hinweis auf LSG Saarland, Urteil vom 21. Oktober 2015 – L 2 KR 92/14). Die Versorgung mit einem MOTOmed-Trainer sei dagegen nicht geeignet, den Behinderungsausgleich zu gewährleisten. Der Anspruch sei auch unter dem Blickwinkel der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung gegeben. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. werde die Krankenbehandlung und Physiotherapie durch das Handbike unterstützt und gefördert. Es diene u.a. der Unterstützung der physiotherapeutischen Bemühungen bei der Stärkung und Aufrechterhaltung der Schultergürtel- und Armmuskulatur, der Förderung des Kreislauftrainings. § 12 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) stünde dem nicht entgegen. Die Versorgung mit einem MOTOmed scheide schon aus Platzgründen in seinen ohnehin beengten räumlichen Verhältnissen (1,5 Zimmerwohnung mit rund 42 qm) aus. Dies gelte auch für ein Tischgerät, das ohnehin nicht denselben Nutzen wie ein Handbike habe. Wie sich aus der aktenkundigen Beschreibung des Geräts ergebe, sei ein Betrieb unter Muskelkraft nicht möglich. Eine Steigerung der Muskelkraft sei mit diesem Hilfsmittel daher nicht möglich. Außerdem müsse er sich für die Benutzung nach vorne beugen und damit eine Rückenschädigung in Kauf nehmen. Der therapeutische Nutzen des Handbikes liege auch darin, dass eine aufrechte Haltung möglich sei. Infolgedessen seien die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Pl. (dazu sogleich) in Zweifel zu ziehen. Der ihn behandelnde Psychiater Dr. L. unterstütze ebenfalls die Versorgung mit einem Handbike (Arztbrief vom 20. Oktober 2016).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2013 zu verurteilen, den Kläger mit einem Handbike mit Elektroantrieb des Typs "ElektroDrive LIPO Smart Para" nebst Zusatzausstattung gemäß Angebot vom 16. April 2013 oder mit einem Handbike vergleichbaren Typs zu versorgen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist zur Begründung auf die Ausführungen des MDK. Ergänzend trägt sie vor, dem Kläger gehe es allein darum, seinen Bewegungsradius wesentlich zu erweitern. Dies sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Kläger sei ausreichend mit Hilfsmitteln versorgt. Die beengten Wohnverhältnisse des Klägers stünden der Versorgung mit einem Bewegungstrainer nicht entgegen. Der Bewegungstrainer "Mobitfit Pro" der Fa. Bischoff & Bischoff könne als Tischgerät verwendet werden.

Der Senat hat den den Kläger behandelnden Physiotherapeuten F. als sachverständigen Zeugen befragt. Er hat angegeben (Auskunft vom 6. September 2017), er behandele den Kläger seit 18. März 2013. Der Kläger erhalte in der Regel dreimal wöchentlich Therapie (zweimal manuelle Lymphdrainage 45 Minuten und einmal Krankengymnastik 20 Minuten). Ein Krafttraining sei dem Kläger nur am Seilzuggerät möglich, weil er im Rollstuhl sitze, mit Gewichten bis zu maximal 15 kg. Des Weiteren hat Dr. Pl., der nach Ausscheiden des PD Dr. Le. die Leitung der Klinik übernommen hat, in seiner auf Veranlassung des Senats gefertigten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22. November 2017 angegeben, eine Reduktion der ohnehin schon sehr geringen Therapieeinheiten könne durch den Einsatz des begehrten Handbikes nicht erreicht werden. Durch die zusätzliche Verwendung werde jedoch einem schleichenden Kräfteverlust im Bereich der stammbetonten oberen Extremitäten entgegengewirkt und das Herz-Kreislauf-System aktiviert, so dass eine Stabilisierung des jetzigen Zustandes und deutliche Besserung der Herz-Kreislauf-Funktion zu erwarten sei. Dies sei auch mit dem Hilfsmittel "Mobifit Pro" zu erreichen. Der einzige Vorteil des Handbikes sei die verbesserte außerhäusliche Aktivität. Der Aktivitätsradius des Klägers würde erweitert. Ansonsten seien die Hilfsmittel vergleichbar.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagte Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hatten die Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung, wovon sie auch Gebrauch machten.

2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte insbesondere gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht der Zulassung, da die Klage eine Sachleistung im Wert von über EUR 750,00 betrifft.

3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Handbike mit Elektroantrieb des Typs "ElektroDrive LIPO Smart Para" oder mit einem Handbike vergleichbaren Typs.

a) Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

(1) Der Kläger kann eine Versorgung mit einem Handbike mit Elektroantrieb nicht zum Zwecke des Behinderungsausgleichs beanspruchen.

(a) Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R – juris, Rn. 14). Insoweit hat der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck für die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen (zum Folgenden BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris, Rn. 31 ff.).

Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von – bis 31. Dezember 2017 – § 31 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), seit 1. Januar 2018 § 47 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris, Rn. 31; BSG, Urteil vom 16. September 2004 – B 3 KR 20/04 R – juris, Rn. 12).

Beschränkter sind die Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog. mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris, Rn. 32). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl. § 1 SGB V sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der gesetzlichen Krankenversicherung deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 26. März 2003 – B 3 KR 23/02 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris, Rn. 32). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen – etwa Gebrauchsvorteile im Beruf – haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen gegebenenfalls andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris, Rn. 31).

(b) Bei dem von dem Kläger begehrten Handbike handelt es sich um ein Mittel des mittelbaren Behinderungsausgleichs, denn damit wird die beeinträchtigte Körperfunktion des Gehens nicht wiederhergestellt. Es setzt vielmehr bei den Folgen und Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung der Beine an. Es gehört daher nur dann zum Aufgabenkreis der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens dient.

Der mit dem Handbike "ElektroDrive LIPO Smart Para" (oder einem Handbike vergleichbaren Typs) angestrebte Behinderungsausgleich betrifft das Bedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums. Als Grundbedürfnis umfasst dieses die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich mit einem Bewegungsradius, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise zu Fuß zurücklegt oder der mit einem vom behinderten Menschen selbst betriebenen Aktivrollstuhl erreicht werden kann. Räumlich ist dieser Nahbereich auf den unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Versicherten als Ausgangs- und Endpunkt der Wege beschränkt, wobei allerdings nicht die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen maßgebend sind; denn der Nahbereich konkretisiert ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens und betrifft somit die Eignung und Erforderlichkeit des Hilfsmittels als objektive Anspruchsvoraussetzung (BSG, Urteil vom 30. November 2017 – B 3 KR 3/16 R – juris, Rn. 19). Inhaltlich umfasst der Nahbereich gesundheitserhaltende Wege (z.B. Besuch von Ärzten und Therapeuten, Aufsuchen der Apotheke), Versorgungswege, die den Grundbedürfnissen der selbstständigen Existenz und des selbstständigen Wohnens dienen (Alltagsgeschäfte wie Einkauf, Post, Bank) sowie elementare Freizeitwege, die – in Abgrenzung zu der durch andere Leistungsträger sicherzustellenden Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft allerdings nur bei besonderer Bedeutung für die physische und psychische Gesundheit durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung abzudecken sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 30. November 2017 – B 3 KR 3/16 R – juris, Rn. 20 m.w.N.).

Das Handbike "ElektroDrive LIPO Smart Para" ermöglicht dem behinderten Menschen eine dem Radfahren vergleichbare Mobilität, die über den nach den dargelegten Grundsätzen bestimmten Nahbereich hinausgeht. Denn damit können nicht nur die im Nahbereich der Wohnung liegenden Ziele erreicht, sondern auch erheblich darüber hinaus gehende Entfernungen zurückgelegt werden (zum "Speedy-Duo 2": BSG, Urteil vom 30. November 2017 – B 3 KR 3/16 R – juris, Rn. 21; zum Rollstuhlbike: BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – B 3 KR 7/10 R – juris, Rn. 41). Nur in Ausnahmefällen, wenn besondere qualitative Momente ein "Mehr" an Mobilität erfordern, ist ein solches Hilfsmittel von der Krankenkasse zu gewähren (BSG, Urteil vom 30. November 2017 – B 3 KR 3/16 R – juris, Rn. 22 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Besondere qualitative Momente liegen z.B. vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. So ist etwa die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar, wenn Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können, oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. In Betracht kommen ferner andere Grundbedürfnisse, die eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität erfordern, bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger sowie bei der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten bei Bestehen einer besonderen gesundheitlichen Situation (BSG, Urteil vom 30. November 2017 – B 3 KR 3/16 R – juris, Rn. 22 m.w.N.). Der Kläger kann vorliegend den Nahbereich mit der vorhandenen Versorgung mit einem Elektrorollstuhl in zumutbarer Weise erschließen. "Besondere qualitative Momente" wie sie von der Rechtsprechung des BSG vorausgesetzt werden, liegen nicht vor.

(2) Auch eine Versorgung des Klägers mit einem Handbike "ElektroDrive LIPO Smart Para" zum Zwecke der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung scheidet aus.

Der Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 17/16 R – juris, Rn. 27; BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – B 3 KR 7/10 R – juris, Rn. 28). Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – B 3 KR 7/10 R – juris, Rn. 28 – Rollstuhlbike; BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 – B 3 KR 5/10 R – juris, Rn. 21 – Therapiedreirad).

Der Kläger leidet an einer spinalen Muskelatrophie vom Typ Kugelberg Welander mit proximal betonter Tetraparese. Die Erkrankung ist langsam fortschreitend. Es besteht eine Gehunfähigkeit mit Rollstuhlpflicht. Die stammbetonte Tetraparese ist derzeit beinbetont. Die aktive Beweglichkeit der oberen Extremitäten ist noch gegeben, wobei im Bereich der Schultern und Oberarme allerdings schon eine deutliche Atrophie besteht. Es liegt außerdem eine deutliche Adipositas vor. Dies entnimmt der Senat dem fachorthopädischen Gutachten mit neurologischem Zusatzgutachten der Sachverständigen Prof. Ki. und PD Dr. Le ...

Wie sich weiter aus den Sachverständigengutachten ergibt, existiert keine kausale Therapie. Die Therapie beruht aus neurologischer und orthopädischer Sicht darauf, die erhaltene Muskelaktivitäten so lange wie möglich durch Training und Unterstützung zu erhalten. Ein Herz-Kreislauf-Training kann nach Aussage der Sachverständigen eine längere Überlebensrate sichern. Zur Prophylaxe der zunehmenden Muskelschwäche und insbesondere zum Herz-Kreislauf-Training gehört eine regelmäßige Physiotherapie und Ergotherapie. Der Kläger befindet sich – wie sich aus den Angaben des sachverständigen Zeugen F. ergibt – dreimal wöchentlich in physiotherapeutischer Behandlung, wobei zwei der wöchentlichen Termine auf die Lymphdrainage entfallen. Gegenstand der Krankengymnastik sind Dehnübungen der Beine und Arme sowie eine Mobilisation und Kräftigung der Gelenke und Muskulatur. Ein Krafttraining ist nur am Seilzuggerät mit Gewichten bis zu maximal 15 kg möglich. Das Ziel der Behandlung ist der Erhalt der bestehenden Funktionen.

Der Schwerpunkt der Maßnahmen der physikalischen Therapie liegt demnach auf der Lymphdrainage, bei der zweimal wöchentlich passiv der lymphatische Rückstrom der gelähmten Extremitäten unterstützt wird. Die Inanspruchnahme des begehrten Hilfsmittels kann diese Therapie nicht ersetzen. Gleiches gilt für die Krankengymnastik. Sie kann durch den Einsatz eines Handbikes "ElektroDrive LIPO Smart Para" nicht wegfallen oder in ihrer Frequenz reduziert werden. Denn die Therapieeinheiten sind ohnehin schon sehr gering. Dies entnimmt der Senat der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Pl ... Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Krankengymnastik durch die Verwendung eines Handbikes wesentlich gefördert würde. Der Sachverständige Prof. Dr. Ki. behauptet dies zwar in seinem Gutachten, gibt hierfür aber keine (nachvollziehbare) Begründung an. Die zusätzliche Verwendung kann zwar ebenfalls eine Kräftigung der Muskulatur und eine Herz-Kreislauf-Stärkung herbeiführen. Sie ist deshalb nach Einschätzung der Sachverständigen eine "sinnvolle Ergänzung". Daraus ergibt sich jedoch noch kein maßgeblicher Einfluss auf die Krankenbehandlung. Gesundheitsfördernde Maßnahmen, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen oder die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit zielen, weisen keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung auf (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010 – B 3 KR 5/10 R, juris, Rn. 21).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V beschränkt wird. Die Leistungen müssen danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten; Leistungen, die nicht notwendig oder die unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 16. April 1998 – B 3 KR 6/97 R – juris, Rn. 17; Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – juris, Rn. 34). Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung nur dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet.

Mit dem motorgestützten Bewegungstrainer "Mobifit Pro" der Fa. Bischoff steht eine im Vergleich zum Handbike kostengünstigere Versorgung zur Verfügung, die funktionell ebenfalls dazu geeignet ist, dem schleichenden Kräfteverlust an den oberen Extremitäten entgegenzuwirken und eine Herz-Kreislauf-Stärkung herbeizuführen. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Dr. Pl. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22. November 2017. Der einzige Zusatznutzen – so Dr. Pl. – bestünde in der Verbesserung des Aktivitätsradius des Klägers. Dies stellt indes in Bezug auf die Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil dar. Im Gegenteil ermöglicht gerade der Bewegungstrainer "Mobifit Pro" ein witterungsunabhängiges und damit regelmäßiges Training.

Soweit der Kläger einwendet, der Bewegungstrainer "Mobifit Pro" könne aufgrund seines geringen Eigengewichts von 5,5 kg nicht zur Steigerung der Muskelkraft eingesetzt werden, widerspricht dies der aktenkundigen Produktbeschreibung, wonach das Gerät mit einer Leistung von 40 Watt nicht nur der Steigerung der Flexibilität, sondern auch der Kräftigung von (Unter- und) Oberkörper dient und ein belastungsarmes Training zur stufenweisen Kräftigung der Arme sowie eine Verbesserung der Fitness ermöglicht. Mit dem "ElektroDrive LIPO Smart Para" sind zwar bei einer Leistung von 250 Watt größere Geschwindigkeiten zu erreichen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dies zur Erreichung der Behandlungsziele erforderlich ist. Das Krafttraining erfolgt aufgrund der bereits bestehenden Atrophie der Armmuskulatur ohnehin nur mit einer maximalen Gewichtsbelastung von 15 kg, wie sich aus Angaben des sachverständigen Zeugen F. ergibt.

Die beengten Wohnverhältnisse des Klägers führen schon deshalb nicht zu einem Anspruch auf Versorgung mit einem Handbike "ElektroDrive LIPO Smart Para", weil es nicht auf die örtlichen Verhältnisse, sondern auf die objektive Erforderlichkeit des Hilfsmittels ankommt. Abgesehen davon ist der Bewegungstrainer "Mobifit Pro" aufgrund seines geringen Gewichts flexibel einsetzbar und beansprucht mit einer Größe von 45 x 30 x 29 cm (Länge x Breite x Höhe) nicht viel Platz, zumal das Handbike "ElektroDrive LIPO Smart Para" mit 110 x 53 x 55 cm deutlich größer wäre.

Schließlich sieht sich der Senat auch nicht veranlasst, aufgrund des Einwands des Klägers, der Einsatz des Bewegungstrainers "Mobifit Pro" würde aufgrund der vorgebeugten Körperhaltung zu einer Rückenschädigung führen, weitere Ermittlungen einzuleiten. Dr. Pl. hat den Kläger im Rahmen der Begutachtung am 19. Oktober 2015 körperlich untersucht und im Bereich der Wirbelsäule keine Schädigungen festgestellt. Vor diesem Hintergrund ist seine Einschätzung, dass der Kläger mit dem Bewegungstrainer "Mobifit Pro" die beschriebenen Behandlungsziele ebenso erreichen kann wie mit dem Handbike "ElektroDrive LIPO Smart Para", für den Senat schlüssig und nachvollziehbar.

b) Der Kläger kann seinen Sachleistungsanspruch auch nicht auf § 47 SGB IX (bis 31. Dezember 2017: § 31 SGB IX) stützen. Die Vorschriften des SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewähren den Versicherten im Bereich der Hilfsmittelversorgung keinen über die Leistungspflichten nach § 33 SGB V hinausreichende Leistungsansprüche, wie das BSG bereits in ständiger Rechtsprechung mehrfach entschieden hat (z.B. Urteil vom 26. März 2003 – B 3 KR 23/02 R – juris, Rn. 17 ff; Urteil vom 12. August 2009 – B 3 KR 11/08 R – juris, Rn. 25 ff). Die Krankenkassen sind gemäß § 5 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX Träger von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, für deren Voraussetzungen die Vorschriften des SGB V maßgebend sind. Der Anspruch des Klägers, der wegen seiner dauerhaften Behinderungen unter den Personenkreis des SGB IX fällt, ihn mit einem Hilfsmittel zu versorgen, richtet sich somit nach § 33 SGB V.

c) Auch aus den Vorschriften für die Leistungserbringung anderer Rehabilitationsträger, die die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger im Rahmen des § 14 Abs. 2 SGB IX zu berücksichtigen hatte, ergibt sich kein Anspruch.

In Betracht kommen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben begehrt der Kläger nicht. Rechtsgrundlage für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist § 54 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch ((SGB XII), in der seit 1. Januar 2018 und bis 31. Dezember 2019 geltenden Fassung des Art. 12 Nr. 2 Bundesteilhabegesetz [BTHG] vom 23. Dezember 2016, BGBl. I, S. 3234) in Verbindung mit § 55 Abs. 1, 2 Nr. 1 SGB IX (in der am 31. Dezember 2017 gültigen Fassung; jetzt § 76 SGB IX "Leistungen zur Sozialen Teilhabe") sowie § 9 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1975, BGBl. I S. 433, zuletzt geändert durch das BTHG). Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB XII sind unter anderem Leistungen nach den §§ 26 und 55 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung, wobei die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Nach § 55 Abs. 1 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des SGB IX nicht erbracht werden. Aufgabe dieser Eingliederungshilfe ist es dabei, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (§ 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Eine weitere Konkretisierung der Hilfsmittel im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII findet sich in § 9 Eingliederungshilfe-Verordnung. Erfasst sind danach nur solche Hilfsmittel, die dazu bestimmt sind, zum Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mängel beizutragen.

Der Kläger hat indes keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Handbike zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, weil ein ausgleichungsbedürftiger und -fähiger Mangel (vgl. § 9 Abs. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung) nicht ausreichend durch Schilderung konkreter Anlässe, die einen nicht auf Einzelfälle beschränkten Bedarf für ein Handbike zum Ausgleich von behinderungsbedingten Nachteilen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft begründen würden (zum Darlegungserfordernis vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2009 – B 3 KR 4/08 R – juris, Rn. 24), benannt worden ist. Nachdem er mittlerweile mit einem Elektrorollstuhl versorgt ist, hätte der Kläger insbesondere darlegen müssen, welchen relevanten Zusatznutzen ihm das Handbike für das Leben in der Gemeinschaft bieten würde. Mit dem Elektrorollstuhl kann der Kläger jedenfalls den Nahbereich hinreichend erschließen. Für einen Mangel bei der Begegnung und beim Umgang mit nichtbehinderten Menschen liegen damit keine Anhaltspunkte vor.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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