Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 3558/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3251/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.08.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bemessung der Höhe des Anspruches des Klägers auf Arbeitslosengeld I (Alg) in der Zeit vom 30.07.2015 bis 28.07.2016 streitig.
Der im Jahr 1979 geborene Kläger war seit Dezember 2010 als Reiniger bei der Firma I. U. GmbH & Co. KG in K. beschäftigt. Er erlitt am 02.08.2013 einen Arbeitsunfall und bezieht seit 01.06.2015 eine Rente als vorläufige Entschädigung (Bescheid der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 10.12.2015). Vom 14.09.2013 bis 31.05.2015 (Anspruchsende) bezog der Kläger Verletztengeld (Bescheinigung der AOK M. vom 16.11.2016). Im Verlauf des Rechtsstreites absolvierte der Kläger vom 22.08.2016 bis 11.11.2016 eine Weiterbildung für den Beruf SAP Spezialist FiCO als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 04.08.2016).
Am 30.07.2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte mit Wirkung zum 30.07.2015 Alg. Mit Bescheid vom 09.09.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger gemäß § 152 Abs. 2 Nr. 4 SGB III auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 4 Alg ab 30.07.2015 (bis 28.07.2016) i.H.v. täglich 26,87 EUR.
Gegen den Bescheid vom 09.09.2015 legte der Kläger am 14.09.2015 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die fiktive Einstufung wandte. Er machte geltend, in der Türkei vier Jahre bis 17.07.2008 studiert zu haben. Der Studienabschluss sei in Deutschland anerkannt worden.
Mit Abhilfebescheid vom 01.10.2015 hob die Beklagte den Bescheid vom 09.09.2015 auf und gewährte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 01.10.2015 ab 30.07.2015 (bis 28.07.2016) auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 3 Alg in Höhe von täglich 34,48 EUR.
Gegen den Änderungsbescheid vom 01.10.2015 legte der Kläger am 22.10.2015 erneut Widerspruch ein. Er machte die Bemessung des Alg auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 1 geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers (gegen den Bescheid vom 09.09.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.10.2015) zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraum seien keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen, weshalb als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 3 zugrunde zu legen sei, weil sich die Vermittlungsbemühungen in erster Linie auf Beschäftigung dieser Qualifikationsgruppe erstreckten. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ergebe sich ein Leistungsentgelt i.H.v. 57,46 EUR. Das Alg betrage täglich 34,48 EUR.
Hiergegen erhob der Kläger am 25.11.2015 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er machte zur Begründung geltend, er sei immer noch ungekündigt bei der Firma I. beschäftigt. Er habe sich nach Ablauf des Bezugs von Verletztengeld arbeitslos melden müssen. Obwohl er tatsächlich durchschnittlich 3600 EUR brutto verdient habe, sei das Alg fiktiv nach der Qualifikationsgruppe 3 berechnet worden. Er könne nicht aufgrund eines Arbeitsunfalls beim Bezug von Alg bestraft werden. Der Kläger legte den Bescheid der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 10.12.2015 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2017 wies das SG die Klage ab. Es schloss sich den Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden an und führte zur Begründung ergänzend aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aus dem Jahreszeitraum vor dem Bezug von Verletztengeld. Beim Kläger komme lediglich eine fiktive Einstufung mit der Qualifikationsgruppe 3 in Betracht.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.08.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 18.08.2017 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, nach seiner Auffassung sei ein fiktives Arbeitsentgelt deshalb nicht zu Grunde zu legen, da er bei seiner letzten Tätigkeit einen Arbeitsunfall erlitten habe, Verletztengeld in gesetzlicher Höhe bis zur Aussteuerung bekommen habe und danach Alg. In dieser Konstellation wäre es ungerecht, bei ihm nicht sein Einkommen zu Grunde zu legen, das er bei seinem letzten Arbeitgeber verdient habe. Außerdem habe er in der Türkei Betriebswirtschaft studiert. Der Abschluss sei entsprechend einem deutschen Hochschulabschluss auf Bachelorebene anerkannt worden. Außerdem habe er im Oktober 2016 ein SAP-Anwenderzertifikat im Bereich "Externes Rechnungswesen-Finanzbuchhaltung" erworben. Er hätte nicht mit der Qualifikationsgruppe 3 berücksichtigt werden dürfen. Nach dem Gerichtsbescheid des SG solle er weder nach seinem letzten Verdienst Alg bekommen, noch nach seiner beruflichen Qualifikation. Hierin sehe er einen Rechtsmissbrauch. Der Kläger hat eine "SAP User Certification" vom 26.10.2016 vorgelegt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.08.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.09.2015 in der Fassung der Bescheide vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I nach einem Arbeitsverdienst von 36.787,64 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Eine Bemessung nach dem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt komme keinesfalls in Betracht. Die Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 3 sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe zu keiner Zeit eine Beschäftigung ausgeübt, die seinem in der Türkei erworbenen Abschluss entsprochen habe. Er sei in Helfertätigkeiten beschäftigt gewesen. Da er nicht entsprechend beschäftigt gewesen sei, hätte er auch nicht auf Arbeitsstellen, die einen Bachelor-Abschluss voraussetzten, vermittelt werden können. Das vorgelegte Zertifikat datiere vom 26.10.2016. Eine Reha-Maßnahme in der Kostenträgerschaft der DRV, deren Gegenstand die Fortbildung gewesen sei, habe am 11.11.2016 geendet. Ende des Alg-Leistungsbezuges sei der 14.11.2016 gewesen. Bei der durchgeführten Bemessung könne kein Rechtsmissbrauch festgestellt werden.
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 08.06.2018 erörtert worden. Im Termin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 08.06.2018 wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten vom 09.09.2015 in der Fassung der Bescheide vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 1 oder 2 bzw. auf der Grundlage eines Arbeitsverdienstes von 36.787,64 EUR, wie er zuletzt im Termin am 08.06.2018 (nur noch) geltend gemacht und beantragt hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids unter Bezug auf die Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden begründet, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aus dem Jahreszeitraum vor dem Bezug von Verletztengeld habe. In seinem Fall könne in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden. Daher könne lediglich ein fiktives Arbeitsentgelt nach § 152 Absatz 2 SGB III zugrunde gelegt werden. Aufgrund seines Unfalls sei der Kläger seit Mitte September arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe Verletztengeld erhalten. Da der Kläger seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit ab Mitte September 2015 nicht mehr habe nachgehen können, habe er keinen Anspruch mehr auf Arbeitsentgelt gehabt. Verletztengeld sei, anders als die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine Einnahme aus der Beschäftigung. Im Gegensatz zu den einschlägigen Vorschriften des Unfallversicherungsrechts, sähen die Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung ausdrücklich vor, dass das Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt ist, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe (§ 151 Absatz 1 Satz 1 SGB III). Der Bemessungszeitraum umfasse nach § 150 Absatz l SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der Versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr; er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der Bemessungsrahmen werde nach § 150 Absatz 3 Satz l Nr. l SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Könne ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, sei nach § 152 Absatz l Satz l SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Die Vermittlungsbemühungen für den Kläger hätten sich in erster Linie auf eine Beschäftigung als kaufmännische Fachkraft zu erstrecken gehabt. Der Kläger habe zu keiner Zeit eine Beschäftigung ausgeübt, die seinem in der Türkei erworbenen Abschluss entsprochen habe. Unter Berücksichtigung der fehlenden Berufserfahrung seit seinem Abschluss im Jahr 2008 und dem aufgrund der Zeitspanne erfolgten Kenntnisverlustes komme eine Vermittlung auf eine Tätigkeit, die mehr als eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich erfordere, nicht in Betracht. Eine Vermittlung auf Bachelor-Niveau sei aufgrund der langen Tätigkeit auf Helferniveau und der angesprochenen Zeitspanne nicht zielführend. Daher komme bei dem Kläger lediglich eine fiktive Einstufung mit der Qualifikationsstufe 3 nach § 152 Absatz 2 Satz l und 2 Nr. 3 SGB III in Betracht. Hinsichtlich der Höhe des unter Berücksichtigung der Qualifikationsstufe 3 errechneten täglichen Leistungsbetrags seien weder von dem Kläger Einwände vorgetragen worden noch sind solche ersichtlich.
Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Verletztengeld ist als Lohnersatzleistung kein Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV, auf den die Regelung zum Bemessungsentgelt in § 151 SGB III Bezug nimmt. § 152 Abs. 2 SGB III hat als Kriterium für die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe das Tatbestandsmerkmal, dass die berufliche Qualifikation maßgebend ist, auf die sich die Vermittlungsbemühungen zu erstrecken haben. Auf den einmal erlernten Beruf kommt es nach den dargelegten Umständen nicht allein oder vorrangig an.
Ergänzend zum Berufungsvorbringen bleibt auszuführen:
Die vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren (mit Schriftsatz vom 30.11.2017) vorgelegte "SAP User Certification" vom 25.10.2016 rechtfertigt keine Bemessung des Alg nach einer höheren Qualifikationsgruppe als 3. Zum einen ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargelegt worden, dass die im Rahmen der Zertifikation erworbenen Kenntnisse die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 oder höher rechtfertigt. Unabhängig davon konnten sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten mangels Kenntnis der erworbenen Zertifikation vor Erschöpfung des Anspruchs auf Alg nicht in Richtung der neu erworbenen Zertifikation erstrecken. Der Kläger hat im Übrigen zuletzt in Termin am 08.06.2018 durch seinen Prozessbevollmächtigten die Bemessung des Alg nach der Qualifikationsgruppe 3 nicht weiter angegriffen, sondern nur noch an seiner Rechtsansicht festgehalten, dass in Fällen eines Arbeitsunfalles mit Bezug von Verletztengeld das Alg nach dem letzten Arbeitsverdienst zu bemessen sei. Dem entspricht der im Termin am 08.06.2018 ausdrücklich gestellte Berufungsantrag, bei dem bewusst davon abgesehen worden ist, hilfsweise zu beantragen, dem Kläger höheres Alg auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 1 oder 2 zu zahlen.
Das Begehren des Klägers, ihm höheres Alg auf der Grundlage des vor dem Arbeitsunfall erzielten Arbeitsverdienstes zu zahlen, findet keine Rechtsgrundlage in den gesetzlichen Regelungen des SGB III, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid dargelegt hat. Ein Verstoß der bestehenden gesetzlichen Regelungen des SGB III zur Bemessung des Alg gegen grundgesetzlich garantierte/geschützte Rechte des Klägers, die insbesondere im Wege der verfassungskonformen Auslegung ermöglichten, dem Begehren des Klägers auf Bemessung des Alg auf der Grundlage seines vor dem Arbeitsunfall erzielten Arbeitsverdienstes zu entsprechen, ist nicht ersichtlich und ist vom Kläger im Verlauf des Rechtsstreites auch nicht aufgezeigt worden.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bemessung der Höhe des Anspruches des Klägers auf Arbeitslosengeld I (Alg) in der Zeit vom 30.07.2015 bis 28.07.2016 streitig.
Der im Jahr 1979 geborene Kläger war seit Dezember 2010 als Reiniger bei der Firma I. U. GmbH & Co. KG in K. beschäftigt. Er erlitt am 02.08.2013 einen Arbeitsunfall und bezieht seit 01.06.2015 eine Rente als vorläufige Entschädigung (Bescheid der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 10.12.2015). Vom 14.09.2013 bis 31.05.2015 (Anspruchsende) bezog der Kläger Verletztengeld (Bescheinigung der AOK M. vom 16.11.2016). Im Verlauf des Rechtsstreites absolvierte der Kläger vom 22.08.2016 bis 11.11.2016 eine Weiterbildung für den Beruf SAP Spezialist FiCO als Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 04.08.2016).
Am 30.07.2015 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte mit Wirkung zum 30.07.2015 Alg. Mit Bescheid vom 09.09.2015 bewilligte die Beklagte dem Kläger gemäß § 152 Abs. 2 Nr. 4 SGB III auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 4 Alg ab 30.07.2015 (bis 28.07.2016) i.H.v. täglich 26,87 EUR.
Gegen den Bescheid vom 09.09.2015 legte der Kläger am 14.09.2015 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die fiktive Einstufung wandte. Er machte geltend, in der Türkei vier Jahre bis 17.07.2008 studiert zu haben. Der Studienabschluss sei in Deutschland anerkannt worden.
Mit Abhilfebescheid vom 01.10.2015 hob die Beklagte den Bescheid vom 09.09.2015 auf und gewährte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 01.10.2015 ab 30.07.2015 (bis 28.07.2016) auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 3 Alg in Höhe von täglich 34,48 EUR.
Gegen den Änderungsbescheid vom 01.10.2015 legte der Kläger am 22.10.2015 erneut Widerspruch ein. Er machte die Bemessung des Alg auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 1 geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers (gegen den Bescheid vom 09.09.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 01.10.2015) zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, im auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraum seien keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen, weshalb als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 3 zugrunde zu legen sei, weil sich die Vermittlungsbemühungen in erster Linie auf Beschäftigung dieser Qualifikationsgruppe erstreckten. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge ergebe sich ein Leistungsentgelt i.H.v. 57,46 EUR. Das Alg betrage täglich 34,48 EUR.
Hiergegen erhob der Kläger am 25.11.2015 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er machte zur Begründung geltend, er sei immer noch ungekündigt bei der Firma I. beschäftigt. Er habe sich nach Ablauf des Bezugs von Verletztengeld arbeitslos melden müssen. Obwohl er tatsächlich durchschnittlich 3600 EUR brutto verdient habe, sei das Alg fiktiv nach der Qualifikationsgruppe 3 berechnet worden. Er könne nicht aufgrund eines Arbeitsunfalls beim Bezug von Alg bestraft werden. Der Kläger legte den Bescheid der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 10.12.2015 vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.08.2017 wies das SG die Klage ab. Es schloss sich den Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden an und führte zur Begründung ergänzend aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aus dem Jahreszeitraum vor dem Bezug von Verletztengeld. Beim Kläger komme lediglich eine fiktive Einstufung mit der Qualifikationsgruppe 3 in Betracht.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.08.2017 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 18.08.2017 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, nach seiner Auffassung sei ein fiktives Arbeitsentgelt deshalb nicht zu Grunde zu legen, da er bei seiner letzten Tätigkeit einen Arbeitsunfall erlitten habe, Verletztengeld in gesetzlicher Höhe bis zur Aussteuerung bekommen habe und danach Alg. In dieser Konstellation wäre es ungerecht, bei ihm nicht sein Einkommen zu Grunde zu legen, das er bei seinem letzten Arbeitgeber verdient habe. Außerdem habe er in der Türkei Betriebswirtschaft studiert. Der Abschluss sei entsprechend einem deutschen Hochschulabschluss auf Bachelorebene anerkannt worden. Außerdem habe er im Oktober 2016 ein SAP-Anwenderzertifikat im Bereich "Externes Rechnungswesen-Finanzbuchhaltung" erworben. Er hätte nicht mit der Qualifikationsgruppe 3 berücksichtigt werden dürfen. Nach dem Gerichtsbescheid des SG solle er weder nach seinem letzten Verdienst Alg bekommen, noch nach seiner beruflichen Qualifikation. Hierin sehe er einen Rechtsmissbrauch. Der Kläger hat eine "SAP User Certification" vom 26.10.2016 vorgelegt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.08.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.09.2015 in der Fassung der Bescheide vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I nach einem Arbeitsverdienst von 36.787,64 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Eine Bemessung nach dem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt komme keinesfalls in Betracht. Die Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 3 sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe zu keiner Zeit eine Beschäftigung ausgeübt, die seinem in der Türkei erworbenen Abschluss entsprochen habe. Er sei in Helfertätigkeiten beschäftigt gewesen. Da er nicht entsprechend beschäftigt gewesen sei, hätte er auch nicht auf Arbeitsstellen, die einen Bachelor-Abschluss voraussetzten, vermittelt werden können. Das vorgelegte Zertifikat datiere vom 26.10.2016. Eine Reha-Maßnahme in der Kostenträgerschaft der DRV, deren Gegenstand die Fortbildung gewesen sei, habe am 11.11.2016 geendet. Ende des Alg-Leistungsbezuges sei der 14.11.2016 gewesen. Bei der durchgeführten Bemessung könne kein Rechtsmissbrauch festgestellt werden.
Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 08.06.2018 erörtert worden. Im Termin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 08.06.2018 wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten vom 09.09.2015 in der Fassung der Bescheide vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 1 oder 2 bzw. auf der Grundlage eines Arbeitsverdienstes von 36.787,64 EUR, wie er zuletzt im Termin am 08.06.2018 (nur noch) geltend gemacht und beantragt hat.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids unter Bezug auf die Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden begründet, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung des durchschnittlichen Bruttoeinkommens aus dem Jahreszeitraum vor dem Bezug von Verletztengeld habe. In seinem Fall könne in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden. Daher könne lediglich ein fiktives Arbeitsentgelt nach § 152 Absatz 2 SGB III zugrunde gelegt werden. Aufgrund seines Unfalls sei der Kläger seit Mitte September arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe Verletztengeld erhalten. Da der Kläger seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit ab Mitte September 2015 nicht mehr habe nachgehen können, habe er keinen Anspruch mehr auf Arbeitsentgelt gehabt. Verletztengeld sei, anders als die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine Einnahme aus der Beschäftigung. Im Gegensatz zu den einschlägigen Vorschriften des Unfallversicherungsrechts, sähen die Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung ausdrücklich vor, dass das Bemessungsentgelt das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt ist, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe (§ 151 Absatz 1 Satz 1 SGB III). Der Bemessungszeitraum umfasse nach § 150 Absatz l SGB III die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der Versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr; er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der Bemessungsrahmen werde nach § 150 Absatz 3 Satz l Nr. l SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält. Könne ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, sei nach § 152 Absatz l Satz l SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Die Vermittlungsbemühungen für den Kläger hätten sich in erster Linie auf eine Beschäftigung als kaufmännische Fachkraft zu erstrecken gehabt. Der Kläger habe zu keiner Zeit eine Beschäftigung ausgeübt, die seinem in der Türkei erworbenen Abschluss entsprochen habe. Unter Berücksichtigung der fehlenden Berufserfahrung seit seinem Abschluss im Jahr 2008 und dem aufgrund der Zeitspanne erfolgten Kenntnisverlustes komme eine Vermittlung auf eine Tätigkeit, die mehr als eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich erfordere, nicht in Betracht. Eine Vermittlung auf Bachelor-Niveau sei aufgrund der langen Tätigkeit auf Helferniveau und der angesprochenen Zeitspanne nicht zielführend. Daher komme bei dem Kläger lediglich eine fiktive Einstufung mit der Qualifikationsstufe 3 nach § 152 Absatz 2 Satz l und 2 Nr. 3 SGB III in Betracht. Hinsichtlich der Höhe des unter Berücksichtigung der Qualifikationsstufe 3 errechneten täglichen Leistungsbetrags seien weder von dem Kläger Einwände vorgetragen worden noch sind solche ersichtlich.
Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Verletztengeld ist als Lohnersatzleistung kein Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV, auf den die Regelung zum Bemessungsentgelt in § 151 SGB III Bezug nimmt. § 152 Abs. 2 SGB III hat als Kriterium für die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe das Tatbestandsmerkmal, dass die berufliche Qualifikation maßgebend ist, auf die sich die Vermittlungsbemühungen zu erstrecken haben. Auf den einmal erlernten Beruf kommt es nach den dargelegten Umständen nicht allein oder vorrangig an.
Ergänzend zum Berufungsvorbringen bleibt auszuführen:
Die vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren (mit Schriftsatz vom 30.11.2017) vorgelegte "SAP User Certification" vom 25.10.2016 rechtfertigt keine Bemessung des Alg nach einer höheren Qualifikationsgruppe als 3. Zum einen ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargelegt worden, dass die im Rahmen der Zertifikation erworbenen Kenntnisse die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2 oder höher rechtfertigt. Unabhängig davon konnten sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten mangels Kenntnis der erworbenen Zertifikation vor Erschöpfung des Anspruchs auf Alg nicht in Richtung der neu erworbenen Zertifikation erstrecken. Der Kläger hat im Übrigen zuletzt in Termin am 08.06.2018 durch seinen Prozessbevollmächtigten die Bemessung des Alg nach der Qualifikationsgruppe 3 nicht weiter angegriffen, sondern nur noch an seiner Rechtsansicht festgehalten, dass in Fällen eines Arbeitsunfalles mit Bezug von Verletztengeld das Alg nach dem letzten Arbeitsverdienst zu bemessen sei. Dem entspricht der im Termin am 08.06.2018 ausdrücklich gestellte Berufungsantrag, bei dem bewusst davon abgesehen worden ist, hilfsweise zu beantragen, dem Kläger höheres Alg auf der Grundlage der Qualifikationsgruppe 1 oder 2 zu zahlen.
Das Begehren des Klägers, ihm höheres Alg auf der Grundlage des vor dem Arbeitsunfall erzielten Arbeitsverdienstes zu zahlen, findet keine Rechtsgrundlage in den gesetzlichen Regelungen des SGB III, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid dargelegt hat. Ein Verstoß der bestehenden gesetzlichen Regelungen des SGB III zur Bemessung des Alg gegen grundgesetzlich garantierte/geschützte Rechte des Klägers, die insbesondere im Wege der verfassungskonformen Auslegung ermöglichten, dem Begehren des Klägers auf Bemessung des Alg auf der Grundlage seines vor dem Arbeitsunfall erzielten Arbeitsverdienstes zu entsprechen, ist nicht ersichtlich und ist vom Kläger im Verlauf des Rechtsstreites auch nicht aufgezeigt worden.
Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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