L 10 R 3122/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1781/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3122/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 06.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch der Beginn der bis zum 31.12.2015 geleisteten Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der am 1957 geborene Kläger war zuletzt bis 2007 als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Nach dem Bezug von Krankengeld und Arbeitslosengeld erhält er seit April 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGBII). Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung von 50 seit August 2010 festgestellt.

Erstmalig beantragte der Kläger im März 2009 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.07.2009 gestützt auf den Reha-Entlassungsbericht des Klinikzentrums L. über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 26.08. bis 03.10.2008 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, psychosomatischer Symptomkomplex, Cervicobrachialsyndrom, degeneratives Lumbalsyndrom, Zustand nach arthroskopischer OP einer degenerativen Innenmeniscopathie; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten ohne längerdauernde Zwangshaltungen des Rumpfes und der Wirbelsäule, ohne Arbeiten in überwiegender kniender oder hockender Haltung sowie ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten oder besonderer Unfallgefahr) ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 18.12.2009 nach einer von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. im Oktober 2009 durchgeführten persönlichen Begutachtung des Klägers (leicht- bis mittelgradig ausgeprägte rezidivierende depressive Störung; vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne überdurchschnittliche Stressbelastung und ohne überdurchschnittliche Anforderungen an die Flexibilität und Umstellungsfähigkeit) zurückgewiesen.

Im August 2010 beantragte der Kläger unter Vorlage verschiedener medizinischer Unterlagen erneut eine Erwerbsminderungsrente. Daraufhin beauftragte die Beklagte den Neurologen und Psychiater Dipl.-Med. G. mit der Erstellung eines Gutachtens, der auf Grund einer Untersuchung des Klägers im Oktober 2010 als Diagnosen ein vorbeschriebenes degeneratives Lumbalsyndrom ohne akute, radikuläre Reizerscheinung, eine deutlich tendenziöse Ausgestaltung im Rahmen eines Rentenbegehrens unter Ausschluss einer relevanten depressiven Störung sowie eines Zustandes nach vorbeschriebener Anpassungsstörung stellte und von einem mindestens sechsstündigen täglichen Leistungsvermögen für mittelschwere bis schwere Arbeiten ohne Nachtschicht, ohne ständiges Gehen, Stehen oder Sitzen, ohne Verantwortung für Menschen und ohne überdauernde Zwangshaltung der Wirbelsäule ausging. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 11.01.2011 und Widerspruchsbescheid vom 09.03.2011 ab.

Am 08.04.2011 hat der Kläger dagegen Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben, das den Facharzt für Allgemeinmedizin, Zusatzbezeichnung Psychotherapie, Dr. N. sowie den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. V. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt hat. Dr. N. hat im September 2011 von einer wesentlichen Verschlechterung der Depression in den letzten drei Jahren berichtet. Allerdings habe er den Patienten letztmalig im Juni 2010 persönlich gesprochen, dieser hole nur noch seine Medikamente ab und lasse sich nicht mehr zu Gesprächen bewegen. Wegen einer bestehenden schweren Depression sei dem Kläger eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich. Dr. V. hat im September 2011 eine letztmalige Vorstellung des Klägers im Mai 2009 mitgeteilt, eine Einschätzung des Leistungsvermögens sei daher nicht möglich. Der daraufhin vom Sozialgericht mit der Begutachtung des Klägers beauftragte Facharzt für Psychotherapie und Innere Medizin Dr. K. hat nach persönlicher Untersuchung des Klägers im September 2012 von einer ausgeprägt verzweifelt-ängstlich-hoffnungslosen Stimmung bei bestehender Suizidalität berichtet. Die Erkrankung habe sich sukzessive seit 15 Jahren bis hin zu der nunmehr feststellbaren schweren ängstlich-depressiven Dekompensation einer Psychoneurose mit ängstlichen, depressiven, narzistischen, paranoiden, emotional instabilen und abhängigen Strukturmerkmalen mit Somatisierung im Sinne einer larvierten Depression mit im Vordergrund stehendem generalisierten Schmerzsyndrom entwickelt. Dies erfordere eine möglichst intensive psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung, ohne die Chancen einer Besserung sicher einschätzen zu können. Das Leistungsvermögen liege unter drei Stunden täglich. Der festgestellte Gesundheitszustand bestehe nach Aktenlage mindestens seit Juli 2007 mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und im Einklang mit den hausärztlichen Befunden.

Nach Einwendungen durch die Beklagte hat das Sozialgericht nach Beiziehung eines Behandlungsberichts der Abteilung für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie W. über die stationäre Behandlung vom 20.09.2013 bis 04.10.2013 (Entlassung nach Stabilisierung des psychischen Zustandes) ein Gutachten nach Aktenlage durch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie O.-P. eingeholt. In ihrem Gutachten von Mai 2014 ist sie von einer beim Kläger bestehenden posttraumatischen Verbitterungsstörung sowie einer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ausgegangen, ohne dass diese bisher einer suffizienten Therapie zugeführt worden seien. Eine Verschlechterung der Symptomatik sei insbesondere nach Trennung der Ehefrau eingetreten. Aktuell sei der Kläger nicht leistungsfähig. Allerdings sei davon auszugehen, dass die Störung einer Behandlung grundsätzlich zugänglich und mithin eine Besserung bei entsprechender intensiver psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung möglich sei.

Daraufhin hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis (Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.11.2012 bis 31.10.2015, ausgehend von einem Versicherungsfall am 03.04.2012 = Auszug der Ehefrau) abgegeben, das der Kläger angenommen hat. Mit Bescheid vom 14.12.2015 hat die Beklagte dieses Teilanerkenntnis ausgeführt. Den Weitergewährungsantrag hat sie mit Bescheid vom 09.03.2016 und Widerspruchsbescheid vom 13.10.2016 abgelehnt. Dieser Streit ist beim Senat unter dem Az. L 10 R 926/18 anhängig.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.07.2015 hat das Sozialgericht Freiburg die über das angenommene Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen. Insbesondere lasse sich ein vor April 2014 eingetretener Versicherungsfall nicht feststellen. Der von Dr. K. genannte Versicherungsfall Juli 2007 entspreche formal dem Eintritt der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, ohne dass sich hier eine rentenrelevante Änderung des Leistungsvermögens feststellen lasse. Insbesondere sprächen auch die dokumentierten Behandlungsmaßnahmen in der Zeit von 2007 und 2008 gegen eine damals bereits bestehende Leistungsminderung. Ebenso habe auch Dr. S. in seinem Gutachten von Oktober 2009 und Dipl.-Med. G. im Gutachten im Oktober 2010 eine rentenrelevante Leistungsminderung nicht feststellen können. Die Trennung von der Ehefrau am 03.04.2012 sei hingegen als nachvollziehbarer erheblicher Einschnitt anzusehen, der eine deutliche Verschlechterung bewirkt habe. Ein früherer Versicherungsfall lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen.

Am 27.07.2015 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass seine Ärzte bereits 2009 zu einer Berentung geraten hätten. Auch sei er bereits seit August 2010 als Schwerbehinderter anerkannt. Außerdem bestünden neben der schweren Depression, die ihn seit Anfang 2008 begleite, auch seit langem vielfältige orthopädische Erkrankungen am Ober- und Unterkörper.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 06.07.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2011 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.08.2010 bis 31.10.2012 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend hat der Senat den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. , der den Kläger erstmals im Mai 2013 behandelt hat, als sachverständigen Zeugen befragt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 11.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2011, mit dem die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ablehnte, allerdings ausweislich des im Berufungsverfahren ausdrücklich gestellten Antrages (Bl. 141, 151a LSG-Akte) nur in Bezug auf die Zeit vom 01.08.2010 (Monat der Rentenantragstellung) bis 31.10.2012.

Das Sozialgericht hat diese Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2011 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise bei Berufsunfähigkeit, für die Zeit vom 01.08.2010 bis 31.10.2012.

Das Sozialgericht hat in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch SGBVI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der für den Klageerfolg erforderliche Nachweis eines vor April 2012 eingetretenen Versicherungsfalls nicht durch die Ausführungen von Dr. K. erbracht wird, da sich sein Gutachten weder mit zeitlich früheren medizinischen Unterlagen, denen ein vollschichtiges Leistungsvermögen zu entnehmen ist (jeweils nach Reha-Aufenthalten November/Dezember 2007 im Klinikzentrum M. und August/Oktober 2008 im Klinikzentrum L. sowie nach den Gutachten von Dr. S. im Oktober 2009 und Dipl.-Med. G. im November 2010) noch mit der Einschätzung des Hausarztes, der im Januar 2008 noch eine innerbetriebliche Umsetzung des Klägers befürwortete (Bl. 39 med. Teil VwA), kritisch auseinandersetzt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die attestierte Arbeitsunfähigkeit, die Dr. K. als allein maßgebenden Anknüpfungspunkt für den Eintritt des Versicherungsfalls hervorhebt, für die hier zu beurteilende Frage der Erwerbsminderung nicht von entscheidender Bedeutung ist. Denn während sich die Arbeitsunfähigkeit nach der arbeitsvertraglich geschuldeten, zuletzt ausgeübten Arbeit richtet (BSG, Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R in SozR 4-2500 § 44 Nr. 7), sind Maßstab für die Frage der Erwerbsminderung die üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei es ausreicht, wenn leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden arbeitstäglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Deshalb kommt es für die Frage der Erwerbsminderung nicht darauf an, ob wegen Krankheit oder Behinderung Behandlungsbedürftigkeit oder - auch häufige - Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 31.10.2002, B 13 R 107/12 B in SozR 4-2600 § 43 Nr. 19). Vorliegend ist dabei zu berücksichtigen, dass der Kläger in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Lagerarbeiter bis 2007 nach eigenen Angaben (im Reha-Entlassungsbericht des Klinikzentrums L. ) ständig Lasten von 40 kg und mehr heben und tragen musste, Arbeiten mit einer hohen Verantwortung ausführte, unter Zeitdruck arbeitete und mit Führungsaufgaben bei ständiger Konzentration betraut war. Entsprechend wurde die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 18.07.2008 (Patientendokumentation Bl. 306 med. Teil VwA) wegen Schmerzen und Schwellungen in den Fußgelenken und Wirbelsäulenbeschwerden bezogen auf die berufsbedingte schwere körperliche Tätigkeit (40 kg schwere Einheiten verpacken und anheben) ausgestellt. Im weiteren Behandlungsverlauf dokumentierte Dr. N. bei der Ausstellung von AU-Folgebescheinigungen ausschließlich arbeitsplatzbezogene Leistungshindernisse (Konflikte mit dem Arbeitgeber, versuchte Arbeitsplatzwechsel und angedachte stufenweise Wiedereingliederungsversuche). Eine rentenrelevante Leistungsminderung bezogen auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wird damit gerade nicht attestiert.

Vor diesem Hintergrund und insbesondere der von der Beklagten eingeholten Gutachten ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger jedenfalls im hier streitigen Zeitraum in der Lage war, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Er war daher im streitigen Zeitraum nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3, § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Zugunsten des Klägers legt der Senat dabei die von Dr. S. und Dipl.-Med. G. und im Reha-Entlassungsbericht des Klinikzentrums L. beschriebenen Leistungseinschränkungen für längerdauernde Zwangshaltungen des Rumpfes und der Wirbelsäule, Arbeiten in überwiegend kniender oder hockender Haltung, ständiges Gehen, Stehen oder Sitzen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und mit besonders hoher Unfallgefahr, Nachtschicht, Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, überdurchschnittlicher Stressbelastung mit überdurchschnittlichen Anforderungen an die Flexibilität und Umstellungsfähigkeit und mit Verantwortung für Menschen zu Grunde.

Selbst ein im Jahre 2007 oder 2008 zugunsten des Klägers angenommener Versicherungsfall - den der Senat unter Würdigung der Reha-Entlassungsberichte des Klinikzentrums M. -grund von 2007 (Bl. 71 ff. med. Teil VwA) und des Klinikzentrums L. aus 2008, nach denen der Kläger vollschichtig leistungsfähig war, nicht als nachgewiesen erachtet - nicht zu einem Rentenanspruch ab Antragstellung (01.08.2010) führen. Hierbei ist maßgebend, dass nach § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI eine Rente aus eigener Versicherung von dem Monat an geleistet wird, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Nach § 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI wird bei späterer Antragstellung die Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Danach würde eine in 2007 oder 2008 eingetretene rentenrelevante Erwerbsminderung nur dann einen Rentenanspruch ab August 2010 auslösen können, wenn die Erwerbsminderung zu diesem Zeitpunkt noch vorlag. Hiergegen sprechen jedoch, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat, die auf der persönlichen Untersuchung des Klägers beruhenden gutachterlichen Ausführungen von Dr. S. Ende Oktober 2009, der keine rentenrelevante Leistungseinschränkung bei einer lediglich leicht- bis mittelgradig ausgeprägten rezidivierenden depressiven Störung feststellen konnte. Bestätigt wird dieses positive Restleistungsvermögen nachfolgend durch die gutachterlich erhobenen Befunde von Dipl.-Med. G. auf Grund einer persönlichen Untersuchung des Klägers am 27.10.2010, der eine aktuelle depressive Störung bei deutlicher tendenziöser Ausgestaltung im Rahmen eines Rentenbegehrens ausschloss. In der Gutachtenssituation selbst beschrieb er den Kläger, der dem drei Stunden andauernden Gespräch uneingeschränkt folgen konnte, als umfassend orientiert, in Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen seiner Vorbildung und seinem Alter entsprechend, ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen. Der Kläger wird als ausreichend emotional schwingungsfähig ohne Affektlabilität bzw. Affektinkontinenz und ohne suizidale Tendenzen beschrieben, was gegen eine geminderte Erwerbsfähigkeit spricht. Darüber hinaus lässt sich eine - zwischenzeitliche - rentenrelevante Verschlechterung des psychischen Erkrankungsbildes nach der Begutachtung von Dr. S. im Oktober 2009 auch nicht dem Bericht der Nervenärztin Dr. S.-W. (aus Dezember 2009, Bl. 78 SG-Akte) entnehmen, bei der sich der Kläger dreimal im Oktober und Dezember 2009 vorstellte. Zwar veranlasste Dr. S.-W. am 18.12.2009 wegen des Verdachts auf akute Eigen- und Fremdgefährdung (nach einer schriftlichen Drohung mit einem erweiterten Suizid gegenüber einer Mitarbeiterin der Bundesagentur für Arbeit) die stationäre Einweisung des Klägers in das Klinikum N ... Dem dortigen Bericht (Bl. 74 SG-Akte) ist jedoch zu entnehmen, dass keine Suizidgefahr erkennbar war und daher die Entlassung bereits vier Tage später erfolgen konnte. Im psychischen Befund wird der Kläger als vollständig orientiert, freundlich und sehr redebedürftig bei ungestörter Konzentration und Aufmerksamkeit, intakter Auffassungsgabe, unauffälliger Vigilanz und Gedächtnis beschrieben. Als Therapie wurde eine nachfolgende stationäre Aufnahme zur weiteren Behandlung in der zum Klinikum N. gehörenden Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in L. für Mitte Januar 2010 geplant. Nach dem dortigen Aufnahmegespräch am 13.01.2010 wurde dann jedoch durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. eine stationäre Aufnahmeindikation bei deutlichen Aggravations- und Ausgestaltungstendenzen im Sinne einer Begehrenshaltung verneint. So habe der Kläger von Dr. G. ein "fundiertes Attest" für die Rentenversicherung gefordert, dass er "wegen der Depressionen nicht arbeiten" könne (Bl. 130 med. Teil VwA). Eine rentenrelevante Leistungsminderung lässt sich hieraus nicht ableiten, zumal seitens des Klägers trotz der unmittelbar vorangegangenen stationären Akutbehandlung auch kein entsprechender Leidensdruck für eine zumindest ambulante Behandlungsfortsetzung (keine Wiedervorstellung bei Dr. S.-W. ) bestand. Überdies findet sich in der Patientendokumentation vom 23.02.2010 durch Dr. N. der Eintrag, dass der Kläger von ihm ein ärztliches Attest verlangt habe, allerdings über dessen Aussagerichtung im Zweifel gewesen sei (Rente oder Arbeitsfähigkeit). Nach dem Eindruck von Dr. N. erkannte der Kläger zu diesem Zeitpunkt selbst, dass es ihm psychisch bessergehen würde, wenn er einer Arbeit nachginge, was jedoch an einer aktuellen Beschäftigungsmöglichkeit scheitere. Auch dies spricht gegen das Vorliegen einer rentenrelevanten Leistungsminderung. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keine Veranlassung, das von Dr. S. und Dipl.-Med. G. attestierte vollschichtige Leistungsvermögen in Zweifel zu ziehen.

Auch für die Zeit nach der Begutachtung durch Dipl.-Med. G. bis zum von der Beklagten anerkannten Versicherungsfall am 03.04.2012 lässt sich anhand der medizinischen Unterlagen keine rentenrelevante Verschlechterung des psychischen Zustandes beim Kläger nachweisen, sodass der Senat das von Dipl.-Med. G. angenommene Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auch für die Zeit nach Oktober 2010 zu Grunde legt. Soweit Dr. N. in seiner sachverständigen Zeugenaussage von September 2011 von einer wesentlichen Verschlechterung der Depression in den letzten drei Jahren ausgeht, ist dies für den Senat vor dem Hintergrund, dass Dr. N. den Kläger nach eigenen Angaben seit Juni 2010 nicht mehr persönlich gesehen und untersucht hat und Dipl.-Med. G. im Oktober 2010 auf Grund einer persönlichen Untersuchung des Klägers ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigte, nicht nachvollziehbar. Zudem führt auch der klägerische Vortrag, dass Dr. N. die Berentung seit Jahren befürworte, zu keiner abweichenden Beurteilung. Allein der Umstand, dass Dr. N. das prozessuale Begehren des Klägers als behandelnder Arzt durchgängig u. a. mit einer Vielzahl von Attesten unterstützt, ist kein relevanter Aspekt für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsminderung. Denn maßgebend für die Überzeugungsbildung des Senats ist nicht die Auffassung der einzelnen behandelnden Ärzte, sondern maßgebend sind die jeweils erhobenen Befunde, die medizinisch fundierte Darstellung, deren funktionelle Auswirkungen und die begründete Beschreibung des verbliebenen Leistungsvermögens. Konkrete Befunde für die Zeit nach Juni 2010 hat Dr. N. bereits auf Grund fehlender persönlicher Untersuchung des Klägers nicht mitteilen können. Seine Leistungsbeurteilung stützt er vielmehr pauschal auf die seiner Auskunft beigefügten Berichte, u.a. die oben erwähnten des Klinikums N ... Seine Annahme einer seit 2009 bestehenden rentenrelevanten Leistungsminderung ist aber durch die oben dargelegten medizinischen Unterlagen (Gutachten Dr. S. und Dipl.-Med. G. , stationäre und ambulante psychiatrische Behandlungen Klinikum N. , Reha-Entlassungsberichte 2007 und 2008) widerlegt. Auch die vom Senat eingeholte sachverständige Zeugenaussage des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. führt nicht weiter, weil er den Kläger erstmals im Mai 2013 behandelte.

Soweit der Kläger meint, die seit August 2010 zuerkannte Schwerbehinderteneigenschaft wiese eine bestehende rentenrelevante Leistungsminderung nach, trifft dies nicht zu. Weder die Schwerbehinderteneigenschaft noch ein konkreter Grad der Behinderung unter Anerkennung von psychiatrischen Erkrankungsbildern sind für das vorliegende Verfahren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung von entscheidender Bedeutung. Der Umstand, dass beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt ist, ist für das vorliegende Verfahren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung ohne entscheidende Bedeutung. Denn die Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht besitzt für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Rahmen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung keine anspruchsbegründende Bedeutung (BSG, Beschluss vom 09.12.1987, 5b BJ 156/87, in juris), weil sich die Voraussetzungen für die Beurteilung des Grades der Behinderung (vgl. § 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch: Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft) von jenen für die Beurteilung einer Erwerbsminderung (vgl. z.B. § 43 Abs. 3 SGB VI: Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten) maßgeblich unterscheiden. Deshalb kommt der Schwerbehinderteneigenschaft eines Versicherten hinsichtlich seiner zumutbaren beruflichen Einsetzbarkeit keinerlei Aussagekraft zu (BSG, Beschluss vom 19.09.2015, B 13 R 290/15 B, in juris).

Soweit der Kläger darüber hinaus den Eintritt eines Versicherungsfalls vor dem 03.04.2012 mit seinen orthopädischen Erkrankungsbildern begründet (Bl. 3, 166 LSG-Akte), folgt ihm der Senat ebenfalls nicht. Hierbei stützt sich der Senat auf die orthopädischen Befunde des Reha-Entlassungsberichts des Klinikzentrums M. von Dezember 2007 und dem daraus zu entnehmenden vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten unter qualitativen Leistungseinschränkungen. Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch den Bericht des Klinikzentrums L. aus Oktober 2008. Eine Verschlechterung des dort festgehaltenen orthopädischen Befundes hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt vorgetragen. Hierzu korrespondierend hat der behandelnde Orthopäde Dr. V. im September 2011 mitgeteilt, dass er den Kläger letztmalig im Mai 2009 behandelt habe. Auch der Behandlungsdokumentation von Dr. N. ist kein rentenrelevanter orthopädischer Befund entnehmen. Schließlich dokumentierte Dipl.-Med. G. im Oktober 2010 keine auffälligen Bewegungseinschränkungen im Bereich der HWS, keine Beweglichkeitseinschränkungen im Bereich der BWS/LWS und keine pathologischen Beweglichkeitseinschränkungen der Gelenke. Die Körperhaltung ist als aufrecht bei regelrechter Mitbewegung der Arme beim Gehen beschrieben. Das Gangbild war sicher und raumgreifend. Sowohl Fersen- als auch Zehengang waren beidseits sicher durchführbar ebenso wie monopedales Hüpfen beidseits sicher. Eine Verminderung der groben Kraft im Bereich der oberen und unteren Extremitäten stellte er nicht. Unter Würdigung dieser Befunde vermag der Senat keine rentenrelevanten orthopädisch bedingten Leistungseinschränkungen abzuleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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